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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 21.07.2006
Aktenzeichen: 1 Q 9/06
Rechtsgebiete: SWG


Vorschriften:

SWG § 49 Abs. 1
SWG § 50
SWG § 50 a
Bei in Hanglage anfallendem und als Oberflächenwasser ins Tal fließendem Niederschlagswasser handelt es sich nach saarländischem Wasserrecht nicht um "abzuführendes Wasser" im Sinne der Rechtsprechung zur Notwendigkeit gemeindlicher Überschwemmungsschutzmaßnahmen, weil dieses Oberflächenwasser nach den §§ 50, 50 a und 49 Abs. 1 SWG nicht der gemeindlichen Abwasserbeseitigungspflicht unterliegt.

Verändert die Gemeinde den natürlichen Wasserabfluss des in Hanglage anfallenden Oberflächenwassers, so muss sie durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass hieraus keine nachhaltigen Betroffenheiten privater Grundstückseigentümer entstehen.


Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Dezember 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 11 K 4/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Das Verwaltungsgericht hat der auf Verurteilung zur Durchführung geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung des Zuflusses von Oberflächenwasser auf die am Rande des Ortsteils O der Beklagten gelegenen Hausgrundstücke W-straße 11 und 11 a und auf die oberhalb gelegenen Wiesengrundstücke Gemarkung "In der Lampedell", Flur ..., Parzellen Nrn. .../1, .../2 und ... gerichteten Klage teilweise stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, aus § 1004 BGB und der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten leite sich ein Anspruch des Klägers auf Umgestaltung des an der Wegekreuzung am Hochrech im Waldgebiet über der W-straße befindlichen Rohrdurchlasses her. Der Kläger könne verlangen, dass der Rohrdurchlass in der Weise geschlossen werde, dass sowohl vor dem Rohrdurchlass (bergseitig) als auch nach dem Rohrdurchlass (talseitig) jeweils eine Sickerpackung angelegt wird und der Rohrdurchlass nur noch als Überlauf der bergseitig gelegten Sickerpackung dient. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und der derzeitigen Entwässerungssituation fest, dass es der Beklagten zwecks Vermeidung der Verstärkung eines künstlichen Wasserzuflusses auf die Grundstücke des Klägers obliege, das Wasser aus dem an dieser Stelle endenden Entwässerungsgraben zur Versickerung zu bringen; der vorhandene Rohrdurchlass dürfe nur noch als Überlauf der bergseitigen zur talseitigen Sickerpackung genutzt werden.

Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Kläger könne die Durchführung weiterer Schutzmaßnahmen weder hinsichtlich dieses Einzugsgebiets noch zur Vermeidung des Zuflusses von Oberflächenwasser aus Richtung W auf seine Grundstücke verlangen. Der Anspruch des Grundstückseigentümers gegen die Gemeinde auf Schutz seines Grundstückes vor zufließendem Oberflächenwasser sei auf die Durchführung notwendiger und zumutbarer Maßnahmen begrenzt. Er müsse nur vor Gefahren geschützt werden, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen und sich nicht schon aus der Natur der Sache ergeben.

Der begehrten Herstellung einer Verbindung zwischen dem an der Wegekreuzung am Hochrech endenden Entwässerungsgraben und dem jenseits des einmündenden Weges beginnenden, vor wenigen Jahren nachgefrästen Graben stehe nach den gutachterlichen Feststellungen entgegen, dass im Falle eines solchen Durchstiches nachteilige Auswirkungen auf Grundstücke anderer Eigentümer an anderer Stelle nicht auszuschließen wären. Der Kläger könne auch nicht verlangen, dass - das im Falle des gewünschten Durchstiches umgeleitete (vgl. Gutachten Seite 14 "eine Ableitung dieses Wassers") - Oberflächenwasser entlang des Feldweges (Wegeparzelle 53/2) durch einen Graben oder eine Rohrleitung zur öffentlichen Kanalisation in der W-straße geleitet wird, da dies weder wirtschaftlich sinnvoll noch effektiv wäre und im Übrigen den heutigen wasserwirtschaftlichen Grundsätzen widerspräche. Schutzmaßnahmen an der südwestlich der Wegekreuzung am Hochrech befindlichen Sickerpackung mit Überlauf in eine talseitige "Zinkwanne" könne der Kläger aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht beanspruchen, da von hier aus nach den Feststellungen des Gutachters nur bei sehr starkem Regen Wasser auf sein Grundstück zulaufe und die hierdurch bedingte Überschwemmungsgefahr sich nach Erinnerung seiner auf dem Grundstück aufgewachsenen Ehefrau erst einmal realisiert habe.

Hinsichtlich des Oberflächenwassers, das aus Richtung W auf seine Grundstücke zufließe, bestehe kein Anspruch gegen die Beklagte auf Maßnahmen zur Verminderung des Zuflusses. Seine Hausgrundstücke seien infolge des Gefälles des zu seinen Anwesen hin abschüssigen Wiesengeländes und einer dort befindlichen Mulde mit Ausrichtung genau auf sein Haus Nr. 11 a und damit situationsbedingt durch die topografische Lage erheblich überschwemmungsgefährdet. Dies sei dem Kläger vor Erstellung besagten Wohnhauses bekannt gewesen. Ein Grundstück von - lagebedingt - schadensgeneigter Beschaffenheit begründe für den Eigentümer eine schwächere Rechtsposition als ein Grundstück, dem diese Schadensneigung fehle. Es könne lediglich gefordert werden, nachteilige Maßnahmen, die die Situation zusätzlich verschärfen, zu unterlassen beziehungsweise zu beseitigen. Hinzu komme vorliegend, dass sich die klägerseits durchgeführten Eigenschutzmaßnahmen als nicht ausreichend und nicht fachgerecht erwiesen hätten. Zudem gehörten dem Kläger die im abschüssigen Wiesengelände gelegenen Grundstücke Parzellen Nrn. .../1, .../2 und ..., auf denen er selbst die Möglichkeit habe, Überschwemmungsschutzmaßnahmen durchzuführen. Verzichte er auf optimalen Selbstschutz, so mindere dies den Umfang der der Beklagten zuzumutenden Schutzmaßnahmen beträchtlich. Nach alledem beschränke sich sein Abwehranspruch darauf, dass die Beklagte seinem Anwesen keine zusätzlichen Wassermengen künstlich zuführen dürfe, weswegen sie wie geschehen zu verurteilen sei.

Der Kläger hält die der Beklagten auferlegte Maßnahme für unzureichend und meint, die Durchführung weiterer Schutzmaßnahmen beanspruchen zu können.

2. Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen im Schriftsatz des Klägers vom 3.3.2006 gibt keine Veranlassung, das angegriffene Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Unter Zugrundelegung der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch ist dargelegt, dass sie von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Die Annahme des Klägers, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils lägen vor, weil das Verwaltungsgericht bei der Umsetzung des Sachverständigengutachtens verkannt habe, dass der Sachverständige die Schließung des Rohrdurchlasses an der Kreuzung am Hochrech unter gleichzeitiger Herstellung eines Durchstiches zu den in horizontaler Richtung vorhandenen Seitengräben des sich an die Kreuzung anschließenden Weges als geeignete Maßnahme befürwortet habe, entbehrt der Grundlage. Das Verwaltungsgericht hat diese Möglichkeit in Betracht gezogen, aber verworfen, weil ihre Verwirklichung nach den zutreffend wiedergegebenen Feststellungen des Sachverständigen nur eine Verlagerung des Problems bewirken würde und nachteilige Auswirkungen auf Grundstücke anderer Eigentümer an anderer Stelle nicht ausgeschlossen werden könnten. Insofern beruht die Argumentation des Klägers, nicht diejenige des Verwaltungsgerichts, auf einem Fehlverständnis der gutachterlichen Ausführungen.

Ebenso wenig trifft die Behauptung zu, dass die Beeinträchtigung seiner Grundstücke bei Verwirklichung der der Beklagten auferlegten Schutzmaßnahme unverändert bliebe, weil nur eine zeitliche Verzögerung des Wasserzuflusses auf seine Hausgrundstücke bewirkt würde. Die Umgestaltung des vorhandenen Rohrdurchlasses in einen Überlauf und die Anlegung einer bergseitigen und einer talseitigen Sickerpackung im Bereich der Wegekreuzung wurde vom Sachverständigen ausdrücklich als geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verhinderung des Wasserabflusses von dieser Stelle in Richtung des Grundstücks des Klägers vorgeschlagen. Zweifel an der Eignung und Effektivität der der Beklagten aufgegebenen Maßnahme lassen sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht herleiten. Regenwasser, das noch auf dem Hang zur Versickerung gebracht wird, kann nicht mehr - auch nicht mit zeitlicher Verzögerung - als Oberflächenwasser auf die Grundstücke des Klägers zuströmen.

Auch dem Bestimmtheitsgrundsatz ist Rechnung getragen. Nach dem Tenor ist die auferlegte Schutzmaßnahme so durchzuführen, dass das Wasser aus dem an besagter Stelle endenden Entwässerungsgraben durch Anbringung einer bergseitigen und einer talseitigen Sickerpackung zur Versickerung gebracht wird. Diese Umschreibung der durchzuführenden Arbeiten genügt den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Insbesondere war es unter den gegebenen Umständen nicht Sache des Gerichts, der Beklagten Vorgaben hinsichtlich Größe und technischer Ausgestaltung der Sickerpackungen zu machen. Erforderlichenfalls muss die Beklagte sachverständigen Rat einholen, um sicher zu stellen, dass die anzubringenden Sickerpackungen ausreichend dimensioniert sind, um die ihr auferlegte Versickerung des aus dem Graben austretenden Oberflächenwassers zu gewährleisten. Dass die Sickerpackungen von ihrer Leistungsfähigkeit her auf die Versickerung dieses Wassers ausgelegt sein müssen, wird bestätigt durch die erläuternden Darlegungen in den Entscheidungsgründen und wird auch seitens der Beklagten ausweislich ihres Schriftsatzes vom 27.3.2006 anerkannt.

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Verwaltungsgericht einen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch des Klägers auf Vornahme weiterer Sicherungsmaßnahmen verneint hat. Nach der beiderseits in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes und der Verkehrssicherung verpflichtet, die am Rande ihres Baugebiets gelegenen Wohngrundstücke im Rahmen des Zumutbaren vor Überschwemmungen zu schützen. Inwieweit Schutzmaßnahmen notwendig und zumutbar sind, bestimmt sich dabei unter Berücksichtigung der Menge des abzuführenden Wassers, der örtlichen - insbesondere der topografischen - Gegebenheiten, der Wasserführung - vorliegend der natürlichen Abflussverhältnisse -, der Wahrscheinlichkeit und des Ausmaßes eines zu befürchtenden Schadens im Verhältnis zur Durchführbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Abwehrsystemen.

Die eingangs zusammengefasste fallbezogene Umsetzung dieser Kriterien durch das Verwaltungsgericht unterliegt weder vom Ergebnis noch von der Argumentation her den klägerseits behaupteten rechtlichen Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass ein Grundstück von - lagebedingt - schadensgeneigter Beschaffenheit nach gefestigter Rechtsprechung für den Eigentümer eine schwächere Rechtsposition begründet als ein Grundstück, dem diese Schadensneigung fehlt. Hinsichtlich des Oberflächenwassers, das auf dem W anfällt und talwärts in Richtung der Hausgrundstücke des Klägers fließt, darf nicht verkannt werden, dass es sich um infolge der topografischen Gegebenheiten natürlich abfließendes Oberflächenwasser handelt, das der gemeindlichen Abwasserbeseitigungspflicht nicht unterfällt. Nach den §§ 50, 50 a und 49 Abs. 1 SWG umfasst die Abwasserbeseitigungspflicht der Beklagten das in ihrem Gemeindegebiet anfallende Schmutzwasser sowie das von den Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser (Niederschlagswasser). Bei dem Oberflächenwasser des Ws handelt es sich daher nicht um "abzuführendes Wasser" im Sinne der zitierten Rechtsprechung. Allein der Umstand, dass die Beklagte bauplanungsrechtlich und durch Genehmigungserteilung im Einzelfall die Bebauung der Talsohle im Bereich der Grundstücke des Klägers zugelassen hat, begründet keine Schutzpflicht dergestalt, dass die natürlichen Gegebenheiten gemeindlicherseits durch Drainierung der umliegenden Hänge grundlegend umgestaltet werden müssten. In wasserwirtschaftlicher Hinsicht tritt hinzu, dass die Einleitung von Oberflächenwasser in die Kanalisation zur Aufrechterhaltung des natürlichen Wasserkreislaufes weitestmöglich vermieden werden muss. Dass eine grundsätzliche Rechtspflicht der Gemeinden bestehen könnte, zum Schutze ihrer Baugebiete auf angrenzenden Hängen - ungeachtet der dortigen Eigentumsverhältnisse - mehr oder weniger flächendeckend Sickerpackungen oder Drainagerohre zur Minimierung des abfließenden Oberflächenwassers zu verlegen, erschließt sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch wird eine solche Pflicht in der Rechtsprechung diskutiert.

Auch die Einschätzung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, die Schließung des bezeichneten Rohrdurchlasses sei erforderlich, aber allein zur Minimierung des Wasserzuflusses nicht ausreichend, bietet insoweit keinen Ansatzpunkt für das Bestehen diesbezüglicher gegen die Beklagte gerichteter Ansprüche des Klägers. Dass weitere Maßnahmen im Hangbereich des Ws erforderlich sind, bedeutet nicht, dass die Beklagte die Rechtspflicht trifft, sie zu verwirklichen. Insbesondere ist es dem Kläger unbenommen, auf seinen großflächigen hanglagigen Wiesengrundstücken mit den Parzellenbezeichnungen 20/1, 20/2 und 22 selbst Maßnahmen zur Versickerung des dort anfallenden Oberflächenwassers zu ergreifen.

Weitere Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils werden klägerseits nicht geltend gemacht.

Ebenso wenig ist in seiner Antragsbegründung dargelegt, aus welchen Gründen er die Zulassungsgründe des §§ 124 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 VwGO als gegeben erachtet.

Schließlich ist seinen Ausführungen auch nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die auf § 155 Abs. 1 VwGO gestützte Kostenentscheidung dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens beziehungsweise Unterliegens nicht Rechnung tragen sollte.

Nach alledem unterliegt der Antrag vollumfänglich der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Den Streitwert im Zulassungsverfahren in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 47 Abs. 3 GKG auf 10.000,- Euro, was der Hälfte des erstinstanzlichen Streitwertes entspricht, festzusetzen, beruht auf der Erwägung, dass der in 1. Instanz auf 20.000,- Euro bestimmte Streitwert bezogen auf den dortigen Streitstoff auch aus Sicht des Senats bedeutungsangemessen und die erstinstanzliche - ein in etwa gleiches Obsiegen beziehungsweise Unterliegen voraussetzende - Kostenentscheidung sachlich nicht zu beanstanden ist.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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