Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 02.06.2004
Aktenzeichen: 1 W 13/04
Rechtsgebiete: VwGO, SPersVG, BPersVG


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
SPersVG § 80 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 5
BPersVG § 76 Abs. 1 Nr. 4
1. Ist mit der Umsetzung eines Beamten für eine Dauer von mehr als drei Monaten ein Wechsel des Dienstortes verbunden, bedarf es der Zustimmung des Personalrats.

2. Nach dem saarländischen Personalvertretungsrecht ist mit dem Begriff "Dienstort" die politische Gemeinde des Sitzes der Dienststelle gemeint und nicht - wie etwa im Bundesrecht - das Einzugsgebiet im Sinne des Umzugskostenrechts.

3. Die in personalvertretungsrechtlicher Hinsicht rechtswidrige Umsetzung gebietet ausnahmsweise die Bejahung eines Anordnungsgrundes.

4. Die Rückumsetzung ist auch dann möglich, wenn der durch die Umsetzung frei gewordene Dienstposten zwischenzeitlich mit einem anderen Beamten besetzt worden ist.


Tenor:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 5. März 2004 - 12 F 98/03 - wird dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller vorläufig wieder die Stelle des Revierleiters des Forstreviers ... im Regionalbetrieb ... zu übertragen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Mit Schreiben des Antragsgegners vom 17.3.2003 war der Antragsteller bis auf Weiteres von seiner Tätigkeit als Revierleiter des Forstreviers ... im Regionalbetrieb ... entbunden worden. Nachdem mit Disziplinarverfügung des Ministeriums für Umwelt vom 16.10.2003 gegen den Antragsteller ein Verweis ausgesprochen worden war, entband ihn der Antragsgegner gemäß Schreiben vom 18.11.2003 von der Stelle des Revierleiters des Forstreviers ... und wies ihn gleichzeitig vorläufig der Abteilung ... der Betriebszentrale in S... (...) zu, verbunden mit dem Hinweis, dass über seine weitere Verwendung zu gegebener Zeit entschieden werde.

Durch Beschluss vom 5.3.2004 - 12 F 98/03 - hat das Verwaltungsgericht das auf die Verpflichtung des Antragsgegners gerichtete Begehren zurückgewiesen, den Antragsteller vorläufig wieder mit den Dienstaufgaben des Revierleiters des Forstreviers ... zu betrauen.

II. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Senat hält seine mit Verfügungsschreiben vom 16.4.2004 geäußerten Zweifel am rechtzeitigen Eingang der Beschwerdebegründung nicht (mehr) für durchgreifend. Die Beschwerdebegründung betreffend das vorliegende Verfahren 1 W 13/04 ist per Fax am 13.4.2004 (Dienstag nach Ostern) beim Oberverwaltungsgericht eingegangen und damit, da der angegriffene Beschluss dem Antragsteller am 12.3.2004 zugestellt worden war, noch rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgt. Dass das entsprechende Fax-Schreiben von der Geschäftsstelle des Senats in die Akte des Parallelverfahrens 1 W 12/04 eingeheftet wurde, ist unschädlich. Da dieser Schriftsatz, wie der darauf dokumentierte Übersendungszeitpunkt (Datum und exakte Zeitangabe) zeigt, um 16.01 Uhr gefaxt worden ist, wohingegen der das Parallelverfahren 1 W 12/04 betreffende Begründungsschriftsatz bereits um 15.47/15.48 Uhr gesendet worden war, kann er nicht zwingend als unselbstständige Anlage des zuerst übermittelten Schriftsatzes angesehen werden. Vielmehr stellt er nach Form und Inhalt die Begründung der Beschwerde in der Sache 1 W 13/04 dar. Eine andere, hier nicht entscheidungserhebliche Frage ist es, ob in dem Verfahren 1 W 12/04 infolge der dann - entgegen dem Textinhalt - nicht beigefügten Beschwerdebegründung 1 W 13/04 eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung erfolgt ist.

2. Dem Antragsteller steht derzeit ein Anspruch auf Rückumsetzung zu. Das folgt daraus, dass die umstrittene Umsetzung zum jetzigen Zeitpunkt eindeutig rechtswidrig ist und der entsprechende Mangel auch und gerade die Entbindung des Antragstellers von seiner bisherigen Funktion betrifft (sogenannte Wegsetzung).

Der Antragsgegner hätte für die Umsetzung des Antragstellers zur Abteilung ... der Betriebszentrale in S... die Zustimmung des Personalrats einholen müssen. Das ergibt sich aus § 80 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 5 SPersVG. Danach bestimmt der Personalrat in Personalangelegenheiten der Beamten mit bei "anderweitiger Verwendung in derselben Dienststelle für eine Dauer von mehr als drei Monaten, wenn damit ein Wechsel des Dienstortes verbunden ist".

Der Antragsgegner hat bisher kein Mitbestimmungsverfahren eingeleitet, weil er - wie sein Vorbringen in der Beschwerdeerwiderung vom 11.5.2004 (Seite 4) zeigt - eine Beteiligung der Personalvertretung im Falle des Antragstellers selbst bei einer dauerhaften Umsetzung nicht für erforderlich hält. Diese Auffassung entspricht indes nicht der Gesetzeslage.

Mit der Entbindung des Antragstellers von den Aufgaben des Revierleiters in Ottweiler und seiner Umsetzung zur Abteilung ... der Betriebszentrale in S... ist ein Wechsel des Dienstortes im Verständnis des § 80 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 5 SPersVG verbunden. Der Begriff "Dienstort" kann nicht anders interpretiert werden als allgemein im Bereich des öffentlichen Dienstrechts, wo mit ihm die politische Gemeinde des Sitzes der Dienststelle gemeint ist. Die Auffassung des Antragsgegners, dass zum Dienstort das Einzugsgebiet im Sinne des Umzugskostenrechts zu rechnen sei, entbehrt der rechtlichen Grundlage. Die Tatsache, das im BPersVG und einer Reihe von Landespersonalvertretungsgesetzen ausdrücklich das umzugskostenrechtliche Einzugsgebiet zum Dienstort zählt, berechtigt nicht zu einer dementsprechenden Auslegung von Landesrecht, in dem - wie im SPersVG - ein entsprechender Zusatz fehlt vgl. § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG, wo es im Klammerzusatz ausdrücklich heißt: "das Einzugsgebiet im Sinne des Umzugskostenrechts gehört zum Dienstort".

Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass der saarländische Gesetzgeber den "Dienstort" auf den Bereich des Einzugsgebiets hätte ausdehnen wollen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, wie der für Personalvertretungssachen - Land - zuständige Senat des hiesigen Oberverwaltungsgerichts unter Hinweis auf die Gesetzgebungshistorie des Personalvertretungsrechts auf der einen und des Umzugskostenrechts auf der anderen Seite nachgewiesen hat. Der beschließende Senat schließt sich insgesamt uneingeschränkt der eingehend und überzeugend begründeten Auffassung des 5. Senats - Fachsenat für Personalvertretungssachen - Land - des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes an vgl. Beschluss vom 1.2.2002 - 5 P 1/01 -, SKZ 2002, 294 Leitsatz 33, wo der gegenteiligen Ansicht in der Kommentierung vom Aufhauser/Brunhöber/Warga zum SPersVG zu Recht nicht gefolgt wird (vgl. § 80 Rn. 182 - für Angestellte - sowie Rn. 32 - für Beamte -).

Im Weiteren ist auch nicht zweifelhaft, dass der Tatbestand der anderweitigen Verwendung "für eine Dauer von mehr als drei Monaten" im Falle des Antragstellers erfüllt ist. Die Umsetzungsverfügung vom 18.11.2003 beinhaltet ihrem klaren Wortlaut nach eine dauerhafte Wegsetzung von dem Dienstposten des Revierleiters des Forstreviers .... Daran vermag das vage Inaussichtstellen der Übertragung einer anderen Revierleiterstelle nichts zu ändern.

Die mit Schreiben vom 18.11.2003 erfolgte Umsetzung des Antragstellers ist wegen des Fehlens der nach § 80 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 5 SPersVG erforderlichen Zustimmung des Personalrats rechtswidrig vgl. zur Rechtswidrigkeit beamtenrechtlicher Maßnahmen bei fehlender Beteiligung des Personalrats u.a. BVerwG, Urteile vom 1.12.1982 - 2 C 59/81 -, BVerwGE 66, 291 = NJW 1983, 2516 = ZBR 1983, 189 (auch keine Nachholung im Widerspruchsverfahren), vom 24.11.1983 - 2 C 27/82 -, BVerwGE 68, 197, und vom 28.8.1986 - 2 C 67/85 -, NVwZ 1987, 418 = ZBR 1987, 158 = DÖD 1987, 210.

Da der Personalrat bei Umsetzungen innerhalb der Dienststelle für eine Dauer von mehr als drei Monaten mitzubestimmen hat, kann der Dienstherr eine solche Maßnahme insgesamt nur mit dessen Zustimmung treffen. Schon darüber, ob der Beamte seinen bisherigen Dienstposten aufgeben soll, kann der Dienstherr ohne Zustimmung des Personalrats nicht entscheiden. Mithin kann die infolge unterbliebener Mitbestimmung des Personalrats fehlerhafte Umsetzung nur dadurch in einer dem Rechtsschutzanspruch des Beamten genügenden Weise rückgängig gemacht werden, dass der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt, das heißt dem Antragsteller sein früherer Dienstposten wieder übertragen wird. Andernfalls würde das Beteiligungsrecht des Personalrats in personellen Angelegenheiten, dessen Beachtung auch der einzelne Beamte verlangen kann, im Ergebnis unterlaufen. Erst von der Rückübertragung des alten Dienstpostens ausgehend darf der Dienstherr gegebenenfalls ein neues Umsetzungsverfahren unter Einschaltung des Personalrats - hier unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 5 SPersVG - durchführen vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.1986 - 2 C 20/84 -, BVerwGE 75, 138 = NVwZ 1987, 502 = DÖD 1987, 76 = ZBR 1987, 187.

3. Die in personalvertretungsrechtlicher Hinsicht - bisher - eindeutig rechtswidrige Umsetzung des Antragstellers gebietet ausnahmsweise die Bejahung eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 1 VwGO).

Dem Verwaltungsgericht ist allerdings beizupflichten, dass es in aller Regel im Verständnis des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht geboten erscheint, eine Umsetzung vorläufig rückgängig zu machen, weil es bei Personalmaßnahmen der in Rede stehenden Art im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung einem Beamten grundsätzlich zuzumuten ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Diese auch vom Senat gebilligte Auffassung hat aber regelmäßig zur Voraussetzung, dass sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei summarischer Prüfung nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen lässt, dass die Entbindung von den bisherigen Dienstaufgaben und die Übertragung eines neuen Aufgabengebiets offensichtlich oder doch zumindest mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sind vgl. u.a. Beschlüsse vom 3.11.1998 - 1 V 20/98 -, vom 6.9.2000 - 1 V 16/00 - und (zuletzt) vom 17.5.2004 - 1 W 15/04 -.

Bei der hier - wie aufgezeigt - angesichts gesicherter gerichtlicher Klärung der personalvertretungsrechtlichen Situation gegebenen zweifelsfreien Rechtswidrigkeit des vom Antragsgegner praktizierten Verfahrens gebietet gerade das Unterlaufen des Beteiligungsrechts des Personalrats die Bejahung der Dringlichkeit der vom Antragsteller begehrten Maßnahme in diesem Sinn bereits OVG Saarlouis, Beschluss vom 20.6.1985 - 3 W 1284/85 -, ZBR 1985, 315 (317 f.); vgl. zu einem vergleichbaren Sonderfall Beschluss des Senats vom 23.12.1993 - 1 W 104/93 -, ZBR 1995, 47.

4. Die Rückumsetzung des Antragstellers ist selbst dann möglich, wenn der Dienstposten des Revierleiters des Forstreviers ... - was dem Senat nicht bekannt ist - zwischenzeitlich bereits einem anderen Beamten übertragen worden sein sollte. Denn auch dieser Beamte hat ebensowenig wie der Antragsteller einen Anspruch auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen Amtes im funktionellen Sinne. Auch er kann nur verlangen, dass der Dienstherr über seinen Einsatz ermessensfehlerfrei entscheidet. Ist der Dienstherr - wie hier - verpflichtet, eine wegen fehlender Beteiligung des Personalrats rechtswidrige Umsetzung rückgängig zu machen, so handelt er gegenüber diesem Beamten nicht ermessensfehlerhaft, wenn er den Dienstposten - vorübergehend oder dauernd - wieder demjenigen Beamten überträgt, der ihn zuvor innehatte vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.1986 - 2 C 20/84 -, a.a.O..

Von daher war und ist übrigens für das Begehren des Antragstellers, die Stelle des Revierleiters im Forstrevier ... vorerst nicht (anderweitig) zu besetzen, wie es Gegenstand des Verfahrens 1 W 12/04 ist, ungeachtet des Ausgangs des vorliegenden Verfahrens kein Anordnungsgrund im Verständnis des § 123 Abs. 1 VwGO ersichtlich.

Was den angesprochenen Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung anbelangt, dem in der Mehrzahl der Fälle der Vorrang vor persönlichen Belangen des Beamten zukommt mit der Folge, dass diesem grundsätzlich zuzumuten ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, ist eine nachhaltige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einer reibungslosen Durchführung der Verwaltungsaufgaben im Fall der Rückumsetzung des Antragstellers nicht erkennbar. Muss der Antragsgegner die wegen mangelnder Zustimmung des Personalrats rechtswidrige Umsetzung des Antragstellers in vollem Umfang, das heißt durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes rückgängig machen, so ist er andererseits nicht daran gehindert, hieran anschließend erneut eine Umsetzung gleichen oder anderen Inhalts zu verfügen vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.1986 - 2 C 20/84 -, a.a.O., unter Hinweis auf Franz, ZBR 1986, 14 (15 f.), sowie den Beschluss des damals für das Beamtenrecht zuständigen 3. Senats des hiesigen OVG vom 20.6.1985 - 3 W 1284/85 -, ZBR 1985, 315 (317).

Eine Verengung der organisatorischen Ermessensfreiheit des Dienstherrn bzw. ein über die bereits dargestellte Rechtsposition des Beamten hinausgehender Anspruch auf Beibehaltung eines bestimmten Dienstpostens ergibt sich nicht etwa schon daraus, dass dem Dienstherrn bei einer Umsetzung ein Rechtsfehler zu Lasten des Beamten unterlaufen ist so BVerwG, Urteil vom 13.11.1986 - 2 C 20/84 -, a.a.O..

Ist - wie hier - die Umsetzung wegen des Verfahrensfehlers der mangelnden Beteiligung des Personalrats rechtswidrig, so kann sie - wie dargelegt - nur dadurch wirksam rückgängig gemacht werden, dass - jedenfalls zunächst - der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird.

Nach allem ist unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller vorläufig wieder die Stelle des Revierleiters beim Forstrevier ... zu übertragen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3, 14, 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück