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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 1 W 8/06
Rechtsgebiete: VwGO, StVG, FeV


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
StVG § 2
StVG § 3 Abs. 1 Satz 1
FeV § 46 Abs. 1 Satz 1
Bereits der einmalige Konsum sogenannter harter Drogen, zu denen Amphetamin gehört, rechtfertigt im Regelfall die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 2. Januar 2006 - 3 F 52/05 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes, mit dem der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.11.2005 abgelehnt worden ist, ist nicht begründet.

Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang durch den Senat beschränkende Beschwerdevorbringen gemäß den Schriftsätzen vom 2.2.2006 und 13.3.2006 ist nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu erschüttern.

Es entspricht der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat, dass bereits der einmalige Konsum so genannter harter Drogen, zu denen Amphetamin gehört, im Regelfall die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen rechtfertigt. Dies ergibt sich aus Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV; in Nr. 9.2 wird allein bei Cannabis zwischen regelmäßiger und gelegentlicher Einnahme differenziert, nicht jedoch bei so genannten harten Drogen vgl. u.a. Beschlüsse des Senats vom 12.12.2005 - 1 W 16/05 -, vom 22.12.2004 - 1 W 42/04 -, SKZ 2005, 98 Leitsatz 48, vom 30.9.2004 - 1 W 33/04 -, SKZ 2005, 97 Leitsatz 46, vom 24.3.2004 - 1 W 5/04 -, SKZ 2005, 75 Leitsatz 44, und vom 19.8.2003 - 1 W 20/03 -, SKZ 2004, 91 Leitsatz 59, jeweils mit Nachweisen der bundesweiten obergerichtlichen Rechtsprechung.

Der von der Antragstellerin angeführten, von Bode/Winkler vertretenen Auffassung, der Wortlaut der Anlage 4 beruhe ebenso wie Tz. 3.12.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung auf einem Redaktionsversehen, weil die Ausführungen zur Abhängigkeit überflüssig wären, wenn bereits die bloße Einnahme der Mittel ausreiche, weshalb entweder eine Abhängigkeit oder eine missbräuchliche oder regelmäßige Einnahme erforderlich sei, hat sich die weit überwiegende Rechtsprechung nicht angeschlossen. Diese geht - wie bereits ausgeführt - davon aus, dass Anlage 4 Nr. 9.1 den Erfahrungssatz zum Rechtssatz erhebt, schon die (bloße) Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG - mit Ausnahme von Cannabis - schließe regelmäßig die Fahreignung aus. Diese Annahme wird durch den Zeitablauf nachhaltig unterstrichen. Wenn es sich nämlich bei der Formulierung in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV beziehungsweise in Tz.3.12.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung um ein Redaktionsversehen gehandelt hätte, wäre dieses im Rahmen der verschiedenen Novellierungen sicher bereinigt worden vgl. Beschluss des Senats vom 20.9.2005 - 1 W 12/05 -, Juris.

Aus der Vorbemerkung 2 zur Anlage 4 der FeV ergibt sich ebenfalls nichts Abweichendes. Diese Vorbemerkung bezieht sich generalisierend auf sämtliche in der Anlage 4 zur FeV aufgeführten "Krankheiten, Mängel", wesentlich daher auch auf die dort aufgezählten Krankheiten einschließlich psychischer Störungen und hat diejenigen Fälle im Blick, in denen die beschriebenen Mängel nicht eindeutig feststehen, sondern erst durch ärztliche oder medizinisch-psychologische Gutachten festgestellt werden müssen, wenn nämlich Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die Eignung begründen (§§ 11 Abs. 2, 13, 14, 46 Abs. 3 FeV). Das meint die Vorbemerkung 2 zur Anlage 4 FeV, wenn darin ausgeführt wird, Grundlage der Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, sei in der Regel ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3 FeV), in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Abs. 3 FeV) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4 FeV). Steht aber der in der Anlage 4 beschriebene Mangel fest, dann hat sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen und ist ihm die Fahrerlaubnis ohne Anordnung der Gutachtenbeibringung zu entziehen (§§ 11 Abs. 7, 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV) vgl. u.a. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16.6.2003 - 12 ME 172/03 -, zfs 2003, 476; anderer Ansicht (dabei allerdings in der obergerichtlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, allein stehend) Hessischer VGH, Beschluss vom 14.1.2002 - 2 TG 3008/01 -, zfs 2002, 599.

Schließt mithin bereits der einmalige Konsum von so genannten harten Drogen, zu denen Amphetamin ebenso wie amphetaminhaltige Präparate zählen, im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus, so ist in diesen Fällen die Fahrerlaubnis auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. Ziff. 9.1 der Anlage 4 zu dieser Verordnung ohne weitere Begutachtung zu entziehen. Des Nachweises einer Drogenabhängigkeit, eines regelmäßigen Konsums oder auch nur - bei gelegentlichem Konsum - des Unvermögens zur Trennung von Drogenkonsum und Kraftfahrzeugführung bedarf es nicht so zutreffend Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 16.2.2004 - 12 ME 60/04 -, Blutalkohol 41/2004, 475, und vom 14.8.2002 - 12 ME 566/02 -, dokumentiert bei Juris, sowie Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 2 StVG Rdnr. 17.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in ihrem Fall die Einnahme von Amphetamin beziehungsweise einer amphetaminhaltigen Droge nicht hinreichend erwiesen sei. Bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist aufgrund ihrer Einlassung anlässlich der vereinfachten BTM-Anzeige am 7.8.2005, der Stellungnahme ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.9.2005 sowie der Tatsache, dass anlässlich der Verkehrskontrolle am 7.8.2005 bei ihr bei Tageslicht stark geweitete Pupillen (ca. 6 mm) festgestellt wurden, davon auszugehen, dass sie am 6. und 7.8.2005 und auch bereits davor amphetaminhaltige Drogen eingenommen hat. Die Antragstellerin hat bei ihrer Vernehmung am 7.8.2005 selbst eingeräumt, am 6.8.2005 gegen 18.00 Uhr eine Kapsel Amphetamin und im Laufe der Nacht zwei weitere Kapseln zu sich genommen zu haben sowie schon seit ca. fünf Jahren - wenn auch nur gelegentlich - Amphetamin zu konsumieren. Angesichts der Stellungnahme ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.9.2005, worin die Antragstellerin nochmals ausdrücklich eingestanden hat, am 6. und 7.8.2005 Amphetamin konsumiert und zumindest vor fünf Jahren bereits Amphetamin zu sich genommen zu haben, erscheint ihr nunmehriger "Widerruf" nach derzeitigem Erkenntnisstand als reine Schutzbehauptung. Die Erklärung der Antragstellerin, den Konsum von Amphetamin nur eingeräumt zu haben, um eine Beendigung der Vernehmung vom 7.8.2005 zu erreichen, vermag nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht zu überzeugen.

Die Angaben der Antragstellerin in der Vernehmung vom 7.8.2005 sind auch nicht deshalb unverwertbar, weil - wie sie geltend macht - es an einer ordnungsgemäßen Belehrung gefehlt hätte. Vielmehr hat die Antragstellerin mit ihrer Unterschrift unter der vereinfachten BTM-Anzeige eine darin enthaltene Passage, wonach der Anzeige eine ordnungsgemäße Belehrung vorausgegangen sei, ausdrücklich bestätigt.

Der Umstand, dass die Antragstellerin für die von ihr am 6. und 7.8.2005 konsumierten drei Kapseln insgesamt nur 8 Euro gezahlt hat, entlastet sie ebenfalls nicht. Es erscheint zumindest nicht ausgeschlossen, für einen solchen Preis amphetaminhaltige Präparate zu erwerben, zumal die näheren Umstände des Erwerbs nicht bekannt sind.

Schließlich ist durch das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 20.12.2005 entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht der Nachweis erbracht, dass diese am 6. und 7.8.2005 keine amphetaminhaltigen Drogen zu sich genommen hat. Ausweislich des letzten Absatzes des Gutachtens beschränkt sich dessen Aussagewert lediglich auf den Zeitraum der zurückliegenden zweieinhalb Monate. Angesichts der aus dem Gutachten selbst hervorgehenden Einschränkung seiner Aussagekraft bedarf es keines weiteren Eingehens auf die Ausführungen der Antragstellerin zum allgemeinen Wachstumsverhalten menschlicher Haare. Weder das Gutachten noch das Vorbringen der Antragstellerin lassen einen Rückschluss auf eine im August 2005 bestehende Drogenfreiheit zu. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch nach Auffassung des Senats viel für die Argumentation der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 29.12.2005 hinsichtlich des manipulativen Verhaltens der Antragstellerin spricht.

Da - wie bereits dargelegt - bei einem Konsum harter Drogen für die ordnungsrechtliche Fahreignungsprüfung ein Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs beziehungsweise der Teilnahme als verantwortlicher Führer eines Kraftfahrzeugs am Straßenverkehr grundsätzlich nicht erforderlich ist vgl. dazu u.a. Beschlüsse des Senats vom 22.12.2004 - 1 W 42/04 - a.a.O., vom 11.8.2003 - 1 W 19/03 -, SKZ 2004, 90 Leitsatz 58, und vom 24.3.2004 - 1 W 5/04 -, a.a.O.; ebenso etwa OVG Hamburg, Beschluss vom 24.4.2002 - 3 Bs 19/02 -, Juris, ist nicht von Bedeutung, dass die Antragstellerin selbst nicht als Fahrzeugführerin unter Drogeneinfluss in Erscheinung getreten ist.

Der Einwand der Antragstellerin, aus dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 20.12.2005 ergebe sich zumindest, dass die Antragstellerin in der Zeit von Mitte September bis Dezember 2005 keine Drogen konsumiert habe, was auf eine zukünftige Abstinenz schließen lasse, hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Anknüpfung der Eignungsbeurteilung an die Einnahme von Betäubungsmitteln bedeutet nicht, dass die Einnahme bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens über die Entziehung der Fahrerlaubnis andauern muss. Wer Betäubungsmittel eingenommen hat, gewinnt die Eignung nicht schon mit dem ersten Abstandnehmen von weiterem Konsum zurück. Ein Nachweis der (wiedererlangten) Eignung setzt nicht nur eine positive Veränderung der körperlichen Befunde, sondern zudem einen stabilen Einstellungswandel voraus, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhält vgl. Beschluss des Senats vom 12.12.2005 - 1 W 16/05 - sowie OVG Hamburg, Beschluss vom 24.4.2002 - 3 Bs 19/02 -, Juris.

In diesem Zusammenhang ist die in Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV zum Ausdruck kommende generelle Wertung zu berücksichtigen, wonach bei Entgiftung und Entwöhnung von einem früheren Betäubungsmittelkonsum im Regelfall erst nach einjähriger Abstinenz wieder eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen angenommen werden kann. Ausgehend davon konnte die Antragsgegnerin im Zeitpunkt ihrer Entscheidung und kann auch derzeit noch von einer Fortdauer der fehlenden Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen werden, zumal es durchaus Anhaltspunkte für einen mehrfachen Drogenkonsum gibt.

Demzufolge ist die vom Verwaltungsgericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu Lasten der Antragstellerin vorgenommenen Interessenabwägung auch unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Situation, insbesondere des Angewiesenseins auf den Führerschein aus beruflichen Gründen, nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 und 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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