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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 03.01.2008
Aktenzeichen: 2 A 182/07
Rechtsgebiete: LBO 2004, VwGO


Vorschriften:

LBO 2004 § 57 Abs. 2
LBO 2004 § 60 Abs. 2
LBO 2004 § 64
LBO 2004 § 64 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
1. Der von einem sich gegen ein im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 64 LBO 2004 bauaufsichtsbehördlich zugelassenes Bauvorhaben, hier ein Mehrfamilienhaus, wendenden Nachbarn im gerichtlichen Verfahren allein gestellter Anfechtungsantrag auf Aufhebung der Baugenehmigung ist auch mit Blick auf den inzwischen weitgehend auf die präventive Prüfung der Einhaltung bauplanungsrechtlicher Anforderungen beschränkten Programms des § 64 Abs. 2 LBO 2004 nicht ohne weiteres in ein die Möglichkeit zu weitergehender rechtlicher Prüfung insbesondere in bauordnungsrechtlicher Hinsicht eröffnenden Verpflichtungsantrag auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten "umzudeuten".

2. Dies gilt erst recht, wenn der Nachbar eine Verletzung nachbarschützender Bestimmungen des Bauordnungsrechts - hier über die einzuhaltenden Abstandsflächen (§§ 7, 8 LBO 2004) - aufgrund einer von den in vereinfachten Baugenehmigungsverfahren eingereichten Bauvorlagen (Planzeichnungen) abweichenden Ausführung des Vorhabens geltend macht.

3. Die Untere Bauaufsichtsbehörde ist nicht berechtigt, sich im Falle von Nachbareinwendungen gegen ein in der Ausführung begriffenes Bauvorhaben auf das eingeschränkte Programm des § 64 Abs. 2 LBO 2004 für die präventive Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren zurückzuziehen, sondern hat auf begründete Einwände des Nachbarn hin entsprechend ihrer gesetzlichen Aufgabenbeschreibung in § 57 Abs. 2 LBO 2004 auch der Frage der Einhaltung sonstiger nachbarschützender und bei der Ausführung von Vorhaben nach § 60 Abs. 2 LBO 2004 unabhängig von verfahrensrechtlichen Vorgaben uneingeschränkt zu beachtender materiellrechtlicher Bestimmungen des öffentlichen Baurechts, also insbesondere der Abstandsflächenvorschriften (§§ 7, 8 LBO 2004), nachzugehen.

4. Allein der Umstand, dass die Feststellung der Rücksichtslosigkeit eines Bauwerks gegenüber einem Nachbarn in aller Regel die Verschaffung eines Eindrucks von den örtlichen Gegebenheiten voraussetzt und daher auch von einem Rechtsmittelgericht bis auf Ausnahmefälle nicht abschließend nur auf Grund der Aktenlage beurteilt werden kann, rechtfertigt weder die Annahme, das auf einer Ortsbesichtigung beruhende Ergebnis der Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterläge ernstlichen Zweifeln hinsichtlich seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch eine Bejahung "besonderer" Schwierigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.


Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28. Februar 2007 - 5 K 37/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger.

Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren sowie unter entsprechender Abänderung der im Urteil des Verwaltungsgerichts enthaltenen Festsetzung auch für das Verfahren in erster Instanz auf jeweils 15.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger sind Eigentümer der mit einem älteren Wohngebäude bebauten Parzelle Nr. 131/5 in Flur 22 der Gemarkung A-Stadt (Anwesen C-Straße). Durch Bauschein vom 3.12.2001 erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine Bauerlaubnis für "Umbau und Erweiterung des Wohnhauses" auf den südöstlich anschließenden Parzellen Nr. 898/121 und Nr. 897/121 (inzwischen vereinigt zu Nr. 121/3). Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein zweigeschossiges Mehrfamilienhaus mit ausgebautem Dachgeschoss. Nach den genehmigten Bauvorlagen sollte die Höhe des Gebäudes im Wesentlichen beibehalten werden und die Anzahl der Öffnungen in der dem Grundstück der Kläger zugekehrten Giebelwand nicht verändert werden.

Auf einen als "Tektur" bezeichneten Antrag wurde der Beigeladenen mit Bauschein vom 16.2.2005 im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 64 LBO 2004 erneut eine Baugenehmigung für "Umbau und Erweiterung des Wohnhauses" erteilt. Die zugehörigen Pläne sehen unter anderem eine von der ursprünglichen Genehmigung abweichende Gestaltung der Öffnungen in der dem Anwesen der Kläger zugekehrten Giebelwand, eine Verlagerung der geplanten Balkone zur Hausrückseite sowie eine nicht unwesentliche Änderung hinsichtlich der Dachaufbauten an der Vorder- und der Rückseite des Gebäudes, insoweit unter Erhöhung der Außenwand, vor.

Mit Eingang am 16.5.2005 wandten sich die Kläger unter Verweis auf durch einen Bestandsschutz nicht gedeckte Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück und die Nichteinhaltung von Abstandsvorschriften zu ihren Lasten an die Beklagte und legten Widerspruch gegen eine "gegebenenfalls erteilte Baugenehmigung" ein. Gleichzeitig beantragten sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs. Zur Begründung verwiesen sie auf die Vergrößerung vorhandener beziehungsweise eine Schaffung neuer Öffnungen in der ihrem Anwesen zugewandten, keinen ausreichenden Grenzabstand aufweisenden Giebelwand. Auch der an der Rückseite teilerrichtete Balkonanbau halte voraussichtlich die notwendigen Abstände zu der gemeinsamen Grenze nicht ein.

In einem vom 2.6.2005 datierenden Aktenvermerk der Bauaufsicht der Beklagten heißt es unter anderem, das Gebäude weise einen ausreichenden Grenzabstand von mindestens (vorne) 3,29 m zur Grenze des Grundstücks der Kläger auf. Der Abstand des rückseitigen Anbaus betrage sogar 11 m. Der hintere Dachaufbau habe eine abstandsflächenrelevante mittlere Wandhöhe von ca. 10 m, erfordere also einen Grenzabstand von 4 m. Tatsächlich vorhanden seien insoweit 5,60 m. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 64 LBO 2004 sei eine Prüfung der Abstandsflächen zwar nicht erforderlich, werde "jedoch hier im Interesse des Bauherrn trotzdem vorgenommen". Die Feststellungen wurden dem Kläger in einem Schreiben vom 8.7.2005 mitgeteilt.

Der Widerspruch der Kläger gegen die Baugenehmigung vom 16.2.2005 wurde durch Widerspruchsbescheid vom 5.5.2006 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, da die von den Klägern als verletzt angesehenen bauordnungsrechtlichen Bestimmungen über die Abstandsflächen ohne die - hier nicht erfolgte - Stellung eines Abweichungsantrags im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht mehr geprüft würden, könne die Baugenehmigung auch nicht mehr unter dem Gesichtspunkt rechtswidrig sein. Rechtsschutz könne einem Nachbarn insoweit nur mit einer Verpflichtung zum bauaufsichtsbehördlichen Einschreiten "gegen das Vorhaben selbst" gewährt werden.

Mit ihrer dagegen gerichteten Klage haben die Kläger geltend gemacht, sie hätten sich nicht nur gegen den Bauschein gewandt, sondern auch gegen das Vorhaben selbst und ein Einschreiten im Wege der Einstellung der Bautätigkeit verlangt. Bei Einlegung ihres Rechtsbehelfs sei ihnen nicht einmal bekannt gewesen, in welchem Umfang für das streitige Umbauvorhaben eine Genehmigung erteilt gewesen sei. Die Beklagte habe auch die Einhaltung der Abstandsflächen ausdrücklich geprüft und dann im Ergebnis auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung verwiesen. Daher seien sie befugt, im vorliegenden Verfahren eine Verletzung der Abstandsflächenbestimmungen geltend zu machen und insoweit liege in vielerlei Hinsicht eine Verletzung vor. Die ihnen zugewandte Giebelwand sei wesentlich erhöht und die Fensteröffnungen seien verändert worden. Außerdem seien wesentlich größere und zahlreiche Dachgauben aufgesetzt und an der Rückseite Balkone angebaut worden. Bei den von der Beklagten angegebenen Abstandsmaßen sei unklar, ob hierbei die erhebliche Dicke der aufgebrachten Wärmedämmung berücksichtigt worden sei.

Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, eine Prüfung der Abstandsflächen sei angesichts des eingeschränkten Prüfungsprogramms im vereinfachten Verfahren hier nur "rein vorsorglich" erfolgt. Die Umbaumaßnahmen seien vom Bestandsschutz gedeckt. Geringfügige Unterschreitungen der Abstandsflächentiefe seien von den Klägern unter dem Gesichtspunkt des "nachbarlichen Austauschverhältnisses" hinzunehmen.

Das Verwaltungsgericht hat im Februar 2007 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Ausweislich der darüber gefertigten Niederschrift wurde der teilnehmende Prozessbevollmächtigte der Kläger vom Gericht darauf hingewiesen, dass "seine Klage bislang ausschließlich auf die Anfechtung der Baugenehmigung für das Wohngebäude und nicht auf die Frage der Nachbarrechtsverträglichkeit einer etwaigen abweichenden Bauausführung gestützt" sei. Daher werde sich das Gericht nur mit der Frage einer möglichen Rechtsverletzung durch die Baugenehmigung "so wie sie erteilt ist" auseinandersetzen. Nach Aussagen zu einer genehmigungsabweichenden Ausführung der Dachaufbauten heißt es in dem Protokoll dann erneut, dass "allein Gegenstand der Klage die geteilte Baugenehmigung und nicht die Bauausführung" sei.

In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger dann beantragt,

die mit Bauschein vom 16.2.2005 der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sowie den aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5.5.2006 ergangenen Widerspruchsbescheid aufzuheben.

Diese Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 28.2.2007 - 5 K 37/06 - abgewiesen. In der Begründung heißt es, nach dem gestellten Antrag gehe das Gericht davon aus, dass die Kläger - wie im Verwaltungsverfahren - allein die Aufhebung der Baugenehmigung begehrten und nicht ein Einschreiten gegen die Beigeladene wegen des fertig gestellten Gebäudes. Erstmals im gerichtlichen Verfahren, so auch in der mündlichen Verhandlung, hätten die Kläger geltend gemacht, dass sie auch ein bauaufsichtliches Einschreiten begehrten. Das stehe jedoch im Gegensatz zu dem ausdrücklich gestellten Klageantrag (nur) auf Aufhebung der Baugenehmigung. Ein Antrag auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegen das genehmigte Vorhaben sei auch unzulässig, da dieses Vorhaben "nicht umgesetzt" worden sei. Bei der Ortsbesichtigung sei festzustellen gewesen, dass das Gebäude, insbesondere was die Gestaltung der straßenseitigen Dachgauben angehe, erheblich von der zuletzt erteilten Genehmigung abweiche. Auch die in der Giebelwand ausgeführte abweichende Anordnung der Fenster sei zwar durch ein Schreiben der Beigeladenen vom Juni 2006 "angezeigt", aber von der Beklagten nicht genehmigt worden. Da zum Gegenstand eines bauaufsichtlichen Einschreitens nur das gemacht werden könne, was tatsächlich in der Örtlichkeit vorhanden sei, nicht jedoch eine Planung, die nicht verwirklicht sei und auch nicht verwirklicht werden solle, sei das Begehren auf Einschreiten gegen das genehmigte Vorhaben mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Ein Einschreiten gegen das bestehende Gebäude hätten die Kläger nicht verlangt. Selbst wenn man das Begehren der Kläger dahingehend auslegen wollte, wäre auch dieses unzulässig, da das verwirklichte Vorhaben nie Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens gewesen sei. Die Kläger hätten sich immer nur auf das genehmigte Vorhaben bezogen und nie geltend gemacht, dass abweichend gebaut worden sei. Das zulässige Begehren auf Aufhebung der Baugenehmigung habe in der Sache keinen Erfolg. Diese verletze die Kläger mit Blick auf die im vereinfachten Verfahren allein noch zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Bestimmungen nicht in ihren Rechten. Insbesondere könne keine Verletzung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme festgestellt werden.

Die Kläger beantragen die Zulassung der Berufung gegen diese Entscheidung.

II.

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung (§§ 124a Abs. 4, 124 Abs. 1 VwGO) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28.2.2007 - 5 K 37/06 -, mit dem ihre Klage auf Aufhebung einer der Beigeladenen im vereinfachten Verfahren nach § 64 LBO 2004 erteilten Baugenehmigung vom 16.2.2005 für "Umbau und Erweiterung des Wohnhauses" auf dem an ihr Wohnanwesen angrenzenden Grundstück Parzellen Nr. 897/121 und 898/121 in Flur 22 der Gemarkung A-Stadt abgewiesen wurde, bleibt ohne Erfolg.

Dem den gerichtlichen Prüfungsumfang mit Blick auf das Darlegungserfordernis (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO) begrenzenden Antragsvorbringen im Schriftsatz vom 19.5.2007 kann das Vorliegen eines der in § 124 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe nicht entnommen werden. Der Sachvortrag der Kläger lässt weder die Annahme der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) (vgl. dazu allgemein etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 21.6.2002 - 1 Q 55/01 -, SKZ 2002, 289, Leitsatz Nr. 15, wonach die Frage des Vorliegens ernstlicher Zweifel am Maßstab der Ergebnisfehlerhaftigkeit zu beurteilen ist und eine Prognose dahingehend erfordert, ob das angestrebte Rechtsmittel voraussichtlich Erfolg haben wird, ständige Rechtsprechung; in dem Zusammenhang auch BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, DVBl. 2004, 838, wonach die Vorschrift - ebenso wie der Tatbestand zu Nr. 2 - die Richtigkeit der Entscheidung gewährleisten soll und "ernstliche Zweifel" (Nr. 1) auch dann nicht anzunehmen sind, wenn sich das angegriffene Urteil zwar nicht aus den darin angegebenen Gründen, aber aus anderen Gründen als richtig erweist) noch einer besonderen tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeit der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder gar einer grundsätzlichen Bedeutung derselben (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu.

Die von den Klägern formulierte "grundsätzliche Frage", ob eine Anfechtungsklage "gegen eine im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung in eine Klage auf Verpflichtung der Baubehörde zum Einschreiten umgedeutet werden kann", rechtfertigt nicht die Annahme grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Es kann keinen ernstlichen Zweifeln unterliegen, dass der hier allein gestellte Anfechtungsantrag gegen eine "Baugenehmigung" nach § 64 LBO 2004, die mit Blick auf die Einschränkung des materiellen behördlichen Prüfungsprogramms im Absatz 2 der Vorschrift heute in der Tat - wie die Kläger ausführen - regelmäßig nur noch als eine auf das Bauplanungsrecht begrenzte "beschränkte öffentlich rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" angesehen werden kann, vom Streitgegenstand her nur die Frage einer Rechtsverletzung des Anfechtenden durch diesen Verwaltungsakt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aufwirft und dass es insoweit maßgeblich nur auf den materiellen Entscheidungsinhalt ankommen kann. Das heißt, dass sich, wie bereits in dem angegriffenen Widerspruchsbescheid des Rechtsausschusses für den Stadtverband D-Stadt zutreffend ausgeführt, zum einen eine Rechtsverletzung der Kläger allgemein nur aus der Nichtbeachtung einer zum Prüfungs- und Entscheidungsprogramm der Behörde gehörenden, ihrem Schutz dienenden öffentlich-rechtlichen Vorschrift, hier also im Wesentlichen nur noch des Bauplanungsrechts, ergeben kann und dass zum anderen der Nachbar hinsichtlich sonstiger bei der Ausführung des Vorhabens zu beachtender nachbarschützender Bestimmungen (§ 60 Abs. 2 LBO 2004) nach dieser gesetzlichen Grundkonzeption zwingend - gegebenenfalls ergänzend - auf die Geltendmachung eines Einschreitensanspruchs gegen die Bauaufsichtsbehörde verwiesen ist. (vgl. zu den Modalitäten der Abwicklung des baurechtlichen Nachbarstreits nach Einführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gemäß § 64 LBO 2004: Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kap. XI RNrn. 34 ff; 54) Im Ergebnis handelt es sich bei der Ausführung von seitens des Gesetzgebers nach den Kriterien des § 64 Abs. 1 LBO 2004 dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zugewiesenen Bauvorhaben um ein in Bezug auf die nicht zum Prüfungsprogramm des § 64 Abs. 2 LBO 2004 gehörenden öffentlich-rechtlichen - regelmäßig alle bauordnungsrechtlichen - Anforderungen um bauaufsichtsbehördlich "ungenehmigtes" Bauen, hinsichtlich dessen der Nachbarschutz wegen des Fehlens eines insoweit legitimierenden Verwaltungsaktes nach den in der Vergangenheit zum so genannten "Schwarzbau" entwickelten Kriterien abzuwickeln ist.

Das gerichtlich gegebenenfalls im Rahmen eines Verpflichtungsantrags (§ 42 Abs. 1 VwGO) geltend zu machende Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zur Verhinderung oder Ausräumung von Nachbarrechtsverstößen in diesem Bereich betrifft entgegen der Ansicht der Kläger auch einen anderen Streitgegenstand, der die Frage der Rechtsverletzung des Nachbarn durch die Verweigerung der Behörde zu einem Tätigwerden gegenüber dem Bauherrn in Bezug auf das tatsächlich geschaffene Bauwerk aufwirft (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dabei geht es auch nicht - wie die Kläger meinen - um eine "abstrakte Isolierung" und die Unterscheidung ist auch nicht "rechts- und lebensfremd". Wie gerade der vorliegende Fall besonders deutlich macht, können der durch Bauvorlagen konkretisierte Genehmigungsinhalt und die tatsächliche Bauausführung unter Umständen sogar wesentlich voneinander abweichen, wobei die aus Sicht der Kläger "letztlich zu prüfende" Frage einer Verletzung von Nachbarrechten in dem einen und dem anderen Fall grundsätzlich unterschiedlich beantwortet werden kann. Die den Klägern wohl vorschwebende einheitliche Betrachtung ist daher in dem Zusammenhang gar nicht möglich. Das lässt sich auch daran verdeutlichen, dass ein schutzwürdiges Interesse des Nachbarn für eine Anfechtungsklage gegen die Genehmigung nicht wegen einer abweichenden Bauausführung - so wesentlich sie auch sein mag - entfällt, sondern weiter anzuerkennen ist, so lange die Ausführung des genehmigten Vorhabens etwa durch Veränderungen des geschaffenen Bestands nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

In dem Zusammenhang ist sicher kein Raum für eine allgemeine Umdeutung jedes Anfechtungsbegehrens in einen Antrag auf Einschreiten. Jenseits der Frage eines Hinwirkens auf sachdienliche Antragstellung im Verwaltungs- beziehungsweise im gerichtlichen Verfahren muss hier festgehalten werden, dass den anwaltlich vertretenen Klägern die bezeichnete Problematik in dem Verfahren von Anfang an klar und wiederholt vor Augen geführt worden ist. Ein entsprechender Hinweis findet sich schon im Widerspruchsbescheid vom 5.5.2006 (Seite 4) und er ist auch im Rahmen der Ortsbesichtigung - dort sogar mehrfach - ausweislich des Protokolls erfolgt. Wenn die Kläger vor dem Hintergrund - wie hier geschehen - dann in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Kenntnis der Problematik ausschließlich den Anfechtungsantrag stellen beziehungsweise auf die (ergänzende) Stellung eines Verpflichtungsantrags verzichten, lässt sich das auf den Baubestand bezogene Einschreitensbegehren auch nicht mit einem Verweis auf die angebliche "Zweischichtigkeit" des Entscheidungsumfangs der Anfechtungsklage zu deren Prozessgegenstand machen.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Nichtstellung dieses Antrags, wie die Kläger behaupten, auf einen "betonten" Hinweis des Verwaltungsgerichts zurückzuführen war, dass "eine Klageänderung nicht mehr möglich sei". Auch wenn man hinzunimmt, dass erstens die Vorstellung beziehungsweise die Interpretation des Vorbringens der Kläger im Verwaltungsverfahren, diese hätten ein "Einschreiten" gegen das "genehmigte" - aber nicht ausgeführte - Vorhaben verlangt und für eine Weiterverfolgung eines solchen sicherlich unsinnigen Anliegens bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, für den Senat angesichts der Anknüpfung der Ermächtigungsgrundlagen in den §§ 57 Abs. 2, 81 beziehungsweise 82 LBO 2004 an tatsächliches Baugeschehen nicht nachvollziehbar ist und dass zweitens das "Widerspruchsschreiben" der Kläger vom 13.5.2005 sicher die Interpretation zuließ, dass hier - was sonst? - eine Einstellung der "tatsächlichen" Arbeiten auf dem Nachbargrundstück begehrt wurde, ändert das nichts daran, dass eine (dann) "Weiterverfolgung" hier aufgrund der geschilderten "Beschränkung" auf den Anfechtungsantrag nicht angenommen werden könnte. Zu ergänzen ist in dem Zusammenhang zweierlei: Erstens bietet das Berufungszulassungsverfahren also solches mit Blick auf die Konzeption der Zulassungstatbestände in § 124 Abs. 2 VwGO keinen Raum für eine Änderung der Klage in diesem Stadium des Verfahrens. Zweitens könnte sich inzwischen ein Einschreitensanspruch der Kläger hinsichtlich des geschaffenen Bauwerks - wenn er denn bestünde - sicher nicht mehr auf eine Baueinstellung (§ 81 LBO 2004) richten, da die Arbeiten abgeschlossen sind. Angesichts der ansonsten durch §§ 82, 57 Abs. 2 LBO 2004 eröffneten Möglichkeiten für ein repressives Tätigwerden der Beklagten käme hier, folgt man der Argumentation der Kläger, inzwischen allenfalls noch ein Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung für das Gebäude auf der Grundlage des § 82 Abs. 1 LBO 2004 in Betracht, um den behaupteten Nachbarrechtsverstoß durch Verletzung der Grenzabstandserfordernisse infolge des Umbaus wieder auszuräumen. Einen solchen Antrag haben die Kläger bisher zur Konkretisierung ihres Verlangens auf "Einschreiten" jedenfalls nicht ausdrücklich formuliert. Mit Gewissheit nicht Thema einer solchen rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Hauptbeteiligten könnten die in der Antragsschrift anklingenden Fragen von "Entschädigung und Schadensersatz" sein.

Die Grundsatzfrage, ob die von den Klägern verlangte "Umdeutung" eines Anfechtungsantrags bei auf der Grundlage des § 64 LBO 2004 erteilten Genehmigungen in einen Verpflichtungsantrag in bestimmten Fällen in Betracht kommen kann oder nicht, würde sich nach dem Gesagten zumindest in dem konkret angestrebten Berufungsverfahren sicher nicht stellen. Insoweit wirft der Fall entgegen der Ansicht der Kläger auch keine "besonderen" rechtlichen und/oder tatsächlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

Die Bauaufsicht der Beklagten hat sich im Übrigen aus Anlass des genannten Schreibens der Kläger - nachvollziehbar - mit der Frage der - insbesondere - abstandsflächenrechtlichen Rechtmäßigkeit des tatsächlich ins Werk gesetzten Baukörpers befasst. Dass sie in ihrem Schreiben an die Kläger vom 8.7.2005 darauf verwiesen hat, dass dies nach § 64 LBO 2004 vorbehaltlich eines Abweichungsantrags zwar im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht (mehr) zu prüfen sei, hier aber "im Interesse des Bauherrn trotzdem vorgenommen" werde, kann auch nicht nachträglich als "Ausweitung" des von dem Anfechtungsantrag umfassten Entscheidungsinhalts der Baugenehmigung vom 16.2.2005 gegenüber der Beigeladenen als Bauherrin verstanden werden. (vgl. zur nachbarrechtlichen Bewertung einer ausdrücklichen Einbeziehung bauordnungsrechtlicher Fragen - konkret der Anforderungen an die abstandsflächenrechtlich privilegierte Ganzgarage - in den Genehmigungsunterlagen durch die Bauaufsichtsbehörde unter Missachtung des Entscheidungsumfangs nach § 64 Abs. 2 LBO 2004 OVG des Saarlandes, Beschluss vom 31.5.2007 - 2 A 189/07 -) Die Untere Bauaufsichtsbehörde ist ohnehin nicht berechtigt, sich im Falle von Nachbareinwendungen gegen ein in der Ausführung begriffenes Bauvorhaben auf das eingeschränkte Programm des § 64 Abs. 2 LBO 2004 für die präventive Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren "zurückzuziehen". Vielmehr hat sie auf substantiierte Einwände eines Nachbarn hin entsprechend ihrer gesetzlichen Aufgabenbeschreibung in § 57 Abs. 2 LBO 2004 auch der Frage der Einhaltung sonstiger nachbarschützender und bei der Ausführung von Vorhaben nach § 60 Abs. 2 LBO 2004 unabhängig von verfahrensrechtlichen Vorgaben uneingeschränkt zu beachtender materiellrechtlicher Bestimmungen des öffentlichen Baurechts, also insbesondere der Abstandsflächenvorschriften (§§ 7, 8 LBO 2004), nachzugehen. In diesem Sinne hat sich die Beklagte ungeachtet der vielleicht "unglücklichen" Formulierung korrekt verhalten. Zu einer anderweitigen verfahrensrechtlichen Einordnung des Nachbarschutzbegehrens der Kläger bietet das aber keinen Anlass. Auch in der das Verwaltungsverfahren abschließenden Widerspruchsentscheidung, die sich - ob zu Recht oder zu Unrecht kann dabei dahinstehen - auf die Zurückweisung des Anfechtungsbegehrens beschränkt hat, wurde insoweit ausdrücklich nur auf den Genehmigungsinhalt im Sinne des § 64 Abs. 2 LBO 2004 abgestellt.

Die in der Antragsbegründung geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils lassen sich vor dem Hintergrund auch nicht aus den konkreten Details der Bauausführung herleiten, etwa wenn die Kläger auf eine Erhöhung der Giebelwand, eine Änderung von Fenstern in derselben, eine wesentliche Vergrößerung von Dachgauben und die Errichtung von Balkonen an der Rückseite hinweisen, insoweit die Frage der Überschreitung des von dem Verwaltungsgericht angesprochenen Bestandsschutzes durch diese Maßnahmen aufwerfen und dann zu dem Ergebnis gelangen, dass vor der "neuen Giebelwand" die erforderlichen Abstandsflächen nicht eingehalten seien. Diese Aspekte betreffen sämtlich zum einen die Bauausführung sowie zum anderen Fragen des Bauordnungsrechts und lassen daher nach dem zuvor Gesagten in doppelter Hinsicht keine Rückschlüsse auf die Nachbarrechtmäßigkeit der vereinfachten Baugenehmigung nach § 64 LBO 2004 zu. Auch der von den Klägern gezogene Rückschluss auf eine Verletzung des bundesrechtlich in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltenen Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme wegen Unterschreitung der landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen rechtfertigt daher unter dem erstgenannten Aspekt nicht die begehrte Rechtsmittelzulassung. Das Verwaltungsgericht hat zudem eine Ortsbesichtigung durchgeführt, im Urteil allein die genehmigte Umbaumaßnahme in den Blick genommen und unter anderem darauf verwiesen, dass insoweit die Abmessungen der linken Giebelwand im Vergleich zu dem im Juli 1926 genehmigten Zustand "weitgehend unverändert" geblieben seien. Das wird von den mit dem tatsächlichen Ausführungszustand argumentierenden Klägern nicht in Abrede gestellt. Allein der Umstand, dass die Feststellung der Rücksichtslosigkeit eines Bauwerks gegenüber einem Nachbarn in aller Regel die Verschaffung eines Eindrucks von den örtlichen Gegebenheiten voraussetzt und daher (auch) von einem Rechtsmittelgericht bis auf Ausnahmefälle nicht abschließend nur auf Grund der Aktenlage beurteilt werden kann, rechtfertigt schließlich weder die Annahme, das auf einer Ortsbesichtigung beruhende Ergebnis der Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterläge ernstlichen Zweifeln hinsichtlich seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch eine Bejahung "besonderer" Schwierigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. (vgl. speziell zu einer vom jeweiligen Nachbarn eingewandten Verletzung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 21.6.2007 - 2 A 152/07 -, vom 27.12.2001 - 2 Q 28/01 -, SKZ 2002, 164, Leitsatz Nr. 50, vom 20.7.2001 - 2 Q 10/01 -, SKZ 2002, 159, Leitsatz Nr. 35, und vom 17.5.2004 - 1 Q 70/03 -, SKZ 2005, 71 Leitsatz Nr. 25)

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Es entsprach der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie einen Antrag gestellt und damit eigene Kostenrisiken übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Streitwertfestsetzung dem Wert für eine Nachbarklage gegen die Genehmigung für ein mittleres Mehrfamilienhaus (über 5 bis 10 Wohneinheiten) entspricht, was hier mit Blick auf die genehmigten insgesamt 6 Wohneinheiten angemessen erscheint.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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