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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Urteil verkündet am 24.09.2009
Aktenzeichen: 2 A 287/08
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 9 Abs. 2
AufenthG § 26 Abs. 4
AufenthG § 26 Abs. 4 S. 1
AufenthG § 85
AufenthG § 104 Abs. 2
1. Auf einen vor dem 1.1.2005 gestellten Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis kann bei einem zu dem in § 104 Abs. 2 AufenthG genannten Personenkreis zählenden Ausländer nach neuem Recht über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis entschieden werden, sofern dies für ihn nicht ungünstiger ist.

2. Eine Unterbrechung der Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 26 Abs. 4 S. 1 AufenthG um 12 Tage kann gemäß § 85 AufenthG unerheblich sein.

3. Für die Frage der Lebensunterhaltssicherung als Voraussetzung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach §§ 26 Abs. 4 i.V.m. 9 Abs. 2 AufenthG hat keine Gesamtbetrachtung der Familiengemeinschaft zu erfolgen, sondern ist vielmehr der Antragsteller isoliert zu betrachten.

4. Zu § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AufenthG.


Tenor:

Unter entsprechender teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 29. August 2007 - 5 K 101/07 - und unter Aufhebung des Bescheides des Rechtsvorgängers des Beklagten vom 9. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2006 wird der Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit, begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom Beklagten.

Der Kläger reiste am 19.5.1989 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylbegehren vom 31.5.1989 blieb letztendlich ohne Erfolg (vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 26.9.1997 - 1 R 182/96 -).

In der Zeit vom 1.6.1989 bis 2.12.1997 war der Kläger, der seit 1993 über eine Arbeitserlaubnis verfügt, im Besitz von Aufenthaltsgestattungen zur Durchführung des Asylverfahrens. Nach Abschluss des Asylverfahrens erhielt er am 17.12.1997 eine bis zum 16.3.1998 gültige Duldung.

Unter dem 2.2.1998 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge fest, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG nicht vorlägen und drohte ihm für den Fall nicht fristgerechter Ausreise seine Abschiebung nach Sri Lanka oder einen anderen Staat an, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei.

Nachdem der Kläger am 16.3.1998 die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung beantragt hatte, erhielt er am 25.3.1998 eine bis zum 30.3.1999 gültige Aufenthaltsbefugnis zur Betreuung seines schwer erkrankten Vaters, mit dem er zusammen lebte. Diese Aufenthaltsbefugnis wurde in der Folge am 2.12.1999 bis zum 30.11.2000 und am 20.12.2000 bis zum 30.11.2002 verlängert.

Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Lebach vom 3.11.1998 wurde der Kläger wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 30,-- DM verurteilt. Mit Urteil vom 15.11.1999 wurde der Kläger ferner vom Amtsgericht Saarlouis wegen Schleusens von Ausländern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, auf die die erlittene Untersuchungshaft angerechnet wurde und deren Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist ausweislich des Rechtskraftvermerks seit 14.2.2001 gemäß Beschluss des Landgerichts B-Stadt vom 19.1.2001 rechtskräftig.

Im August 2001 beantragte der Kläger erstmals die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Der Antrag wurde unter dem 16.8.2001 unter Hinweis darauf abgelehnt, dass der Lebensunterhalt des Antragstellers aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen nicht gesichert sei. Am 4.11.2002 wurde die Aufenthaltsbefugnis des Klägers bis zum 3.11.2004 verlängert.

Am 22.4.2003 erfolgte die Eheschließung mit einer srilankischen Staatsangehörigen, die Mutter eines 2001 geborenen Kindes ist.

Der Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltserlaubnis" vom 30.3.2004 (Bl. 367 Verwaltungsunterlagen) , bestätigt unter dem 4.5.2004 (Bl. 384 Verwaltungsunterlagen) , wurde von der Ausländerbehörde unter dem 20.7.2004 (Bl. 405 Verwaltungsunterlagen) mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 35 I AuslG nicht erfülle, da er mit dem Wohngeld öffentliche Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhalts in Anspruch nehme, seinen Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit folglich nicht sichern könne.

Auf seinen erneuten Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom 16.8.2004 (Bl. 410 Verwaltungsunterlagen) verlängerte die Ausländerbehörde seine Aufenthaltsbefugnis am 30.12.2004 (Bl. 462 Verwaltungsunterlagen) bis zum 3.11.2006. Nachdem der Kläger zweimal an die ausstehende Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis erinnert hatte, teilte ihm die zuständige Ausländerbehörde unter dem 9.3.2005 (Bl. 465 Verwaltungsunterlagen) mit, dass sein Antrag durch die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis beschieden worden sei. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 35 AuslG sei abzulehnen, wenn Versagungsgründe entgegenstünden. Nach § 7 II AuslG werde die Aufenthaltsgenehmigung regelmäßig versagt, wenn ein Ausweisungsgrund gegen den Ausländer vorliege, der Ausländer seinen Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten könne oder wenn der Aufenthalts des Ausländers aus einem sonstigen Grunde Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtige oder gefährde. In seinem Fall sei zu berücksichtigen, dass bereits eine strafrechtliche Verurteilung vorliege und umso schwerer wiege, dass er nunmehr in einem weiteren Strafverfahren angeklagt worden sei. Das Verhalten des Klägers stehe einer Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis somit entgegen.

Durch Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 14.3.2005 (Bl. 467 Verwaltungsunterlagen) wurde der Kläger wegen exhibitionistischer Handlungen in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,- Euro verurteilt.

Auf die erneute Bitte des Klägers vom 31.5.2005 um abschließende Entscheidung wies die Ausländerbehörde unter dem 3.6.2005 wiederum daraufhin, dass der Antrag bereits beschieden sei. Nachdem ein beim Verwaltungsgericht eingereichter Prozesskostenhilfeantrag unter Beifügung eines Klageentwurfs wegen des noch ausstehenden Widerspruchsverfahrens ohne Erfolg geblieben war, legte der Kläger am 5.9.2005 Widerspruch gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis ein. Der Widerspruch wurde durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 6.9.2006 ergangenem Widerspruchsbescheid zurückgewiesen.

Am 21.9.2006 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er nunmehr die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis begehrt hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Versagung der ursprünglich begehrten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sei rechtsfehlerhaft. Eine Ermessenausübung sei nicht ansatzweise erkennbar. Der Umstand, dass er sich seit 17 Jahren im Bundesgebiet aufhalte, seit 1993 in Vollzeit erwerbstätig sei, im Bundesgebiet geheiratet habe und Vater von zwei im Bundesgebiet geborenen Kindern sei, sei offensichtlich unberücksichtigt geblieben. Seine strafrechtliche Verurteilung liege nahezu 7 Jahre zurück, und der Beklagte habe keinen Anlass gesehen, deshalb eine Ausweisungsverfügung zu erlassen. Der Kläger habe daher darauf vertrauen dürfen, dass diese strafrechtliche Verurteilung nicht mehr als Ausweisungsgrund verwertet werde. Auch das Strafmaß von 40 Tagessätzen zu je 10,-- Euro rechtfertige nach sachgerechter Ermessensausübung nicht die Versagung der Niederlassungserlaubnis. Er könne offensichtlich von seinem Gehalt seinen Lebensunterhalt bestreiten. Denn er selbst erziele einen Nettolohn in Höhe von 1.059,62 Euro bei dem Autohaus, bei dem er bereits seit November 1999 beschäftigt sei. Seine Ehefrau habe ein monatliches Einkommen in Höhe von 428,75 Euro; sie arbeite als Aushilfe. Aus der Ehe seien zwei Kinder hervorgegangen. Zurzeit erhalte die Familie Wohngeld in Höhe von 156,- Euro monatlich. Im Falle der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis werde jedoch Kindergeld in Höhe von 308,- Euro monatlich gewährt, so dass der Wohngeldbezug entfalle. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 i.V.m. § 26 IV AufenthG seien daher erfüllt.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.9.2006 zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, da dem das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 2 AuslG entgegenstehe. Es komme insoweit allein auf das objektive Vorliegen eines Ausweisungsgrundes an. Ein solcher Ausweisungsgrund liege in der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers vom 15.11.1999 und der zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung bereits bekannt gewordenen erneuten Anklageerhebung, die zwischenzeitlich zu einer strafrechtlichen Verurteilung des Klägers geführt habe. Dem Beklagten sei eine Berufung auf die mehrere Jahre zurückliegende Verurteilung des Klägers nicht verwehrt. Es gebe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass der Beklagte den ihm bekannt gewordenen Ausweisungsgrund später nicht mehr verwerten werde. Ein solcher Vertrauensschutz hätte nur entstehen können, wenn der Beklagte eine ihm zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Ausweisungsgrundes mögliche Ausweisung des Klägers unterlassen hätte, so dass eine Verwirkung des Ausweisungsgrundes hätte eintreten können. Die Ausreise des Klägers sei jedoch aufgrund der besonderen persönlichen Verhältnisse und des Angewiesenseins des schwerstkranken pflegebedürftigen Vaters, dessen Pflege der Kläger seit Jahren sicherstelle, nicht möglich gewesen. Fehle es aufgrund der besonderen, hier familiären Umstände überhaupt an der Möglichkeit, bei Vorliegen eines Ausweisungsgrundes die Ausweisung tatsächlich umzusetzen, könne ein Vertrauensschutz nicht entstehen. Im Rahmen der aufenthaltsrechtlichen Entscheidung sei daher das objektive Vorliegen des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen gewesen mit der Folge der Ablehnung des Antrages. Somit stünden dem geltend gemachten Anspruch sowohl die bisherigen strafrechtlichen Verurteilungen, soweit sie beim BZR noch nicht getilgt seien, als auch die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, nämlich des Wohngeldes in Höhe von 156,- Euro monatlich, entgegen. Im Übrigen seien die Verlängerungsanträge des Klägers und seiner Familie erst am 15.11.2006, mithin mehrere Tage verspätet, gestellt worden. Eine am 22.3.2007 beim Kreissozialamt erbetene Bedarfsberechnung habe ergeben, dass für die Familie des Klägers ein Leistungsanspruch in Höhe von 429,88 Euro monatlich bestehe.

Mit Urteil vom 29.8.2007 - 5 K 101/07 - hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemacht Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht zu. Es könne dabei dahinstehen, ob das Begehren des Klägers, das ursprünglich auf die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und nunmehr auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gerichtet sei, gemäß der gesetzlichen Übergangsvorschrift des § 104 I 1 AufenthG nach dem bis zum 1.1.2005 gültigen AuslG zu beurteilen sei oder ob das an diesem Tag in Kraft getretene Aufenthaltsgesetz zur Anwendung komme, sofern es für den betroffenen Ausländer günstiger sei. Sofern das Aufenthaltsgesetz Anwendung finde, richte sich der Anspruch auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis nach § 26 IV 1 i.V.m. § 9 II 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG. § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG verlange, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert sei. Dies sei gemäß § 2 III AufenthG dann der Fall, wenn der Ausländer den Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten könne. Dabei blieben das Kindergeld und Erziehungsgeld sowie öffentliche Mittel außer Betracht, die auf Beitragsleistungen beruhten oder die gewährt würden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Vorliegend sei der Lebensunterhalt des Klägers nicht in diesem Sinne gesichert. Nach dem vom Beklagten vorgelegten aktuellen Wohngeldbescheid vom 10.4.2007 werde an den Kläger ein monatliches Wohngeld in Höhe von 69,-- Euro ausgezahlt. Da dieses Wohngeld alle zum Familienhaushalt zählenden wohngeldberechtigten Personen und damit auch den Kläger persönlich betreffe, beziehe er selbst als Familienmitglied Wohngeld. Eine fiktive Betrachtung dahingehend, dass der Kläger angesichts seines monatlichen Nettoeinkommens ohne seine Familie kein Wohngeld benötigte, sei nicht zulässig, da diese Betrachtungsweise der Realität nicht entspreche. Wohngeld stelle auch kein öffentliches Mittel da, das auf Beitragszahlungen beruhe oder gewährt werde, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen; es handele sich vielmehr um eine ergänzende Sozialleistung, die nicht gemäß § 2 III 2 AufenthG außer Betracht bleiben könne. Soweit der Kläger geltend mache, dass er gemäß § 62 II EStG Anspruch auf Kindergeld habe, bei dessen Zahlung der Anspruch auf Wohngeld entfiele, sei der Ausgang des auf die Zahlung von Kindergeld gerichteten Verfahrens vor dem Finanzgericht des Saarlandes noch offen. Es könne daher nicht angenommen werden, dass der Kläger Kindergeld erhalte oder demnächst erhalten werde. Auch wenn ihm bei Erteilung der Niederlassungserlaubnis Kindergeld gewährt würde, ändere dies nichts daran, dass er im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis nicht erfülle. Soweit das AufenthG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union mit Wirkung vom 28.8.2007 geändert worden sei, ergebe sich daraus im Ergebnis keine dem Kläger günstigere Beurteilung. Die Klage habe schließlich auch dann keinen Erfolg, wenn auf die Rechtslage vor dem 1.1.2005 abgestellt werden müsse. Anspruchsgrundlage für die danach erstrebte unbefristete Aufenthaltserlaubnis sei § 35 I AuslG 1990. Auch danach sei unter anderem erforderlich, dass sein Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert sei. Daher könne offenbleiben, ob nach altem Recht der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zusätzlich das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes im Sinne von § 24 I Nr. 6 AuslG 1990 in der Person des Klägers entgegenstehe.

Gegen das dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 27.9.2007 zugestellte Urteil hat er am 11.10.2007 Antrag auf Zulassung der Berufung eingereicht (Geschäftsnummer 2 A 421/07), dem der Senat am 10.7.2008 stattgegeben hat. Am 7.8.2008 hat der Kläger seine Berufung - Geschäftsnummer 2 A 287/08 - unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen im Übrigen im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das Gericht verkenne, dass der Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für jeden Ausländer gesondert nach den Verhältnissen für seine Person zu prüfen sei. Dies ergebe sich aus § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG. Gemäß § 2 AufenthG müsse nur der notwendige Unterhalt des Ausländers selbst gedeckt sein, der Bedarf von unterhaltsberechtigten oder anderen Familienangehörigen sei nicht zusätzlich anzusetzen. § 2 III 1 AufenthG bestimme, dass der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert sei, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten könne. Die Feststellung dieser Voraussetzung erfordere einen Vergleich des Bedarfs mit dem tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkommen, wobei als Anhaltspunkt für den Bedarf der Regelsatz der Sozialhilfe herangezogen werde. Zunächst hätte das Gericht daher den Bedarf des Klägers zur Sicherung des Lebensunterhalts berechnen müssen, um diese Berechnung dann den tatsächlich erwirtschafteten Einkünften des Klägers gegenüberzustellen. In diesem Fall hätte es festgestellt, dass der Kläger zur Sicherung seines Lebensunterhaltes in der Lage sei. Sein monatliches Nettoeinkommen liege weit über dem Regelbedarf des Sozialhilfesatzes zuzüglich Miete und Nebenkosten. Die Berücksichtigung von fiktiv einkommensmindernden Freibeträgen sei unzulässig. Letztendlich bleibe auf die Anordnung des Innenministeriums nach § 23 AufenthG über ein Bleiberecht für im Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausländische Staatsangehörige vom 20.11.2006 mit Hinweisen des Innenministeriums zur Anwendung der Anordnung hinzuweisen. Sofern der Lebensunterhaltsbedarf vollständig durch eigene legale Erwerbstätigkeit gedeckt sei, sei es danach unschädlich, wenn über einen Freibetrag nach § 30 SGB II gleichwohl ein Anspruch auf öffentliche Sozialleistungen bestehe, da die Frage, ob der Lebensunterhalt im Sinne von § 2 III AufenthG gesichert sei, bedarfsbezogen zu beantworten sei; entsprechendes gelte für einen Anspruch auf Wohngeld.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 29.8.2007 - 5 K 101/07 - den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9.3.2005 in der Gestalt des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2006 ergangenen Widerspruchsbescheides zu verpflichten, dem Kläger die Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil sowie die angefochtenen Bescheide. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 IV i.V.m. § 9 II 1 Nrn. 2-9, § 5 AufenthG beziehungsweise gemäß § 104 AufenthG i.V.m. § 35 I i.V.m. § 24 I AuslG 1990 seien im Falle des Klägers nicht erfüllt. Dem stehe bereits das objektive Vorliegen eines Ausweisungsgrundes entgegen. Er sei mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Angesichts der Tatsache, dass auch zeitnah mit der Antragstellung auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis weitere Straftaten begangen worden seien, die ihrer Art nach eine Wiederholungsgefahr nahelegten, sei eine Niederlassungserlaubnis zu versagen. Der Regelversagungsgrund nach § 5 I Nr. 2 i.V.m. 55 II Nr. 2 AufenthG (§ 7 II Nr. 1 i.V.m. § 46 Nr. 2 und § 24 I Nr. 6 AuslG 1990) sei damit objektiv gegeben. Aber auch der Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit sei nicht ausreichend gesichert. Entscheidendes Kriterium sei dabei die Frage, ob der Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestritten werden könne. Zweck der gesetzlichen Regelung sei es, keine weiteren beziehungsweise neuen Belastungen für die öffentlichen Haushalte zu schaffen. Der Beklagte verkenne nicht, dass die Frage, ob der Ausländer bei der Bedarfsbemessung isoliert betrachtet oder vielmehr die Bedarfsgemeinschaft zugrunde gelegt werden solle, streitig sei. Da die wechselseitige Unterstützung in einer Bedarfsgemeinschaft in Vollziehung bestehender Unterhaltsansprüche erfolge, komme man nicht umhin, die Unterhaltsansprüche Dritter gegenüber dem Ausländer entweder bedarfserhöhend zuzurechnen oder vom vorhandenen Einkommen abzuziehen. Käme der Ausländer seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nach, fehle es an der Regelerteilungsvoraussetzung "kein Ausweisungsgrund". Bei der Bedarfsberechnung werde nach dem SGB II stets von einer bestehenden Bedarfsgemeinschaft ausgegangen. Die Herauslösung des Ausländers aus der Bedarfsgemeinschaft entspreche nicht den tatsächlichen ökonomischen Bedingungen seines Aufenthalts. Dem entspreche, dass § 2 III 4 AufenthG bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug die Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen zu berücksichtigen verlange. Lebe der Ausländer in einer Bedarfsgemeinschaft, könne sein Bedarf nicht unabhängig von dem der übrigen Mitglieder bestimmt werden. Auch der gesetzgeberische Zweck (Schonung der Sozialkassen) spreche für eine ganzheitliche Betrachtung, denn auch die Leistungen nach dem SGB II würden unter Berücksichtigung der gesamten Gemeinschaft gewährt. Nach § 9 II 3 SGB II gelte jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Mitteln und Kräften gedeckt werden könne. Da die Bedürftigkeit des Ausländers sich im Rahmen des SGB II nach dem Bedarf der Gemeinschaft bestimme, könne auch der aufenthaltsrechtliche Bedarf des Ausländers nicht anders ermittelt werden. Die Hilfe müsse nicht tatsächlich in Anspruch genommen werden. Die Berechnungsgrundsätze wären bei der möglichen Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen beziehungsweise dem nach den vorgelegten Unterlagen ermittelten Hilfebedarf zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung von einkommensmindernden Freibeträgen nach § 30 SGB II sei zulässig. Bei den die Hilfebedürftigkeit regelnden Normen (§§ 9 f. SGB II), die auch den in §§ 29 f. SGB II normierten Anreizen und Sanktionen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit insgesamt dienten, handele es sich um ein geschlossenes, in sich stimmiges System, dessen Teilregelungen derart aufeinander abgestimmt seien, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den öffentlichen Interessen und denen der hilfesuchenden Betroffenen gewährleistet sei. Auch wenn der zunächst ausreichend verdienende Ausländer Hilfe nicht in Anspruch nehmen wolle, stelle die bloße Möglichkeit, über die Berechnung des Einkommens unter Berücksichtigung der Abzugsmöglichkeit eventuell doch noch in den Genuss öffentlicher Mittel zu gelangen, eine Gefährdung des gesetzgeberischen Zwecks dar. Da die Beurteilung der Unterhaltssicherung stets das Ergebnis einer Prognose der Ausländerbehörde darstelle, sei die zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung gegebene Möglichkeit einer Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu berücksichtigen. § 2 III AufenthG sehe auch keine Einschränkungen vor. Diese von VG und OVG Berlin-Brandenburg vertretene Auffassung sei auch in dem Visumverfahren maßgebend.

Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (4 Hefter Verwaltungsunterlagen, 1 Hefter Widerspruchsakte), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat nach Maßgabe des Tenors Erfolg.

Die zulässige Klage des Klägers, die auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gerichtet ist, ist überwiegend begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf (Neu-) Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Der angefochtene Bescheid des Rechtsvorgängers des Beklagten, des Landrates des Landkreises Neunkirchen - Ausländerbehörde -, vom 9.3.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.9.2006, mit dem sein Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 AuslG zurückgewiesen wurde, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 V VwGO).

Der Kläger, der unter dem 16.8.2004 im Verwaltungsverfahren die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 AuslG beantragt hatte - und hieran auch im Widerspruchsverfahren festgehalten hat -, kann sich für sein Klagebegehren gleichwohl auf neues Recht, nämlich die §§ 26 IV, 9 II AufenthG berufen.

Auszugehen ist von § 104 I 1 AufenthG, nach dem Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die vor dem 1.1.2005 gestellt wurden, nach dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht, also nach dem Ausländergesetz von 1990 (AuslG) zu entscheiden sind; dabei erklärt § 104 I 2 AufenthG § 101 I AufenthG für entsprechend anwendbar. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll § 104 I AufenthG diesem Antragstellerkreis ermöglichen, einen unbefristeten Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis) nach dem bis dahin geltenden Recht zu erlangen, um Rechtsnachteile in der Umstellungszeit zu vermeiden. (Gesetzentwurf der Bundesregierung, Drucksache 15/420 vom 7.2.2003, S. 100) Der Antrag des Klägers auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis galt daher nach Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 nach Nr. 104.1 (zu § 104 AufenthG) der Vorläufigen Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz - VAH-AufenthG - als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis fort, behielt also weiterhin seine Gültigkeit und das Antragsziel war entsprechend umzudeuten. Zu sehen ist weiter, dass § 104 II AufenthG für nach Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 gestellte Anträge eine Übergangsregelung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis enthält, die für Personen, die vor diesem Stichtag bereits im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsbefugnis gewesen sind, günstige Abweichungen von den Erteilungsvoraussetzungen des § 9 II AufenthG (betreffend Sprachkenntnisse, Beiträge zur Rentenversicherung, Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet) vorsieht. (Vgl. Nr. 104.2 VAH-AufenthG) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll somit der Personenkreis mit den in § 104 II AufenthG umschriebenen Aufenthaltsrechten die Niederlassungserlaubnis nach Maßgabe des neuen Rechts, aber unter Beibehaltung der dort genannten, weniger strengen Voraussetzungen des § 24 AuslG erhalten können. Diese Übergangsregelungen belegen, dass es dem der Gesetzgeber allein darauf ankam, Ausländer mit einem - befristeten - Aufenthaltsrecht vor Rechtsnachteilen durch die Gesetzesänderung zu schützen. Bei dieser Sachlage erscheint es sachgerecht, über den "Altantrag" des Klägers, der zu den von § 104 II AufenthG Begünstigten zählt, nach neuem Recht zu entscheiden, soweit dieses für ihn günstiger ist (Vgl. Fehrenbacher, HTK-AuslR, § 104 AufenthG, zu Abs. 1 10/2004 Nr. 1; a.A.. Kluth/ Hund/ Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2008, § 4 Rdnr. 178 unter Hinweis auf Hamburgisches OVG, Entscheidung vom 31.5.2006 - 3 Bs 452/04 -: Entscheidung über Altanträge nur nach altem Recht) . Im Übrigen hat sich der Kläger erstmals in seinem Schriftsatz vom 16.11.2006 im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich auf §§ 26 IV, 9 AufenthG berufen und damit offenkundig einen - dieselben streitigen Sach- und Rechtsfragen wie der Altantrag aufwerfenden - Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach neuem Recht gestellt, auf den sich der Beklagte auch rügelos eingelassen hat.

Rechtsgrundlage für die begehrte Niederlassungserlaubnis ist, da der Kläger Inhaber eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen war, der zurzeit nach § 81 IV AufenthG fortgilt , somit § 26 IV AufenthG. Danach kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des AufenthG besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 II 1 Nr. 2 bis 9 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen; § 9 II 2 bis 6 gilt entsprechend. Bei Ausländern, die vor dem Stichtag im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis waren, findet jedoch hinsichtlich der Voraussetzungen des § 9 II 1 Nr. 3, 7 und 8 AufenthG die Übergangsregelung des § 104 II AufenthG Anwendung.

Der Kläger erfüllt die zeitlichen Voraussetzungen des § 26 IV AufenthG. Bei der Fristberechnung werden grundsätzlich nur Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22 bis 25, 104a, 104b AufenthG angerechnet. Dem stehen nach § 81 IV AufenthG Zeiten des Besitzes einer Fiktionsbescheinigung zu einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gleich. (Vgl. Kluth/ Hund/ Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2008, § 4 Aufenthalt, Rdnr. 770 m.w.N.) Nach der Ausnahmeregelung in § 102 II AufenthG werden auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 IV AufenthG zudem auch Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1.1.2005 angerechnet. Der Ausländer muss grundsätzlich ununterbrochen eine Aufenthaltserlaubnis bzw. anrechenbare Aufenthaltsbefugnis oder Duldung besitzen. Der Kläger war zunächst vom 20.12.2000 bis 3.11.2006 im ununterbrochenen Besitz einer Aufenthaltsbefugnis, die ab 1.1.2005 nach § 101 II AufenthG als Aufenthalterlaubnis fortgalt. Die hieran anschließende Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat der Kläger, worauf der Beklagte zu Recht mit Schriftsatz vom 15.12.2006 im erstinstanzlichen Verfahren hingewiesen hat, allerdings erst am 15.11.2006 - um 12 Tage - verspätet beantragt. Die anschließende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 I AufenthG wurde am 15.12.2006 mit einer Gültigkeit bis 3.11.2008 erteilt. Auf den am 17.10.2008 gestellten Verlängerungsantrag wurde ihm eine zwischenzeitlich verlängerte Fiktionsbescheinigung ausgestellt. Der Aufenthalt des Klägers in dem dargestellten Zeitraum war daher nicht durchgehend rechtmäßig. Nach § 85 AufenthG können jedoch Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben. Angesichts des geringen Umfangs der Verspätung der Antragstellung erscheint allein eine Nichtberücksichtigung der Bagatellunterbrechung durch die Ausländerbehörde in diesem Zusammenhang ermessensgerecht. Denn der Zweck des § 26 IV AufenthG besteht darin, nach langjährigem legalem Aufenthalt die Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung zu eröffnen, und dieser Zweck entfällt nicht durch kurze Unterbrechungen, wie durch - etwa versehentlich - geringfügig verspätete Beantragung einer Verlängerung des Aufenthaltstitels. (Zeitler, HTK- AuslR, § 26 AufenthG, zu Abs. 4 - 07/2009 -, Anm.3 unter Hinweis auf Hess. VGH, Beschluss vom 16.7.2007 - 11 TP 1155/07 - m.w.N.) Der Kläger ist daher im für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht (BVerwG, Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 23.94 -, InfAuslR 1997, 240) seit mindestens 7 Jahren im Besitz eines von § 26 IV AufenthG geforderten Aufenthaltstitels.

Entgegen der Annahme des Beklagten liegt auch die weitere Voraussetzung für die Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis, die Sicherung des Lebensunterhaltes des Klägers gemäß §§ 26 IV i.V.m. 9 II Nr. 2 AufenthG, vor. Zwar reicht das Einkommen des derzeit allein berufstätigen Klägers und seiner Familie, wie sich aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 17.9.2009 ergibt und im Übrigen auch unstreitig ist, nicht aus, um auch den Lebensunterhalt seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder sicherzustellen. Dies ist indes im gegebenen Zusammenhang unschädlich.

Wie sich aus dem Wortlaut des § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG, auf den § 26 IV 1 AufenthG Bezug nimmt, ergibt, setzt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis voraus, dass "sein Lebensunterhalt" gesichert ist. Diese Voraussetzung grenzt sich zunächst gegenüber § 5 I Nr. 1 AufenthG ab, wonach für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel "der Lebensunterhalt" gesichert sein muss. Allerdings ist zu sehen, dass diese Regelung eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung für Aufenthaltstitel enthält und die die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis betreffende Vorschrift des § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG mit einer eigenen Festlegung zum Lebensunterhalt jedenfalls spezieller ist. Deutlicher noch unterscheidet sich § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG mit der Formulierung "sein Lebensunterhalt" aber von § 9a II Nr. 2 AufenthG, wonach einem Ausländer eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG, die der Niederlassungserlaubnis gleichgestellt ist, zu erteilen ist, wenn u.a. "sein Lebensunterhalt und derjenige seiner Angehörigen, denen er Unterhalt zu leisten hat, durch feste und regelmäßige Einkünfte gesichert ist". Der unterschiedliche Wortlaut dieser beiden Normen spricht entscheidend dagegen, dass auch nach § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG nicht nur der Lebensbedarf des Ausländers selbst, sondern auch der seiner Familienangehörigen gesichert sein muss, obwohl dies - anders als gemäß § 9a II 1 Nr. 2 AufenthG - nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. Zwar weist der Beklagte in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass § 9a AufenthG erst im Jahre 2007 in Umsetzung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen vom 25.11.2003 nachträglich in das AufenthG eingefügt wurde und § 9a II 1 Nr. 2 AufenthG dem Richtlinientext entspricht. Dies könnte jedoch die Beibehaltung des ursprünglichen Wortlauts des § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG allenfalls dann hinreichend erklären, wenn § 9 II 1 AufenthG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 gänzlich unverändert geblieben wäre. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr ist festzustellen, dass § 9 II 1 Nr. 4 AufenthG an den Text des § 9a II 1 Nr. 5 AufenthG wortgleich angepasst worden ist. Begründet wurde diese Anpassung in den Gesetzesmaterialien (BT- Drucksache 16/5065, S. 160) zum einen mit der in § 9a I 2 AufenthG ausdrücklich geregelten Parallelität von Niederlassungserlaubnis und Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG und zum anderen mit der Begegnung möglicher Missverständnisse. Da aber bereits vor dieser Gesetzesänderung streitig und damit unklar gewesen ist, ob sich die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 I Nr. 1 AufenthG auf die Bedarfsgemeinschaft erstreckt (Vgl. Darstellung BVerfG, Beschluss vom 11.5.2007 - 2 BvR 2483/06 -, InfAuslR 2007, 182) , drängt sich auf, dass der Gesetzgeber § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG bei der Gesetzesänderung zwar überprüft, eine entsprechende Anpassung der Vorschrift jedoch aus inhaltlichen Gründen unterlassen hat, um nämlich die Privilegierung des Ausländers bei der Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Gegensatz zu den Vorschriften über den Familiennachzug, die grundsätzlich eine Sicherung des Lebensunterhalts der Familie verlangen, (Vgl. Darstellung bei Hailbronner, AuslR, Stand: August 2008, § 2 AufenthG, Rdnr. 38 m.w.N.) zu erhalten. Wohl überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG keine Gesamtbetrachtung der Familiengemeinschaft zu erfolgen hat, sondern der Ausländer isoliert zu betrachten ist. (vgl. etwa Hailbronner, AuslR, Stand: August 2008, § 9 AufenthG, Rdnr. 19; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 2 AufenthG, Rdnr. 17; VG Augsburg, Urteil vom 11.12.2007 - Au 1 K 07.1061 -, zitiert nach juris; VG Dresden, Urteil vom 9.7.2009 - 3 K 2317/06, zitiert nach juris; VG Hamburg, Urteil vom 9.6.2009 - 10 K 3065/08 -, zitiert nach juris ; a.A. Zeitler, HTK-AuslR, § 2 AufenthG, zu Abs. 3 Lebensunterhalt 07/2009 Nr. 2.1) Diese Auffassung wird zudem von den VAH-AufenthG gestützt, die in Nr. 9.2.2 (zu § 9 II AufenthG) auf § 2 III AufenthG verweisen, und unter Nr. 2.3.3.1 darauf hinweisen, dass Leistungen für Familienangehörige nicht anzusetzen sind, "da sich § 2 III AufenthG lediglich auf den Lebensunterhalt des einzelnen Ausländers bezieht".

An der Richtigkeit der dargestellten, auf dem Gesetzeswortlaut des § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG gründenden Ansicht ändert auch die von Seiten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung angesprochene neue "Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz" der Bundesregierung - nachfolgend: AVV-AufenthG - (BR-Drucksache 669/09 vom 27.7.2009) nichts, der der Bundesrat am 18.9.2009 seine Zustimmung erteilt hat, über deren Inkrafttreten aber noch nichts bekannt ist. Zwar wird hier unter Nr. 9.2.1.2 "Lebensunterhaltssicherung" ausgeführt, dass hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 9 II 1 Nr. 2 grundsätzlich § 2 III gelte und diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, wenn der Antragsteller den Lebensunterhalt nur für sich, nicht aber für seine Familienangehörigen in Deutschland, denen er zum Unterhalt verpflichtet sei, sicherstellen könne. In der sodann in Bezug genommenen Nr. 2.3.2 wird dies - in Abkehr von der vorgenannten Nr. 2.3.3.1 VAH-AufenthG - bekräftigt und dargelegt, dass bei isolierter Betrachtung § 2 III sich zwar nur auf die Sicherung des Lebensunterhaltes des jeweiligen Antragstellers beziehe. Die Einbeziehung der Unterhaltspflichten des Ausländers ergebe sich jedoch aufgrund gesetzes- und rechtssystematischer Auslegung. In Nr. 2.3.2.1 AVV-AufenthG wird insoweit ausgeführt, in § 2 III 2 würden das Kindergeld, der Kinderzuschlag und das Erziehungsgeld oder Elterngeld ausdrücklich aus der Berechnung der Lebensunterhaltssicherungspflicht herausgenommen, diese Leistungen - mit Ausnahme des Erziehungsgeldes und teilweise des Elterngeldes - würden jedoch gerade in Bezug auf unterhaltsberechtigte Kinder gewährt und dienten nicht der Sicherung des Lebensunterhaltes des Elternteils. Auch Ausländer unterlägen ebenso wie Deutsche den unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen des BGB, die auch im AufenthG vorausgesetzt würden (Nr. 2.3.2.2 AVV-AufenthG). Die Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung ergebe sich - insbesondere in Familiennachzugsfällen - auch aus dem Verständnis der Familie als durch Unterhaltspflichten miteinander verbundene Wirtschaftsgemeinschaft; zudem werde bei der Gewährung sozialer Leistungen stets vermutet, dass innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft gemeinsam gewirtschaftet werde (§ 36 SGB XII) und infolgedessen eine Gesamtbetrachtung angestellt (Nr. 2.3.2.3 AVV-AufenthG). Die Sicherung des Lebensunterhalts der unterhaltsberechtigten Familienangehörigen sei daher Bestandteil der eigenen Lebensunterhaltssicherung.

Zunächst ist hierzu festzustellen, dass Nr. 9.2.1.2 AVV-AufenthG sich nicht mit dem Wortlaut des § 9 II 1 Nr. 1 AufenthG - insbesondere angesichts der Formulierung des § 9a II 1 Nr. 2 AufenthG - auseinandersetzt und hinsichtlich einer isolierten Betrachtung des Ausländers bei der Frage der Sicherung des Lebensunterhaltes lediglich auf die Erläuterungen zu den Begriffsbestimmungen in Nr. 2.3.2 AVV-AufenthG Bezug nimmt. Die Frage, ob für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis - und nur darum geht es vorliegend - der Lebensbedarf allein des Ausländers oder auch der Familie gesichert sein muss, wird jedoch wie oben dargelegt bereits durch den Wortlaut des § 9 II 1 Nr. 2 AufenthG - abweichend von diesen Verwaltungsvorschriften zu § 2 III AufenthG - geregelt; eine Auseinandersetzung mit ihnen ist daher nicht erforderlich.

Der Kläger (Steuerklasse 3, 2 Kinderfreibeträge) bezog ausweislich seiner Bezüge-Abrechnung für August 2009 ein Gesamt-Brutto in Höhe von 1876,59 EUR . Wenn der Kläger "isoliert", also ohne Familienangehörige zu betrachten ist, erscheint es angemessen, für die Berechnung zu unterstellen, dass er alleinstehend ist, damit der Steuerklasse 1 unterfällt und zwei halbe Kinderfreibeträge in Anspruch nehmen kann. Mit dann anfallenden steuerrechtlichen Abzügen in Höhe von 214,11 EUR (213,16 EUR Lohnsteuer, 0,95 EUR Solidaritätszuschlag, keine Kirchensteuer) und sozialversicherungsrechtlichen Abzügen in Höhe von 379,54 EUR sowie einem Kammerbeitrag von 2,81 EUR beliefe sich das Einkommen des Klägers auf (1876,59 EUR - 596,46 EUR =) 1280,13 EUR. Vom so ermittelten Nettoeinkommen sind zunächst 100,- EUR als Freibetrag nach § 11 II 2 SGB II sowie weitere vom Bruttoeinkommen berechnete Freibeträge nach § 11 II 1 Nr. 6 i.V.m. § 30 S.1 Nr. 1 SGB II in Höhe von (20 % von 700,- EUR =) 140,- EUR und nach § 11 II 1 Nr. 6 i.V.m. § 30 S. 1 Nr. 2, S. 2 SGB II von (10 % von 700,- EUR = 70,- EUR) abzuziehen. Die Berücksichtigung dieser Freibeträge ist zulässig. Wie das Bundesverwaltungsgericht mittlerweile zum AufenthG entschieden hat, sind nämlich bei erwerbsfähigen Ausländern bei der Ermittlung des zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 2 III AufenthG erforderlichen Einkommens von dem Erwerbseinkommen sämtliche in § 11 II SGB II angeführten Beträge abzuziehen; dies gilt auch für den Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 11 II 1 Nr. 6 i.V.m. § 30 SGB II und die Pauschale nach § 11 II 2 SGB II. (BVerwG, Urteil vom 26.8.2008 - 1 C 32.07 -) Ferner verringert sich das angenommene Nettoeinkommen um den Regelsatz von 359,- EUR für Alleinstehende und die 276,96 EUR für die Kosten der Unterkunft, die sich aus der Hälfte der Kosten für das Haus-Darlehen von (350,- EUR, verringert um einen auf 1 % der Darlehenssumme geschätzten monatlichen Tilgungsanteil von 31,- EUR = ) 319,- EUR, der Nebenkosten von 122,42 EUR und Heizkosten von 112,50 EUR - insgesamt somit 553,93 EUR - ergeben. Danach ist auf der Grundlage der Lohnabrechnung für August 2009 ein Einkommensüberschuss in Höhe von 334,17 EUR festzustellen. Ausweislich des Arbeitsvertrages erhält der Kläger zudem Urlaubs- und Weihnachtsgeld "nach betrieblicher Regelung". Hierzu konnte der Kläger nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung aufgrund der kurzen Betriebszugehörigkeit noch keine Angaben machen.

Die Beurteilung der Frage der Sicherung des Lebensunterhalts hat prognostischen Charakter. Es geht hier darum, ob der Betroffene aller Voraussicht nach bei nicht wesentlich veränderten und unter Außerachtlassung von unvorhergesehenen Umständen den Lebensunterhalt aus eigenen - und/ oder ggf. ausdrücklich als unschädlich bezeichneten öffentlichen - Mitteln auch in Zukunft wird bestreiten können. (Vgl. etwa Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Januar 2008, § 2 Rdnr. 41; vgl. auch Darstellung bei Kluth/ Hund/ Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2008, § 4 Aufenthalt Rdnr. 130)

Der Kläger bezieht sein Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit. Allerdings hat er diesen Arbeitsplatz erst seit 1.8.2009 inne und die 6-monatige Probezeit ist noch nicht abgelaufen. Gleichwohl ist zu sehen, dass der Kläger seit 1993 berufstätig ist, von 1999 - wohl mit Ausnahme der Zeit in Untersuchungshaft - bis 30.4.2009 bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war und seine Arbeit nicht durch eigenes Verschulden, sondern infolge dessen Insolvenz verloren hat. Er hat sodann nach nur dreimonatiger Arbeitslosigkeit die jetzige Arbeitsstelle im selben Aufgabenfeld (Wagenpflege) antreten können. Es ist daher zu erwarten, dass er die Probezeit erfolgreich absolvieren und danach eine feste Arbeitsstelle haben wird. Davon, dass der Kläger - ebenso wie seine Ehefrau, die in der Vergangenheit bis zum Besuch der Fachoberschule in geringerem Umfang auch zum Lebensunterhalt beigetragen hat und während einer zeitweiligen Trennung der Eheleute ihren Lebensunterhalt mit BAföG-Leistungen bestritten hat -, strebsam ist, zeugt auch die Tatsache, dass beide in 2008 mit einem Kredit ein Haus erworben haben. Es ist daher zu erwarten, dass sich der Kläger auch weiterhin nach Kräften bemühen wird, seinen Unterhalt - auch zur Erhaltung des Eigenheims für seine Familie - zu sichern. Bei isolierter Betrachtung des Klägers ist sein Lebensbedarf demnach durch sein Einkommen gesichert.

Bedenken, dass der Kläger die Anforderungen der Übergangsregelung des § 104 II 1 AufenthG nicht erfüllt, hat der Beklagte nicht geäußert; dies ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Im Übrigen findet § 9 II 1 Nr. 3, 7 und 8 AufenthG gemäß § 104 II 2 AufenthG keine Anwendung.

Der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an den Kläger stehen des Weiteren keine Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne der §§ 26 IV i.V.m. 9 II Nr. 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet entgegen. Mit der Neufassung des § 9 II 1 Nr. 4 AufenthG durch das vorgenannte EU-Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.8.2007 ist die Vorschrift an § 9a AufenthG angepasst worden, so dass anstelle der bisher geltenden Schwelle einer Verurteilung zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen nunmehr eine allgemeine Güterabwägungsklausel gilt. Diese allgemeine Klausel, die eine Abwägung zwischen einer prognostischen Sicherheitsgefährdung und den Bindungen an das Bundesgebiet erfordert, hat sich am Einzelfall zu orientieren. (Kluth/ Hund/ Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2008, § 4 Aufenthalt, Rdnr. 186) Die Übernahme der Klausel in das AufenthG, mit der die erwünschte Parallelität zu § 9a II 1 Nr. 5 AufenthG sowie die Vermeidung von Missverständnissen und Unklarheiten, die sich aus der bisher geltenden Fassung ergeben hätten, bezweckt wurde, hat nach der Gesetzesbegründung klarstellen sollen, dass erhebliche Straftaten der Entstehung eines Daueraufenthaltsrechts entgegenstünden. Dabei sei davon ausgegangen worden, dass der Regelversagungsgrund des § 5 I Nr. 2 AufenthG neben der Voraussetzung des § 9 II 1 Nr. 4 anwendbar bleibe, also das Vorhandensein von Ausweisungsgründen in der Regel und erhebliche Vorstrafen über der Schwelle des Abs. 2 S. 1 Nr. 4 immer die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ausschlössen. Anforderungen, die für jede Aufenthaltserlaubnis gelten würden, müssten erst recht für die Niederlassungserlaubnis bestehen. (BT-Drucksache 16/5065, S. 160) Ausschlaggebend ist aber wohl die Erwägung gewesen, durch eine der Interpretation offen stehende Abwägung zwischen den Interessen des Ausländers und Ordnungsbelangen flexiblere Entscheidungsspielräume zu eröffnen. (Hailbronner, AuslR, Stand: August 2008, § 9 Aufenthaltsgesetz, Rdnr. 29 f.) Das Verhältnis des § 9 II 1 Nr. 4 AufenthG zum Regelversagungsgrund des § 5 I Nr. 2 AufenthG ist damit nach wie vor unklar. (So zu Recht Hailbronner, AuslR, Stand: August 2008, § 9 Aufenthaltsgesetz, Rdnr. 33; Bayer. VGH, Beschluss vom 30.4.2009 - 19 ZB 08.2022 -, zitiert nach juris) Angesichts des Umstandes, dass der Gesetzgeber durch die erstgenannte Regelung die Berücksichtigung strafrechtlich relevanten Verhaltens im Rahmen der Erteilung der Niederlassungserlaubnis besonders geregelt hat, kann trotz der nach wie vor bestehenden Unklarheiten kaum ein Zweifel daran bestehen, dass im Falle eines dem Ausländer günstigen Ergebnisses der Erwägungen im Rahmen des § 9 II 1 Nr. 4 AufenthG eine Ablehnung der Niederlassungserlaubnis nicht mit dem bloßen Hinweis auf § 5 I Nr. 2 AufenthG erfolgen kann. Grundsätzlich kann die Begehung einer Straftat, die gleichzeitig einen Ausweisungsgrund darstellt, nur dann eine Ablehnung der Niederlassungserlaubnis rechtfertigen, wenn entweder wegen der Schwere der Straftat oder der Art des Verstoßes oder im Hinblick auf die Gefahr der Wiederholung von Gefährdungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer und der Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet die Ablehnung der Niederlassungserlaubnis gerechtfertigt erscheint. (Hailbronner, AuslR, Stand: August 2008, § 9 Aufenthaltsgesetz, Rdnr. 35)

Hiervon ausgehend ist zu sehen, dass der Kläger zwei erst im März 2010 gemäß §§ 45, 46 I Nr. 1a bzw Nr. 2b, 36, 47 III BZRG tilgungsreife Straftaten begangen hat. Er ist zum einen durch Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 15.11.1999 wegen Schleusens von Ausländern in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, und zum anderen durch Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 14.3.2005 wegen exhibitionistischer Handlungen in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,- EUR verurteilt worden. (Auskunft aus dem Zentralregister vom 21.8.2008, Bl. 742 f. Verwaltungsunterlagen) Diese Straftaten stellen einen Ausweisungsgrund im Sinne der §§ 5 I Nr. 2, 55 II Nr. 2 AufenthG dar. Dabei ist im Rahmen der Abwägung zwischen den Interessen des Klägers und den Ordnungsbelangen zu berücksichtigen, dass die erste Verurteilung rund 10 Jahre zurückliegt und die anders geartete zweite Verurteilung mehr als viereinhalb Jahre. Das Strafmaß der letzten Verurteilung verweist diese eher dem Bereich der Bagatellkriminalität zu, was den im März 2004 begangenen Straftaten von ihrer sozialen Bedeutung her aber nicht unbedingt gerecht wird. Allerdings ist der Kläger - auch hier - nach Aktenlage nicht rückfällig geworden, obwohl er sich keiner Therapie unterzogen hat. Der Kläger und seine Ehefrau haben nach der letzten Straftat an der familiären Gemeinschaft festgehalten, ein weiteres Kind bekommen, ein Haus erworben und sich nach einer Trennung ab Oktober 2008 zwischenzeitlich wieder versöhnt. Eine Wiederholungsgefahr erscheint daher angesichts der Dauer des straffreien Verhaltens sowie des familiären Rahmens äußerst gering. Berücksichtigt werden muss ferner, dass der Kläger, der sich mittlerweile seit 20 Jahren in Deutschland aufhält, durch fast durchgängige Berufstätigkeit seit 1993 seine wirtschaftliche Integrationsfähigkeit bewiesen hat. Er hat ferner durch den Grunderwerb eine starke Bindung an Deutschland manifestiert, die offensichtlich auch von seiner Ehefrau, die auf der Fachoberschule einen höheren Bildungsabschluss anstrebt, geteilt wird. Da der Kläger im Übrigen auch für seine Familienangehörigen keine Sozialhilfe in Anspruch nimmt und damit keinen nach § 5 I Nr. 2 AufenthG relevanten Ausweisungsgrund nach § 55 II Nr. 6 AufenthG erfüllt und dies auch für die Zukunft mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht zu erwarten ist, stehen nach allem der begehrten Niederlassungserlaubniserteilung keine Gründe im Sinne des § 9 II 1 Nr. 4 AufenthG entgegen.

Somit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 IV 1 AufenthG vorliegend vor. Die Entscheidung über die Erteilung steht daher nach dieser Vorschrift im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten, der sein Ermessen - ausgehend von seiner Rechtsauffassung konsequent - noch nicht ausgeübt hat. Zwar setzt bereits die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen gemäß §§ 26 IV, 9 II 1 Nr. 2 bis 9 i.V.m. 104 II AufenthG eine erhebliche Integrationsleistung voraus, so dass dem Beklagten kein allzu weites Restermessen verbleibt. Es könnte jedoch zum einen eine etwaige bestehende Verwaltungspraxis in Niederlassungsfällen nach § 26 IV AufenthG - soweit durch sie nicht die gerichtlichen Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen in Frage gestellt werden - berücksichtigt werden; zum anderen unterliegt die Berücksichtigung der Deckung anderer Aufenthaltskosten als der Lebensunterhaltskosten vollumfänglich dem behördlichen Ermessen (Kluth/ Hund/ Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2008, § 4 Aufenthalt, Rdnr. 123) . Daher kann keine für eine antragsgemäße Verpflichtung zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Ermessensreduktion festgestellt werden, zumal der Kläger auch in seinem Vorbringen keine Umstände aufzeigt, die Anlass geben könnten zu seinen Gunsten von einer solchen Verdichtung des behördlichen Entscheidungsspielraums "auf Null" auszugehen.

Eine Entscheidung über das Klagebegehren des Klägers auf der Grundlage des bis zum 31.12.2004 geltenden Rechts nach § 104 I AufenthG würde für den Kläger nicht zu einem günstigeren Ergebnis führen, da auch § 35 I AuslG die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen vorsieht.

Der Berufung war daher teilweise stattzugeben.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 I 3 VwGO, wobei für den Senat ausschlaggebend war, dass der Kläger in allen Hauptstreitfragen im Berufungsverfahren erfolgreich war.

Die Revision war gemäß § 132 II Nr. 1 VwGO zuzulassen, da der Frage, ob es für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis genügt, wenn der Lebensunterhalt allein des in einem Familienverband lebenden Antragstellers gesichert ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt (§§ 63 II, 52 II, 47 GKG).

Ende der Entscheidung

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