Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 2 Q 11/06
Rechtsgebiete: GG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 1
Dem Gehörsgebot (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 VwGO) ist regelmäßig genügt, wenn sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit dem wichtigsten, nach seiner Auffassung für seine Entscheidung primär relevanten Vorbringen der Beteiligten auseinandergesetzt hat; im Übrigen ist davon auszugehen, dass auch der sonstige Sachvortrag berücksichtigt wurde, selbst wenn dies in dem Urteil nicht näher zum Ausdruck kommt. Ein Verstoß gegen das Gehörsgebot kann in dem Zusammenhang erst angenommen werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches, für die Entscheidung wesentliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen und damit erkennbar "übergangen" worden ist.

Ob das Ergebnis der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht beziehungsweise die Verneinung der Glaubwürdigkeit eines Asylbewerbers hinsichtlich seines angeblichen Verfolgungsschicksals im Heimatland im Ergebnis zutreffend ist oder nicht, ist keine Frage des Verfahrensrechts unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs.


Tenor:

Prozesskostenhilfe für das Verfahren in zweiter Instanz wird nicht bewilligt.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 10. November 2005 - 6 K 156/04.A - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Gründe:

I.

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit aus T (Türkei). Er reiste nach eigenen Angaben im Juni 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt führte er unter anderem - soweit hier von Bedeutung - aus, er habe mit der "kurdischen Bewegung" sympathisiert und sei "Mitglied der HADEP" gewesen, in der er sich "politisch betätigt" habe. Er habe sich öfter mit seinen Freunden getroffen und "dann auch die PKK aktiv unterstützt". Es habe Anzeigen gegen ihn gegeben, woraufhin er des Öfteren von Soldaten mitgenommen worden sei. Seit seiner Jugend habe er Kontakt mit den Sicherheitskräften gehabt und sei geschlagen worden. Deswegen habe er einen Hass auf "diese Leute" entwickelt. Er habe das nicht mehr ausgehalten und sich entschlossen, die Türkei zu verlassen. Mit der HADEP habe er seit 1993 "sympathisiert", 1996 seine "Aufnahme beantragt", aber keinen Mitgliedsausweis erhalten.

Durch Bescheid vom 29.6.2004 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab, verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung für den Fall der Nichtbefolgung zur Ausreise binnen eines Monats auf. In der Begründung heißt es, dem Vorbringen des Klägers könne kein realer Hintergrund beigemessen werden, so dass "irgendwie geartete Rückkehrbefürchtungen" nicht gerechtfertigt seien. Solche ergäben sich auch nicht allein aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit.

Im Rahmen des anschließend von ihm eingeleiteten Klageverfahrens führte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10.11.2005 unter anderem aus, er sei kein Mitglied der HADEP gewesen, sondern habe sich lediglich in deren Vereinslokal mit Angehörigen der Partei beziehungsweise Freunden getroffen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 10.11.2005 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde - neben einer vollumfänglichen Bezugnahme auf den Ablehnungsbescheid - festgestellt, dass das Gericht die darin geäußerten Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers teile. Diesem sei es in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen, dem Gericht die Überzeugung von der Wahrheit seiner Angaben bereits für den "Aufhänger" seiner "Verfolgungsgeschichte" zu vermitteln. Das Gericht glaube dem Kläger nicht, dass er in dem von ihm behaupteten Umfang für die PKK und später für die HADEP/DEHAP politisch aktiv gewesen sei. Er sei auch in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage gewesen, seine Aktivitäten für diese Organisationen anschaulich und detailliert zu beschreiben. Das Vorbringen sei pauschal, unsubstantiiert und vermittle nicht den Eindruck einer Schilderung eigener Erlebnisse. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers würden dadurch vertieft, dass er keinerlei Kenntnisse über die Organisation und Ziele der Parteien habe. Auch seien die Angaben eklatant widersprüchlich. So habe er beim Bundesamt behauptet, Mitglied der HADEP gewesen zu sein, wohingegen er vor Gericht erklärt habe, er sei nicht Mitglied der Organisation gewesen. Anzumerken sei, dass auch für den Fall, dass zugunsten des Klägers Aktivitäten für die HADEP/DEHAP unterstellt würden, keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich wären, dass jedes einfache Mitglied mit asylrelevanter Verfolgung durch türkische Stellen rechnen müsse.

Mit dem Zulassungsantrag rügt der Kläger eine Verletzung rechtlichen Gehörs.

II.

Die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren ist zu versagen, da es dem Zulassungsverfahren von Anfang an an hinreichender Erfolgsaussicht ermangelte (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 78 Abs. 1 AsylVfG) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10.11.2005 - 6 K 156/04.A -, mit dem die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG abgewiesen wurde, muss erfolglos bleiben. Aus dem den gerichtlichen Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzenden Vorbringen in der Antragsschrift vom 22.12.2005 ergibt sich kein Zulassungsgrund (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AsylVfG).

Dem Antragsvorbringen des Klägers kann der allein geltend gemachte qualifizierte Verfahrensmangel in Form einer Verletzung des verfassungsrechtlich verankerten Gebots der Gewährung (ausreichenden) rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren (§§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, 108 Abs. 1, 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht entnommen werden. Allgemein ist anerkannt, dass es dem Gehörsgebot regelmäßig genügt, wenn sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit dem wichtigsten, nach seiner Auffassung für seine Entscheidung primär relevanten Beteiligtenvorbringen auseinandergesetzt hat und dass im Übrigen davon auszugehen ist, dass auch der sonstige Sachvortrag berücksichtigt wurde, selbst wenn dies in dem Urteil nicht näher zum Ausdruck kommt. Ein Verstoß gegen das Gehörsgebot kann in dem Zusammenhang erst angenommen werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches, für die Entscheidung wesentliches Vorbringen eines Beteiligten vor Gericht entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist.

Inwiefern dem hier angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts ein solcher Gehörsverstoß zugrunde liegen sollte, erschließt sich auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers nicht. Dieser wendet insofern ein, das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich seiner Mitgliedschaft beziehungsweise Betätigung für die HADEP nur auf die Angabe beim Bundesamt abgestellt, dass er "Mitglied" gewesen sei, und daher einen Großteil seines Vorbringens "nicht berücksichtigt". Das trifft schon inhaltlich nicht zu. In dem erstinstanzlichen Urteil wurden unter anderem auch verschiedene - im Übrigen schon beim Bundesamt in sich offensichtlich widersprüchliche - Darstellungen des Sachverhalts zu diesem Punkt beispielhaft nebeneinander oder besser gegenüber gestellt und insoweit auf eine "Vertiefung" der aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung entstandenen (grundsätzlichen) Glaubwürdigkeitszweifel (§ 108 Abs. 1 VwGO) verwiesen. Was das mit der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs zu tun hat, bleibt ein Geheimnis des Klägers. Dass sein Vorbringen beim Bundesamt mit seinen verschiedenen "Facetten" hinsichtlich seiner Beziehungen zur HADEP, insbesondere aber in seiner abschließenden Version ("Nichtmitgliedschaft") vom Gericht sehr wohl zur Kenntnis genommen wurde, zeigt schon der Tatbestand des angegriffenen Urteils. Nur ergänzend sei erwähnt, dass es aus Sicht des Verwaltungsgerichts, wie dieses ausdrücklich herausgestellt hat, für die Entscheidung auf die Frage einer bloßen Mitgliedschaft des Klägers in der HADEP an sich nicht ankam.

Wenn der Kläger in der Antragsschrift vom 22.12.2005 ferner behauptet, das Verwaltungsgericht habe "in keinster Weise" auf die von ihm - dem Kläger - eigentlich erlittene Verfolgung wegen seiner Unterstützung für die "Guerillakämpfer der PKK" abgestellt, so ist auch das offensichtlich unzutreffend. In dem erstinstanzlichen Urteil wird ausdrücklich herausgestellt, dass das Gericht dem Kläger im Rahmen der ihm obliegenden Würdigung seines Sachvortrags (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) insgesamt nicht geglaubt hat. Dabei wurde ausdrücklich auch auf die behaupteten politischen Aktivitäten für die "PKK" verwiesen.

Daher kann (sicher) nicht festgestellt werden, dass dem Urteil des Verwaltungsgerichts eine Verletzung des Gehörsgebots (Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 108 Abs. 2, 138 Nr. 3 VwGO, 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG) zugrunde liegt. Letztlich wendet sich der Kläger, wie aus dem Antragsvorbringen ganz deutlich wird, gegen das Ergebnis der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts beziehungsweise hier konkret der generellen Verneinung seiner - des Klägers - Glaubwürdigkeit hinsichtlich seines angeblichen Verfolgungsschicksals im Heimatland in dem seine Klage abweisenden Urteil. Ob diese nach Aktenlage jedenfalls ohne weiteres nachzuvollziehende Beurteilung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis zutreffend ist oder nicht, ist mit Sicherheit keine Frage des Verfahrensrechts unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs.

Von einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück