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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Urteil verkündet am 25.08.2003
Aktenzeichen: 2 R 18/03
Rechtsgebiete: SVerf, SPolG, LHO, KSVG, GemHVO, AO


Vorschriften:

SVerf Art. 104
SPolG § 8
SPolG § 9
SPolG § 44
SPolG § 50
SPolG § 59
SPolG § 60
SPolG § 62
SPolG § 90
SGebG § 20
LHO § 59
KSVG § 220
GemHVO § 32
AO § 227
1. Die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 8 I SPolG umfasst unter anderem den Schutz der staatlichen Rechtsordnung, zu der auch § 9 I Polizeiverordnung über das Bestattungs- und Leichenwesen gehört. Eine Überschreitung der darin festgelegten Bestattungsfrist berechtigt die Polizeibehörde zur Ersatzvornahme ohne vorheriges förmliches Gebot zur Bestattung an den Bestattungspflichtigen und ohne vorherige Androhung der Ersatzvornahme nach § 50 SPolG.

2. Im Saarland obliegt die Bestattungspflicht gewohnheitsrechtlich den zur Totenfürsorge verpflichteten nächsten Angehörigen des Verstorbenen, ohne dass die Ausschlagung des Erbes auf diese Verpflichtung Auswirkungen hat.

3. Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit einer Polizeiverordnung im Hinblick auf das vom Erfordernis der Einhaltung des Zitiergebotes aus Art. 104 13 SVerfG und § 62 I Nr. 4 SPolG können nicht daraus abgeleitet werden, dass neben der richtigen Ermächtigungsgrundlage eine falsche Ermächtigungsgrundlage angegeben ist.

4. Zum Verhältnis von S 15 BSHG zur Inanspruchnahme des Bestattungspflichtigen für die Kosten der Ersatzvornahme aufgrund von §§ 90 I, 46 I 2 SPolG.

5. Auf der Grundlage von § 90 II 3 SPolG i.V.m. § 20 SGebG sowie § 59 I Nr. 3 LHO beziehungsweise § 220 I Nr. 9 KSVG i.V.m, § 32 III GemHVO hat die Polizeibehörde bei der Kostenerhebung nach § 46 I 2 SPolG den in diesen Vorschriften zu entnehmenden Rechtsgedanken des Erlasses der Erhebung von Kosten aus Billigkeitsgründen zur Abwendung unbeabsichtigter Härten zu beachten, wenn von dem Kostenpflichtigen dahingehende, genügende Anhaltspunkte nachgewiesen sind.

6. Die so eröffnete Möglichkeit, den Kostenersatzanspruch nach Lage des Einzelfalles unter Berücksichtigung besonderer Härten beziehungsweise - bezogen auf den auch aus § 227 AO hervorgehenden Rechtsgedanken - der Unbilligkeit der Realisierung der Kostenforderung zu erlassen, führt bei Vorliegen der besonderen unbilligen Härte regelmäßig zur Annahme einer sogenannten Ermessensreduzierung auf Null, da der Begriff der Billigkeit sowohl tatbestandsmäßige Voraussetzung des Erlasses als auch Ermessensschranke ist.

7. Dem Prüfungsprogramm der besonderen, unbilligen Härte entspricht es dabei, die persönlichen und sachlichen Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen, woraus folgt, dass die Unbilligkeit sowohl aus sachlichen als auch aus persönlichen Gründen gegeben sein kann.


2 R 18/03

(zuvor: 9 R 4/02)

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Kosten einer Ersatzvornahme (Beerdigung des Vaters des Klägers)

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Sauer und die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Nalbach und Schwarz-Höftmann am 25. August 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Vater des Klägers ist am 23.10.1997 in seiner Wohnung in Völklingen tot aufgefunden worden. In der Sterbeurkunde ist vermerkt, dass der Tod zwischen dem 21.10.1997, 19.00 Uhr, und dem 23.10.1997, 13.15 Uhr, eingetreten ist.

Am 24.10.1997 hat das Bestattungsinstitut B den Beklagten darüber informiert, dass eine Beerdigung noch nicht veranlasst worden sei. Ausweislich weiterer Aktenvermerke des Beklagten vom 24.10.1997 über in der Sache geführte Telefongespräche hat seitens des Klägers keine Bereitschaft bestanden, die Beerdigung des Vaters zu veranlassen. Die Mutter des Klägers hat für ihre Tochter, die seinerzeit noch minderjährige und bei der Mutter lebende Schwester des Klägers, angegeben, dass ebenfalls keine Bereitschaft zur Veranlassung der Beerdigung bestehe. Im Anschluss an die Telefonate hat der Beklagte noch am 24.10.1997 dem o.a. Bestattungsinstitut den Auftrag erteilt, ein Begräbnis zu den üblichen Bedingungen für eine polizeiliche Bestattung vorzunehmen.

Am 27.10.1997 hat der Beklagte beim Amt für öffentliche Einrichtungen der Mittelstadt Völklingen ein Nutzungsrecht an einer Grabstätte auf dem Waldfriedhof Völklingen für die Bestattung des Vaters des Klägers gesichert. Der Vater des Klägers ist am 28.10.1997 beerdigt worden.

Unter dem 28.10.1997 hat die Stadt Völklingen - Amt für öffentliche Einrichtungen - einen Gebührenbescheid für die Grabnutzung an den Beklagten in Höhe von insgesamt 1.170,00 DM erlassen. Das beauftragte Bestattungsinstitut hat dem Beklagten unter dem 6.11.1997 eine Rechnung in Höhe von 1.503,00 DM gestellt. Unter Anrechnung des dem Bestattungsinstitut zugegangenen Sterbegeldes in Höhe von 2.100,00 DM ergab sich insoweit ein Überschuss von 597,00 DM, der dem Beklagten überwiesen worden ist.

Am 3.11.1997 hat der Kläger die Erbschaft nach seinem Vater ausgeschlagen.

Nach entsprechendem Schriftwechsel mit dem Kläger hat der Beklagte am 18.3.1998 einen Bescheid erlassen, mit dem der Kläger zur Zahlung von Bestattungskosten in Höhe von 573,00 DM aufgefordert worden ist, der Summe, die sich aus der Addition des Rechnungsbetrags des Bestattungsunternehmens und des Gebührenbetrags für die Grabnutzung abzüglich des für den Vater geleisteten Sterbegeldes ergibt. Gleichzeitig ist eine Gebühr für die Ausführung der Ersatzvornahme von 100,00 DM festgesetzt worden. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, wegen der grundsätzlich 96-stündigen Beerdigungsfrist, die sich aus § 9 I Polizeiverordnung über das Bestattungs- und Leichenwesen vom 18.12.1991 (Amtsbl. S. 1414) ergebe, habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 8 I SPolG vorgelegen, nachdem keine Beerdigung veranlasst worden sei. Er sei deswegen berechtigt gewesen, im Wege der unmittelbaren Ausführung nach § 44 II SPolG die Beerdigung zu veranlassen. Der Kläger sei als nächster Angehöriger des Verstorbenen verpflichtet gewesen, für die Bestattung zu sorgen. Das Recht und die Pflicht zur Totenfürsorge obliege gewohnheitsrechtlich den nächsten Familienangehörigen. Die Bestattungspflicht sei öffentlichrechtlicher Natur. Die Gebühr für die Ausführung der Ersatzvornahme werde nach § 1 Nr. 4 PolKostVO auf 100,00 DM festgesetzt.

Bereits in dem dem Bescheid vorangegangenen Schriftverkehr (Schreiben vom 30.1.1998) hatte der Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, dass es auf die Erbenstellung nicht ankomme. Der vom Kläger geltend gemachte fehlende Kontakt zu seinem Vater seit der Scheidung der Eltern lasse die Zahlungspflicht nicht entfallen. Einer eventuell fehlenden Leistungsfähigkeit könne mit einem Antrag auf Übernahme der Beerdigungskosten beim Sozialamt begegnet werden.

Gegen den ihm am 28.3.1998 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 21.4.1998 Widerspruch eingelegt und zur Begründung eingewandt, dass er zu seinem Vater keinen Kontakt gehabt habe und dieser sich seit der Scheidung über Jahre hinweg nicht um ihn gekümmert und weder ihn noch seine Mutter und Schwester finanziell unterstützt habe. Außerdem bestehe eine Rechtsgrundlage für eine Bestattungspflicht zu Lasten der nächsten Angehörigen aus öffentlich-rechtlicher Verpflichtung im Saarland nicht. Eine erbrechtliche Kostentragungspflicht treffe ihn nicht, weil er das Erbe ausgeschlagen habe. Vorsorglich hat er daneben auf das Vorliegen eines Härtefalles hingewiesen. Da er ausschließlich Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalte, bestehe auch keine Leistungsfähigkeit.

Mit Bescheid vom 9.10.1998 - S-134/98 - hat der Rechtsausschuss für den Stadtverband Saarbrücken den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Auswahl des Klägers als Verhaltensstörer sei zu Recht erfolgt. Die gewohnheitsrechtliche Pflicht zur Totenfürsorge werde auch nicht durch Billigkeitserwägungen außer Kraft gesetzt. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn eine unbillige Härte vorliege. Der Kläger habe insoweit nichts Hinreichendes vorgetragen. Die festgesetzte Gebühr von 100,00 DM liege im Bereich des Gebührenrahmens des § 1 Nr. 4 PolKostVO.

Gegen den ihm am 16.12.1998 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 15.1.1999 Klage erhoben und sich darauf berufen, er sei zu Unrecht in Anspruch genommen worden. Zum einen bestehe keine gewohnheitsrechtlich anerkannte Verpflichtung zur Tragung der Kosten der Bestattung. Er sei im Zeitpunkt der Scheidung seiner Eltern im Jahre 1983 erst sieben Jahre alt gewesen. Der Vater habe sich um ihn und seine Schwester nach der Scheidung im Laufe der 14 Jahre bis zu dessen Tod nicht mehr gekümmert. Er habe sich weder um ein Umgangsrecht bemüht, noch sich schriftlich oder telefonisch nach den Kindern erkundigt. Auch habe er keinerlei Pflicht- oder Anstandsgeschenke zu hohen Feiertagen oder zu den Geburtstagen übermittelt. Unterhaltszahlungen seien seitens des Verstorbenen zu keinem Zeitpunkt erbracht worden. Selbst bei Bejahung der Störereigenschaft ergebe sich aus diesen Umständen, dass seine Inanspruchnahme hinsichtlich der Kosten grob unbillig sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 18.3.1998 in Form des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9.10.1998 ergangenen Widerspruchsbescheids aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Klage unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass die Bescheide rechtmäßig seien. Insbesondere sei die Auswahl des Klägers als Kostenpflichtiger ermessensfehlerfrei erfolgt. Die vorrangige Heranziehung des volljährigen Klägers gegenüber seiner minderjährigen Schwester sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die finanziellen Verhältnisse des Klägers spielten im Übrigen im Rahmen der Kostenerstattungspflicht keine Rolle. Billigkeitsgesichtspunkte, die ein Absehen von der Kostenerhebung gegenüber dem Kläger rechtfertigten, seien nicht gegeben. Insbesondere habe der Kläger nicht dargetan, dass sich sein verstorbener Vater ihm gegenüber grob unbillig verhalten habe. Ein Unterbleiben von Unterhaltszahlungen könne durchaus im Einklang mit der Rechtsordnung stehen, zum Beispiel, wenn der Vater nicht leistungsfähig gewesen sei. Auch der fehlende Umgang mit den Kindern begründe für sich genommen noch keine unbillige Härte, zumal ein dem Kindeswohl dienender Umgang häufig auch von dritter Seite verhindert werde.

Durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 6.3.2001 - 10 K 112/00 - hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 18.3.1998 in Form des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9.10.1998 ergangenen Widerspruchsbescheides aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar liege in dem Vorgehen des Beklagten eine berechtigte Ersatzvornahme nach §§ 81 I, 80 I, III, 76 III, 46 I, 44 II SPolG. Eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 8 I SPolG sei gegeben gewesen, da vorliegend ein Schadenseintritt unmittelbar beziehungsweise in allernächster Zeit bevorgestanden habe und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen sei. Die öffentliche Sicherheit umfasse unter anderem den Schutz der staatlichen Rechtsordnung, zu der auch § 9 I Polizeiverordnung über das Bestattungs- und Leichenwesen gehöre. Nach dieser Vorschrift seien Leichen grundsätzlich binnen vier Tagen nach dem Eintritt des Todes zu beerdigen. Im Falle des Vaters des Klägers sei ausgehend vom frühestmöglichen Todeszeitpunkt, dem 21.10.1997, die Beerdigungsfrist am 25.10.1997 abgelaufen. Deshalb sei der Beklagte mit Recht davon ausgegangen, dass am 24.10.1997, wie letztlich durch den Beklagten geschehen, ein Beerdigungsauftrag habe erfolgen müssen. Angesichts dieses Zeitrahmens bleibe festzustellen, dass ein förmliches Gebot unter Androhung der Ersatzvornahme nach § 50 SPolG an den Kläger, die Bestattung zu veranlassen, eine weitere Verzögerung bedeutet hätte, die mit den zeitlichen Anforderungen an die Bestattungspflicht nicht übereingestimmt hätte, zumal der Kläger gegenüber dem Beklagten deutlich gemacht habe, dass er nicht bereit gewesen sei, für die Bestattung des Vaters zu sorgen. Eine gesonderte Androhung des Zwangsmittels sei damit entbehrlich gewesen.

Der Beklagte habe bei der von ihm eingeleiteten Ersatzvornahme auch im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse gehandelt, weil er zum Erlass der entsprechenden Polizeiverfügung berechtigt gewesen sei, da eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgelegen habe. Der Kläger sei als Verhaltensstörer auch der richtige Adressat im Sinne von § 4 SPolG. Als nächster Angehöriger des Verstorbenen sei er zu dessen Bestattung verpflichtet gewesen, da die Totenfürsorge den nächsten Angehörigen gewohnheitsrechtlich obliege und die Ausschlagung des Erbes auf diese Verpflichtung keine Auswirkungen habe. Die Beauftragung des Bestattungsunternehmens sowie die Inanspruchnahme eines Nutzungsrechtes für ein Grab im Wege der Ersatzvornahme seien verhältnismäßig im Sinne von § 2 I SPolG, weil keine weitere geeignete Maßnahme ersichtlich sei, die den Kläger weniger beeinträchtigt hätte.

Ihm gegenüber habe der Beklagte aber auf der Ebene der Geltendmachung der Kosten für die Ersatzvornahme von einer Inanspruchnahme absehen müssen. Die Entscheidung, ob ein Störer zum Kostenersatz herangezogen werde, stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Es seien mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Härten zu vermeiden. Es gelte ferner der für die Steuerschuld in § 227 AO ausdrücklich geregelte Grundsatz, dass die Anwendung gesetzlicher Vorschriften nicht zu einer nach Lage des Falles unbilligen Härte führen solle. Dieser Rechtsgedanke sei gerade für den Bereich der Anforderung von Kosten auch im saarländischen Recht enthalten, weil § 20 SGebG, das gemäß § 90 II 3 SPolG für die polizeiliche Kostenerhebung ergänzend heranzuziehen sei, unter Verweis auf das Gesetz betreffend die Haushaltsordnung des Saarlandes vorsehe, dass nach dessen § 59 im Falle einer besonderen Härte die Möglichkeit bestehe, auf Gebühren- und Kostenansprüche zu verzichten. Im Falle des Klägers sei eine besondere, unbillige Härte zu bejahen.

Zwar sei dem Beklagten im Grundsatz darin beizupflichten, dass die Annahme einer unbilligen Härte gesondert gelagerte Einzelfallumstände voraussetze, die eine Entpflichtung des nahen Angehörigen zu Lasten der Allgemeinheit unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten als richtig erscheinen lasse. Der Umstand einer Scheidung lasse dabei für sich allein genommen die Bestattungspflicht auch gegenüber dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil nicht entfallen. Das Fehlen guter oder auch nur zufriedenstellender Beziehungen zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil sei ebenso wie ausbleibende oder unregelmäßige Unterhaltsleistungen eine nicht selten mit einer Scheidung verbundene Folge. Indessen träten vorliegend Umstände hinzu, die über diese oft mit Scheidung einhergehenden Folgen weit hinausgingen. Dabei liege der Schwerpunkt nicht auf der Nichtleistung von Unterhalt, die ihre Ursache wohl maßgeblich in der eigenen finanziellen Situation des Vaters des Klägers gehabt habe; maßgeblich für die Einschätzung sei vielmehr zum einen das von der Mutter des Klägers als Zeugin geschilderte Verhalten des Vaters in der Zeit vor der Scheidung, das der Kläger als Kind miterlebt habe. Das gewalttätige Verhalten des Vaters gegenüber der Mutter sei ausweislich der Angaben der Zeugin immerhin von einer Qualität, dass diese sich mehrfach veranlasst gesehen habe, die eheliche Wohnung nachts mit den Kindern zu verlassen und bei Nachbarn Schutz zu suchen. Zum anderen sei von Bedeutung, dass der Vater des Klägers auch später trotz der wiederholten Bitten der Mutter niemals einen irgendwie gearteten Kontakt zu dem Kläger aufgenommen habe, obgleich er habe wissen müsse, dass die Beziehung zu einem Vater auch für sogenannte Scheidungshalbwaisen von großer Wichtigkeit sei. Dabei habe die Mutter ausweislich ihrer Angaben lediglich um einen Kartengruß oder ein Telefonat gebeten. Für den Kläger müsse sich dies als grobe Zurückweisung und Vernachlässigung dargestellt haben. Vor dem Hintergrund des Alters des Klägers im Zeitpunkt der Scheidung erscheine nach alldem die Empfindung des Klägers, sich seinem Vater nicht verwandt zu fühlen, wie sie in einer seiner Einlassungen zum Ausdruck gekommen sei, nur allzu nachvollziehbar. Auch wenn man mit zunehmendem Alter des Kindes möglicherweise Verständnis für das Verhalten des nicht sorgeberechtigten Elternteils einfordern könne, könnten die möglichen Beweggründe und Schwächen des Vaters angesichts des Fehlens jeglicher Versuche der Kontaktaufnahme keine entscheidende Rolle spielen.

Gegen das ihm am 9.4.2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 27.4.2001 am 2.5.2001 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, woraufhin der 9. Senat des Gerichts mit Beschluss vom 19.8.2002 - 9 Q 48/01 - die Berufung zugelassen hat. Auf den ihm am 29.8.2002 zugestellten Zulassungsbeschluss hin hat der Beklagte mit am 23.9.2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 19.9.2002 die Berufung begründet.

Dazu beruft er sich darauf, das Verwaltungsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben, weil der angefochtene Kostenbescheid und der ergangene Widerspruchsbescheid rechtlich nicht zu beanstanden seien. Als nächster Angehöriger seines verstorbenen Vaters sei der Kläger verpflichtet gewesen, im Rahmen der Totenfürsorge für die Bestattung zu sorgen beziehungsweise nach polizeilich veranlasster Bestattung im Wege der Ersatzvornahme die damit verbundenen Kosten zu tragen. Sowohl die Verantwortlichkeit des Klägers im Sinne von § 4 SPolG als auch die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme nach § 46 SPolG würden auch vom Verwaltungsgericht ausdrücklich bestätigt. Rechtlich fehlerhaft sei jedoch die weitere Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der Beklagte auf der Ebene der Geltendmachung der Kosten für die Ersatzvornahme von einer Inanspruchnahme des Klägers absehen müsse, weil im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall eine besondere und unbillige Härte, die aus dem Verhalten des Vaters des Klägers herrühre, gegeben sei. Dies sei unter mehreren Gesichtspunkten zu beanstanden.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht sei zu rügen, dass das Verwaltungsgericht die Vernehmung der Mutter des Klägers als Zeugen zu dem Beweisthema "Art und Umfang der Beziehung des Vaters des Klägers" beschlossen habe, obwohl der Kläger erst in der mündlichen Verhandlung detailliert dazu vorgetragen habe, wie sich die Trennungsphase der Eltern vollzogen und welche Auswirkungen dies auf den Kläger gehabt hätte. Damit habe der Kläger seine Pflicht zur Prozessförderung verletzt, weil er mit dem erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gemachten Sachvortrag zu dem angeblich gewalttätigen Verhalten seines Vaters hätte ausgeschlossen werden müssen. Zudem seien diese Umstände überhaupt nicht zum Beweisthema gemacht worden; Vielmehr habe erst die im Rahmen der Zeugenvernehmung getätigten Aussagen der Mutter zu dem angeblichen gewalttätigen Verhalten des verstorbenen Vaters des Klägers dem Verwaltungsgericht die wesentliche Begründung für seine Entscheidung geliefert. In diesem Punkt stelle sich die Vernehmung der Zeugin als unzulässige Ausforschung da, die über das hinausgehe, was der Kläger zum Beweisthema gemacht habe. Im übrigen hätten diese Umstände zumindest zur Folge haben müssen, die Kosten des Verfahrens im Hinblick auf § 155 IV VwGO dem Kläger aufzuerlegen.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweise sich aber auch in der Sache als unrichtig. In der kostenmäßigen Inanspruchnahme des Klägers sei eine unbillige Härte nämlich nicht zu sehen. Das Abstellen auf unterhaltsrechtliche Ausschlusstatbestände stelle kein sachgerechtes Prüfungsprogramm für die Frage der polizeirechtlichen Inanspruchnahme - auch auf der Kostenstufe - dar. Die Wertungen des Unterhaltsrechts des bürgerlichen Gesetzbuches könnten nicht ohne weiteres auf öffentlich-rechtliche Verpflichtungen übertragen werden. Eine mögliche Unbilligkeit im Sinne von § 1611 BGB allein beseitige deshalb noch nicht die Bestattungspflicht des Angehörigen und habe folglich auch keine Auswirkungen auf etwaige Zwangsmaßnahmen. Dem stehe vorliegend auch nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht die Rechtsgrundlage für seine Prüfung der besonderen Härte oder Unbilligkeit in dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und § 20 SGebG sowie in § 59 Haushaltsordnung des Saarlandes sehe. Diese "rechtliche Einrahmung" könne nicht überzeugen, weil das Verwaltungsgericht in seiner Begründung auf typisch unterhaltsrechtliche Fallgestaltungen zurückgreife und sich von dem allgemeinen Begriff der Unbilligkeit, der den §§ 227, 163 Abgabenordnung zugrundeliege, auf den das Verwaltungsgericht ebenfalls hinweise, entferne. Die Prüfung der Unbilligkeit oder besonderen Härte im Zusammenhang mit einer polizeirechtlichen Kostenerstattung nach Ersatzvornahme habe anhand objektiver Kriterien zu erfolgen und könne allenfalls auf die Person und Verhältnisse des polizeipflichtigen Störers abstellen, nicht dagegen - wie hier vom Verwaltungsgericht angenommen - auf angebliches Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber der Mutter des Klägers, das viele Jahre zurückliege, im Zusammenhang mit einer Trennung der Eheleute stehe, stark durch subjektive Einschätzungen der Zeugin geprägt sei und zudem einer objektiven Aufklärung nicht mehr zugänglich sei. Der Aufklärungsaufwand, den das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vorgebe, sei nicht nur objektiv kaum leistbar, sondern greife unverhältnismäßig in familiäre Beziehungen ein und verletze zudem die postmortale Würde des Verstorbenen, der sich gegen die Anschuldigungen in Bezug auf seine Lebensführung und sein Verhalten während und nach der Trennung der Eheleute nicht mehr zur Wehr setzen könne. Die Berücksichtigung derart lange zurückliegender Begebenheiten berge zudem die Gefahr von Zufallsergebnissen in sich und sei damit ungeeignet, eine objektive Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf die Kostenerstattung zu gewährleisten. Im übrigen erscheine es rechtlich bedenklich, ob eine Ortspolizeibehörde im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und des Verstorbenen überhaupt solche Fragen aus dem Bereich der Intimsphäre stellen dürfe.

Soweit das Verwaltungsgericht in seiner Begründung auf den fehlenden Kontakt des Verstorbenen mit dem Kläger abstelle, könne selbst nach unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten darin keine schwere Verfehlung im Sinne von § 1611 BGB gesehen werden. Dies gelte insbesondere für die angeblichen Tätlichkeiten gegenüber der Mutter; denn der Kläger selbst sei nicht Opfer von Tätlichkeiten seines Vaters geworden und der fehlende Umgang sei auch unterhaltsrechtlich nicht als schwere Verfehlung zu werten. Das Ausbleiben von Unterhaltszahlungen sei zudem auf die mangelnde Leistungsfähigkeit des Vaters zurückzuführen gewesen, wie die Zeugin selbst eingeräumt habe. Demgegenüber habe das Verwaltungsgericht völlig außer Acht gelassen, dass der Kläger nach § 15 BSHG als Bestattungspflichtiger einen Leistungsanspruch gegen das Sozialamt hinsichtlich der Bestattungskosten hätte haben können, da er zum Zeitpunkt seiner polizeilichen Inanspruchnahme nach eigenen Angaben Leistungen nach dem BAföG bezogen und sein daraus resultierendes Einkommen unter den entsprechenden Regelsätzen und Einkommensgrenzen im Zusammenhang mit § 15 BSHG gelegen habe. Dass der Kläger aus grundsätzlichen Erwägungen, wie er es genannt habe, auf diese Finanzierungsmöglichkeit für die Bestattung nicht zurückgegriffen habe, gehe zu seinen Lasten und sei insbesondere ein sachgerechter und tragfähiger Gesichtspunkt für die Beurteilung, ob seine kostenmäßige Inanspruchnahme durch den Beklagten eine besondere Härte darstelle.

Schließlich könne im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht außer Acht bleiben, dass es um 573,00 DM gehe und es sich damit um einen Betrag handele, der nicht so bedeutend sei, dass auch ein zur Bestattung Verpflichteter mit geringem Einkommen ihn nicht hätte - zumindest in Raten - aufbringen können. Auf diesen Gesichtspunkt sei des Verwaltungsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung in keiner Weise eingegangen.

Der vom Beklagten für die Bestattung kostenmäßig betriebene Aufwand sei auch angemessen und damit verhältnismäßig gewesen. Denn er habe sich sehr darum bemüht, die Bestattungskosten bei einer polizeilich veranlassten Beerdigung gering zu halten. Eine Feuerbestattung mit Urnenbeisetzung sei für den Bereich des Beklagten nicht kostengünstiger, da hiermit zusätzliche Transportkosten und Gebühren für das auswärtige Krematorium verbunden seien.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. März 2001 - 10 K 112/00 - die Klage vom 14. Januar 1999 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt der Berufungsbegründung entgegen und er weist darauf hin, dass die formellen Bedenken des Beklagten gegen die Beweisaufnahme einer rechtlichen Überprüfung nicht standhielten, da insbesondere der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Amtserforschungsgrundsatz die durchgeführte Beweisaufnahme rechtfertige. Weiter sei eine Kostentragungspflicht des Klägers nicht erkennbar. Im Gegensatz zum Sachvortrag des Beklagten habe dem Kläger auch keine anderweitige Hilfemöglichkeit, etwa durch Inanspruchnahme von Sozialhilfe, zur Seite gestanden. Der Bezug von Leistungen nach dem BAföG schließe nämlich grundsätzlich Hilfeleistungen nach dem BSHG aus. Insofern sei es dem Kläger zum Zeitpunkt des Entstehens der angeblichen Kostentragungspflicht verwehrt gewesen, dass Sozialamt der Stadt Völklingen in Anspruch zu nehmen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 I 1, 101 II VwGO).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil erkannt, dass der dem Verfahren zugrundeliegende Bescheid des Beklagten vom 18.3.1998 in der Fassung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. 10. 1998 ergangenen Widerspruchsbescheides, mit dem der Beklagte gegenüber dem Kläger die Erstattung der angefallenen Kosten für die Bestattung von dessen Vater in Höhe von 1.170,00 DM geltend macht, rechtswidrig ist und daher auf die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage hin aufzuheben war. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Kostenerhebung und der Ersatzvornahme nach §§ 81 I, 80 I, II, 76 III, 46, 44, 50, 8 I SPolG i.V.m. § 9 I Polizeiverordnung über das Bestattungs- und Leichenwesen vom 18.12.1991 (Amtsbl. S. 1414; nachfolgend: PVO) wird auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 130b Satz 2 VwGO). Ergänzend ist folgendes zu bemerken:

Das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit als Voraussetzung der Erteilung des Beerdigungsauftrages durch den Beklagten im Wege der Ersatzvornahme ohne vorausgegangenen Verwaltungsakt (§§ 46 I, 44 II, 8 I SPolG) gegenüber dem Kläger hat das Verwaltungsgericht zutreffend daraus hergeleitet, dass nicht zu erwarten war, dass der Kläger als einer der nächsten Angehörigen seines Vaters in Kenntnis vom Todesfall dessen Beerdigung innerhalb der Höchstfrist für die Bestattung von Leichen, wie sie aus § 9 I 1 PVO hervorgeht, einzuleiten bereit war. Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit der PVO sind weder von den Beteiligten dargelegt noch sonst ersichtlich. Wenn Grupp/Stelkens, Be- und Erstattung, Saarheimer Fälle zum Staats- und Verwaltungsrecht, Bearbeitungsstand: 30.8.2002, www.jura.uni- sb.de/FB/LS/Grupp/Faelle/bestattung loesu-ng.htm, in der dort veröffentlichten Falllösung zum saarländischen Bestattungsrecht das Formerfordernis der Einhaltung des Zitiergebotes aus Art. 104 I 3 SVerf und § 62 I Nr. 4 SPolG problematisieren und darauf hinweisen, dass in der Präambel der PVO neben den §§ 59 und 60 SPolG "- unzutreffend - zusätzlich auf § 8 SPolG verwiesen" werde, lässt sich daraus die Nichtigkeit der Polizeiverordnung nicht ableiten. Unbeschadet der Frage, ob die Einbeziehung von § 8 SPolG in die Kette der anzugebenden Ermächtigungsvorschriften zutreffend ist, weil dadurch verdeutlicht wird, dass den Polizeibehörden durch die Verordnungsermächtigung keine Anordnungsbefugnis zuwächst, die sie nicht bereits durch den Erlass von polizeilichen Verfügungen wahrnehmen könnten, vgl. dazu Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Auflage 1986, S. 485, sowie Haus/Wohlfarth, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1997, Rdn. 469, und Mandelartz/Sauer/Strube, SPolG, 2002, § 62 Rdn. 5, zur Zitierweise oder nicht, weil sie etwa, wie in der Falllösung gemutmaßt wird, auf einer unreflektierten Tradierung des vor Ergehen des SPolG bestehenden Erfordernisses der Angabe der Generalklausel des Vorgängergesetzes (§ 14 PVG) beruht, ist es jedenfalls als unschädlich anzusehen, wenn neben der richtigen Ermächtigungsgrundlage eine falsche angegeben ist.

Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, a.a.O., S. 507; VGH Baden-Württemberg, ESVGH Bd. 22, 25, 27, Bd. 19, 123, 128, Bd. 7, 49, 54, sowie allgemein zur Unschädlichkeit offenbarer Unrichtigkeiten: Haus/Wohlfarth, a.a.O., m.w.N.

Ist mithin von der von der bereits der erstinstanzlichen Entscheidung zugrundegelegten formellen und materiellen Wirksamkeit der PVO auszugehen, führt die Nichtbeachtung des Fristerfordernisses aus § 9 I PVO zu einer vom Bestattungspflichtigen verantworteten polizeilichen Gefahr im Sinne von § 8 I SPolG, die das Einschreiten der zuständigen Polizeibehörde erfordert und die Inanspruchnahme bestattungspflichtiger Personen als Verhaltensstörer nach § 4 SPolG bzw. nach Durchführung erforderlicher Vollstreckungshandlungen als Kostenschuldner der hier ohne Rechtsfehler veranlassten Beerdigung des Vaters des Klägers im Wege der Ersatzvornahme rechtfertigt. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger als Bestattungspflichtigen herangezogen hat. Zwar existiert im Saarland, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls bereits zutreffend erkannt hat, keine ausdrückliche gesetzliche Regelung darüber, wer bestattungspflichtig ist. Allerdings ist anerkannt, dass die nächsten Angehörigen, d.h. auch die Abkömmlinge von Verstorbenen, öffentlich-rechtlich aus bestehendem vorkonstitutionellen Gewohnheitsrecht bestattungspflichtig sind, es hierzu auf die Ausschlagung des Erbes, wie vorliegend erfolgt, nicht ankommt, und auch Billigkeitserwägungen dieser Pflicht bezogen auf § 4 SPolG nicht entgegenstehen.

Vgl. dazu Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 8. Auflage 2000, S. 116 ff; Stelkens/Cohrs, Bestattungspflicht und Bestattungskostenpflicht, NVwZ 2002, 917 ff

Mit von Bedeutung für die Anerkennung vorkonstitutionellen Rechtes ist dabei vorliegend, dass die überkommene Bestattungspflichtigkeit der nahen Angehörigen Verstorbener vgl. RGZE 154, 269, 271; Staudinger, BGB, Bd. V (§§ 1967 - 2086), 1996, § 1968 Rdn. 1; Siegmann in Münchner Kommentar zum BGB, Bd. 9, 3. Auflage 1997, § 1968 Rdn. 6 f; Blume, Fragen des Totenrechts, AcP 112 (1914), 367, 380, 388; Tietz, Der Schutz der Toten im Recht der Gegenwart, Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 291, 1931, 85 f im als Landesrecht weitergeltenden Gesetz über die Feuerbestattung vom 15.5.1934 (RGBl. I, S. 360), erstmals geändert durch Landesgesetz vom 13.11.1974 (Amtsbl. S. 1011), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.5.1997 (Amtsbl. S. 258) insbesondere bezogen auf unmittelbare Abkömmlinge positivrechtlich aufgegriffen vgl. allgemein dazu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, S. 579 f, und Band III/2, 1994, S. 442 worden ist (§ 2 II des Gesetzes). Nachdem Gewohnheitsrecht nur durch Eingreifen des Gesetzgebers oder durch die Bildung eines entgegenwirkenden ungeschriebenen Rechtssatzes außer Kraft gesetzt werden kann, vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Auflage 1994, § 25 Rdn. 16 a.E.; BVerwG, DVBl. 1979, 116 ff beides aber die nahen Angehörigen im bisherigen Verständnis betreffend - die Frage einer (erweiternden) Einbeziehung eingetragener Lebenspartner (vgl. § 4 II Nr. 1 Transplantationsgesetz) stellt sich vorliegend nicht - nicht festzustellen ist, von der Geltungskraft der gewohnheitsrechtlichen Bestattungspflicht auszugehen.

Die so festzustellende Bestattungspflicht wird auch nicht sozusagen überlagert von einer Bestattungspflicht des zuständigen Sozialhilfeträgers, der die Kosten der Beerdigung mittellos verstorbener Personen gemäß § 15 BSHG zu übernehmen hat, wenn es deren nahen Angehörigen nicht zuzumuten ist, für die Beerdigung zu sorgen. Die Vorschrift begründet nämlich eindeutig keine Bestattungspflicht, sondern setzt deren Bestehen voraus. Die Ortspolizeibehörde ist zudem in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem eine bestattungspflichtige Person vorhanden ist, nicht selbst zur Bestattung verpflichtet; sie hat vielmehr mit den Mitteln des Polizeirechts dafür zu sorgen, dass der Verpflichtete die Bestattung durchführt. Sie gehört mithin nicht zu dem Kreis derjeniger, die zur Tragung der Bestattungskosten im Sinne von § 15 BSHG verpflichtet sind.

Vgl. dazu Schellhorn, BSHG, 16. Auflage 2002, § 15 Rdn. 5, 5a

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sie die Beerdigung an der Stelle des Verpflichteten im Wege der Ersatzvornahme veranlasst und daraus Kosten erwachsen, für die sie regelmäßig in Vorlage treten muss. Die Frage eines Anspruchs der Polizeibehörde nach § 15 BSHG in den Fällen, in denen keine zur Bestattung verpflichtete Person vorhanden ist, vgl. dazu a.a.O., Rdn. 10, sowie Stelkens/Cohrs, a.a.O., S. 924 bedarf hier keiner Erörterung, da an der Bestattungspflicht des Klägers kein Zweifel besteht. Der Sozialhilfeanspruch nach § 15 BSHG knüpft ersichtlich sowohl an deren Bestehen als auch an das Bestehen der entsprechenden Kostenpflicht an. Die Pflicht zur Kostentragung ist also Voraussetzung des Anspruchs. Gegenstand des sozialhilferechtlichen Bedarfs, dessen Befriedigung der Anspruch dient, ist nämlich - in Ausnahme zum Sozialhilferecht im Übrigen - eine Verbindlichkeit.

vgl. BVerwGE 105, 51 ff; 114, 57 ff; Schellhorn, a.a.O., § 15 Rdn. 4 Entsteht diese, wie etwa zum vorliegend streitigen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Kostenersatz vom Verwaltungsgericht zutreffend erkannt worden ist, nicht, scheidet auch ein Anspruch nach § 15 BSHG aus. Zudem gewährt § 15 BSHG nicht zwingend eine Entlastung des Bedürftigen von den gesamten Bestattungskosten, sondern sieht von vorneherein die Möglichkeit eines bloßen Kostenzuschusses vor.

BVerwGE 105, 51, 53

Deshalb kann der Kläger nicht auf den nach Ansicht der Berufung hier "vermutlich" bestehenden Sozialhilfeanspruch verwiesen werden.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht weiter erkannt, dass der Beklagte auf der Ebene der Kostenerhebung von einer Inanspruchnahme des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme (§§ 90 I, 46 I 2 SPolG) aus Billigkeitsgründen abzusehen hat. In § 46 I 2 SPolG ist festgelegt, dass für die Ausführung der Ersatzvornahme Kosten erhoben "werden". Daran knüpft die Frage an, ob es entgegen dem Wortlaut der Regelung, wie dies der erstinstanzlichen Entscheidung zu entnehmen ist, im pflichtgemäßen Ermessen der Polizeibehörde steht, den Störer zum Kostenersatz heranzuziehen.

Zur Problematik vgl. Mandelartz/Sauer/Strube, a.a.O., § 90 Rdn. 6, m.w.N.

Im Rahmen seiner Erwägungen zur Ermessensbetätigung des Beklagten hat das Verwaltungsgericht ausschließlich eine Billigkeitsprüfung dahingehend vorgenommen, ob dem Kläger die Übernahme der Ersatzvornahmekosten unter Berücksichtigung seines persönlichen Verhältnisses zu seinem verstorbenen Vater zuzumuten ist. Die von ihm vorgenommene Prüfung von Billigkeitsgründen hat es aus der auf § 90 II 3 SPolG beruhenden ergänzenden Heranziehung der Regelungen des SGebG für die Erhebung von Polizeikosten abgeleitet. Für den Erlass von Forderungen verweist § 20 S. 1 SGebG auf die Vorschriften der LHO, deren § 59 I Nr. 3, soweit er im vorliegenden Regelungszusammenhang entsprechend anzuwenden ist, bestimmt, dass Ansprüche erlassen werden dürfen, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Nachdem die Gemeinde über die Organleihe des Bürgermeisters Kostenträger polizeilicher Maßnahmen der Ortspolizeibehörde ist, ist vorliegende insoweit auf §§ 90 II 3 SPolG i.V.m. § 20 S. 2 SGebG und § 222 I Nr. 9 KSVG i.V.m. § 32 III Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) abzustellen, der den Erlass von Ansprüchen in weitgehender Übereinstimmung mit § 59 I Nr. 3 LHO bei einer im Einzelfall feststellbaren besonderen Härte für den Schuldner erlaubt. Der diesen Vorschriften zu entnehmende Rechtsgedanke ist mithin von der Polizeibehörde bei der Kostenerhebung etwa nach § 46 I 2 SPolG zu beachten, wenn diesbezügliche Anhaltspunkte vorliegen, und gilt auch dann, wenn § 46 I 2 SPolG nicht als Ermessen eröffnende Vorschrift anzusehen ist.

Auch nach Auffassung des Senats stehen Billigkeitsüberlegungen hier einer Kostenersatzforderung entgegen, wobei es offen bleiben kann, ob Grundlage der Überprüfung unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt die ergänzende Heranziehung der Regelung über den Billigkeitserlass von Forderungen in der LHO bzw. der des KSVG i.V.m. der GemHVO, die Annahme sog. intendierten Ermessens oder eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechenden Interpretation der § 46 I 2 SPolG nach dessen Wortlaut zu entnehmenden Kostenerhebungspflicht dahingehend, dass sie die Inanspruchnahme des Störers zum Kostenersatz in das Ermessen der Behörde stellt und darüber Raum für die Abwendung unbeabsichtigter Härten lässt, vgl. dazu den Beschluss des OVG Saarland vom 16.6.1999 - 9 Q 166/98 - ist. Unter Berücksichtigung der erstinstanzlich vorgenommenen Beweiserhebung durch Vernehmung der Mutter des Klägers als Zeugin, deren in der Sitzungsniederschrift erster Instanz niedergelegten Angaben zum Verhalten des Vaters des Klägers insbesondere nach Trennung und Scheidung der Eltern des Klägers gegenüber diesem der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist, steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass sich der Kläger gegenüber der Forderung von Kostenersatz auf eine besondere, unbillige Härte, die ein Absehen von der Kostenersatzerhebung erfordert, berufen kann.

Vorab ist diesbezüglich klarzustellen, dass die verfahrensrechtlichen Bedenken des Beklagten gegenüber der Beweiserhebung durch Vernehmung der Mutter des Klägers im Hinblick auf den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz unbeachtlich sind. Auch von einer Ausforschung kann bereits deshalb keine Rede sein, weil der Beklagte selbst darauf hinweist, der Kläger habe sich ihm gegenüber auf fehlenden Umgang zu seinem Vater berufen und er habe ihn im Verwaltungsverfahren aufgefordert, dazu Billigkeitsgründe konkret darzulegen. Daraus wird deutlich, dass die der Zeugeneinvernahme zu entnehmenden Umstände - wenn auch nicht näher substantiiert - Gegenstand des Verfahrens waren. Angesichts dessen in der Beweiserhebung eine unzulässige Ausforschung zu sehen, liegt neben der Sache. Dies gilt auch für die von dem Beklagten geltend gemachte Präklusion des klägerischen Sachvortrages zur Gewalttätigkeit seines Vaters. Mit diesem war er, auch wenn der entsprechende Vortrag erst in der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgt ist, nicht ausgeschlossen, weil ein genereller Ausschluss verspäteten Vorbringens dem Rechtsschutzsystem der VwGO fremd ist und das Verwaltungsgericht von den prozessualen Möglichkeiten des § 87b VwGO keinen Gebrauch gemacht hat. Nach allem ist hier - im Gegensatz zu der von dem Beklagten vertretenen Auffassung - auch keinesfalls Platz für die Auferlegung von Kosten zu Lasten des Klägers auf der Grundlage von § 155 IV VwGO.

Vorab ist weiter festzuhalten, dass sich die erstinstanzliche Zeugenvernehmung nicht als unzulässige Ausforschung darstellt. Sie hielt sich ersichtlich im Rahmen des Beweisthemas, das das Verwaltungsgericht mit "Art und Umfang der Beziehungen des Vaters des Klägers zu dem letzteren" umschrieben hat. Da der zur Bestimmung des Beweisthemas u.a. gewählte Begriff der Geartetheit der Beziehungen über die Dauer, die Intensität und die Häufigkeit der Beziehungen ("Umfang") hinaus sämtliche Umstände erfasst, die für das Bestehen, den Verlauf und den Abbruch der Beziehungen sowie deren Begleitumstände einschließlich der Folgen für die Person des Klägers kennzeichnend waren, kann von einer Ausforschung keine Rede sein, wenn die Umstände des familiären Zusammenlebens des Klägers mit seiner damaligen Familie, die auch durch das Verhalten des Vaters des Klägers gegenüber der Zeugin, der Mutter des Klägers, gekennzeichnet waren, in den Kontext der Vernehmung einbezogen worden und zur Urteilsfindung herangezogen worden sind. Im Übrigen enthält die erstinstanzliche Sitzungsniederschrift keinen Hinweis darauf, dass der Beklagte sich gegen den Umfang der Vernehmung gewandt und gerügt hätte, dass die Vernehmung nicht mehr vom zuvor beschlossenen Beweisthema gedeckt wäre. Folgt man der von ihm hierzu im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung, so ist jedenfalls davon auszugehen, dass er sich auf eine stillschweigend erfolgte Erweiterung des Beweisthemas eingelassen hat.

Da der Beklagte mit der Berufung weder Bedenken gegenüber der Glaubwürdigkeit der erstinstanzlich vernommenen Zeugin geltend macht, noch die Glaubhaftigkeit von deren Angaben über den der Berufungsbegründung vom 19.9.2002 in Zusammenhang mit der Geltendmachung einer unzulässigen Ausforschung zu entnehmenden unsubstantiierten Hinweis auf das "angeblich" gewalttätige Verhalten des Vaters des Klägers hinaus in irgendeiner Weise näher in Zweifel zieht, während sich sein übriger Vortrag ausgehend von den Angaben der Zeugin mit der erstinstanzlichen Wertung der Zeugenaussage befasst, erscheint eine erneute Einvernahme der Zeugin aus der Sicht des Senates nicht geboten. Hinzu kommt, dass die Beteiligten durch den von ihnen erklärten Verzicht auf mündliche Verhandlung zu erkennen gegeben haben, dass aus ihrer Sicht deren erneute Vernehmung nicht erforderlich erscheint. Mithin bestehen keine Bedenken, die Aussage der Zeugin, wie sie aus der Sitzungsniederschrift erster Instanz hervorgeht, der in der Sache vorzunehmenden Bewertung zugrundezulegen. Ausgehend von deren Angaben ist auch nach Auffassung des Senats vom Vorliegen einer besonderen Härte, die einer Kostenerhebung im dargestellten Sinn entgegensteht, auszugehen.

Die dem Beklagten, wie bereits dargelegt, eröffnete Möglichkeit, den Kostenersatzanspruch nach Lage des Einzelfalles unter Berücksichtigung besonderer Härten bzw. - bezogen auf den auch aus § 227 AO hervorgehenden Rechtsgedanken - der Unbilligkeit der Realisierung der Kostenforderung zu erlassen, führt bei Vorliegen der besonderen unbilligen Härte regelmäßig zur Annahme einer sogenannten Ermessensreduzierung auf Null, da der Begriff der Billigkeit sowohl tatbestandsmäßige Voraussetzung des Erlasses als auch Ermessensschranke ist. Liegt die Unbilligkeit im Einzelfall vor, ist der Ermessensspielraum so eingeengt, dass das nur die den Erlass entsprechende Entscheidung ermessensfehlerfrei ist.

vgl. dazu Kruse/Loose in Tipke/Kruse, AO, Loseblattsammlung, Lieferung 99 Oktober 2002, § 227 Rdnr. 21 f, 25

Dem Prüfungsprogramm der besonderen, unbilligen Härte entspricht es dabei, die persönlichen und sachlichen Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen, woraus wiederum folgt, dass die Unbilligkeit sowohl aus sachlichen als auch aus persönlichen Gründen gegeben sein kann.

vgl. Kruse/Loose, a.a.O., § 227 Rdnr. 18, 40 ff, 86 ff, sowie § 163 Rdnr. 1; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 27. Ergänzungslieferung (September 2002), § 8 Rdnr. 36 ff

Ist mithin hinsichtlich des hier fraglichen allgemeinen Rechtsgedankens anerkannt, dass neben sachlichen auch persönliche Gründe im Einzelfall die Annahme des Vorliegens einer Unbilligkeit der Kostenerhebung zu begründen vermögen, so kann der Beklagte nicht mit der Auffassung gehört werden, die Prüfung der Unbilligkeit oder besonderen Härte im Zusammenhang mit einer polizeirechtlichen Kostenerstattung nach Ersatzvornahme habe anhand objektiver Kriterien zu erfolgen und sei nicht unter Rückgriff auf die subjektiven Einschätzungen der vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugin zu begründen. Dies hat der Beklagte bereits selbst erkannt, wenn er im Zusammenhang damit darauf hinweist, die Prüfung könne allenfalls auf die Person und die Verhältnisse des polizeipflichtigen Störers abstellen. Davon ausgehend verkennt er aber, dass das Verwaltungsgericht gerade hierauf abgestellt hat und nicht etwa, wie der Beklagte meint, auf angebliches Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber der Mutter des Klägers und deren subjektive Betroffenheit hiervon bzw. deren Einschätzung des Verhaltens des Vaters. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht an das von der Zeugin geschilderte objektive Verhalten des Vaters des Klägers in der Zeit vor der Scheidung angeknüpft und erkannt, dass dieses Verhalten immerhin von einer Qualität gewesen sei, dass sich die Mutter mehrfach veranlasst gesehen habe, die eheliche Wohnung nachts mit den Kindern zu verlassen und bei Nachbarn Schutz zu suchen. Davon ausgehend hat es dann aber eindeutig dargelegt, dass es für die aus dieser Schilderung der damaligen familiären Umstände abgeleitete Unbilligkeit darauf ankommt, wie der Kläger diese Umstände als Kind hat miterleben müssen und der durch den Vater hervorgerufenen zerrütteten und auch durch Gewalttätigkeit geprägten familiären Situation in einem Alter unterworfen war, in dem er bereits in der Lage war, Tragweite und Unwürdigkeit dieses Verhaltens zu realisieren. Daraus ergibt sich, dass die von der Mutter als Zeugin geschilderten Ereignisse Kindheitserlebnisse des Klägers dargestellt haben, die das Verhältnis von Vater und Sohn prägten. Von entscheidender Bedeutung ist weiter, dass nach den Angaben der Zeugin, der Vater des Klägers auch danach jeglichen Kontakt zum Kläger vermieden und den Versuch der Mutter, entsprechende Kontakte wieder anzubahnen, von vorneherein unterbunden hat. Mithin liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, die das Verwaltungsgericht zutreffend den von ihm angestellten Billigkeitserwägungen zugrunde gelegt hat. Wie die Zeugenaussage belegt, sind derartige Umstände auch einer objektiven Aufklärung zugänglich, wobei es nicht darauf ankommt, dass diese viele Jahre zurückliegen. Der Auffassung des Beklagten, der Aufklärungsaufwand, den das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vorgebe, sei objektiv kaum leistbar, vermag der Senat nicht beizutreten. Die erfolgte Zeugenvernehmung spricht eindeutig dagegen. Die Angaben der Zeugin sind auch nicht durch deren subjektive Einschätzungen geprägt. Vielmehr hat diese, wie eine Auswertung ihrer erstinstanzlichen Aussage durch den Senat ergibt, weitestgehend Tatsachen geschildert, die der Beklagte nicht in Frage gestellt hat. So hat sie angegeben, sie habe ihren Ehemann mit ihren Kindern - der Kläger war damals etwa sieben Jahre alt - verlassen und sei in ihr Elternhaus zurückgekehrt. Bereits vorher sei es zu Tätlichkeiten ihres Mannes ihr gegenüber gekommen. Dieser habe nicht gearbeitet, sondern nur getrunken. Wegen der Trunkenheit ihres Ehemannes sei des Öfteren die Polizei bei ihnen erschienen. Sie habe auch vor dem endgültigen Verlassen ihres Ehemannes öfters in der Nacht mit den Kindern die Wohnung verlassen müssen und sei bei einer Bäckerin untergekommen. Weiter hat sie angegeben, ihr Sohn, der Kläger, habe von dem Verhalten des Vaters sicherlich etwas mitbekommen, was im Hinblick auf die geschilderten Umstände (Erscheinen der Polizei, Verlassen der Wohnung nachts mit den Kindern und Unterkommen bei einer fremden Person) angesichts des damaligen Alters des Klägers ohne weiteres einleuchtet. Selbst wenn der Kläger, wie seine Mutter als Zeugin angegeben hat, von dem Verhalten des Vaters nicht alles mitbekommen hat, ist davon auszugehen, dass ihm das die Familie zerstörende Verhalten seines Vaters nicht entgangen sein konnte und seine Einstellung gegenüber seinem Vater geprägt hat. Mithin ist aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen, dass jegliches Verhältnis des Klägers zu seinem Vater zerstört war und es eine besondere Härte für ihn bedeuten musste, mit der Bestattung des ihm vollständig entfremdeten Vaters konfrontiert zu werden und aufgrund der bestehenden Bestattungspflicht die Kosten für dessen angemessene Beerdigung tragen zu müssen.

Auch die weiter vom Beklagten gegen diese Auffassung vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Ein Eingriff in familiäre Beziehungen ist durch die für die Klärung des Vorliegens einer Billigkeit erforderliche Aufklärung nicht zu erkennen. Will der Bestattungspflichtige sich der Kostentragungspflicht entledigen, so ist er gehalten, auf die erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen der Behörde hin entsprechende Angaben zu machen. Die Offenlegung der für die Unbilligkeit der Heranziehung sprechenden Zustände kann nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Soweit der Beklagte meint, die entsprechenden Aufklärungsmaßnahmen berührten die postmortale Würde des Verstorbenen, ist dies nicht nachvollziehbar, zumal letztlich die Beweislast für die für die Unbilligkeit sprechenden Umstände demjenigen obliegt, der zur Kostenpflicht herangezogen werden soll. Insoweit unterscheidet sich das behördliche Prüfungserfordernis nicht von demjenigen des § 15 BSHG, in dessen Rahmen es der dort zuständigen Behörde ebenfalls obliegt, die dargetanen Gründe für die Unzumutbarkeit der Kostenübernahme zu erforschen. Der Umstand, dass diese Aufklärung mit Schwierigkeiten verbunden ist und unter Umständen auch ein gewisses Einfühlungsvermögen gegenüber den Betroffenen erfordert, hindert die erforderliche Aufklärung nicht. Falls die von den Aufklärungsmaßnahmen Betroffenen, ihr Persönlichkeitsrecht oder ihre Intimsphäre tangiert sehen, bleibt es ihnen überlassen, von entsprechenden Angaben abzusehen mit der Folge, dass das Vorliegen einer besonderen unbilligen Härte nicht festgestellt werden kann.

Soweit der Beklagte gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung einwendet, das Verwaltungsgericht habe in seiner Begründung auf den fehlenden Kontakt des Verstorbenen mit dem Kläger abgestellt und selbst nach unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten könne darin keine schwere Verfehlung im Sinne von § 1611 BGB gesehen werden, hat das Verwaltungsgericht diese Gesichtspunkte ebenso wie den Umstand der Scheidung der Eltern des Klägers sowohl für sich als auch zusammengenommen als eine nicht selten mit einer Scheidung verbundene Folge angesehen und allein die hier darüberhinaus vorliegenden Umstände, wie sie soeben erörtert worden sind, als Grundlage für das Vorliegen einer besonderen unbilligen Härte angesehen. Dass der Kläger nicht selbst Opfer von Tätlichkeiten seines Vaters gewesen ist, ist ebenfalls nicht von entscheidender Bedeutung, da die bereits erörterten Gesamtumstände der erstinstanzlichen Entscheidungsfindung zutreffend zugrundegelegt sind.

Die Einbeziehung der vom Beklagten ausdrücklich als Möglichkeit bezeichneten Anspruchsposition nach § 15 BSHG in die Billigkeitsüberlegungen führt nicht zur Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Bewertung, da, wie bereits dargelegt, der aus dieser Vorschrift hervorgehende Leistungsanspruch in der Regel nicht zur vollständigen Entlastung von den Bestattungskosten führt. Dafür dass, wie der Beklagte meint, die Höhe einer auf der Grundlage des Polizeirechts geforderten Kostenerstattung "als objektiver Gesichtspunkt vorrangig in die Betrachtung einzubeziehen" ist, spricht nichts, da Anhaltspunkte, die ein dahingehendes Rangverhältnis begründen könnten, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind und der Billigkeitserlass aus zulässigerweise zugrunde gelegten persönlichen, unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Betroffenen bestehenden persönlichen Gründen, möglicherweise abgesehen von ganz geringfügigen Beträgen, von denen bei einer Summe von 573,- DM nicht auszugehen ist, nicht vorliegen.

Nach allem ist die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 II VwGO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 I, II VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 673,00 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwertes auf die Summe des Betrages der dem Kläger im Bescheid vom 18.3.1998 auferlegten, nach Abzug des Sterbegeldes verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 573,00 DM und der zugleich festgesetzten Gebühr für die Durchführung der Ersatzvornahme in Höhe von 100,00 DM erfolgt gemäß §§ 25 II, 14, 13 I 1 GKG. Da das Rechtsmittelverfahren in Form des Berufungszulassungsverfahrens - 9 Q 48/01 - vgl. dazu Hartmann, Kostengesetze, 31. Auflage 2002, § 73 GKG Rdn. 3 f am 2.5.2001 und damit vor In-Kraft-Treten des KostREuroUG vom 27.4.2001 (BGBl. I S. 751) am 1.1.2002 anhängig geworden ist, erfolgt die Festsetzung auch nach Einführung des Euro als Währung in Deutscher Mark (§ 73 I 1 und 2 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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