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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 20.08.2009
Aktenzeichen: 3 A 253/09
Rechtsgebiete: AsylVfG, Dublin II Verordnung


Vorschriften:

AsylVfG § 27 a
AsylVfG § 29
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
Dublin II Verordnung Art. 3 Abs. 2
Zu den Anforderungen an die Darlegung einer Grundsatzbedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG.

Im Falle eines Selbsteintritts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II Verordnung ist eine vollumfängliche Prüfungskompetenz des Bundesamts gegeben, in der abweichend von den §§ 29, 27 a AsylVfG auch eine ablehnende Sachentscheidung über das Asylbegehren als offensichtlich unbegründet ergehen kann.


Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. Januar 2009 - 11 K 838/08 - wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

Die Klägerin ist vietnamesische Staatsangehörige. Sie stellte nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland unter einem alias-Namen einen Asylantrag. Nachdem der Beklagten von der zuständigen Ausländerbehörde eine Passkopie mit dem richtigen Namen der Klägerin übersandt wurde, die neben verschiedenen Ein- und Ausreisestempeln auch ein Visum für die Slowakei vom 9.7.2007 enthielt, erklärte die Beklagte laut Vermerk vom 21.8.2008 ihren Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung und lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 22.8.2008 - u.a. unter Hinweis auf § 30 Abs. 2 sowie Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG - als offensichtlich unbegründet ab. Im Verlaufe eines gegen ihre beabsichtigte Abschiebung gerichteten Eilrechtsschutzverfahrens 11 L 916/08 wurde festgestellt, dass die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zwecks unternehmerischer Tätigkeit in der Slowakei besitzt, in der sie laut eigenen Angaben im genannten Verfahren ihren Lebensmittelpunkt hat und ein gut gehendes Kleidergeschäft betreibt. Am 24.9.2008 wurde ihr deshalb zum Zwecke der geltend gemachten freiwilligen Ausreise der vietnamesische Reisepass und eine Grenzübertrittsbescheinigung ausgehändigt. Der derzeitige Aufenthaltsort und eine ladungsfähige Adresse der Klägerin sind nicht bekannt.

Ihre Klage mit dem zunächst erhobenen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 bis Abs. 7 AufenthaltsG, den sie dahingehend abgeändert hat, "den Asylantrag als unzulässig abzulehnen und die Abschiebung in die Slowakei anzuordnen" wurde durch das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts abgewiesen.

Ihr dagegen - fristgerecht - gestellter Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Auch für das vorliegende Zulassungsverfahren ist - wie bereits erstinstanzlich angesprochen - das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses der Klägerin in Frage zu stellen. Dessen Fehlen könnte schon in der freiwilligen Ausreise sowie in dem hier offenbar vorliegenden Abbruch des Kontakts zu dem das Gerichtsverfahren betreibenden Bevollmächtigten hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 18.9.2002 - 1 B 103/02 - zitiert nach juris und ferner in der geänderten Klageantragsfassung auf Verbescheidung einer Ablehnung des Asylantrages als unzulässig begründet sein. Dies bedarf indes keiner Vertiefung, denn des ungeachtet rechtfertigt das Vorbringen der Klägerin in der Begründung ihres Zulassungsantrages, das den gerichtlichen Prüfungsumfang in dem vorliegenden Verfahren begrenzt, nicht die erstrebte Berufungszulassung wegen der geltend gemachten Grundsatzbedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfg).

Das Vorbringen der Klägerin entspricht nicht den Anforderungen, die § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG an die Darlegung einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung rechtlicher oder tatsächlicher Art stellt. Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen, muss der Antragsteller die für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage konkret formulieren und außerdem angeben, weshalb die Klärung der Frage über den Einzelfall hinaus der Fortentwicklung des Rechts oder der einheitlichen Rechtsanwendung dient. Darüber hinaus ist darzulegen, dass diese Frage in dem angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 19.8.1997 - 7 B 261/97 -(zur Nichtzulassungsbeschwerde), BayVGH, Beschluss vom 8.7.2009 - 9 ZB 08.30235 -, zitiert nach juris, Beschluss des Senats vom 15.5.2006 - 3 Q 52/06 -; Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG § 78, Rdnr. 603, wonach es der schlüssigen Darlegung der fallübergreifenden Bedeutung der aufgeworfenen Frage bedarf; Renner, AuslR, 8. Auflage, § 78 Rdnr. 15; Marx, AsylVfG, 7. Auflage, § 78, Rdnr. 56 ff m.w.N..

Vorliegend hat die Klägerin eine diesen Anforderungen genügende Grundsatzfrage nicht ausdrücklich formuliert, sondern maßgeblich ihren bereits erstinstanzlich vorgebrachten Einwand wiederaufgegriffen, die in der Rechtsprechung zugestandenen Wahlmöglichkeiten des Beklagen zwischen einer Entscheidung nach den §§ 26 a, 27, 29 AsylVfG mit der Verbescheidung des Asylbegehrens als unbeachtlich und nach § 30 AsylVfg mit der Verbescheidung als offensichtlich unbegründet seien im vorliegenden Fall zumindest durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip derart begrenzt, dass der Asylantrag nur als unbeachtlich hätte abgelehnt werden dürfen. Diesen Einwand hat sie sodann in mehrseitigen Ausführungen vertieft.

Damit fehlt es bereits an der erforderlichen konkreten Bezeichnung der Grundsatzfrage. Darüber hinaus zeigt das Vorbringen der Klägerin auch bei entsprechender wohlwollender Auslegung dahingehend, die Grenzen der Dispositionsbefugnis bzw. Wahlmöglichkeiten des Beklagten zwischen einer Ablehnung des Asylgesuchs als unbeachtlich oder als offensichtlich unbegründet seien im Interesse der Rechtseinheit unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu klären, keine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage auf. Wie sich bereits aus ihrem eigenen Vortrag ergibt, wonach eine Begrenzung der Entscheidungsbefugnis des Beklagten "im vorliegenden Fall" durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip nur zu einer Abweisung als unbeachtlich hätte führen müssen, ist eine derartige Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes prinzipiell einzelfallbezogen und damit einer grundsätzlichen Klärung nicht fähig.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der konkreten Gegebenheiten des Falles auch eine Entscheidungserheblichkeit zu verneinen wäre. In dem angefochtenen Urteil, in dem das die Klägerin betreffende Eilverfahren 11 L 868/08 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden war, ist ausgeführt, dass auch in den Fällen, in denen eine Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat in Betracht kommt, eine Wahlmöglichkeit des Beklagten "zwischen dem reduzierten Entscheidungsprogramm nach § 31 Abs. 3 AsylVfG und dem gewöhnlichen nach § 31 Abs. 2 bzw. § 30 Abs. 3 AsylVfG" bestehe und dies auch unter Geltung des Schengener und des Dubliner Abkommens zutreffe. Wie bereits in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15.9.2008 im vorzitierten Verfahren 11 L 868/08 angesprochen, hatte die Beklagte laut Vermerk vom 21.8.2008 von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung Gebrauch gemacht, wonach abweichend von der Zuständigkeitsregel des Satzes 1 jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen kann, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für eine Prüfung zuständig ist. Nach Satz 2 wird er dadurch zum zuständigen Mitgliedsstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Damit war - auch unter diesem Blickwinkel - eine vollumfängliche Prüfungsmöglichkeit eröffnet, in der abweichend von den §§ 29, 27 a AsylVfG auch eine ablehnende Sachentscheidung über das Asylbegehren als offensichtlich unbegründet nach § 30 AsylVfG ergehen konnte.

Schließlich beträfe selbst ein Anwendungsfehler hinsichtlich der Entscheidungsmöglichkeiten der §§ 29 ff AsylVfG allenfalls die klar einzelfallbezogene mit einer Grundsatzrüge nicht angreifbare rechtliche Würdigung seitens des Verwaltungsgerichts.

Nach allem verbleibt das Zulassungsbegehren der Klägerin ohne Erfolg.

Von der weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 V 1 AsylVfG).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfg.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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