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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 27.08.2009
Aktenzeichen: 3 A 352/08
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 10 Abs. 4 S. 2
Ist eine stationäre Unterbringung und Betreuung des Hilfeempfängers sowohl wegen massiver Verhaltensauffälligkeiten als Folge einer seelischen Behinderung als auch wegen einer (zumindest drohenden) körperlichen Behinderung infolge einer schweren Diabetes-Erkrankung mit chronisch unzureichender Stoffwechseleinstellung im Zusammenhang mit schlechter Patientenmitarbeit konkret erforderlich, greift die Vor- und Nachrangregel des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII ein. Diese begründet die vorrangige Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe.
Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. August 2008 - 11 K 2012/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Antragsverfahrens trägt der Beklagte.

Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil, durch das er verpflichtet wurde, dem Kläger die für den Hilfeempfänger D. L. (im Folgenden: Hilfeempfänger) in dem Zeitraum vom 18.4.2007 bis zum 30.9.2007 entstandenen Jugendhilfekosten in Höhe von 45.017,30 EUR zuzüglich Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 27.11.2007 zu erstatten, ist zulässig, bleibt indes in der Sache ohne Erfolg.

Der von dem Beklagten allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

Mit dem angefochtenen Urteil wurde dem Kläger ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 102 Abs. 1 SGB X für eine dem 1992 geborenen Hilfeempfänger in der Zeit vom 18.04 2007 bis 30.09.2007 gewährten Maßnahme (Unterbringung und Betreuung in der Jugendeinrichtung S. S.) gegen den Beklagten zuerkannt.

Zur Begründung ist in dem Urteil des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen ausgeführt, im Falle vorläufiger Leistungserbringung eines Sozialleistungsträgers aufgrund gesetzlicher Bestimmungen sei der an sich zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Für die hier in Rede stehende Gewährung von Eingliederungshilfe für den Hilfeempfänger in Form einer internatsmäßigen Betreuung in der Jugendeinrichtung S. S. in dem genannten Zeitraum sei der Beklagte sachlich und örtlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus der Nachrangregel des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII i. V. m. § 53 SGB XII.

Sowohl der Kläger als auch der Beklagte seien für die Leistungserbringung zuständig gewesen.

Die Zuständigkeit des Klägers zur Leistungserbringung ergebe sich aus § 35 a Abs. 1 i. V. m. § 69 Abs. 1 SGB VIII, denn die Unterbringung des Hilfeempfängers in der Einrichtung S. S. sei (auch) aufgrund der - zwischen den Beteiligten unstreitigen - seelischen Behinderung des Hilfeempfängers erforderlich gewesen. Diese seelische Behinderung sei jedenfalls mitursächlich.

Die Zuständigkeit des Beklagten zur Leistungserbringung folge aus § 53 Abs. 1, Abs. 2 SGB XII. Bei dem Hilfeempfänger sei wegen dessen schwerer Diabetes mellitus Typ 1 - Erkrankung mit chronisch unzureichender Stoffwechseleinstellung im Zusammenhang mit schlechter Patientenmitarbeit eine (drohende) körperliche Behinderung gegeben. Dies stehe zwischen den Beteiligten ebenfalls außer Streit und werde auch durch die Aktenlage belegt. Auch diese Behinderung sei zumindest (mit)ursächlich für die Unterbringung in der Jugendeinrichtung S. S. in der Zeit vom 18.4.2007 bis zum 30.9.2007 gewesen. Dies ergebe sich insbesondere aus der Stellungnahme der Einrichtung vom 23.4.2008.

Da § 53 Abs. 1 SGB XII für die Erforderlichkeit der Unterbringung ausdrücklich auf die Besonderheiten des Einzelfalles abstelle, sei - ebenso wie bei § 35 a SGB VIII - eine konkrete Betrachtungsweise geboten. Dabei könne dahinstehen, ob der in der Rechtsprechung auch vertretene rechtliche Ansatz, wonach eine Maßnahme der Eingliederungshilfe dann nicht gegeben sei, wenn bei einer intakten Familie ein Heimaufenthalt des Behinderten nicht notwendig gewesen wäre, dieser gesetzlichen Vorgabe entspreche. Vorliegend sei unabhängig von den (erzieherischen) Fähigkeiten der Eltern des Hilfeempfängers ein konkreter Bedarf auch mit Blick auf dessen körperliche Behinderung festzustellen. Die Diabeteserkrankung des Hilfeempfängers sei aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles so schwerwiegend, dass er nur von besonders geschulten und ausgebildeten Personen im Rahmen eines Heimaufenthalts habe betreut werden können.

Mit Blick auf die Stellungnahmen des auf die Betreuung diabeteskranker Kinder und Jugendlicher spezialisierten Internats W. vom 13.7.2006, das der Hilfeempfänger bis zum 14.7.2006 besucht habe, sowie die Verlaufsberichte der Einrichtung S. S. vom 6.7. und 12.7.2007 sei davon auszugehen, dass der Hilfeempfänger nicht allein der Pflege seiner Eltern hätte anvertraut werden können, selbst wenn die Eltern noch intensiver als bis dahin nachweislich geschehen ein Diabetesmanagement erlernt hätten.

Bestünden aber nebeneinander sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe nach §§ 35 a Abs. 1 i. V. m. § 69 Abs. 1 SGB VIII als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe in Gestalt der Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 SGB XII und seien die - konkret erforderlichen - Leistungen überschneidend, so sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23.9.1999 - 5 C 26/98 -) bei einer Prüfung des Vor- und Nachrangs beider Leistungsarten nach Maßgabe des § 10 Abs. 4 SGB VIII nicht auf eine Hauptursache, eine Haupthilfe oder einen Schwerpunkt des Bedarfs oder des Leistungszweckes abzustellen. Vielmehr greife die eindeutige Vor- und Nachrangregel des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII ein mit der Folge, dass Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert sind, oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilferecht gemäß dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs vorgingen. Gemäß § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII sei mithin der Beklagte als Sozialhilfeträger vorrangig zuständig.

Hiergegen wendet der Beklagte im Wesentlichen ein, die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vor- und Nachrang von Leistungen der Sozialhilfe (Eingliederungshilfe) nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs im Sinne des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII sei im gegebenen Hilfefall nicht einschlägig.

Es habe im konkreten Fall keine Konkurrenzsituation zwischen den genannten Maßnahmen bestanden. Die erbrachte Leistung in Form stationärer Unterbringung des Hilfeempfängers in der Jugendeinrichtung S. S. in dem fraglichen Zeitraum sei allein aufgrund der bestehenden massiven Verhaltensauffälligkeiten des Hilfeempfängers als typisches Merkmal einer wesentlichen seelischen Behinderung und der darüber hinaus bestehenden Notwendigkeit erzieherischer Hilfen notwendig gewesen.

Die Diabetes-Erkrankung des Hilfeempfängers habe demgegenüber keine stationäre Maßnahme erfordert. Der Hilfeempfänger wisse "sehr gut mit der Diabetes-Erkrankung umzugehen" und bedürfe "wegen dieser Behinderung keiner stationären Unterbringung". Er benutze vielmehr - schon seit Beginn der Schulzeit - seine Diabetes-Erkrankung ganz bewusst, um sich Vorteile zu verschaffen. Damit sei offensichtlich, dass in seinem Falle ausschließlich erzieherische Komponentendominierten.

Es bestehe daher keine Maßnahmenkongruenz, die nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers begründe.

Aus dem Vorbringen des Beklagten im Rahmen der Antragsbegründung, welches den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden Zulassungsverfahren begrenzt, ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Hilfeempfänger sowohl infolge seiner unstreitig gegebenen seelischen Behinderung einen Anspruch auf Jugendhilfe nach § 35 a SGB VIII als auch mit Blick auf seine (zumindest drohende) körperliche Behinderung einen Anspruch auf Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII hatte. Beide Hilfeansprüche erforderten unter Zugrundelegung der zur Bedarfsfeststellung anzustellenden konkreten Betrachtungsweise auch gleichartige bzw. sich überschneidende Leistungen.

Die Vor- und Nachrangregel des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII ist deshalb vorliegend anwendbar und führt unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwG, Urteil vom 23.9.1999 - 5 C 26/98 -, BVerwGE 109,325 ff. zu der vom Verwaltungsgericht zu Recht bejahten vorrangigen Leistungszuständigkeit des Beklagten.

Der Auffassung des Beklagten, allein aufgrund der bestehenden massiven Verhaltensauffälligkeiten des Hilfeempfängers als typisches Merkmal einer wesentlichen seelischen Behinderung und der darüber hinaus bestehenden Notwendigkeit erzieherischer Hilfen sei dessen stationäre Unterbringung notwendig gewesen, weshalb keine Maßnahmenkongruenzbestehe, die nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers begründe, kann nicht gefolgt werden.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass wegen der schweren Diabetes mellitus Typ 1 - Erkrankung mit chronisch unzureichender Stoffwechseleinstellung im Zusammenhang mit schlechter Patientenmitarbeit eine (zumindest drohende) körperliche Behinderung des Hilfeempfängers gegeben war und dass diese zumindest (mit)ursächlich für den Hilfebedarf gewesen ist, der durch dessen Unterbringung in der Jugendeinrichtung S. S. in der Zeit vom 18.4.2007 bis zum 30.9.2007 erfüllt wurde.

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass der Hilfeempfänger "sehr gut mit der Diabetes-Erkrankung umzugehen" wisse und "wegen dieser Behinderung keiner stationären Unterbringung" bedürfe.

Die massive körperliche Beeinträchtigung des Hilfeempfängers aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung hat das Verwaltungsgericht zu Recht den in den Verwaltungsakten enthaltenen ärztlichen und nicht ärztlichen Stellungnahmen des Beklagten und der im Laufe der Zeit mit der Betreuung des Hilfeempfängers betrauten unterschiedlichen Institutionen und Einrichtungen entnommen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des angefochtenen Urteils kann gemäß § 122 Abs.2 Nr.3 VwGO verwiesen werden.

Besonders deutlich ergibt sich die tatsächliche Unfähigkeit zum Umgang mit seiner Diabetes-Erkrankung und die daraus resultierende Beeinträchtigung und Gefährdung des Hilfeempfängers aus den Stellungnahmen der Einrichtung S. S. vom 12.7 2007 und vom 23.4.2008.

In dem Bericht der Einrichtung vom 12.7.2007 heißt es hierzu:

"Gerade sein Umgang mit seiner Diabetes gibt nach wie vor Anlass zur Sorge. Immer wieder bringt er sich in gesundheitsschädliche Situationen, die es erforderlich machen, den ärztlichen Notfalldienst hinzuzuziehen. In enger Absprache mit unserem Jugendpsychiater Dr. K. wurde D. Anfang Mai wegen Suizidgefahr stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgenommen. Noch kann er sich weder mit seiner Diabetes abfinden, noch in adäquater Form damit umgehen und bedarf hier weiterhin der professionellen Unterstützung und Auseinandersetzung."

In der Stellungnahme vom 23.4.2008 ist ausgeführt, dass es im Zusammenhang mit der Diabetes-Erkrankung immer wieder zu lebensbedrohlichen Selbstgefährdungen des Hilfeempfängers gekommen sei, da dieser bezüglich der genannten Erkrankung keinerlei Behandlungseinsicht zeige. Trotz erster positiver Ansätze sei dessen Selbststeuerung in Bezug auf die Diabetes-Erkrankung noch nicht so stabil, dass er in einer offenen Betreuungsform verantwortungsvoll damit umgehen könne. Eine geschlossene Unterbringung sei deshalb auch in Bezug auf die mangelnde Behandlungseinsicht in seine Diabetes-Erkrankung weiterhin erforderlich.

Von einer Fähigkeit des Hilfeempfängers " sehr gut mit der Diabetes-Erkrankung umzugehen" kann danach keine Rede sein, ebenso wenig wie davon, dass er "wegen dieser Behinderung keiner stationären Unterbringung" bedürfe.

Vielmehr wird deutlich, dass gerade die Mehrfachbehinderung des Hilfeempfängers in seelischer und körperlicher Hinsicht im relevanten Zeitraum eine stationäre (geschlossene) Unterbringung des Hilfeempfängers erforderte, wobei die körperliche Komponente eine potenziell permanente Gefährdung von Leib und Leben bedingte.

Es bestand danach im maßgeblichen Zeitraum ein Hilfebedarf (auch) nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 SGB XII zur Bejahung von Eingliederungshilfe für Kinder bei Diabetes-Erkrankung nach § 53 Abs. 1 SGB XII vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 12.05.2009 - S3 B 10/09 -, zitiert nach Juris.

Dieser Bedarf des Hilfeempfängers war - im Vergleich mit dem (auch) bestehenden Hilfebedarf nach § 35 a SGB VIII - durch kongruente Maßnahmen (stationäre Unterbringung) zu decken.

Dem steht auch nicht entgegen, dass in einem vorangegangenen Zeitraum (13.3.2006 bis 14.7.2006) die Betreuung des Hilfeempfängers in einer Einrichtung der Behindertenhilfe, die auf Jugendliche spezialisiert ist, bei denen ein Hilfebedarf im Umgang mit einer Diabetes-Erkrankung festgestellt wurde (Internat W.), gescheitert ist.

Insoweit ist zwar festzustellen, dass die auf die körperliche Komponente seiner Behinderung spezialisierte Einrichtung mit der Bewältigung auch der seelischen Komponente seiner Behinderung überfordert war. Dies stellt sich aber gerade als Manifestation der Mehrfachbehinderung des Hilfeempfängers dar und stellt die Erforderlichkeit einer -auch- auf die körperliche Komponente bezogenen Unterbringung nicht in Frage.

Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf den Vortrag des Beklagten, die Art der körperlichen Behinderung des Klägers habe nach dem Konzept der Einrichtung S. S. ein Ausschlusskriterium für die Aufnahme des Hilfeempfängers sein müssen.

Zum einen handelt es sich hier um eine rein hypothetische Betrachtung, da der Hilfeempfänger tatsächlich aufgenommen und über einen erheblichen Zeitraum betreut wurde. Zum anderen widerlegt die Stellungnahme der Einrichtung S. S. vom 2.10.2008 den Einwand des Beklagten. Darin ist das Vorliegen von Ausschlusskriterien bei dem Hilfeempfänger ausdrücklich verneint. Im Gegenteil ist ausgeführt, die zuständigen Betreuer seien prädestiniert und mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet, dem Hilfeempfänger professionelle Hilfestellung beim Umgang mit seiner Diabetes-Erkrankung zu geben, da sie selbst an Diabetes erkrankt seien.

Ob sich aus der genannten Stellungnahme darüber hinaus folgern lässt, dass - wie der Beklagte meint - die Diabeteserkrankung des Hilfeempfängers in der Einrichtung S. S. nur "mitbehandelt" worden sei, kann vorliegend dahinstehen, denn nach den zugrunde gelegten Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Urteil vom 23.9.1999 - 5 C 26/98 - a.a.O. kommt es auf den Schwerpunkt der Maßnahme nicht an.

Maßgeblich für die Anwendung der Vor- und Nachrangregelung des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII ist unter Anwendung dieser Maßstäbe vielmehr, dass die Unterbringung des Hilfeempfängers in einer stationären Einrichtung im fraglichen Zeitraum konkret jedenfalls auch aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung erforderlich war. Denn damit lag, was die Art der Hilfeleistung in Form einer stationären Unterbringung anbelangt, ein auf eine gleichartige Leistung gerichteter Bedarf vor, wie er sich (auch) aufgrund der seelischen Behinderung des Hilfeempfängers (einschließlich erzieherischer Defizite) ergab.

Die Notwendigkeit einer stationären Unterbringung auf der Bedarfsseite wird im Falle des Hilfeempfängers über die vorstehenden Ausführungen hinaus auch dadurch belegt, dass durch Beschluss des Amtsgerichts vom 2.11.2006 - 41 F 463/06 SO - den Eltern das Recht der Gesundheitsfürsorge für den Hilfeempfänger entzogen worden war, und dass durch weiteren Beschluss vom 14.12.2006 - 41 F 416/06 UB - die Unterbringung des Hilfeempfängers (sogar) in einer geschlossenen Form genehmigt wurde. Hieraus wird deutlich, dass jedenfalls im hier in Rede stehenden Zeitraum ambulante Hilfeleistungen mit Blick auf die körperliche Komponente der Mehrfachbehinderung des Hilfeempfängers nicht als geeignete Hilfemaßnahmen in Betracht kamen und in der Gesamtsicht eine stationäre Betreuung des Hilfeempfängers erforderlich war.

Somit bleibt es dabei, dass eine Anspruchskonkurrenz zwischen Leistungen der Jugendhilfe nach § 35 a SGB VIII und Leistungen der Sozialhilfe (Eingliederungshilfe) nach § 53 SGB XII vorliegt. Da beide Ansprüche auf gleichartige bzw. sich überschneidende Leistungen gerichtet waren, greift die Vor- und Nachrangregel des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII ein. Diese begründet die vorrangige Zuständigkeit des Beklagten als Träger der Sozialhilfe.

Der - im Zulassungsverfahren weder hinsichtlich seiner Höhe noch hinsichtlich der Zinsleistungen angegriffene Kostenerstattungsanspruch - ist dem Kläger durch das angefochtene Urteil daher zu Recht nach § 102 SGB X zuerkannt worden.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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