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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 05.04.2004
Aktenzeichen: 3 Q 36/03
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, BVerfGG


Vorschriften:

VwGO § 54 Abs. 1
VwGO § 54 Abs. 2
VwGO § 54 Abs. 3
VwGO § 54 Nr. 38
ZPO § 41 Nr. 6
ZPO § 42 Abs. 2
BVerfGG § 18
Dem Grundsatz der Waffengleichheit im Prüfungsrechtsstreit widerspricht es nicht, wenn die Arbeit des Prüflings von dem Gericht nicht nachgebessert wird, wohl aber Prüferbeurteilungen nachgebessert werden. Die Arbeit des Prüflings kann nachträglich nicht mehr verändert oder nachgebessert werden, weil dies dem Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge widerspricht. Dagegen geht es bei der Nachbesserung von Leistungen der Prüfer um die Herstellung eines rechtmäßigen Prüfungsergebnisses, das im Interesse beider Beteiligten, vor allem aber auch des Prüflings selber liegt, so dass die Waffengleichheit nicht verletzt wird.
Tenor:

Das Ablehnungsgesuch bezüglich der ... und des ... wird für unbegründet erklärt.

Gründe:

Nach §§ 54 Abs. 1 VwGO, 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit eines Richters statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

Durchgreifende Gründe für eine Befangenheit der ehemals im 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes tätigen ... und des ..., die nunmehr im anhängigen Rechtsstreit über die Neubewertung einer Aufsichtsarbeit im Zweiten Juristischen Staatsexamen zuständig sind, lassen sich dem Sachvortrag der Antragstellerin nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich, so dass ihrem Ablehnungsbegehren der Erfolg zu versagen war.

Soweit die Antragstellerin die Befangenheit aus der früheren Rechtsprechung des 8. Senats in einem presserechtlichen Rechtsstreit -8 Y 5/96 und 8 R 27/96- ableiten will, kann dies einen durchgreifenden Befangenheitsgrund nicht rechtfertigen. Dazu müssten vom Standpunkt der Antragstellerin aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben bzw. den äußeren Anschein setzen, an der Unparteilichkeit der Richter zu zweifeln. Eine reine subjektive Besorgnis - hier nach Ansicht der Antragstellerin wegen prozessrechtlich atypischer, sich aus der Geschäftsverteilung ergebender Vorbefassung -, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus.

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 05.12.1975 -VI C 129.74-, E 50, 36 = BayVBl. 1976, 346; BVerfG, Entscheidungen vom 17.09.2003 -1 BvL 3/98 u.a., zitiert nach Juris, und vom 10.05.2000 -1 BvR 539/98-, E 102, 122 = NJW 2000, 2808.

Im Unterschied zu der - hier nicht gerügten - subjektiven Voreingenommenheit, die sich wesentlich auf die persönlichen Einstellungen des Richters in bezug auf den konkreten Fall und die daran Beteiligten bezieht, knüpft der objektive Befangenheitsgrund der Vorbefassung an Mitwirkungshandlungen des Richters in vorausgegangenen Verfahren an. Ausschließungsgründe nach § 54 Abs. 2 und 3 oder Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO, die auch zur Grundlage eines Befangenheitsbegehrens gemacht werden können, liegen hier offenkundig nicht vor. Nach der insoweit strikten Auffassung des BVerwG, etwa Beschluss vom 02.10.1997 -11 B 30.97-, DÖV 1998, 427 legt § 41 Nr. 6 ZPO, der lediglich verhindern soll, dass ein Richter im Rechtsmittelzug seine eigene Entscheidung überprüft, den Maßstab einer Überprüfung von Befangenheitsgründen fest und ist einer darüberhinausgehenden analogen Anwendung nicht zugänglich. Nach Ansicht des BVerwG, a.a.O., wird das deutsche Verfahrensrecht von der Auffassung getragen, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herangeht, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat. Demnach wäre es mit der gesetzlichen Wertung des § 41 Nr. 6 ZPO nicht vereinbar, den bloßen Umstand, dass sich der zuständige Richter bereits in der Vorinstanz mit der Sache befasst und dazu geäußert hat - etwa im Rahmen eines Beweisbeschlusses, einer Entscheidung über Prozesskostenhilfe oder vorläufigen Rechtsschutzes - als hinreichenden Grund anzusehen, um Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Vernünftiger Anlass zu einem aus einer solchen "Vorbefassung" hergeleiteten Misstrauen einer Partei gegen die Unparteilichkeit des Richters besteht danach erst dann, wenn sich aufgrund besonderer, zusätzlicher Umstände der Eindruck einer unsachlichen, auf Voreingenommenheit beruhenden Einstellung des Richters gegenüber der Partei oder der streitbefangenen Sache aufdrängt, hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 23.08.1996 -11 B 25.96-, Buchholz 303 § 42 ZPO Nr. 1 m.w.N., etwa auch Entscheidung vom 12.03.1987 - 5 ER 400/86 - 404/86 u.a., Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 38.

Auch nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das im Falle irgendwie gearteter Vorbefassung ebenfalls von einer im Grundsatz anzunehmenden inneren Unabhängigkeit und Distanz bzw. Unvoreingenommenheit und Objektivität der Richter ausgeht, soweit nicht die Ausschlussgründe des § 18 BVerfGG betroffen sind hierzu BVerfG, Beschluss vom 18.06.2003 -2 BvR 383/03-, NJW 2003, 3404, können etwa (frühere) wissenschaftliche Äußerungen eines Richters zu einer für das Verfahren bedeutsamen Rechtsfrage für sich genommen kein Befangenheitsgrund sein, sondern muss Zusätzliches hinzutreten, so etwa der Umstand, dass die wissenschaftliche Tätigkeit des Richters die Unterstützung eines am anhängigen Verfahren Beteiligten bezweckte.

Gemessen an diesen Anforderungen stellt sich die frühere Mitwirkung der als befangen abgelehnten Richter offenkundig nicht als eine die Ablehnung rechtfertigende Vorbefassung dar.

Ihre Mitwirkung betraf einen auf Grund Presserechts zu beurteilenden Fall. Die nunmehr allein auf der Grundlage prüfungsrechtlicher Anforderungen zu entscheidende Fallkonstellation betrifft einen anderen Streitgegenstand und unterscheidet sich auch - nicht nur mit Blick auf die Frage der Vertretbarkeit der von der Antragstellerin gewählten Lösung über den zulässigen Rechtsweg - konkret wesentlich im Prüfungsrahmen und der hierbei erforderlichen Überzeugungsbildung und unterliegt somit wesensverschiedenen Kriterien.

Diese Sicht der Dinge haben die betroffenen Richter in ihren dienstlichen Äußerungen auch klar zum Ausdruck gebracht und sich dementsprechend für nicht präjudiziell gebunden bzw. für nicht befangen erklärt.

Von einer Festlegung in einer wesensgleichen bzw. qualitativ gleichen Rechtsfrage hierzu Roth: Richterliche Vorbefassung und das Konzept der objektiven Befangenheit, DÖV 1998, 916 ff (918), der eine objektive Befangenheit bei für die Überzeugungsbildung bedeutsamer wesensmäßiger Unterschieden gleichfalls verneint, die Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit der betroffenen Richter geben bzw. einen entsprechenden äußeren Anschein begründen könnte, kann daher von vorneherein - ungeachtet der genannten hier klar nicht erfüllten zusätzlichen Anforderungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts - nicht ausgegangen werden. Ein Fall atypischer prozessrechtlicher Befangenheit, der dem von der Antragstellerin in dem zitierten Aufsatz von Schlichting, Vorbefassung als Ablehnungsgrund, NJW 1989, 1343: dort war derselbe Richter, der als Strafrichter eine Anklage wegen Sachbeschädigung zu beurteilen hatte, zuständig für die damit zusammenhängende zivilrechtliche Schadensersatzklage, ohne dass dort neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden können vergleichbar wäre, liegt nicht vor.

Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin ist daher zurückzuweisen.

Dieser Beeeschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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