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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 15.05.2006
Aktenzeichen: 3 Q 52/06
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
Zu den Anforderungen an die Darlegung einer Frage grundsätzlicher Bedeutung im Verständnis von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG.
Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 7. Dezember 2005 - 10 K 510/03.A - wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe:

Dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7.12.2005, über den im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter entschieden werden kann (§ 87 a Abs. 2 und 3 VwGO), kann nicht entsprochen werden.

Der Kläger, ein serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo, der nach eigenen Angaben der Volksgruppe der Ashkali angehört, reiste am 5.12.2003 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde von der Beklagten durch Bescheid vom 12.12.2003 abgelehnt. Außerdem lehnte es die Beklagte ab, Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festzustellen.

Seine Klage, mit der unter Aufhebung der ablehnenden Verwaltungsentscheidung die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nunmehr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthaltsG begehrt und insbesondere unter Vorlage einer entsprechenden psychologischen Bescheinigung von Therapie Interkulturell e.V. vom 9.2.2005 das Vorliegen einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung behauptet hat, hat das Verwaltungsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum psychischen Gesundheitszustand es Klägers nach näherer Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 1.9.2005 durch Urteil vom 7.12.2005 abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen des Urteils sind soweit hier wesentlich die Voraussetzungen dargestellt, unter denen mit Rücksicht auf Gesundheitsgefährdungen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthaltsG gewährt wird. Im Anschluss hieran ist ausgeführt, nach Würdigung des Beweisergebnisses, des Gesamtvorbringens des Klägers sowie der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines krankheitsbedingten Abschiebungsschutzes im Falle des Klägers nicht erfüllt, da bei Rückkehr in den Kosovo eine wesentliche Verschlechterung seiner psychischen Leiden im Sinne existentieller Gesundheitsgefahren nicht überwiegend wahrscheinlich sei. In seinem Gutachten vom 3.11.2005 sei der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. med. H. zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Ausgehend von der Diagnose der posttraumatischen Belastungsreaktion ergebe sich aus dem Gutachten, dass die bisherige psychotherapeutische Behandlung des Klägers eindeutig zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes in den vergangenen Behandlungsmonaten geführt habe. Im Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen am 12.10.2005 habe nur noch eine Symptomatik im subjektiven Erleben vorgelegen und hätten objektive Symptome nicht mehr erhoben werden können. Dem entspreche die daraus abgeleitete Schlussfolgerung, dass nach bereits fast 50 absolvierten psychotherapeutischen Sitzungen die Fortführung der Behandlung alleine im Wege medikamentöser Therapie möglich erscheine. Dem entspreche weiter, dass der Gutachter die Folgen einer erzwungenen Rückkehr des Klägers in sein Herkunftsland zwar als hohe Belastung bezeichnet, dies aber lediglich darauf stütze, dass die erzwungene Rückkehr die Lebensplanung des Klägers durchkreuze, und hinsichtlich der verbleibenden Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung eine Behandlung in Form von medikamentöser Therapie für möglich halte. Aus den weiteren Annahmen hierzu, dass fortlaufende psychotherapeutische Sitzungen "wünschenswert" seien, folgere das Gericht, das jedenfalls zum Entscheidungspunkt von einer ausreichenden Behandlung in Form medikamentöser Therapie auszugehen sei. Auch habe der Gutachter dargelegt, dass sich aus der Untersuchungssituation keine Hinweise auf ein präsuizidales Syndrom ergeben hätten, das eine Suizidgefahr befürchten oder gar erkennen ließe. Im Übrigen gelte, dass die bei dem Kläger von dem Sachverständigen diagnostizierte Erkrankung bei Würdigung aller im vorliegenden Verfahren ausgewerteten Erkenntnisquellen und des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthaltsG innewohnenden Zumutbarkeitsgesichtspunktes im Kosovo generell jedenfalls soweit behandelbar sei, dass ihre wesentliche Verschlimmerung bis hin zu existentiellen Gefahren verhindert werden könne. Dies wird unter Darlegung der den Auskunftsquellen entnommenen Erkenntnisse näher dargelegt.

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er setzt sich mit dem vom Gericht eingeholten Gutachten auseinander und führt aus, der Gutachter habe die Frage, ob eine medikamentöse Behandlung der bei ihm diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung im Kosovo ausreichend sei, offen gelassen. Der Gutachter habe hinsichtlich der verbleibenden Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung die Behandlung in Form medikamentöser Therapie für möglich, fortlaufende therapeutische Sitzungen indes als wünschenswert bezeichnet. Aufgrund der Antwort des Gutachters halte das Verwaltungsgericht seine Rückkehr in sein Heimatland und die damit verbundene lediglich medikamentöse Behandlung für ausreichend, um eine Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustandes zu verhindern. Dem könne nicht gefolgt werden. Vor allem müsse darauf abgestellt werden, dass er zu einer Minderheit gehöre, und ihm der Zugang zu den medizinischen Versorgungseinrichtungen verwehrt sein dürfte. Auch sei es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes nicht so, dass er sich jederzeit Medikamente beschaffen könne. Vor allem seien Medikamente nach wie vor nur in begrenztem Maße verfügbar, so dass diese Folgerung des Gerichts nicht zutreffend sei. Auch habe der Gutachter nicht eindeutig dazu Stellung nehmen können, ob die medikamentöse Behandlung Erfolg versprechend beziehungsweise ausreichend wäre, da er die Formulierung verwendet habe, er halte die Behandlung in Form medikamentöser Therapie für "möglich". Allerdings schränke er dies dadurch ein, dass er weitere psychotherapeutische Sitzungen als wünschenswert bezeichne. Vor allem habe der Gutachter bei der möglichen medikamentösen Behandlung auf die Lebensbedingungen in Deutschland abgestellt, da er darauf hingewiesen habe, dass er die Lebensbedingungen, die ihn im Kosovo erwarteten, nicht einschätzen und insoweit auch nicht vorhersagen könne, wie sich die erzwungene Rückkehr auf seinen Gesundheitszustand beziehungsweise auf sein weiteres Verhalten auswirkte. Vor diesem Hintergrund könne daher die medikamentöse Behandlung, soweit sie überhaupt im Kosovo möglich erscheine, bei ihm nicht als ausreichend angesehen werden.

Dieses Vorbringen, das den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden Zulassungsverfahren begrenzt, rechtfertigt es nicht, die Berufung in Anwendung des allein geltend gemachten Tatbestandes des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zuzulassen. Es entspricht bereits nicht den Anforderungen, die § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG an die Darlegung einer Frage grundsätzlicher Bedeutung rechtlicher oder tatsächlicher Art stellt. Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen, muss der Antragsteller die für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage genau bezeichnen und außerdem angeben, weshalb die Klärung der Frage über den Einzelfall hinaus der Fortentwicklung des Rechts oder der einheitlichen Rechtsanwendung dient. Darüber hinaus ist darzulegen, dass diese Frage in dem angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist vgl. zum Beispiel Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG § 78, Rdnr. 603, wonach es der schlüssigen Darlegung der fallübergreifenden Bedeutung der aufgeworfenen Frage bedarf; außerdem Renner, AuslR, 8. Auflage 2005, § 78 Rdnr. 15; Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 124 a VwGO Rdnr. 84, zur Darlegungspflicht bei einem auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Berufungszulassungsantrag in Allgemeinverfahren.

Daran fehlt es hier. Der Kläger beschränkt sich in der Begründung seines Berufungszulassungsantrages darauf, in Auseinandersetzung mit den Aussagen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen in dem unter dem 3.11.2005 erstatteten Gutachten der Würdigung des Tatsachenmaterials durch das Verwaltungsgericht entgegenzutreten. Die von ihm in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen beziehen sich dabei ausschließlich konkret auf seine eigene individuelle Betroffenheit. Eine Frage von über diesen Einzelfall hinaus weisender Bedeutung wird an keiner Stelle seines Vorbringens bezeichnet geschweige denn ein Klärungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Fortentwicklung des Rechts oder der einheitlichen Rechtsanwendung aufgezeigt.

Ob der hier gegebene Einzelfall vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend beurteilt worden ist, hat indes Bedeutung nur für diesen, was nach der Gesetzeslage die Zulassung der Berufung in Asylstreitigkeiten nicht rechtfertigen kann. Die Rechtsmittelbeschränkung in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz (§ 78 AsylVfG) verdeutlicht vielmehr, dass - anders als in Allgemeinverfahren (vgl. insoweit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) - nicht jedem beim Verwaltungsgericht unterlegenen Asylbewerber allein unter Geltendmachung der angeblichen "Unrichtigkeit" der erstinstanzlichen Entscheidung die Berufungsmöglichkeit eröffnet werden und dass damit gerichtlicher Rechtsschutz in diesem Bereich grundsätzlich auf eine Instanz beschränkt bleiben soll.

Von einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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