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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 14.07.2006
Aktenzeichen: 3 W 4/06
Rechtsgebiete: SVwVG, ZPO


Vorschriften:

SVwVG § 45 Abs 5
ZPO § 812
a) Mit der Regelung der §§ 45 Abs 5 SVwVG, 812 ZPO ist nicht das Verhältnis des zu erwartenden Erlöses zum objektiven Wert der gepfändeten Sache, sondern zu deren (Gebrauchs-)Wert im Haushalt des Schuldners angesprochen.

b) Beruft sich der Schuldner auf die §§ 45 Abs 5 SVwVG, 812 ZPO, muss er in Bezug auf den gepfändeten Gegenstand Tatsachen vorbringen, aufgrund deren es dem Gericht möglich ist zu beurteilen, welche Bedeutung, welcher (Gebrauchs)Wert, dem betreffenden Gegenstand in seinem Haushalt zukommt.

c) Versäumt es die Vollstreckungsbehörde, ihrer für den Regelfall bestehenden Pflicht nachzukommen, die gepfändeten Gegenstände bei der Pfändung auf ihren gewöhnlichen Verkaufswert zu schätzen beziehungsweise diese Schätzung unverzüglich nachzuholen ( §§ 45 Abs 5 SVwVG, 813 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 ZPO), so begründet dies allein noch nicht die Rechtswidrigkeit der Pfändung.


Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 24. Mai 2006 - 3 F 18/06 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 559,65 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Beschwerde, mit der der Antragsteller sein vom Verwaltungsgericht zurückgewiesenes Begehren weiterverfolgt, die aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen die am 21.8.2002 erfolgte Pfändung von Möbeln und Teppichen durch die Stadtkasse der Antragsgegnerin anzuordnen, kann nicht entsprochen werden.

Soweit der Antragsteller die Pfändung einer Bar bestehend aus 4 Hockern, 4 Stühlen, 4 Unterteilen sowie 3 Oberteilen, einer Vitrine und einer Standuhr beanstandet, kann ein rechtlich schützenswertes Interesse an einer Sachentscheidung über sein Aussetzungsbegehren bereits deshalb nicht mehr anerkannt werden, weil die betreffenden Gegenstände mittlerweile durch öffentliche Versteigerung verwertet und der Versteigerungserlös zur teilweisen Erfüllung von Forderungen an den Antragsteller verwendet worden ist. Für die von dem Antragsteller hinsichtlich dieser Gegenstände offenbar erstrebte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pfändung entsprechend dem Gedanken des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist in Eilrechtsschutzverfahren der vorliegenden Art kein Raum vgl. zum Beispiel Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 49 m.w.N..

Erfolglos bleibt das Rechtsmittel des Antragstellers aber auch, soweit er die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der am 21.8.2002 ebenfalls erfolgten Pfändung von zwei Teppichen erstrebt. Das Vorbringen des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung, das den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren begrenzt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), zeigt keine Umstände auf, die die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu seinen Gunsten rechtfertigen.

Festzuhalten ist zunächst, dass die gemäß § 41 SVwVG erfolgte Pfändung einen Verwaltungsakt darstellt vgl. Engelhardt/App, VwVG, VwZG, 6. Auflage 2004, § 281 AO Rdnr. 1, der Kraft gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, 20 AG VwGO Saar) sofort vollziehbar ist, und von daher vorläufiger Rechtsschutz auf der Grundlage von § 80 VwGO zu gewähren ist. Dem danach statthaften Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ist in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO in aller Regel nur dann zu entsprechen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahmen bestehen oder wenn die Vollziehung für den in Anspruch Genommenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Dass eine der Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegend erfüllt wäre, hat der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt, und auch sonst sind keine Umstände dargetan, die die von ihm erstrebte Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der Pfändung rechtfertigen.

Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten ist die am 21.8.2002 erfolgte Pfändung wegen einer ganzen Anzahl offen stehender Forderungen (Verwaltungsgebühren, Bußgelder und rückständige Rundfunkgebühren) vorgenommen worden, die teilweise durch Verwertung von gepfändeten Gegenständen erfüllt werden konnten, teils wegen Verjährung nicht mehr vollstreckt werden und teils nach wie vor offen stehen. Noch nicht beglichen sind nach einer Mitteilung der Antragsgegnerin vom 6.12.2005 an den Antragsteller betreffend den Versteigerungserlös der Pfandverwertung vom 23.7.2005 noch Rundfunkgebühren in Höhe von 1.217,85 Euro, Verwaltungsgebühren in Höhe von 275,66 Euro und Vollstreckungskosten in Höhe von 61,37 Euro, insgesamt mithin 1.554,88 Euro.

Das hinsichtlich dieser Forderungen die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 30 Abs. 1 SVwVG nicht erfüllt wären, hat der Antragsteller nicht dargetan. Daher ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin als Vollstreckungsbehörde im Sinne von § 29 Abs. 3 SVwVG zur Durchführung der Zwangsvollstreckung, und zwar - da es hier um eine Vollstreckung in das bewegliche Vermögen geht - durch Pfändung (§ 41 SVwVG) grundsätzlich befugt war.

Der Einwand des Antragstellers, die Pfändung sei deshalb rechtswidrig, weil die in der Niederschrift aufgeführte Forderung mit dem Kassenzeichen 401003851 über 20,50 Euro in der Aufstellung der ihm übermittelten Vollstreckungsankündigung nicht enthalten gewesen sei, greift - abgesehen davon, dass die Vollstreckung dieser Forderung wegen Verjährung später eingestellt wurde -, schon deshalb nicht durch, weil der Vollstreckungsbeamte gemäß § 47 SVwVG auch Anschlusspfändungen in der Weise durchführen darf, dass er in die Niederschrift die Erklärung aufnimmt, die Sache werde zur Deckung des seiner Art und Höhe nach zu bezeichneten Betrages gepfändet, und dem Pflichtigen die weitere Pfändung mitteilt. Das ist hier ausweislich der Niederschrift über die Sachpfändung vom 21.8.2002 geschehen.

Es spricht ferner nichts dafür, dass die am 21.8.2002 erfolgte Pfändung gegen das in § 41 Satz 2 SVwVG enthaltene Verbot der Überpfändung verstößt. Dieses Verbot bedeutet nicht, dass keine Gegenstände gepfändet werden dürfen, deren Wert den Betrag der beizutreibenden Geldforderungen und der Kosten übersteigt. Es ist vielmehr allenfalls dann verletzt, wenn andere Gegenstände vorhanden gewesen wären und hätten gepfändet werden können, deren Wert den erforderlichen Betrag in geringerem Maße übersteigt. Auch kann bei ganz krassen Missverhältnissen zwischen dem zu vollstreckenden Betrag und dem Wert des gepfändeten Gegenstandes die Versteigerung unverhältnismäßig und rechtswidrig sein vgl. Engelhardt/App, VwVG, VwZG, 6. Auflage 2004, § 281 AO Rdnr. 2.

Dass ein solcher Sachverhalt vorliegend gegeben wäre, ist weder dargetan noch ersichtlich. So hat der Antragsteller weder mit seinem Widerspruch vom 19.9.2002 noch im gerichtlichen Verfahren den seiner Ansicht nach deutlich über den Schätzungen des Vollstreckungsbeamten liegenden Wert der gepfändeten Gegenstände dargetan, geschweige denn - etwa durch Vorlage von Kaufbelegen - glaubhaft gemacht. In seinem Widerspruchsschreiben hat er - freilich ohne dies in irgendeiner Weise zu belegen - den Wert der gepfändeten Vitrine mit 2.000,-- Euro, den Wert der Standuhr mit 2.500,-- Euro und den Wert der beiden Teppiche, um die es hier noch geht, mit 500,-- Euro beziffert. Der Schätzung des Wertes der Bar auf 5.00,-- Euro ist er nicht im Einzelnen entgegengetreten. Ebenso wenig hat er - obwohl seinerzeit bereits anwaltlich vertreten - einen Antrag auf Schätzung durch einen Sachverständigen gestellt (§§ 45 Abs. 5 SVwVG, 813 Abs. 1 Satz 3 ZPO).

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber mit Schreiben vom 24.9.2002 an den Antragsteller dargelegt, dass selbst bei Zugrundelegung seiner Wertansätze (insgesamt 5.500,-- Euro) auf der Basis des Mindestgebotes gemäß den §§ 50 SVwVG, 817 a ZPO - Hälfte des gewöhnlichen Verkaufswertes - von 2.750,-- Euro bei Gesamtrückständen von seinerzeit 2.239,29 Euro von einer Überpfändung keine Rede sein könne, zumal durch die Versteigerung noch weitere Verfahrenskosten entstünden. Das überzeugt hinsichtlich der (Gesamt-)Pfändung, und hinsichtlich der im Vollstreckungsverfahren verbliebenen Teppiche, deren Wert der Antragsteller nunmehr - ebenfalls völlig unsubstantiiert und ohne jegliche Belege - mit "deutlich über 1.000,-- Euro" angibt, gilt im Hinblick darauf, dass sich die Restforderung auf 1.554,88 Euro beläuft, nichts anderes.

Es besteht des Weiteren kein Grund zu der Annahme, dass die Pfändung der Teppiche gegen §§ 45 Abs. 5 SVwVG, 812 ZPO verstößt. Nach der letztgenannten Bestimmung sollen Gegenstände, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, nicht gepfändet werden, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, dass durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht. Mit dieser Regelung ist indes nicht das Verhältnis des zu erwartenden Erlöses zum objektiven Wert der in Rede stehenden Sache, sondern zu deren (Gebrauchs-)Wert im Haushalt des Schuldners angesprochen vgl. Schilken im Münchner Kommentar zur ZPO, Band 3, Stand 2001, § 812 Rdnr. 1.

Beruft sich der Schuldner auf diese Bestimmung, so muss er in Bezug auf den gepfändeten Gegenstand Tatsachen vorbringen, aufgrund deren es dem Gericht möglich ist zu beurteilen, welche Bedeutung, welcher (Gebrauchs-)Wert dem betreffenden Gegenstand in seinem Haushalt zukommt und ob der zu erwartende Verwertungserlös zu dieser Bedeutung außer allem Verhältnis steht, wobei dieses Ergebnis zudem ohne weiteres ersichtlich sein muss vgl. in diesem Zusammenhang auch BFH, Beschluss vom 30.9.1997 - VII B 67/97 - , zitiert nach Juris.

Bereits daran fehlt es hier. Der Antragsteller hat außer zwei weit voneinander abweichenden Angaben über den angeblichen Wert der Teppiche (500,-- Euro im Widerspruchsschreiben vom 19.9.2002 und "deutlich über 1.000,-- Euro" in der Beschwerdebegründung) keinerlei Angaben gemacht, die es erlaubten, die Bedeutung dieser Teppiche für seinen Haushalt in eine Beziehung zu dem zu erwartenden Versteigerungserlös zu setzen. Eine Verletzung von § 812 ZPO kann demnach nicht angenommen werden.

Zuzugeben ist dem Antragsteller freilich, dass die Antragsgegnerin ihrer für den Regelfall bestehenden Pflicht, die gepfändeten Gegenstände bei der Pfändung auf ihren gewöhnlichen Verkehrswert zu schätzen beziehungsweise diese Schätzung unverzüglich nachzuholen (§§ 45 Abs. 5 SVwVG, 813 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO) hinsichtlich der Teppiche nicht nachgekommen ist. Die Antragsgegnerin hat für dieses Versäumnis ebenso wenig eine Erklärung abgegeben wie dafür, dass die Verwertung nach der immerhin bereits am 21.8.2002 erfolgten Pfändung bis heute noch nicht abgeschlossen worden ist. Die Nichtbeachtung der Soll-Vorschriften der §§ 45 Abs. 5 SVwVG, 813 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO begründet indes nicht die Rechtswidrigkeit der Pfändung als solche und würde in einem Hauptsacheverfahren nicht zur Aufhebung dieser Maßnahme führen, zumal die Schätzung noch nachgeholt werden kann und dies auf entsprechenden Antrag des Antragstellers nunmehr durch einen Sachverständigen erfolgen soll (§§ 45 Abs. 5 SVwVG, 813 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Daher resultiert hieraus auch kein Anspruch des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung der Pfändung.

Spricht danach auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nichts dafür, dass die noch verbliebene Pfändung der beiden Teppiche im Hauptsacheverfahren aufgehoben werden wird, so muss es nach den Eingangs dargelegten Grundsätzen bei der erstinstanzlichen Entscheidung verbleiben, zumal dem Interesse des Antragstellers daran, dass eine Verwertung der beiden Teppiche nicht unter Verstoß gegen § 817 a ZPO erfolgt, dadurch Rechnung getragen werden kann, dass entsprechend seinem mit Schriftsatz vom 8.6.2006 gestellte Antrag gemäß den §§ 45 Abs. 5 SVwVG, 813 Abs. 1 Satz 3 ZPO ein Wertgutachten durch einen Sachverständigen eingeholt wird. Dass die Antragsgegnerin diesen Weg nunmehr beschreiten wird, hat sie mit Schriftsatz vom 27.6.2006 angekündigt.

Bestehen danach keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändung der beiden Teppiche und hat der Antragsteller auch keine Umstände dargelegt, die die Maßnahme ihm gegenüber als nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte erscheinen lassen, so ist im Übrigen zu bemerken, dass auch eine auf der Grundlage von § 80 Abs. 5 VwGO durchgeführte allgemeine Interessenabwägung nicht zu seinen Gunsten ausfiele. Denn die Versäumnisse der Antragsgegnerin bei der Schätzung des Wertes und der Verwertung der in Rede stehenden Teppiche verleihen den Interessen des Antragstellers, daran, diese Teppiche vorläufig wieder in Besitz nehmen zu dürfen, kein durchgreifendes Interesse gegenüber den gegenläufigen Belangen, da die Forderungen, die Grund für die Pfändung waren, nach wie vor in einem beträchtlichen Ausmaß offen stehen und die Antragsgegnerin befugt wäre, zur Beitreibung dieser Forderungen erneut eine Pfändung, auch der hier in Rede stehenden Teppiche, vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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