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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 10.05.2001
Aktenzeichen: 1 L 110/01
Rechtsgebiete: VwGO, BBergG, GKG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 a Abs. 1 Satz 4
VwGO § 154 Abs. 2
BBergG § 55 Abs. 2 Satz 2
BBergG § 71 Abs. 1 Satz 1
BBergG § 169 Abs. 2 Satz 1
BBergG § 169 Abs. 2
GKG § 13 Abs. 1 Satz 2
GKG § 25 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 L 110/01

Datum: 10.05.2001

Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

1) Der Vortrag der Klägerin ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu wecken. Denn ernstliche Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn es dem Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren gelingt, tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen (vgl. BVerfG, DVBl. 2000, 1458 <1459>). Dabei genügt es für die Berufungszulassung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung einer Rechtsnorm eine eigene, abweichende Auslegung entgegenzusetzen. Ob nämlich die Richtigkeit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts wegen des Vorbringens eines Rechtsmittelführers in einem Zulassungsantrag ernstlichen Zweifeln begegnet, bestimmt sich nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, nicht nach der des Rechtsmittelführers. Die von der Klägerin gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Überleitungsbestimmung vorgebrachten Einwände hält der Senat nicht für begründet.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, mit der die Klage gegen die auf § 71 Abs. 1 Satz 1 BBergG gestützte bergrechtliche Ordnungsverfügung abgewiesen worden ist, beruht auf der Erwägung, die Regelungen des Bundesberggesetzes fänden Anwendung, weil der Betrieb der zwischen 1973 und 1979 stillgelegten und gefluteten Gruben bei Inkrafttreten des Bundesberggesetzes am 03. Oktober 1990 noch nicht i. S. d. § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG endgültig eingestellt gewesen sei. Denn den aus dem Sanierungsbetriebsplan vom 25. August 1969 und weiteren Anordnungen zur Verwahrung aus den Jahren 1981 und 1985 folgenden Verpflichtungen sei die Rechtsvorgängerin der Klägerin bis zum Wirksamwerden des Beitritts nicht vollständig nachgekommen.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet die Klägerin ohne Erfolg ein, endgültig eingestellt i. S. d. § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG sei ein Betrieb bereits dann, wenn das Unternehmen von einer weiteren Bodenschatzgewinnung endgültig Abstand genommen habe. Zu Unrecht meint die Klägerin, die Bestimmung lasse nach ihrem Wortlaut auch eine andere als die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Deutung zu. Zwar lässt die Wendung "endgültig eingestellt" in § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG auch noch die von der Klägerin vorgetragene Rechtsansicht als vertretbar erscheinen. Gegen die Auffassung, § 169 Abs. 2 BBergG schließe von seinem Anwendungsbereich jeden Betrieb aus, der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BBergG die Gewinnungstätigkeit aufgegeben habe, ohne dass es darüber hinaus - wie das Verwaltungsgericht meint - der planmäßigen Durchführung der erforderlichen Abschlussarbeiten bedürfte, spricht indes, dass der Gesetzgeber, hätte er die von der Klägerin angenommene Bedeutung Gesetz werden lassen wollen, anstelle des Wortes "Betrieb" einschränkend auf die Beendigung der Gewinnungstätigkeit abgestellt hätte. Da der Gesetzgeber indes den im weiteren Sinne zu verstehenden Begriff "Betrieb" verwandt und zudem (erweiternd) die endgültige Einstellung als maßgeblich ansieht, kann schon aus dem Wortlaut des § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG geschlossen werden, dass er nicht schon die Unternehmen, die nur ihre Gewinnungstätigkeit beim Inkrafttreten des BBergG eingestellt hatten, sondern nur die Betriebe vom Regime der Bestimmungen des BBergG hat ausnehmen wollen, die am 03. Oktober 1990 jegliche bergbauliche Tätigkeit einschließlich der nach den vorher maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen erforderlichen Abschlussarbeiten "endgültig" durchgeführt hatten. Daran aber fehlt es nach den auch von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es zudem nicht zulässig, aus der Stellung des § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG im Kapitel der Übergangs- und Schlussvorschriften zu folgern, den Worten "endgültig eingestellt" in dieser Bestimmung komme eine andere Bedeutung zu als in § 55 Abs. 2 Satz 2 BBergG. Denn der Bedeutungszusammenhang des Gesetzes lässt es im Regelfall angezeigt erscheinen, unter mehreren dem Wortsinn nach möglichen Auslegungen diejenige zu wählen, die die Wahrung der sachlichen Übereinstimmung mit einer anderen Bestimmung - hier § 55 Abs. 2 Satz 2 BBergG - ermöglicht (vgl. Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage 1991, S. 325).

Schließlich gibt auch die Entstehungsgeschichte keinen Anlass, an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu zweifeln. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf kann den Pflichten, die das Bundesberggesetz "mit der Einstellung eines Betriebes verbindet, (...) sinnvollerweise nur nachgekommen werden, wenn der Betrieb noch nicht endgültig eingestellt ist. Ein Teil dieser Pflichten basiert sogar auf Vorsorgemaßnahmen, die schon während des Betriebes im Hinblick auf eine künftige Betriebseinstellung getroffen werden müssen. Das gilt in vielen Fällen vornehmlich für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche. Gerade hier wäre es auch vom Unternehmer her gesehen nicht vertretbar, Pflichten zu begründen, auf deren Auferlegung das Unternehmen sich wirtschaftlich schon während des laufenden Betriebes hätte einrichten müssen, dies aber zu einem Zeitpunkt, wo diese Pflichten begründet werden, nicht mehr möglich ist" (BT-Drucks. 8/1315, S. 169). Wenn die Klägerin in ihrer Antragsschrift nur den letzen Satz zitiert, so verkürzt sie in sinnentstellender Weise den Inhalt der Begründung. Denn der letzte Satz ("Gerade hier ...") bezieht sich nach dem Sinnzusammenhang ersichtlich auf die beiden vorhergehenden Sätze, die aber wiederum deutlich machen, dass nur "ein Teil dieser Pflichten" auf Vorsorgemaßnahmen basiert, die bereits während des Betriebes im Hinblick auf eine künftige Betriebseinstellung getroffen werden müssen.

Erweisen sich somit die Einwände der Klägerin gegen die Auslegung des § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG als unbegründet, so hat der Senat im Hinblick auf die Darlegungslast in § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO keinen Anlass, von Amts wegen der erörterungswürdigen Frage nachzugehen, ob es dem Beklagten überhaupt gestattet ist, einem Bergbaubetrieb durch Verwaltungsakt aufzugeben, die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zu beantragen (verneinend zum Planfeststellungsverfahren für Abfallentsorgungsanlagen: Nds.OVG, NVwZ-RR 1993, 7 <8>; zur Einreichung eines Genehmigungsantrages für Baumaßnahmen: OVG NW, DÖV 1987, 601 <602>; bejaht im Hinblick auf § 176 Abs. 7 BauGB: BVerwGE 84, 335 <348>; allgemein: Clausen, in: Knack, VwVfG, 7. Auflage 2000, zu § 22 Rdnr. 12; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2000, zu § 22 Rdnr. 47; bejahend wohl: Boldt/Weller, BBergG, zu § 71 Rdnr. 24). Die Klägerin hat ihren Zulassungsantrag auf diese Erwägungen nicht gestützt.

2) Aus den oben aufgezeigten Gründen (s. o. Nr. 1) weist die Rechtssache entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.

3) Der Rechtssache kommt auch nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn das erstrebte Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen könnte, die eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzen und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höhergerichtlicher Klärung bedürfen. Die von der Klägerin für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, ab wann und mit welchem Inhalt das Regime des Bundesberggesetzes auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Anwendung findet, ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz, so dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht bedarf. Das Bundesberggesetz ist nach Maßgabe der Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 885, 1004) gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages am 03. Oktober 1990 in dem dort genannten Gebiet in Kraft getreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 8.000,-- DM festgesetzt, weil der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bemessung der nach dem Antrag für die Klägerin ergebenden Bedeutung der Sache bietet. Mit ihrer Klage und dem Zulassungsantrag wendet sich die Klägerin nur gegen die ihr auferlegte Pflicht, die Zulassung eines Betriebsplans zu beantragen und die erforderlichen Unterlagen einzureichen. Eine verbindliche Entscheidung über den Betriebsplan selbst, bei dem entsprechend den Empfehlungen in der Ziffer II.9.1.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605 <607>) von 2,5 v. H. der Investitionssumme ausgegangen werden kann, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Deshalb ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Februar 2001 gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG von Amts wegen abzuändern, soweit er den hier festgesetzten Wert überschreitet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124 a Abs. 2 Satz 3 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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