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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 09.10.2007
Aktenzeichen: 1 L 183/07
Rechtsgebiete: AO, LSA-BG, LSA-KAG, StGB


Vorschriften:

AO § 32
LSA-BG § 78
LSA-KAG § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. d
StGB § 15
1. Abweichend von § 78 BG LSA knüpft § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) KAG-LSA i. V. m. § 32 AO hinsichtlich des Schweregrades der Dienst- oder Amtspflichtverletzung daran an, ob das dienstrechtliche relevante Handeln des Beamten mit Strafe bedroht ist.

2. Gemäß § 15 StGB ist grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln strafbar, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

3. Auf eine erfolgte oder noch mögliche strafrechtliche Verurteilung des Beamten kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an.


Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 10. Juli 2007 hat keinen Erfolg.

Die vom Beklagten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (vgl. Seite 1 bis 4 [oben] der Antragsbegründungsschrift) rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

"Ernstliche Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg; ist hingegen der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens lediglich offen, rechtfertigt dies die Zulassung der Berufung nicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Mai 1997, DVBl. 1997, 1327; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. November 1997, NVwZ 1998, 530; Beschluss vom 22. April 1998, DVBl. 1999, 120; OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschlüsse vom 26. Januar 1998 - Az.: A 3 S 197/97 -, vom 19. Februar 1999 - Az.: A 3 S 71/97 -, vom 22. April 2004 - Az.: 3 L 228/02 -, vom 16. Januar 2006 - Az.: 1 L 270/05 -). Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ist der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen. Dies erfordert, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - Az.: 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Mithin ist zugleich erforderlich, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Mai 1997 - Az.: 11 B 799/97 -, DVBl. 1997, 1344; Beschluss vom 9. Juli 1997 - Az.: 12 A 2047/97 -, DVBl. 1997, 1342; OVG LSA, Beschluss vom 22. April 2004 - Az.: 3 L 228/02 -; vgl. auch zu den entsprechenden Anforderungen an eine Revisionsbegründung: BVerwG, Beschluss vom 23. September 1999 - Az.: 9 B 372.99 -; Urteil vom 30. Juni 1998 - Az.: 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117; Urteil vom 3. März 1998 - Az.: 9 C 20.97 -, BVerwGE 106, 202; Urteil vom 25. Oktober 1988 - Az.: 9 C 37.88 -, BVerwGE 80, 321). An die Begründung des Antrags im Zulassungsverfahren sind insoweit keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die Revisionsbegründung (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 1997 - Az.: Bs IV 2/97 -, NVwZ 1997, 689; OVG LSA, Beschluss vom 22. April 2004 - Az.: 3 L 228/02 -; BVerwG, Beschluss vom 23. September 1999, a. a. O. [m. w. N.]).

Das Vorbringen des Beklagten begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der angefochtenen Entscheidung. Soweit der Beklagte geltend macht, die durch das Verwaltungsgericht erfolgte Auslegung von § 32 AO stehe im Widerspruch zum "Schutzzweck der Norm", tritt er den tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung nicht mit schlüssigen Argumenten entgegen. Der vom Beklagten angeführte "Schutzzweck" - wohl eher Regelungszweck - von § 32 AO kommt vielmehr auch bzw. gerade bei der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht zum Tragen, weil dem Beamten hierdurch die "Haftungsbeschränkung für Amtsträger" im Rahmen der Abgabenverwaltung zugute kommt. Den vom Beklagten demgegenüber angeführten "Wertungswiderspruch" vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit nämlich das Gesetz gerade daran knüpft, dass ein bestimmtes Verhalten nur bei vorsätzlichem Handeln mit Strafe bedroht ist, kommt hierin nicht nur der besondere objektive Schweregrad des Fehlverhaltens, sondern auch das für die dienstrechtliche Inanspruchnahme erforderliche Maß des persönlichen Fehlverhaltens zum Ausdruck. Anders gewendet: Abweichend von § 78 BG LSA knüpft § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) KAG-LSA i. V. m. § 32 AO hinsichtlich des Schweregrades der Dienst- oder Amtspflichtverletzung daran an, ob das dienstrechtliche relevante Handeln des Beamten mit Strafe bedroht ist. Wie sich § 15 StGB entnehmen lässt, ist aber nur vorsätzliches Handeln strafbar, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich "mit Strafe bedroht". Dementsprechend kann eine Haftung für die in § 32 Nr. 1 bis 3 AO angeführten Kausalitätsfolgen regelmäßig nur bei einer vorsätzlich begangenen Straftat eintreten (so auch: OVG Sachsen, Beschluss vom 14. Mai 2001 - Az.: 2 BS 133/00 -, LKV 2002, 470; Lammerding; AO/FGO, 13. Auflage, Anm. 2.6.2 [S. 50]; indifferent: Rüsken in Klein, AO, 9. Auflage, § 32 Rn. 2, und in Koch/Scholtz, AO, § 32 Rn. 2; Tipke/Kruse, AO7FGO, Band I, § 32 Rn. 11; Kühn/Hofmann, AO/FGO, 17. Auflage, § 32 Anm. 3; a. A. Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 32 Rn. 16), ohne dass es auf eine erfolgte oder noch mögliche strafrechtliche Verurteilung des Beamten ankommt.

Angesichts der in § 32 Nr. 1 bis 3 AO geregelten Kausalitätsfolgen der Amts- oder Dienstpflichtverletzung sowie der damit einhergehenden "Strafdrohung" vermag der Senat ebenso wenig zu erkennen, dass bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Auslegung eine Heranziehung des Beamten im Hinblick auf die vom Beklagten angeführten Steuerordnungswidrigkeiten in Betracht käme und hierdurch ein Wertungswiderspruch entstände. Eine daneben bestehende Inanspruchnahmemöglichkeit gemäß § 78 BG LSA besteht wegen der Nachrangigkeit dieser Norm nicht, denn der Landesgesetzgeber hat für den Bereich der Erhebung von Kommunalabgaben mit der Verweisung auf § 32 AO in § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) KAG-LSA eine spezialgesetzliche Haftungsprivilegierung geregelt. Diese Privilegierung stellt der Natur der Sache nach eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Dienst- und Amtspflichtverletzungen außerhalb des Kommunalabgabenrechtes dar, die ihre sachliche Rechtfertigung in dem mit dem Gesetzeszweck verfolgten Ziel, im Interesse des Staates wie der Abgabepflichtigen die Entscheidungsfreudigkeit der Amtsträger aufgrund der Besonderheiten des Abgaben(verwaltungs)rechts nicht durch drohende Regressansprüche zu beeinträchtigen (vgl.: Kühn/Hofmann, a. a. O., Anm. 1; Tipke/Kruse, a. a. O., Rn. 2 [m. w. N.]). Schlussendlich hat auch der Landesgesetzgeber von Sachsen-Anhalt keine Veranlassung gesehen, nach Ergehen und Veröffentlichung der vorgenannten Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes zu der entsprechenden sächsischen Regelung die sachsen-anhaltische Bestimmung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) KAG-LSA zu ändern, wenngleich er das KAG-LSA seit dem Jahr 2001 immerhin durch vier Gesetze einer Änderung unterzogen hat.

Soweit sich der Beklagte gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft (vgl. Seite 4 [oben] ff. der Antragsbegründungsschrift), ist diese ebenfalls nicht entsprechend den Darlegungserfordernissen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt.

"Grundsätzliche Bedeutung" im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 9. März 1999 - Az.: A 3 S 69/98 - und vom 14. Juli 2005 - Az.: 3 L 161/03; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - Az.: 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278; OVG Hamburg, Beschluss vom 8. Januar 1996 - Az.: OVG Bs II 313/95 -, NVwZ-Beilage 1996, 44; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 4. Juni 1996 - Az.: 12 L 833/96 -, NVwZ-Beilage 1996, 59 ). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. "Dargelegt" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt (OVG LSA, a. a. O.; vgl. zudem BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961, BVerwGE 13, 90, vom 9. März 1993, Buchholz 310 § 133 n. F. VwGO Nr.11; vgl. dazu auch: BVerwG, Beschluss vom 10. November 1992, Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; ferner: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Februar 1997 - Az.: 4 S 496/97 -, VBlBW 1997, 263). Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage "aufgeworfen und ausformuliert" wird (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995, Der Personalrat 1996, 27). Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Hierbei sind - neben der Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, welche die Begründung erkennen lassen muss - die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, der einschlägigen Rechtsprechung sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Überlegungen zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - Az.: 7 B 261.97 -, Buchholz 310 VwGO § 133 (n. F.) Nr. 26, und Beschluss vom 9. März 1993 - Az.: 3 B 105.92 -, NJW 1993, 2825; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Mai 1997, NVwZ 1997, 122; OVG LSA, Beschluss vom 18. Februar 1998 - Az.: A 1 S 134/97 -, JMBl. LSA 1998, 29). Hingegen ist es nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, die angegriffene Entscheidung von Amts wegen zu überprüfen, denn der Gesetzgeber hat dem Rechtsmittelführer für das der Berufung vorgeschaltete Antragsverfahren die besonderen "Darlegungslasten" nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO - in der hier maßgeblichen Fassung - auferlegt (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 18. Februar 1998 - A 1 S 134/97 -, JMBl. LSA S. 29).

In Anlegung dieser Maßstäbe ist eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vom Beklagten nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden. In Bezug auf die aufgeworfene Frage wird schon die Entscheidungserheblichkeit ihrer Beantwortung im vorliegenden Verfahren nicht zulassungsbegründend dargelegt. Ungeachtet dessen lässt die Antragsbegründungsschrift nicht die erforderliche Klärungsbedürftigkeit erkennen. Aus den vorstehenden Ausführungen des beschließenden Senates folgt vielmehr, dass sich die vom Beklagten aufgeworfene Frage auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens dahin beantworten lässt, dass § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) KAG-LSA i. V. m. § 32 AO daran knüpft, ob das dienstrechtliche relevante Handeln des Beamten mit Strafe bedroht ist und dabei nur vorsätzliches Handeln mit Strafe bedroht ist, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. Einen weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Antrags(begründungs)schrift nicht auf. Der Beklagte verkennt in diesem Zusammenhang zudem, dass es sich bei der hier zugrunde zu legenden Norm des § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) KAG-LSA (i. V. m. § 32 AO und § 78 BG LSA) um materielles Landesrecht handelt, deren Auslegung grundsätzlich nicht Gegenstand einer "höchstrichterlichen Entscheidung" ist. Unabhängig davon ist auch insofern kein bundesverwaltungsgerichtlicher Klärungsbedarf zulassungsbegründend dargelegt, weil sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes wie des Senates in Übereinstimmung mit der zu der entsprechenden landesgesetzlichen sächsischen Norm ergangenen Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes befindet. Bei der vom Beklagten angeführten Kommentierung von Hübschmann/Hepp/Spi-taler zu § 32 AO handelt es sich demgegenüber - soweit ersichtlich - um eine bloße Einzelmeinung, die sich überdies nicht einmal mit der zu § 32 AO ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung oder anders lautender Fachliteraturmeinung auseinandersetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren folgt aus §§ 52 Abs. 3, 40, 47 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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