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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 23.09.2004
Aktenzeichen: 1 L 264/04
Rechtsgebiete: AO, ZVG


Vorschriften:

AO § 34 III
ZVG § 10 I Nr. 3
ZVG § 13 I 1
ZVG § 156 I
Bei einem der Zwangsverwaltung nach dem Zwangsvollstreckungsgesetz unterliegenden Grundstück wird die persönliche Beitragspflicht durch die Zustellung an den Zwangsverwalter begründet, weil es sich bei Anschlussbeiträgen um laufende Beträge der öffentlichen Lasten handelt (a. A.: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, zu § 8 Rdnr. 56 b). Denn § 156 Abs. 1 ZVG grenzt nicht wiederkehrende Gebühren von einmaligen Beiträgen ab, sondern rückständige Beträge von solchen Verbindlichkeiten, die während der Dauer der Zwangsverwaltung begründet werden.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 1 L 264/04

Datum: 23.09.2004

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser den Beitrag für den Anschluss des Grundstücks Flur ... Flurstück ... der Gemarkung A-Stadt an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage festsetzte. Eigentümer des Grundstücks ist Herr E. Das Amtsgericht Merseburg ordnete für das Grundstück die Zwangsverwaltung an und setzte den Kläger als Verwalter ein.

Mit dem an die Rechtsanwälte "C. und Kollegen" adressierten Bescheid vom 06. September 2002 setzte der Beklagte den Beitrag für den Miteigentumsanteil des Herrn E an dem Grundstück nach Maßgabe seines Miteigentumsanteils von 57,135/10.000 auf 289,63 € fest und forderte den Kläger auf, den Beitrag binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides zu zahlen. Dagegen erhoben der Kläger und seine Kanzleikollegen, die Rechtsanwälte G Widerspruch. Mit dem an "RA C., RAe C. & Kollegen" adressierten Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2003 wies der Beklagte den Widerspruch unter dem Betreff "Widerspruch des Herrn Zwangsverwalter RA C., RAe C. und Kollegen, gegen den Abwasserbeitragsbescheid des Zweckverbandes Luppe-Aue vom 06.09.2002 in Sachen Zwangsverwaltungssache Wolfgang Gokus (Zwangsverwalter: Herr RA C.)" zurück: Der Kläger sei als Zwangsverwalter richtiger Adressat für Verwaltungsakte, die das beschlagnahmte Grundstück betreffen.

Mit der dagegen vom Kläger und seinen Kanzleikollegen, erhobenen Klage haben sie geltend gemacht, die Zustellung des angefochtenen Bescheides sei fehlerhaft, weil sie nicht an den Zwangsverwalter, sondern an die Rechtsanwälte C. und Kollegen erfolgt sei. Der Widerspruchsbescheid sei fehlerhaft, weil der Beklagte verkannt habe, dass nicht der Kläger allein, sondern er und seine Kanzleikollegen gemeinsam Widerspruch erhoben hätten. Der Bescheid sei auch inhaltlich fehlerhaft, weil ein Zusatz fehle, wonach der Kläger als Zwangsverwalter in Anspruch genommen werde, so dass unzulässigerweise die Möglichkeit geschaffen werde, in das Privatvermögen des Zwangsverwalters zu vollstrecken. Der Beklagte könne auch nicht geltend machen, die im Ausgangsbescheid erfolgte fehlerhafte Heranziehung des Klägers sei durch den Widerspruchsbescheid geheilt worden, weil ein Auswechseln des Abgabenschuldners im Widerspruchsverfahren nicht statthaft sei. Mit Beschluss vom 25. März 2004 hat das Verwaltungsgericht Halle das Verfahren hinsichtlich der Rechtsanwälte G abgetrennt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 06. September 2002 (2285-2-93/3/2285-W-584-1) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2003 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, der Umstand, dass der Eigentümer Beitragsschuldner auch im Falle der Anordnung der Zwangsverwaltung sei, ändere nichts daran, dass Adressat des Beitragsbescheides der Zwangsverwalter sei.

Das Verwaltungsgericht Halle hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 25. März 2004 aufgehoben: Der Kläger sei klagebefugt, weil er als Zwangsverwalter des Grundstücks jedenfalls durch die im Widerspruchsbescheid erfolgte Klarstellung Adressat des Bescheides und als Zwangsverwalter berechtigt und verpflichtet sei, unberechtigte Ansprüche gegen das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen abzuwehren. Die zulässige Klage sei auch begründet, weil auch nach Anordnung der Zwangsverwaltung allein der Grundstückseigentümer als Beitragsschuldner heranzuziehen sei. Denn Anschlussbeiträge seien weder Ausgaben der laufenden Verwaltung noch wiederkehrende öffentliche Lasten, zu deren Erfüllung der Verwalter herangezogen werden könne. Da der Bescheid bereits aus diesem Grunde rechtswidrig sei, könne offen bleiben, ob der Bescheid auch deshalb rechtwidrig sei, weil er keinen Hinweis darauf enthalte, dass die Erfüllung der Beitragsschuld nur aus den Mitteln erfolgen solle, über die der Kläger als Zwangsverwalter verfüge.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend, Bekanntgabeadressat sei bei der Zwangsverwaltung der Zwangsverwalter. Das entspreche den Regelungen in dem Anwendungserlass des BMF vom 08. April 1991. Eine Einschränkung enthalte das Gesetz nicht.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - vom 25. März 2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet, weil das Verwaltungsgericht der zulässigen Klage zu Unrecht stattgeben hat. Denn der angefochtene Bescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1) Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Bescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides auch hinsichtlich des Adressaten inhaltlich hinreichend bestimmt i. S. d. §§ 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst b KAG LSA, 119 AO. Zwar ist der Bescheid des Beklagten an "RAe C. und Kollegen" adressiert. Gleichwohl erscheint die Annahme des Klägers, er und seine Kanzleikollegen könnten mit dem persönlichen Vermögen haftbar gemacht werden, weil in dem Bescheid der Hinweis fehle, dass ihm der Bescheid in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter zugestellt werde, unbegründet. Eine solche Annahme ist durch den Inhalt des Bescheides bei verständiger Würdigung nicht gerechtfertigt. Für einen verständigen Adressaten in der Lage des Klägers als dem für das Grundstück eingesetzten Zwangsverwalter ergibt sich aus der Bezeichnung des Grundstücks und der Benennung von Herrn E als Beitragsschuldner mit der notwendigen Klarheit, dass ihm - dem Kläger - der Bescheid in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter des Grundstücks bekannt gegeben wird. Abgesehen davon ist der nach Auffassung des Klägers unzureichend deutliche Inhalt jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27. Januar 2003 klargestellt worden. Denn im Widerspruchsbescheid wird bereits im Betreff mit dem Hinweis "Zwangsverwaltungssache Wolfgang Gokus (Zwangsverwalter: Herr RA C.)" unmissverständlich deutlich, dass der Bescheid dem Kläger in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter bekannt gegeben wird. Ferner wird in der Begründung des Widerspruchsbescheides (dort S. 2) nochmals hervorgehoben, dass ihm der Bescheid in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter des Grundstücks bekannt gegeben worden ist. Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, dass im Adressenfeld des Widerspruchsbescheides ein Hinweis auf seine Eigenschaft als Zwangsverwalter fehle. Die Bezeichnung des Adressaten im Adressfeld mit "RA C., RAe C. & Kollegen" rechtfertigt angesichts des oben dargelegten unmissverständlichen Regelungsgehalts nicht die Annahme, er oder gar seine Kanzleikollegen sollten als Beitragsschuldner in Anspruch genommen werden. Vielmehr dient die im Anschluss an den Adressaten in der nächsten Zeile des Adressfeldes folgende Bezeichnung "RAe C. & Kollegen" nur als Konkretisierung der Anschrift des Zwangsverwalters, die dem Postzusteller das Auffinden des Adressaten erleichtern soll. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte sei gehindert, mit dem Widerspruchsbescheid einen dem Ausgangsbescheid etwaig anhaftenden Fehler im Hinblick auf die Bestimmtheit des Adressaten zu heilen. Denn entgegen der Auffassung des Klägers führt die Heilung des Mangels im vorliegenden Fall nicht zu einem Austausch des Abgabenschuldners (vgl. dazu: OVG NW, NJW 1984, 195). Denn im Ausgangsbescheid ist der Abgabenschuldner richtig bezeichnet worden, es fehlte nur ein klarstellender Hinweis auf die Eigenschaft des Adressaten als Zwangsverwalter des veranlagten Grundstücks. Diese Klarstellung kann auch noch im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden.

b) Die vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage, ob der Bescheid rechtswidrig ist, weil in ihm nicht hinreichend zum Ausdruck kommt, dass die Erfüllung der Beitragsschuld nur aus den Mitteln erfolgen soll, die der Verwaltung des Klägers als Zwangsverwalter unterliegen (so OVG NW, NJW 1984, 195; Tipke/Kruse, AO zu § 34 Rdnr. 22), ist zu verneinen. § 34 Abs. 3 und Abs. 1 AO sieht einen solchen Hinweis auf die Rechtslage nicht vor. Auch nach den §§ 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG LSA, 121 Abs. 1 AO ist ein solcher Hinweis aus Rechtsgründen nicht geboten. Nach § 121 Abs. 1 AO ist ein schriftlicher Verwaltungsakt zu begründen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Dazu gehört die Erläuterung der Abgabe ihrem Grunde und der Höhe nach, nicht jedoch darüber hinausgehende Belehrungen darüber, aus welchen Mitteln die angeforderte Abgabe aufgebracht werden soll.

2) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 2 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Geltendmachung von Kostenerstattungen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes "Luppe-Aue" (Abwasserbeitragssatzung - ABS) vom 16. Mai 2002. Nach dieser satzungsrechtlichen Regelung, gegen deren Wirksamkeit Einwände nicht erhoben worden sind, erhebt der Beklagte, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist, für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasseranlagen Abwasserbeiträge von den Beitragspflichtigen i. S. d. § 6 Abs. 8 AG LSA, denen durch die Inanspruchnahme oder die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Leistung ein Vorteil entsteht. Gemäß §§ 6 Abs. 1 Satz 1 ABS, 6 Abs. 8 Satz 1 KAG LSA ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. Deshalb bestimmt der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zutreffend Herrn Gokus als Beitragsschuldner i. S. d. Regelung. Von der Frage, wer Beitragsschuldner ist, ist die Frage zu unterscheiden, an wen der Beitragsbescheid zu richten ist. Steht die Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die steuerlichen Pflichten der Eigentümer zu erfüllen (§§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a KAG LSA, 34 Abs. 3 und Abs. 1 AO). Gemäß § 152 ZVG hat der Zwangsverwalter das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen. Gemäß § 156 Abs. 1 ZVG hat er die laufenden Beträge der öffentlichen Lasten ohne weiteres zu berichtigen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gehören auch Anschlussbeiträge i. S. d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA zu den laufenden Beträgen i. S. d. Regelung. Denn mit dem Merkmal "laufende Beträge" grenzt das Zwangsverwaltungsgesetz nicht wiederkehrende Abgaben, wie Gebühren oder Grundsteuern, von einmaligen Beitragsleistungen ab (so aber: Driehaus, in: Driehaus <Hrsg.>, Kommunalabgabenrecht, zu § 8 Rdnr. 56 b). Vielmehr sollen mit "laufenden Beträgen" die während der Dauer der Zwangsverwaltung entstehenden Beträge von den Rückständen, die vor der Beschlagnahme fällig geworden sind, abgegrenzt werden. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 ZVG sind laufende Beträge wiederkehrender Leistungen der letzte vor der Beschlagnahme fällig gewordene Betrag sowie die später fällig werdenden Beträge. Die älteren Beträge sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 ZVG Rückstände. Dass § 13 Abs. 1 Satz 1 ZVG sich auf laufende Beträge wiederkehrender Leistungen bezieht, rechtfertigt nicht den Schluss, dass § 156 Abs. 1 ZVG einmalige Beträge ausschließt, weil diese Bestimmung nach dem von § 13 Abs. 1 Satz 1 ZVG abweichenden Wortlaut sämtliche laufenden Beträge und nicht nur wiederkehrende Leistungen erfasst. Dass die Erweiterung auf sämtliche laufenden Beträge in § 156 Abs. 1 ZVG und damit die Einbeziehung einmaliger öffentlich-rechtlicher Beitragsleistungen nicht nur eine redaktionelle Ungenauigkeit des Gesetzgebers darstellt, macht auch die Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG deutlich, in der wegen des Rangverhältnisses unterschieden wird zwischen rückständigen Beträgen einerseits und rückständigen wiederkehrenden Beträgen andrerseits.

Der Kläger kann auch einwenden, der Bescheid sei jedenfalls insoweit rechtswidrig, als er aufgefordert werde, den Beitrag zu zahlen. Denn nach §§ 34 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 2 AO, 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a KAG LSA hat der Verwalter dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragsbemessung im angefochtenen Bescheid nicht den Regelungen der Abwasserbeitragssatzung entspricht, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

3) Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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