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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 29.09.2006
Aktenzeichen: 1 L 351/05
Rechtsgebiete: LSA StrG, 16. BImSchV


Vorschriften:

LSA StrG § 37 Abs. 8 S. 1
16. BImSchV § 1
16. BImSchV § 2 Abs. 1
16. BImSchV § 3 Abs. 1 S. 1
1. Zum Anspruch der Straßenanlieger auf Beseitigung der "Altstadtpflasterung" durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.

2. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmbelästigungen der Anlieger durch einen Wechsel des Fahrbahnbelags ist die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) heranzuziehen.

3. Die Beurteilungspegel nach § 3 Abs. 1 Satz 1 16. BImSchV sind nicht anhand tatsächlicher Messungen zu ermitteln, sondern nach Maßgabe der Anlage 1 dieser Verordnung zu berechnen.

4. Ein Folgenbeseitigungsanspruch wegen eines Fahrbahnbelagwechsels kann allenfalls auf solche Mängel im Abwägungsvorgang gestützt werden, die auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Das gilt entsprechend § 37 Abs. 8 Satz 1 StrG LSA auch dann, wenn ein Planfeststellungsverfahren nicht vorgeschrieben ist.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 L 351/05

Datum: 29.09.2006

Gründe:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 1. Kammer - vom 31.05.2005 hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist nicht wegen der von den Klägern geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ist der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen. Dies erfordert, dass ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Der Zulassungsantrag hat sich substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinanderzusetzen und u. a. konkret auszuführen, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 22.04.2004 - 3 L 228/02 -). In Anlehnung an diesen Maßstab lassen sich überwiegende Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht feststellen.

Soweit die Kläger gegen die erstinstanzliche Entscheidung einwenden, die Erörterungen des Verwaltungsgerichts, dass kein Anspruch auf einen bestimmten Straßenzustand bestehe, seien abwegig, da sie - die Kläger - einen Folgenbeseitigungsanspruch geltend machten und es um unzumutbare Lärmimmissionen gehe, wird das Ergebnis der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich ausdrücklich das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs geprüft (S. 8 f. der Urteilsabschr.) und ist auf die von den Klägern geltend gemachten Lärmimmissionen eingegangen (S. 7 f., 9 der Urteilsabschr.).

Mit ihrem weiteren Einwand, das in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erörterte Verkehrslärmgutachten sei "absolut theoretisch", ohne Lärmmessung erstellt worden, und habe eine unzumutbare Lärmerhöhung nicht anhand der Änderung der Straßenoberfläche, sondern der Verschwenkung der Straßenoberfläche geprüft, haben die Kläger ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat die Ablehnung eines Folgenbeseitigungsanspruchs damit begründet, dass ein solcher Anspruch ein rechtswidriges Tun der Behörde voraussetze, mit dem ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden sei. Daran fehle es mangels Unterschreitung der Grenzwerte nach der Verkehrslärmschutzverordnung. Diese Ausführungen werden von den Klägern nicht den Darlegungserfordernissen entsprechend in Zweifel gezogen:

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmbelästigungen durch einen Wechsel des Straßenbelags herangezogen (vgl. das von den Klägern zitierte Urteil des OVG Rh.-Pf. Vom 27.04.1999 - 7 A 10095/99.OVG; ebenso: BayVGH, Beschluss vom 13.05.1997 - 8 B 96.3508 -, BayVBl. 1999, 118; Beschluss vom 12.05.1999 - 8 B 96.4141-, juris) und festgestellt, dass die Immissionsgrenzwerte nach § 2 Abs. 1 16. BImSchV gemäß der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. Ing. Zöllner vom 07.08.2000 nicht überschritten werden. Durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit der in dem Gutachten ermittelten Werte haben die Kläger nicht dargelegt. Der Einwand der Kläger, dass das Gutachten nicht anhand tatsächlicher Messergebnisse erstellt worden sei, greift schon deshalb nicht durch, weil die Beurteilungspegel gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 16. BImSchV nicht anhand tatsächlicher Messungen zu ermitteln, sondern nach Maßgabe der Anlage 1 dieser Verordnung zu berechnen sind. Deshalb greift auch der Einwand der Kläger nicht durch, dass der Gutachter "mit Sicherheit niemals vor Ort" und die Baumaßnahme bei Erstellung des Gutachtens bereits abgeschlossen gewesen sei. Abgesehen davon haben die Kläger auch nicht substantiiert dargelegt, dass ein anhand konkreter Messungen erstelltes schalltechnisches Gutachten zu einem abweichenden Ergebnis gekommen wäre. Soweit die Kläger bemängeln, dass das Verwaltungsgericht eine Beweisaufnahme durch die Einholung eines solchen Gutachtens nicht ins Auge gefasst habe, machen sie lediglich geltend, dass der Sachverhalt einer erneuten Aufklärung zugeführt werden müsste, deren Ausgang jedoch mangels entsprechenden Vorbringens allenfalls als offen anzusehen ist. Dies reicht zur Begründung ernstlicher Zweifel am Ergebnis der angefochtenen Entscheidung nicht aus.

Auch der Ansatz des Gutachtens - die Prüfung einer "wesentlichen Änderung" der Straße i. S. des § 1 BImSchV im Hinblick auf die Verlagerung der Trassenachse - lässt nicht auf Bedenken gegen die Richtigkeit der Berechnungen schließen. Unabhängig von der Frage, ob die Verlagerung der Trassenachse zu einer Erhöhung des Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) geführt hat, wurde in dem Gutachten auch die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte nach § 2 Abs. 1 16. BImSchV geprüft. Soweit das Gutachten keine Erhöhung der Beurteilungspegel aufgrund der so genannte Altstadtpflasterung feststellt, beruht dies nicht auf methodischen Fehlern, sondern darauf, dass eine Korrektur der Werte wegen unterschiedlicher Straßenoberflächen nach der Tabelle B der Anlage 2 zu § 3 Abs. 1 16. BimSchV nur bei zulässigen Höchstgeschwindigkeiten = 50 km/h vorzunehmen ist.

Fehler des Gutachtens ergeben sich auch nicht aus der Behauptung der Kläger, dass die Strecke wegen des Gefälles mit seiner Geschwindigkeit erheblich über dem Grenzwert von 30 km/h befahren werde und die Prognosezahlen für die Verkehrsdichte für die Jahre 2010/2015 schon jetzt "mit Sicherheit erreicht" seien. Der Ansatz des Gutachtens, die Immissionswerte anhand der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu berechnen, unterliegt keinen Bedenken. Diese Berechnung entspricht vielmehr der Anlage 1 zu § 3 16. BImSchV, die bei der Korrektur des Beurteilungspegels für unterschiedliche Höchstgeschwindigkeiten in Abhängigkeit vom Lkw-Verkehr nur auf die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten abstellt. Im Übrigen legen die Kläger in der Begründung ihres Zulassungsantrags nicht substantiiert dar, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit im streitgegenständlichen Straßenabschnitt tatsächlich in nennenswertem Umfang überschritten wird und die in dem Gutachten angesetzte Verkehrsstärke unzutreffend ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Straße - wie die Kläger behaupten - als direkte Zufahrt zu einem Großparkplatz mit über 230 Stellplätzen genutzt wird, lässt dies nicht darauf schließen, dass die dem Gutachten zugrunde liegende Zahl von 4.100 Kraftfahrzeugen innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden unzutreffend ist.

Mit ihrem weiteren Einwand, der Beklagte habe die Lärmauswirkungen auf das Grundstück der Kläger vor der Neugestaltung der Straße nicht überprüft und somit auch keine hinreichende Abwägung vorgenommen, haben die Kläger ebenfalls ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung mangels schlüssiger Gegenargumentation nicht dargelegt. Zwar geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich das Gebot, die von einer Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, unabhängig von einer gesetzlichen Positivierung aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung ergibt und dementsprechend allgemein gilt (BVerwG, Urteil vom 14.02.1975 - IV C 21.74 -, BVerwGE 48, 56, m. w. N.). Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob sich die Kläger auf die behaupteten Mängel im Abwägungsvorgang überhaupt berufen können. So wird in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass sich die gerichtliche Überprüfung bei nichtförmlicher Straßenplanung, bei der - wie hier - die planerische Entscheidung nicht durch förmlichen nach außen kundgemachten Planungsakt, sondern aufgrund eines internen Beschlusses ergeht, auf das Abwägungsergebnis zu beschränken hat (OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 13.10.2000 - 11 B 1186/00 -, juris; Beschluss vom 28.03.2001 - 11 B 333/01 -). Diese Frage kann jedoch dahinstehen. Ebenso kann offen bleiben, ob sich eine hinreichende Einbeziehung der Lärmproblematik bei der Abwägung bereits daraus ergibt, dass die Frage der Lärmerhöhung durch das Straßenpflaster - ausweislich des Sitzungsprotokolls - in der Bauausschusssitzung vom 19.08.1997 erörtert wurde. Denn ungeachtet dessen können die Kläger den geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch nicht auf etwaige Abwägungsmängel stützen, weil diese Mängel jedenfalls nicht erheblich sind. Mängel im Abwägungsvorgang sind nur dann als erheblich zu berücksichtigen, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Dies ist für Straßenbaumaßnahmen, bei denen gemäß § 37 StrG LSA ein Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben ist, ausdrücklich geregelt (§ 37 Abs. 8 Satz 1 StrG LSA). Ist ein Planfeststellungsverfahren nicht vorgeschrieben, gilt kein weiter gehender Rechtsschutz (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 13.10.2000 - 11 B 1186/00 -). Die Kläger haben weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass sich etwaige Mängel bei der Einbeziehung von Lärmschutzgesichtspunkten auf die Entscheidung über das Straßenbauvorhaben ausgewirkt haben, also die Beklagte von dem Vorhaben Abstand genommen oder es in anderer Weise durchgeführt hätte, wenn sie die Lärmproblematik näher in die Abwägung eingestellt oder vor der Baumaßnahme ein Lärmgutachten eingeholt hätte. Wie sich aus dem Protokoll der Bauausschusssitzung vom 19.08.1997 ergibt, wurde die mit der Pflasterung verbundene Lärmerhöhung vor der Entscheidung über die Maßnahme ausdrücklich angesprochen. Hat sich die Beklagte gleichwohl im Rahmen der Altstadtsanierung für eine Pflasterung der Straße entschieden, so ergibt sich daraus, dass sie im Interesse der Ortsgestaltung und Denkmalpflege auch eine Lärmerhöhung in Kauf genommen hat. Unter diesen Voraussetzungen spricht nichts dafür, dass die Beklagte die Feststellung von Lärmimmissionen unterhalb der Immissionsgrenzwerte nach § 2 16. BImSchV - wie sie sich aus dem nachträglich erstellten Gutachten vom 07.08.2000 ergeben - zum Anlass genommen hätte, auf das Altstadtpflaster zu verzichten.

Auch der Einwand der Kläger, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Straße bereits vor der Baumaßnahme gepflastert und das Pflaster lediglich mit Asphalt "übertüncht" gewesen sei, während in Wirklichkeit eine Asphaltdecke über dem Pflaster gelegen habe, greift nicht durch. Abgesehen davon, dass die Kläger nicht ausgeführt haben, warum diese Feststellung entscheidungserheblich sein sollte, haben sie auch nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht - wie die Kläger - davon ausgegangen, dass "die Beklagte die auf der Straße Grudenberg vor ihrem Grundstück vorhandene Teerdecke entfernt hat und unter dieser Teerdecke das vorhandene so genannte 'Altstadtpflaster' nunmehr als oberer Fahrbahnbelag dient" (S. 7 f. d. Urteilsabschr.). Deshalb ist auch die Behauptung der Kläger, das Pflaster habe vor der Straßenbaumaßnahme nicht "komplett blank" gelegen, nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu begründen.

Der weitere Einwand, das Verwaltungsgericht habe nicht dargelegt, wie das Ermessen für die Baumaßnahme ausgeübt worden sei, betrifft wiederum Mängel des Abwägungsvorgangs, die - wie oben ausgeführt - jedenfalls für das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen sind und auf die sich die Kläger deshalb auch nicht mit Erfolg berufen können. Unabhängig davon handelt es sich um einen Einwand, der das gerichtliche Verfahren (vgl. § 138 Nr. 6 VwGO) betrifft. Verfahrensmängel können indes nicht im Wege der Geltendmachung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel - am Ergebnis - der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht werden. Auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO haben sich die Kläger indes nicht berufen.

Entsprechendes gilt für den Einwand der Kläger, das Verwaltungsgericht habe "unterschlagen", dass das Gutachten des Dr. Ing. Zöllner erst nach der Fertigstellung der Straßenbaumaßnahme und auf Anwohnerbeschwerden eingeholt worden sei. Denn auch insoweit machen sie lediglich geltend, die Beklagte habe bereits zu einem früheren Zeitpunkt - vor der Entscheidung über die Durchführung der Baumaßnahme - ein Lärmgutachten einholen müssen. Es ist aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass ein bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingeholtes Gutachten zu einem anderen Ergebnis geführt und die Beklagte zum Verzicht auf die Straßenbaumaßnahme oder dem Bau mit einem anderen Fahrbahnbelag veranlasst hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass die Bedeutung der Sache für die Kläger nicht anhand der Kosten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, sondern anhand der von den Klägern angenommenen Wertminderung des Grundstücks und der sonstigen Beeinträchtigungen zu bemessen ist (vgl. dazu auch OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 03.11.2000 - 22 R 669/00 -, juris). Für der Wertminderung des Grundstücks hat der Senat anhand der Angaben der Kläger in ihrem Schriftsatz im Beschwerdeverfahren 1 O 357/05 vom 22.08.2005 einen Betrag von 25.000 Euro und wegen der sonstigen Beeinträchtigungen in Anlehnung an Abschn. II Ziff. 19.2 i. V. m. Ziff. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./08.07.2004 (NVwZ 2004, 1327) einen Betrag von 15.000 Euro angesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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