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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 03.11.2008
Aktenzeichen: 1 L 7/08
Rechtsgebiete: BBesG, BeamtVG, VwGO


Vorschriften:

BBesG § 30
BeamtVG § 12 a
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
1. Zur Nichtberücksichtigung von Zeiten einer Tätigkeit, die auf Grund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen DDR übertragen war (§ 12a BeamtVG); hier: Fachhochschule für Staatswissenschaft "Edwin Hoernle" in Weimar.

2. Für die gemäß § 12a BeamtVG i. V. m. § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG gesetzlich vermutete Annahme der Übertragung einer Tätigkeit auf Grund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen DDR genügt eine Mit-Ursächlichkeit des Abschlusses der Bildungseinrichtung.

3. Letztlich beantwortet sich die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles (hier: mittlere Offizierslaufbahn im Strafvollzug der DDR).


Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes A-Stadt - 5. Kammer - vom 18. Dezember 2007 hat keinen Erfolg.

Die vom Kläger gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

"Ernstliche Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg; ist hingegen der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens lediglich offen, rechtfertigt dies die Zulassung der Berufung nicht (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - Az.: 1 L 245/06 -, veröffentlicht bei juris [m. w. N.]). Deshalb reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - Az.: 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Mithin ist zugleich erforderlich, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. auch zu den entsprechenden Anforderungen an eine Revisionsbegründung: BVerwG, Beschluss vom 23. September 1999 - Az.: 9 B 372.99 -; Urteil vom 30. Juni 1998 - Az.: 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117; Urteil vom 3. März 1998 - Az.: 9 C 20.97 -, BVerwGE 106, 202; Urteil vom 25. Oktober 1988 - Az.: 9 C 37.88 -, BVerwGE 80, 321).

Das Vorbringen des Klägers begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der angefochtenen Entscheidung.

Gemäß § 12a BeamtVG sind Zeiten, die nach § 30 BBesG für das Besoldungsdienstalter nicht berücksichtigt werden, nicht ruhegehaltfähig. Nach § 30 Abs. 1 BBesG sind Zeiten einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für Nationale Sicherheit nicht zu berücksichtigen (Satz 1). Dies gilt auch für Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind (Satz 2). Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG gilt dies auch für Zeiten einer Tätigkeit, die auf Grund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik übertragen war. Dabei wird gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG das Vorliegen dieser Voraussetzung insbesondere widerlegbar vermutet, wenn der Beamte oder Soldat Absolvent der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung war.

Im gegebenen Fall hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger Absolvent der seinerzeitigen Fachhochschule für Staatswissenschaft "Edwin Hoernle" in Weimar ist und es sich bei dieser Einrichtung im Sinne von § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG um eine der "Akademie für Staat und Recht" vergleichbare Bildungseinrichtung handelt. Dem tritt der Kläger auch ausdrücklich nicht entgegen (siehe Seite 2 [oben] der Antragsbegründungsschrift). Zu Recht ist das Verwaltungsgericht daher gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 1. HS BBesG davon ausgegangen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG von Gesetzes wegen vermutet wird und es nach § 30 Abs. 2 Satz 2 1. HS BBesG Sache des Klägers ist, diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Soweit sich die Antrags(begründungs)schrift gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtes wendet, dem Kläger sei die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht gelungen, tritt sie den tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung nicht mit schlüssigen Argumenten entgegen.

Zunächst ist rechtlich nicht zu erinnern, dass das Verwaltungsgericht für die - gesetzlich vermutete - Annahme der Übertragung einer Tätigkeit auf Grund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik eine Mit-Ursächlichkeit des Abschlusses der o. g. Bildungseinrichtung hat genügen lassen (ebenso: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Februar 2001 - Az.: 12 A 2446/98 -, zitiert nach juris; siehe insoweit zur weitgehend identischen Bestimmung des § 19 BAT-O auch: BAG, Urteil vom 20. Mai 1999 - Az.: 6 AZR 610/97 -, NJW 2000, 1516 [m. w. N.]). Eine Tätigkeit ist nicht nur dann aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen, wenn die besondere persönliche Systemnähe alleinige Ursache für die Übertragung der Tätigkeit gewesen ist. Weder dem Wortlaut des § 30 Abs. 2 BBesG noch dem Sinn und Zweck der Regelung der §§ 12a BeamtVG, 30 BBesG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber lediglich solche Fälle hat erfassen wollen, in denen die Übertragung der Tätigkeit ohne Erfüllung der fachlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Tätigkeit allein im Hinblick auf eine besondere persönliche Systemnähe erfolgt ist. Eine Übertragung aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn die besondere persönliche Systemnähe bei Vorliegen der fachlichen Voraussetzungen mitursächlich für die Übertragung der Tätigkeit war. Denn gemeinsamer Grundgedanke von § 30 Abs. 1 und 2 BBesG ist - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat -, Dienstzeiten im öffentlichen Dienst der DDR, die durch eine in verschiedener Weise herausgehobene Nähe zum Herrschaftssystem der DDR gekennzeichnet sind, durch widerlegliche oder unwiderlegliche Vermutungen von der - steigernden - Anrechnung auszuschließen. Die Regelung geht davon aus, dass solche Dienstzeiten, während derer der Beamte oder Soldat außerhalb des Rahmens einer rechtsstaatlichen Verwaltung tätig geworden ist, nicht mit Tätigkeiten in der rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland gleichgestellt und deshalb nicht besoldungs- oder versorgungssteigernd berücksichtigt werden dürfen (siehe: BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 - Az.: 2 BvL 7/98 -, BVerfGE 103, 310; BVerwG, Urteil vom 19. April 2004 - Az.: 2 C 5.03 -, Buchholz 240 § 30 BBesG Nr. 2). Der beschließende Senat vermag - entgegen dem Antragsvorbringen - auch nicht zu erkennen, dass damit unüberwindliche Hürden an die nach § 30 Abs. 2 Satz 2 BBesG eröffnete Widerlegungsmöglichkeit gestellt würden. Letztlich beantwortet sich die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung - wie auch hier - nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles.

Dies zugrunde legend wendet der Kläger ohne Erfolg ein, das Verwaltungsgericht habe die gesetzliche Vermutung zu unrecht nicht als widerlegt angesehen. Der Umstand, dass der Kläger zunächst beim Rat des Kreises Halberstadt als Referent tätig war und diese Tätigkeit aufgegeben hat, um anschließend im Strafvollzugsdienst der DDR tätig zu werden, rechtfertigt für sich nicht die Annahme, sein Verbleib im Strafvollzugsdienst nach erfolgreicher Absolvierung der Fachhochschule für Staatswissenschaft "Edwin Hoernle" beruhe nicht auf einer besonderen persönlichen Systemnähe. Insbesondere lässt sich dem Antragsvorbringen nicht entnehmen, dass der Kläger im Strafvollzugsdienst der DDR hätte weiterhin tätig sein dürfen, wenn er das dortige Studium nicht erfolgreich absolviert hätte. Dies ist auch anderweitig für den Senat nicht ersichtlich. Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang, dass der Strafvollzugsdienst jedenfalls keine besondere "Staatsferne" aufgewiesen hat und der Kläger nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nach Studiumsabschluss zeitnah als Leiter der Vollzugsgeschäftsstelle sowie in der mittleren Offizierslaufbahn tätig gewesen ist. Der Kläger lässt in diesem Zusammenhang auch unbeantwortet, aus welchen "systemunabhängigen" Gründen er das Studium letztlich überhaupt noch absolviert hat. Dass aus dem o. a. beruflichen Werdegang des Klägers - wie dieser ausführt - nicht auf eine Systemnähe geschlossen werden könne, vermag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu begründen. Denn es hätte dem Kläger - wie eingangs ausgeführt - vielmehr oblegen, die positiv gesetzlich vermutete Kausalität der Tätigkeitsübertragung aufgrund persönlicher Systemnähe zu widerlegen. Dies gelingt dem Kläger letztlich auch nicht mit dem Hinweis darauf, dass seine erste Beförderung nach Studiumsabschluss erst nach zwei Jahren erfolgt sei. Zum einen ist der zeitliche Abstand zwischen Abschluss und Beförderung nicht derart gravierend, dass von einer Unterbrechung der vermuteten Kausalität auszugehen wäre. Zum anderen folgt allein aus dem Umstand, dass sich der Kläger auch fachlich noch hätte bewähren müssen, nicht zwangsläufig, dass die Fortführung seiner Tätigkeit im Strafvollzugsdienst nicht auch ursächlich auf dem erfolgreichen Abschluss des vorbezeichneten Studiums beruht. Dass - wie der Kläger offenbar meint (vgl. Seite 3 [Mitte] der Antragsbegründungsschrift) - ein jeglicher Fachholschulabschluss für die Laufbahn des mittleren Offiziersdienstes im Strafvollzugsdienst der DDR genügt hätte, legt die Antragsbegründungsschrift jedenfalls nicht (weiter) und damit nicht zulassungsbegründend dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren folgt aus §§ 52 Abs. 1, 40, 47 GKG (vgl.: BVerwG, Urteile vom 15. Juni 2006 - Az.: 2 C 14.05 u. a. -; Beschluss vom 13. September 1999 - Az.: 2 B 53.99 -, Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 106; OVG LSA, Beschluss vom 25. Oktober 2007 - Az.: 1 L 169/07 -, JMBl. LSA 2008, S. 8 [m. w. N.]). Der Streitwert war in Höhe des pauschalierten Zweijahresbetrages aus der Differenz zwischen der zuerkannten Versorgung einerseits und der insgesamt erstrebten Versorgung andererseits festzusetzen. Dabei geht der Senat von einem geschätzten Betrag in Höhe des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwertes aus.

Ende der Entscheidung

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