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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 24.02.2009
Aktenzeichen: 1 M 10/09
Rechtsgebiete: BGB, GG, LSA-BG, VwGO


Vorschriften:

BGB § 242
GG Art. 33 Abs. 5
LSA-BG § 79a Abs. 1 S. 1
VwGO § 123
VwGO § 146 Abs. 4
1. Grundsätzlich steht es dem Beamten frei, den Zeitraum der von ihm begehrten Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen unter den Voraussetzungen des § 79a Abs. 1 BG LSA selbst zu bestimmen.

2. Der auch im Beamtenrecht anwendbare Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es dem Beamten im Rahmen des gegenseitigen Dienst- und Treuverhältnisses zum Dienstherrn, in zweckwidriger, missbräuchlicher Weise von ihm zustehenden Rechten Gebrauch oder diese geltend zu machen.

3. Bei einem mehrfachen Wechsel zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung ist es geboten, dass der Beamte in Phasen der Vollzeitbeschäftigung seinem Dienstherrn auch tatsächlich zur Erbringung der vollen Dienstleistung zur Verfügung steht. Die "Rückkehr" zur Vollzeitbeschäftigung lediglich für einen sehr kurzen, dazu im Wesentlichen durch arbeitsfreie Tage geprägten Zeitraum, genügt dem nicht.

4. Fortentwicklung von: OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - Az.: 1 M 1/07 -.


Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Dessau-Roßlau - 1. Kammer - vom 19. Dezember 2008, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die von ihr dargelegten Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.

Die Einwendungen der Antragstellerin rechtfertigen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht. Das Verwaltungsgericht hat die begehrte einstweilige Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 924 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - Az.: 1 M 1/07 -, veröffentlicht bei juris [m. w. N.]).

Überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen im gegebenen Fall nach summarischer Prüfung nicht. Insofern ist der erforderliche Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Zwar handelt es sich bei der von der Antragstellerin beantragten Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen gemäß § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) BG LSA um eine gebundene Entscheidung der Behörde; der Beamte hat bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung bis zur Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Auch liegen hier nach dem Vorbringen beider Beteiligter sämtliche Voraussetzungen vor: Die Antragstellerin hat unter dem 30. November 2008 einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen gestellt und ist im Amt einer Steueroberinspektorin eine Beamtin mit Dienstbezügen (§ 1 Abs. 2 BBesG), die mindestens ein Kind unter 18 Jahren - vorliegend zwei minderjährige Kinder - tatsächlich betreut. Schließlich stehen einer Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung in beantragtem Umfang auch keine zwingenden dienstlichen Belange (vgl. hierzu: OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]) entgegen.

Gleichwohl spricht vorliegend jedoch Überwiegendes dafür, dass die Antragstellerin in der hier gegebenen Konstellation die erneute Teilzeitbeschäftigung im Wege zweckwidriger Inanspruchnahme und damit rechtsmissbräuchlich begehrt. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist auch im Beamtenrecht anwendbar (vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 29. August 1996 - Az.: 2 C 23.95 -, BVerwGE 102, 33 [m. w. N.]; OVG LSA Urteil vom 28. September 2006 - Az.: 1 L 9/06 - [rechtskräftig], veröffentlicht bei juris). Der Grundsatz verbietet es dem Beamten im Rahmen des gegenseitigen Dienst- und Treuverhältnisses zum Dienstherrn insbesondere, in zweckwidriger, missbräuchlicher Weise von ihm zustehenden Rechten Gebrauch oder diese geltend zu machen. So liegt - nach summarischer Prüfung - der Fall hier.

§ 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BG LSA sieht zwar weder einen bestimmten Zeitpunkt noch einen gewissen Zeitraum für den vom Beamten in seinem Antrag zu bestimmenden Umfang der Teilzeitbeschäftigung vor. Die Regelung knüpft auch nicht an einen spezifischen Betreuungsbedarf der betreuten oder gepflegten Person, sondern setzt einen solchen "Bedarf" ipso iure voraus, indem § 79a Abs. 1 Satz 1 a. E. BG LSA ausschließlich darauf rekurriert, dass eine Betreuung bzw. Pflege der in § 79a Abs. 1 Satz 1 lit. a) oder b) BG LSA aufgeführten Person tatsächlich erfolgt. Beginn und Ende der tatsächlichen Betreuung werden mithin von dem Beamten bestimmt, ohne dass dies durch das Gesetz weitergehend sanktioniert wäre (siehe: OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007, a. a. O.).

Grundsätzlich steht es dem Beamten damit frei, den Zeitraum der von ihm begehrten Teilzeitbeschäftigung unter den Voraussetzungen des § 79a Abs. 1 BG LSA selbst zu bestimmen. Indes ist es bei einem mehrfachen Wechsel zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung geboten, dass der Beamte in Phasen der Vollzeitbeschäftigung seinem Dienstherrn auch tatsächlich zur Erbringung der vollen Dienstleistung zur Verfügung steht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Grundsatz, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen hat (vgl.: BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2007 - Az.: 2 C 17.06 -, Buchholz 240 § 57 BBesG Nr. 4 [m. w. N.]; OVG LSA, Beschluss vom 8. Oktober 2008 - Az.: 1 L 77/08 -, veröffentlicht bei juris), sondern auch aus Sinn und Zweck des § 79a Abs. 1 BG LSA. Die "Rückkehr" zur Vollzeitbeschäftigung lediglich für einen sehr kurzen, dazu im Wesentlichen durch arbeitsfreie Tage geprägten Zeitraum, genügt dem nicht.

Danach spricht im gegebenen Fall Überwiegendes dafür, dass die Antragstellerin - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nunmehr durch die Gestaltung der wiederholt beantragten Teilzeitbeschäftigung von dieser in einer dem Zweck des Gesetzes widersprechenden, rechtsmissbräuchlichen Weise Gebrauch zu machen beabsichtigt.

Die Antragstellerin hat - wie dem Senat aus dem zwischen den hiesigen Beteiligten geführten Verfahren 1 M 1/07 bekannt ist - bereits in den vergangenen Jahren mehrfach ihre Teilzeitbeschäftigung auf der Grundlage des § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) BG LSA in der Weise beantragt, dass zwischen den Phasen der Teilzeitbeschäftigung jeweils eine nur kurzzeitige Vollzeitbeschäftigung, und zwar in der jeweiligen Weihnachtszeit 2004/2005, 2005/2006 und 2006/2007 eingetreten ist. Diese sehr kurzen Phasen der Vollzeitbeschäftigung waren zudem wesentlich von dienstfreien Arbeitstagen (Wochenenden, gesetzliche Feiertage, dienstfreie Tage, Urlaub) geprägt. Lediglich aufgrund der besonderen Gegebenheiten der seinerzeitigen - inkonsequenten - Bewilligungspraxis des Antragsgegners in Bezug auf die Teilzeit- und Urlaubsgewährung hatte der beschließende Senat in dem vorangegangenen Verfahren 1 M 1/07 entschieden, dass der Antragsgegner der Antragstellerin zum damaligen Zeitpunkt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht mit Erfolg vorhalten könne, zumal die Antragstellerin seinerzeit Folgeanträge gestellt bzw. in Aussicht gestellt hatte, die zu einer "nahtlosen" Teilzeitbeschäftigung geführt haben würden. Der Senat hat indes zugleich darauf hingewiesen, dass eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Teilzeitbeschäftigung anzunehmen sein könne, wenn die Antragstellerin in einer nicht mehr von § 79a Abs. 1 BG LSA gedeckten Art und Weise Gebrauch zu machen beabsichtigen sollte. Insbesondere wenn die Antragstellerin nach der damaligen Ankündigung des Antragsgegners in dem Personalgespräch vom 11. Dezember 2006 mögliche weitere Folgeanträge dergestalt stellen sollte, dass dadurch lediglich kürzere Zeiträume der Vollzeitbeschäftigung entständen, die ihrerseits nur oder jedenfalls weitgehend durch dienstleistungsfreie Zeit (Wochenende, Feiertage, Anträge auf Erholungsurlaub o. ä.) geprägt wären, könne der Antragstellerin gegebenenfalls zweckwidriges, rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgehalten werden.

Entgegen der Annahme der Beschwerde hat die Antragstellerin ihre auf Teilzeitbeschäftigung gerichteten Folgeanträge so gestellt, dass dadurch nur noch kürzere Zeiträume der Vollzeitbeschäftigung entstehen, die ihrerseits weitgehend durch dienstleistungsfreie Zeit (Wochenende, Feiertage, Anträge auf Erholungsurlaub o. ä.) geprägt sind bzw. sein sollen. Aufgrund der letzten Anträge fiel die Vollzeitbeschäftigung der Antragstellerin in die Zeit vom 15. Dezember 2007 bis 6. Januar 2008 (23 Tage) und vom 13. Dezember 2008 bis 11. Januar 2009 (30 Tage). Von den 23 Tagen waren 13 Tage dienstfrei (~ 57 %), von den 30 Tagen sollten sogar 19 Tage (~ 63 %) dienstfrei sein. Hiervon ausgehend spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragstellerin gerade nicht aus den von § 79a Abs. 1 BG LSA bezweckten familienpolitischen Gründen der Förderung des "Nebeneinander von Familie und Beruf" (siehe hierzu: Gesetzentwurf der Landesregierung vom 16. April 1997, LT-Drs. 2/3437, Einzelbegründung zu Art. 1 Nr. 10 [§79a BG LSA]) um Teilzeitbeschäftigung nachgesucht hat. Vielmehr diente die zeitliche Gestaltung dieser Anträge offenkundig allein dem Zweck, aus nur monetären Gründen "formal" eine Vollzeitbeschäftigung herbeizuführen, ohne jedoch in dieser Zeit für den Dienstherrn auch nur wenigstens in der Hälfte dieser Zeit (vollzeitbeschäftigt) zur Verfügung zu stehen. Die zweckwidrige und damit rechtmissbräuchliche zeitliche Gestaltung der Teilzeitbeschäftigungsanträge zeigt sich vorliegend u. a. auch daran, dass die Antragstellerin ihre nur kurzzeitige Vollzeitbeschäftigung ausnahmslos an dienstfreien Tagen beginnen und enden lassen möchte.

Vorsorglich weist der Senat auf Folgendes hin: Auch wenn sich der Antrag vom 30. November 2008 betreffend die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung in dem darin bezeichneten zeitlichen Umfang nach summarischer Prüfung als rechtmissbräuchlich erweist, bleibt es der Antragstellerin unbenommen, einen neuen Antrag nach § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) BG LSA zu stellen. Ein solcher muss jedoch in seiner zeitlichen Gestaltung den aufgezeigten Regelungszweck der Norm beachten.

Auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin in Bezug auf den zudem beantragten Erholungsurlaub innerhalb des beabsichtigten kurzzeitigen Vollzeitbeschäftigungszeitraumes kommt es nach alledem ebenso wenig entscheidungserheblich an wie auf die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes.

Die Entscheidung über die Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 47, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 a. a. O. [m. w. N.]).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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