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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: 1 M 62/09
Rechtsgebiete: GG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 114 S. 2
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
1. Lässt sich das Rechtsschutzziel einer Beschwerde nach § 146 Abs. 1 und 4 VwGO i. V. m. § 123 VwGO eindeutig feststellen, stellt das Fehlen eines ausdrücklich gestellten Antrages sich nicht als prozessualer Mangel dar.

2. Ein Beförderungsbewerber hat gemäß Art. 33 Abs. 2 GG einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet, so genannter Bewerbungsverfahrensanspruch.

3. Wird das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint.

4. Der Dienstherr ist gemäß Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet, die seiner Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur dies eröffnet dem unterlegenen Bewerber wie dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen.

5. Für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung kommt es allein auf die Erwägungen an, die der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung in Ausübung seines Verwendungsermessens und des ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Eignung der Kandidaten angestellt hat. Mit dieser Entscheidung wird zugleich die Sach- und Rechtslage fixiert, die maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist.

6. Ermessenserwägungen sowie Einschätzungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum besteht, können in entsprechender Anwendung des § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Hierzu gehört indes nicht die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Entscheidung tragenden Gründe.

7. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden.

8. Zum Anforderungsmerkmal "mehrjährige Verwaltungserfahrungen in Leitungsfunktionen".


Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 1. Juli 2009, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die von ihr fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet und bleibt im Übrigen in der Sache ohne Erfolg.

Die Beschwerde ist - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - zulässig, genügt insbesondere den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Ihr ist, selbst wenn ein solcher hier nicht ausdrücklich gestellt worden sein sollte, ein bestimmter Antrag eindeutig zu entnehmen. Zum einen verweist die Antragstellerin zum Abschluss ihrer Beschwerdebegründungsschrift auf ihr "Rechtsschutzgesuch", welches einen ausdrücklich formulierten Antrag enthält (siehe Bl. 2 der Gerichtsakte). Zum anderen ist bereits dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 30. Juli 2009 unmissverständlich zu entnehmen, dass sie ihr erstinstanzliches Rechtsschutzbegehren uneingeschränkt weiterverfolgen, mithin ihren Bewerbungsverfahrensanspruch bezogen auf die hier streitbefangene Stelle weiterhin sichern will. Lässt sich das Rechtsschutzziel damit eindeutig feststellen, stellt das Fehlen eines ausdrücklich gestellten Antrages sich nicht als prozessualer Mangel dar (vgl. auch: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. Juli 2002 - Az.: 11 S 1293/02 -, NVwZ 2002, 1388; BayVGH, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - Az.: 11 CS 08.2998 -, zitiert nach juris). Im Übrigen setzt sich die Beschwerdebegründungsschrift mit der angefochtenen Entscheidung konkret auseinander und erschöpft sich insbesondere nicht nur in bloßen Wiederholungen erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Beschwerde ist überwiegend begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt; vielmehr hat die Antragstellerin in dem aus dem Hauptsachetenor ersichtlichen Umfang den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 924 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - Az.: 1 M 1/07 -, veröffentlicht bei juris [m. w. N.]).

So liegt der Fall in dem vorbezeichneten Umfange hier. Aus von der Antragstellerin dargelegten Gründen hat der Antragsgegner den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin verletzt, indem er seine Auswahlentscheidung zu deren Nachteil verfahrensfehlerhaft getroffen hat.

Jeder Beamte hat gegenüber dem Dienstherrn bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl (so BVerwG in ständiger Rechtsprechung, etwa: Urteil vom 17. August 2005 - Az.: 2 C 36.04 -, zitiert nach juris [m. z. N.]; siehe zudem: OVG LSA, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - Az.: 1 M 222/07 -, veröffentlicht bei juris). Jeder Beförderungsbewerber hat insoweit einen Anspruch darauf, dass der Dienstherrn über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet, und zwar unabhängig davon, ob der Dienstherr Beförderungsstellen ausschreibt oder - etwa im Rahmen eines erstellten Konzeptes - die Stellenbesetzung ohne Ausschreibung vorzunehmen beabsichtigt und dabei alle in Betracht kommenden Beamten in die Auswahlentscheidung einbezieht (vgl.: BVerwG, Urteil vom 17. August 2005, a. a. O.; OVG LSA, a. a. O.). Dieser Bewerbungsverfahrensanspruch lässt sich nur vor einer Ernennung des ausgewählten Konkurrenten gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO mittels einer einstweiligen Anordnung effektiv sichern (siehe: BVerfG, 1. Kammer des 2. Senates, Beschluss vom 29. Juli 2003 - Az.: 2 BvR 311/03 -, NVwZ 2004, 95; Beschluss vom 24. September 2003 - Az.: 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200). Aufgrund der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechts und der Garantie von Art. 19 Abs. 4 GG sind die Verwaltungsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten gehalten, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren besonders Rechnung zu tragen.

Der Maßstab, der an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches und damit des zu sichernden Rechts, dessen Verwirklichung ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung vereitelt oder wesentlich erschwert würde, anzulegen ist, hat sich an dem Rechtsschutzziel zu orientieren, hier mithin der Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruches. Der bei einer Beförderungsauswahl unterlegene Beamte, der hiergegen verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nimmt, muss daher gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft machen, dass die Auswahlentscheidung in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht fehlerhaft ist. Hierzu hat er die den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründenden Tatsachen so darzulegen, dass das Gericht von ihrer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen kann. Erst wenn der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt wird, kann der unterlegene Beamte eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (siehe zum Vorstehenden: BVerfG, a. a. O.).

Hiervon ausgehend hat die Beschwerde schlüssig dargelegt, dass der Antragsgegner den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin dadurch verletzt hat, dass er die von ihm in dem Anforderungsprofil aufgestellte Voraussetzung "mehrjährige Verwaltungserfahrungen in Leitungsfunktionen" in der Person der Beigeladenen als gegeben angesehen hat.

Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten bemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden, da er andernfalls in Widerspruch zu dem selbst gesteckten Ziel bestmöglicher Aufgabenwahrnehmung gerät. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. Unter dieser Voraussetzung bleibt es der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände er das größere Gewicht beimisst. Danach entfaltet ein Anforderungsprofil Bindungswirkung für die Gewichtung der Leistungsmerkmale bei der Bewerberauswahl (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 11. August 2005 - Az.: 2 B 6.05 -, zitiert nach juris [m. w. N.]; vgl., auch: OVG LSA, Beschluss vom 21. April 2006 - Az.: 1 M 54/06 -, veröffentlicht bei juris).

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes und der vom Antragsgegner vorgebrachten Argumente ist das von ihm aufgestellte Anforderungsmerkmal "mehrjährige Verwaltungserfahrungen in Leitungsfunktionen" von Anbeginn an nicht allgemein (siehe hierzu etwa: Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, Band 23, Stichwort "Verwaltung"), sondern auf Verwaltungserfahrung in der öffentlichen (Landes-)Verwaltung (in Sachsen-Anhalt) bezogen gewesen. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass sowohl die Stellenausschreibung vom 27. Juni 2008 (Bl. 8 f. der Beiakte B) ausdrücklich nur an die "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Geschäftsbereich" des Antragsgegners gerichtet war als auch die "landesinterne" Veröffentlichung (siehe hierzu Bl. 10 der Beiakte B) vom 7. Juli 2008 durch das "PSC" (Personal-Service-Center des Landes Sachsen-Anhalt) ausdrücklich "nur für Bewerber/-innen aus der Landesverwaltung Sachsen-Anhalt" (Bl. 13 f. der Beiakte B) galt. Auch geben die übrigen vom Antragsgegner aufgestellten "Voraussetzungen" keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei den geforderten "Verwaltungserfahrungen" etwa auch um solche handeln könne, die außerhalb der öffentlichen Verwaltung gewonnen wurden. An diesem Verständnis ändert sich schließlich auch nichts allein dadurch, dass der Antragsgegner die Stelle im Nachhinein zudem noch extern ausgeschrieben hat. Denn diese erfolgte mit dem identischen Anforderungsprofil "mehrjährige Verwaltungserfahrungen in Leitungsfunktionen".

Hiervon ausgehend rügt die Beschwerde zu Recht, dass der Antragsgegner im Rahmen seiner Auswahlentscheidung vom 22. Dezember 2008 (Bl. 45 ff. der Beiakte B) bezogen auf die Beigeladene maßgeblich u. a. auf deren "Tätigkeit als Mitgesellschafterin" eines Architekturbüros abgestellt hat. Über diesen grundlegenden Mangel hinaus geht die Auswahlentscheidung in ihrer Begründung zudem fehlerhaft davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen als Mitglied eines Stadtrates und der daraus resultierenden weiteren Tätigkeit als ehrenamtliches Mitglied und stellvertretende Vorsitzende des Bauausschusses sowie Verwaltungsratsmitglied einer Wohnungsbaugesellschaft um Verwaltungserfahrungen in Leitungsfunktionen handelt. Bei der mit der Eigenschaft als Verwaltungsratsmitglied einer Wohnungsbaugesellschaft verbundenen Tätigkeit handelt es sich bereits nicht um öffentliche Verwaltung, sondern um privatwirtschaftliche Betätigung einer Gemeinde. Demgegenüber stellt zwar die Tätigkeit im Gemeinderat und seinen Ausschüssen öffentliche Verwaltung dar. Indes handelt es sich bei dieser ehrenamtlichen Betätigung (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 GO LSA) nicht um eine solche in Leitungsfunktionen. Gemeinderatsmitglieder wirken vielmehr "lediglich" an der öffentlichen Verwaltung als Teil des Verwaltungsorgans Gemeinderat (vgl. § 35 GO LSA) mit, vor allem aber ohne an Aufträge oder Weisungen gebunden zu sein (§ 42 Abs. 1 Satz 2 GO LSA). Daran ändert auch die ehrenamtliche Mitwirkung im Rahmen der vom Gemeinderat gebildeten Ausschüsse (vgl. § 45 GO LSA) dem Grunde nach nichts. "Leiter" der Gemeindeverwaltung ist im vorliegenden Fall gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 GO LSA vielmehr der hauptamtliche Bürgermeister. Dieser ist gemäß § 63 Abs. 1 GO LSA für die sachgemäße Erledigung der Aufgaben und den ordnungsgemäßen Gang der Verwaltung verantwortlich, regelt die innere Organisation der Gemeindeverwaltung und erledigt in eigener Verantwortung die Geschäfte der laufenden Verwaltung.

Nach den vorstehenden Ausführungen lässt sich derzeit nicht mit der hier erforderlichen Gewissheit feststellen, dass die Antragstellerin bei einer erneuten Auswahlentscheidung "offensichtlich chancenlos" (so: BVerfG, Beschluss vom 1. August 2006 - Az.: 2 BvR 2364/03 -, NVwZ 2006, 1401) ist. Dabei ist vom beschließenden Senat zu beachten, dass es im Hinblick auf den dem Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (so: BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - Az.: 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200).

Die Beschwerde wendet insoweit zu Recht ein, dass die Antragstellerin nicht als "ungeeignet" anzusehen ist. Denn sie erfüllt hiernach das Anforderungsprofil zumindest dem Grunde nach. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die vom Antragsgegner monierten Einzelmerkmale "Bereitschaft zur Teamarbeit" sowie "Kommunikation und Zusammenarbeit". Die Ausschreibung gibt in ihrem Anforderungsprofil bereits keine Mindestnote oder -bewertung vor. Im Übrigen ergibt sich aus der dienstlichen Beurteilung der Antragstellerin, dass sie insoweit "den Leistungsanforderungen in jeder Hinsicht entspricht" bzw. "befähigt" ist (vgl. Bl. 71 ff. der Beiakte C). Eine Nicht-Eignung ist hieraus nach Maßgabe des Anforderungsprofils nicht zu schlussfolgern. Hinzu kommt Folgendes: Im Gegensatz zu den vorbezeichneten Ausführungen fehlen in Bezug auf die Beigeladene jegliche nachvollziehbaren Feststellungen und Erwägungen zu den vom Antragsgegner als besonders gewichtig herausgestellten Merkmalen der "Bereitschaft zur Teamarbeit" sowie "Kommunikation und Zusammenarbeit". Überhaupt lässt sich den gesamten Auswahlerwägungen des Antragsgegners in Bezug auf die Beigeladene nicht verlässlich entnehmen, welche Gesichtspunkte und Erwägungen für die Auswahlentscheidung nach qualitativer Betrachtungsweise bestimmend waren und den Ausschlag zugunsten der Beigeladenen gegeben haben.

Aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt jedoch die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; sie erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG (so ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - Az.: 1 WB 19.08 -, NVwZ-RR 2009, 604, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 - Az.: 2 BvR 206/07-, NVwZ 2007, 1178; siehe zudem: OVG LSA, Beschluss vom 26. August 2009 - Az.: 1 M 52/09 -).

Für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung kommt es dabei allein auf die Erwägungen an, die der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung in Ausübung seines Verwendungsermessens und des ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Eignung der Kandidaten angestellt hat. Mit dieser Entscheidung wird zugleich die Sach- und Rechtslage fixiert, die maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist. Zwar können Ermessenserwägungen sowie Einschätzungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum besteht, in entsprechender Anwendung des § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Hierzu gehört indes nicht die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Entscheidung tragenden Gründe. Derartige Erwägungen sind vielmehr unzulässig und bei der gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigungsfähig. Gegenteiliges folgt auch nicht aus § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG (i. V. m. § 1 VwVfG LSA), da die Nachholung einer Begründung hiernach bereits dokumentierte materielle Auswahlerwägungen voraussetzt (siehe zum Vorstehenden ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - Az.: 1 WB 19.08 -, und OVG LSA, Beschluss vom 26. August 2009, jeweils a. a. O.).

Dies zugrunde legend lässt sich weder anhand der vorliegenden Unterlagen noch nach den Ausführungen des Antragsgegners in seinem Votum vom 22. Dezember 2008 nachvollziehen, aus welchen Gründen die Beigeladene ohne Vorliegen irgendwelcher Beurteilungen und Zeugnisse Dritter über ihre berufliche Tätigkeit als geeigneter und leistungsstärker eingeschätzt wurde als die Antragstellerin. Es sind weder die Maßstäbe zu ersehen, nach welchen der Antragsgegner seine Bewertungen insgesamt vorgenommen hat, noch deren Bewertung selbst. Stattdessen hat sich der Antragsgegner ausweislich der Akten ausschließlich auf die von der Beigeladenen selbst erstellten und vorgelegten Unterlagen bezogen. Wie leistungsstark die Beigeladene nach Maßgabe welcher Qualitätsstandards ist, lässt sich mithin nicht plausibel nachvollziehen. Unklar bleibt zudem, woraus sich für den Antragsgegner ergeben hat, dass und inwieweit die Beigeladene auch mit dem Aufgabengebiet der "Landesentwicklung" vertraut gewesen ist.

Damit lässt sich der schriftlich fixierten und insoweit allein maßgeblichen (siehe hierzu: OVG LSA, Beschluss vom 26. August 2009 - Az.: 1 M 52/09 - [m. w. N.]) Begründung der Auswahlentscheidung vom 22. Dezember 2008 (Bl. 45 ff. der Beiakte B) nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass die Beigeladene das geforderte Anforderungsprofil erfüllt. Dies gilt - unabhängig von den vorstehenden Ausführungen - überdies für den Fall, dass selbst Tätigkeiten in der Privatwirtschaft berücksichtigungsfähig wären.

Da der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt ist, kann die Antragstellerin vorliegend eine erneute Auswahlentscheidung beanspruchen, weil nach alledem ihre Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. ihre Auswahl möglich erscheint.

Unberücksichtigt bleiben dabei aus den bereits dargelegten Gründen die im gerichtlichen Verfahren nachgeschobenen, der Auswahlentscheidung gerade nicht zugrunde liegenden Erwägungen des Antragsgegners. Dies gilt im gegebenen Fall nicht zuletzt auch deswegen, weil der Antragsgegner in seiner Auswahlentscheidung vom 22. Dezember 2008 alle übrigen Bewerber neben der Beigeladenen letztlich als "ungeeignet" angesehen und nicht weiter "berücksichtigt" hat.

Das Rechtsschutzgesuch richtet sich schließlich auch gegen den passiv-legitimierten Antragsgegner, da dieser - wie die Beschwerde zutreffend ausführt, ohne dass der Antragsgegner dem entgegentritt - ausweislich der Verwaltungsvorgänge sachlich zuständig für den von ihm in Aussicht genommenen Arbeitsvertrag mit der Beigeladenen ist.

Hingegen besteht ein Anordnungsanspruch nicht bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über das Beförderungsbegehren der Antragstellerin. Vielmehr kann sie ihren Bewerbungsverfahrensanspruch im Falle der nunmehr zu treffenden Auswahlentscheidung des Antragsgegners gegebenenfalls erneut auf gerichtlichem Wege geltend machen. Für eine weitergehende Sicherung besteht keine Veranlassung. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Antragsgegner seine neuerliche Auswahlentscheidung rechtsfehlerfrei zu Lasten der Antragstellerin treffen sollte.

Die Antragstellerin hat schließlich auch den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da ihr Bewerbungsverfahrensanspruch ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung ernstlich gefährdet wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht aus Gründen der Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären, da diese sich weder dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt noch das Verfahren (wesentlich) gefördert hat.

Die Entscheidung über den Streitwert für das Beschwerdeverfahren und von Amts wegen zugleich für den ersten Rechtszug unter Änderung der Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes folgt aus §§ 63 Abs. 3, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 5 Satz 2 GKG. Dabei hat der Senat die Hälfte des 6,5-fachen Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe B 5 BBesO (hier: Festbesoldung) i. V. m. § 18c LBesG zugrunde gelegt, denn dies entspricht dem Endgrundgehalt des angestrebten Amtes, auch wenn derzeit noch nicht die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für dessen Verleihung vorliegen sollten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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