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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 1 O 165/08
Rechtsgebiete: SG, VwGO


Vorschriften:

SG § 44 Abs. 3
SG § 44 Abs. 4
SG § 55 Abs. 2
VwGO § 166
1. Die Regelungen der §§ 55 Abs. 2, 44 Abs. 3 und 4 SG knüpfen an die beamtenrechtlichen Bestimmungen über die Dienstunfähigkeit an; der Begriff der Dienstunfähigkeit im Soldatenrecht ist derselbe wie im Beamtenrecht, so dass die im Beamtenrecht entwickelten Grundsätze zur Auslegung dieses Begriffes auch im Soldatenrecht anzuwenden, soweit nicht die Eigenart des Militärdienstes die Anlegung eines anderen Maßstabes verlangt.

2. Offen bleiben kann, ob sich die Rechtmäßigkeit der Entlassung eines Soldaten nach § 55 Abs. 2 SG danach beurteilt, ob die beklagte Behörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Soldat dauernd dienstunfähig ist.

3. Der Gesetzgeber hat den Gutachten der Ärzte der Bundeswehr aufgrund des bei diesen vorhandenen besonderen Sachverstandes über die Feststellung der Dienst(un)fähigkeit eines Soldaten nach § 44 Abs. 4 SG besonderes Gewicht beigemessen. Daher muss es in erster Linie deren Beurteilung obliegen, ob und wann eine Gesundheitsstörung mit Krankheitswert die Dienstfähigkeit eines Soldaten derart beeinträchtigt, dass er zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist.

4. Den Gutachten der Ärzte der Bundeswehr kommt ein höherer Beweiswert zu als haus- oder anderen fachärztlichen Gutachten, und zwar ungeachtet der den über die Versetzung in den Ruhestand entscheidenden Stellen gemäß § 44 Abs. 4 Satz 4 SG eröffneten Möglichkeit, auch andere Beweise zu erheben.


Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. Oktober 2008 hat in der Sache keinen Erfolg und war daher zurückzuweisen.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne von § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet, wird nicht schlüssig infrage gestellt.

Sowohl gemäß § 55 Abs. 2 SG i. V. m. § 44 Abs. 3 Satz 2 SG in der ab dem 9. August 2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 31. Juli 2008 (BGBl. I S. 1629) als auch gemäß § 55 Abs. 2 SG in der bis dahin geltenden Fassung ist ein Soldat auf Zeit zu entlassen, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen (vgl. § 44 Abs. 3 Satz 1 SG [Fassung 2008]) bzw. infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte (vgl. § 55 Abs. 2 Satz 1 SG [Fassung 2005]) zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig, d. h. dienstunfähig ist. Ist der Soldat dienstunfähig, muss er nach § 55 Abs. 2 SG entlassen werden. Denn Sinn und Zweck dieser Regelung bestehen darin, die im Verteidigungsfall erforderliche größtmögliche Schlagkraft der Bundeswehr zu gewährleisten, die gerade voraussetzt, dass alle ihre Soldaten dienstfähig sind (vgl. auch: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Juni 1979 - Az.: I A 2355/77 -, ZBR 1981, 38).

Die Regelungen der §§ 55 Abs. 2, 44 Abs. 3 und 4 SG knüpfen dabei an die beamtenrechtlichen Bestimmungen über die Dienstunfähigkeit an; der Begriff der Dienstunfähigkeit im Soldatenrecht ist derselbe wie im Beamtenrecht. Die Identität des Begriffes der Dienstunfähigkeit im Beamtenrecht und im Soldatenrecht gestattet es, die im Beamtenrecht entwickelten Grundsätze zur Auslegung dieses Begriffes auch im Soldatenrecht anzuwenden, soweit nicht die Eigenart des Militärdienstes die Anlegung eines anderen Maßstabes verlangt (vgl.: BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 - Az.: 6 C 71.81 -, Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 10 [m. w. N.]).

Offen bleiben kann hiernach, ob sich die Rechtmäßigkeit der Entlassung eines Soldaten nach § 55 Abs. 2 SG danach beurteilt, ob die Beklagte im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - hier dem Erlass des Beschwerdebescheides vom 20. März 2008 - nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass die Klägerin dauernd dienstunfähig ist, so dass danach eingetretene wesentliche Veränderungen nicht zu berücksichtigen wären (vgl.: BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997 - Az.: 2 C 7.97 -, BVerwGE 105, 267; OVG LSA, Beschluss vom 4. Januar 2006 - Az.: 1 L 181/05 -, veröffentlicht bei juris; offen lassend: BVerwG, Urteil vom 21. April 1982, a. a. O.). Dies könnte sich aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die von einem Soldaten (auf Zeit) nicht beantragte Entlassung oder Zurruhesetzung (vgl. §§ 44 Abs. 4 Satz 2, 55 Abs. 3 SG) ergeben. Die Beklagte kann einen Soldaten im Übrigen auch unter den weiteren Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Satz 2 SG (i. V. m. § 44 Abs. 3 Satz 2 SG [Fassung 2008]) als dienstunfähig ansehen.

Jedenfalls ist im gegebenen Fall die weitere Regelung des § 44 Abs. 4 SG i. V. m. § 55 Abs. 2 SG zu beachten. Danach wird die Dienstunfähigkeit auf Grund des Gutachtens eines Arztes der Bundeswehr von Amts wegen oder auf Antrag festgestellt (Satz 1). Der Berufssoldat ist des Weiteren verpflichtet, sich von Ärzten der Bundeswehr oder von hierzu bestimmten Ärzten untersuchen und, falls sie es für notwendig erklären, beobachten zu lassen (Satz 3). Der Gesetzgeber hat den Gutachten der Ärzte der Bundeswehr damit aufgrund des bei diesen vorhandenen besonderen Sachverstandes über die Feststellung der Dienst(un)fähigkeit eines Soldaten besonderes Gewicht beigemessen (vgl. zum Beamtenrecht: OVG LSA, Urteil vom 13. Oktober 2005 - Az.: 1 L 25/05 -, veröffentlicht bei juris [m. w. N.]). Den Ärzten der Bundeswehr kann grundsätzlich ein spezifischer Sachverstand unterstellt werden, der insbesondere auf der Kenntnis der Belange der Bundeswehr beruht. Daher muss es in erster Linie deren Beurteilung obliegen, ob und wann eine Gesundheitsstörung mit Krankheitswert die Dienstfähigkeit eines Soldaten derart beeinträchtigt, dass er zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Die Ärzte der Bundeswehr sind nach ihren spezifischen Kenntnissen und Erfahrungen eher als ein außenstehender Arzt in der Lage, die getroffene medizinische Diagnose in Bezug zu setzen zu den Anforderungen des jeweiligen Dienstes des Soldaten. Den Gutachten der Ärzte der Bundeswehr kommt daher ein höherer Beweiswert zu als haus- oder anderen fachärztlichen Gutachten, und zwar ungeachtet der den über die Versetzung in den Ruhestand entscheidenden Stellen gemäß § 44 Abs. 4 Satz 4 SG eröffneten Möglichkeit, auch andere Beweise zu erheben.

Dies zugrunde legend stellt das Beschwerdevorbringen die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes in dem angefochtenen Beschluss nicht schlüssig infrage. Ohne Erfolg verweist die Klägerin insoweit auf das "Gutachten" der sie behandelnden Psychotherapeutin vom 24. November 2008. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht nämlich auf die besondere Kompetenz der die Klägerin begutachtenden Ärzte der Bundeswehr abgestellt und weiter darauf verwiesen, dass der Feststellung der Dienstunfähigkeit eine aktuelle und tragfähige (mehrfache wie langjährige) Begutachtung zugrunde gelegen habe. Insbesondere ist hiernach nicht festzustellen, dass das u. a. auf der letzten ambulanten Untersuchung der Klägerin am 8. Januar 2008 beruhende Gutachten vom 21. Januar 2008 (Bl. 116 ff. der Beiakte C) sich vorwiegend oder gar ausschließlich nur auf ein etwa 20-minütiges Gespräch zwischen Bundeswehrarzt und Klägerin stützt (vgl. auch Bl. 94 der Beiakte C). Substantiierte Einwendungen gegen einzelne Feststellungen oder Schlussfolgerungen in dem Gutachten vom 21. Januar 2008 erhebt die Beschwerde nicht. Es ist auch weder dargelegt noch ersichtlich, dass sich die gutachterliche Äußerung der die Klägerin behandelnden Psychotherapeutin vom 24. November 2008 diesbezüglich (substanziell) mit dem Gutachten vom 21. Januar 2008 auseinandersetzt. Dies wäre jedoch schon deswegen geboten gewesen, weil die gutachterliche Äußerung vom 24. November 2008 die gesundheitlichen Verbesserungen maßgeblich u. a. mit der langfristigen Krankschreibung der Klägerin begründet (vgl. Bl. 89 der Gerichtsakte), während die bundeswehrärztlichen Gutachten die Dienstunfähigkeit der Klägerin entscheidend darauf stützen, dass gerade im Falle eines erneuten Dienstantrittes der Klägerin wegen der bei ihr diagnostizierten tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung die damit verbundene Anpassungs-, Leistungs- und Gemeinschaftsunfähigkeit wieder negativ zum Tragen kommen werde (vgl. Bl. 107 f. und 119 der Beiakte C).

Auf das Vorbringen der Beklagten mit Schriftsatz vom 20. Januar 2009 kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Außergerichtliche Kosten werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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