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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 12.09.2006
Aktenzeichen: 10 L 2/06
Rechtsgebiete: BG LSA


Vorschriften:

BG LSA § 54 Abs. 2
BG LSA § 77 Abs. 1 S. 1
Falsche Angaben eines Polizeibeamten bei der Geltendmachung einer Billigkeitsentschädigung wegen beschädigter Kleidung stellen eine Dienstpflichtverletzung dar, die die Vertrauensbasis zu seinem Dienstherrn erheblich beeinträchtigen kann.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 10 L 2/06

Datum: 12.09.2006

Gründe:

I.

Der jetzt 37 Jahre alte Beamte steht - nach Absolvierung der allgemeinen Polytechnischen Oberschule und einer Ausbildung zum Facharbeiter für Nachrichtentechnik - seit (...) im Beamtenverhältnis zum Land Sachsen-Anhalt. Zum (...) wurde er - unter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit - zum Polizeimeister ernannt; zum September (...) erfolgte die Beförderung zum Kriminalobermeister. Der Beamte war bis (...) im Wesentlichen als Sachbearbeiter Kriminalitätsbekämpfung bei dem Polizeirevier Wittenberg tätig. Zum (...) wurde er aus Anlass des hier gegenständlichen Disziplinarverfahrens zum Polizeirevier F umgesetzt und dort mit der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte eines Sachbearbeiters Kriminaldienst im Revierkommissariat G beauftragt. Seine dienstlichen Leistungen wurden zuletzt mit der Note "befriedigend" (265 Punkte) bewertet.

Der Beamte ist bisher - abgesehen vom Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens - disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Er ist ledig und hat keine Kinder; sein monatliches Nettoeinkommen beläuft sich auf ca. 1.800,00 €.

II.

Gegenstand dieses Verfahrens ist der Vorwurf, der Beamte habe dadurch ein Disziplinarvergehen begangen, dass er sich eines zweifachen versuchten Betruges schuldig gemacht habe. Mit Anschuldigungsschrift vom 23. Juni 2005 wird dem Beamten zur Last gelegt,

am 4. April 2003 in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, versucht zu haben, das Vermögen seines Dienstherrn dadurch zu beschädigen, dass er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregte,

am 11. Juni 2003 in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, versucht zu haben, das Vermögen des Herrn H. dadurch zu beschädigen, dass er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregte.

Beide Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit den Kosten für die Wiederbeschaffung einer im Dienst beschädigten Jacke und dem Abhandenkommen eines Schlüsselbundes. Dabei ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Anlässlich eines Polizeieinsatzes am Abend des 21. März 2003 wurde die von dem Beamten damals getragene Long-Jacke der Marke "Blue One" durch den festzunehmenden Herrn H. dadurch beschädigt, dass die rechte Jackentasche zerrissen wurde. Der Beamte fertigte am 26. März 2003 eine Schadensmeldung und machte mit dem üblichen Vordruck am 4. April 2003 eine Entschädigung nach der Billigkeitsrichtlinie geltend. In dem Formular gab er an, die Jacke im November 2002 zu einem Preis von 199,00 € erworben zu haben. Mit Schreiben vom 7. Mai 2003 gab ihm die Polizeidirektion A-Stadt auf, zunächst den Schädiger vorab zum Ersatz der beschädigten Jacke aufzufordern. Dem entsprechend forderte der Beamte durch anwaltliches Schreiben der Rechtsanwälte I. vom 11. Juni 2003 den Schädiger auf, für die Jacke einen Schadenersatz von 199,00 € zu leisten, wobei es in dem Schreiben heißt:

"... zeigen wir an, dass uns Herr D., Polizeibeamter im Polizeirevier D-Stadt ... mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt hat ...

Am 22. März 2003 zerstörten Sie im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme rechtswidrig die Long-Jacke unseres Mandaten im Wert von 199,00 € ..."

Daneben forderte er Ersatz für den Verlust eines Schlüsselbundes mit zehn Schlüsseln "im Wert von ca. 49,00 €".

Der Schädiger lehnte mit Schreiben vom 20. Juni 2003 die Leistung von Schadenersatz ab und verwies den Beamten auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Dienstherrn. Amt 21. Juli 2003 bat die Zeugin A. den Beamten um Vorlage der beschädigten Jacke, zumal sich ein Kaufbeleg nicht auffinden ließ. Erst mit Schreiben vom 2. September 2003 übersandte der Beamte die beschädigte Jacke. Zuvor hatte er allerdings zwei Etiketten - von der Innenseite des Saumes und von der Außenseite des Nackens - abgetrennt. Aus dem am Ärmel verbleibenden Logo "Blue One" konnte gleichwohl geklärt werden, dass die Jacke bei der Firma Werdin verkauft wurde, die diese Jacken ab August 1999 zu einem Verkaufspreis von DM 140,00 und ab Februar 2000 zu einem etwa auf die Hälfte reduzierten Kaufpreis veräußert hatte. Die Jacke wies auch Abnutzungen auf, die dafür sprachen, dass sie seit längerem getragen war.

Hinsichtlich der Schlüssel hat der Beamte eine - angeblich rückdatierte - Quittung vom 22. März 2003 vorgelegt, aus der sich ein Preis von lediglich 35,80 € ergibt.

Wegen des vorgenannten Geschehens wurde der Beamte durch Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 4. Februar 2004 wegen zweifachen Betrugsversuches zu einer Gesamtgeldstraße von 25 Tagessätzen zu je 60,00 € verurteilt; der Strafbefehl wurde rechtskräftig, nachdem der Beamte seinen zunächst eingelegten Einspruch mit Anwaltsschriftsatz vom 26. Februar 2004 zurückgenommen hatte.

Wegen des weiteren Verfahrenshergangs wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Disziplinarvorgänge Bezug genommen.

III.

Das Verwaltungsgericht Dessau - Disziplinarkammer - hat den Beamten mit Urteil vom 9. November 2005 freigesprochen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, die von dem Beamten gegebene Einlassung, er habe sich bei der Schadensmeldung und der anschließenden Stellung des Antrags auf Gewährung einer Billigkeitsentschädigung am 15. April 2003 weder wegen der Kaufpreishöhe noch hinsichtlich des Datums des Kaufes nähere Gedanken gemacht, sei nicht zu widerlegen. Dies gelte auch für sei seine Einlassung, mit den Angaben, welche er im weiteren Verlauf des Verfahrens gemacht habe, habe er nur verdecken wollen, dass er mit den ursprünglichen Angaben zur Schadenshöhe einen Fehler gemacht habe. Daher sei dem Beamten nicht nachzuweisen, dass er bei der Geltendmachung der Ersatzansprüche die Absicht gehabt habe, sich zu bereichern. Entsprechendes gelte auch für die Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger durch den anwaltlichen Schriftsatz vom 11. Juni 2003. Im Übrigen ergebe sich aus dem Anschuldigungssatz lediglich der Vorwurf, in zwei Fällen die Pflicht zum uneigennützigen Verhalten i. S. von § 54 Satz 2 BG LSA verletzt zu haben. Eine Verletzung der Dienstpflicht zur Offenheit und Wahrhaftigkeit gemäß § 55 Satz 1 BG LSA dem Dienstherrn gegenüber sei dem Beamten nicht zur Last gelegt worden.

IV.

Mit der fristgerecht eingelegten Berufung begehrt die Einleitungsbehörde die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Versetzung des Angeschuldigten in das Amt eines Kriminalmeisters. Sie tritt bereits der Auffassung des Verwaltungsgerichts entgegen, dass dem Angeschuldigten ein Betrugsvorwurf nicht gemacht werden könne. Vielmehr lasse sich die Bereichungsabsicht des Beamten daraus erkennen, dass er einen überhöhten Anschaffungspreis genannt habe, um auf dieser Grundlage einen Wertersatz zu erhalten, welcher ihm nicht zugestanden habe, im Übrigen auch daraus, dass er die Etiketten von der Jacke abgetrennt habe, um den Dienstherrn über die Herkunft der Jacke zu täuschen. In dem Vorgehen liege nicht nur ein schuldhafter Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten i. S. von § 54 Satz 3 BG LSA, sondern auch gegen die gemäß § 55 Satz 1 BG LSA normierte Wahrheitspflicht gegenüber dem Dienstherrn. Auch die Geltendmachung eines bewusst überhöhten Schadenersatzes gegenüber dem Schädiger stelle ein zu sanktionierendes Dienstvergehen dar.

Der Beamte tritt dem entgegen. In der Berufungsverhandlung hat er sich im Wesentlichen wie folgt eingelassen:

An das Kaufdatum der Jacke, die er wohl doch bei "Werdin" gekauft habe, könne er sich nicht mehr erinnern; es müsse um die Weihnachtszeit gewesen sein, allerdings noch vor der Währungsumstellung, d. h. vor dem Jahr 2002. Er habe wohl auch "Euro" mit "DM" verwechselt; jedenfalls habe die Jacke "mehr als hundert" gekostet.

Dass er seinen Dienstherrn bei der Abgabe der Jacke nicht über die tatsächlichen Verhältnisse aufgeklärt habe, sei ein Fehler gewesen. Er habe niemanden schädigen wollen, sondern aus Frust und Wut über die Verwaltung gehandelt; später habe er ohnehin keine Ansprüche mehr geltend machen wollen.

Der Senat hat Beweis erhoben über den Inhalt eines Telefonats zwischen dem Beamten und der Zeugin A., die mit der Abwicklung von Schadensfällen befasst war. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.

Die Vertreterin der Einleitungsbehörde beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Dessau - Disziplinarkammer - vom 9. November 2005 mindestens auf die Versetzung des Angeschuldigten in das Amt eines Kriminalmeisters zu erkennen. Der Beamte hat keinen Antrag gestellt.

V.

Die zulässige Berufung der Einleitungsbehörde ist begründet, denn das Verwaltungsgericht Dessau hat den Beamten zu Unrecht freigesprochen, wobei disziplinarrechtlich hier gemäß § 81 Abs. 4 bis 6 DG LSA vom 21. März 2006 (GVBl. LSA S. 102) die Vorschriften der DO LSA weiter anzuwenden sind.

Dazu bemerkt der Disziplinarsenat zunächst, dass die Formulierung des Anschuldigungssatzes der Würdigung des Verhaltens des Beamten als zweifache Dienstpflichtverletzung und der disziplinarrechtlichen Sanktionierung nicht entgegensteht. Es genügt, wenn die Anschuldigungsschrift - wie hier - das vorgeworfene Verhalten hinreichen nach Ort und Art der Begehung konkretisiert wird; es ist nicht erforderlich, die in Betracht kommenden Disziplinarvergehen im Einzelnen zu benennen (vgl. Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl., § 65, Rdnr. 9 ff.). Das den Gegenstand des Disziplinarverfahrens darstellende Verhalten des Beamten erfüllt zum einen den Tatbestand eines zweifach versuchten Betruges, d. h. einer Straftat gemäß §§ 263, 22, 23 StGB sowie - angesichts des dienstlichen Bezuges - einen zweifachen Verstoß gegen das sich aus § 54 Satz 3 BG LSA ergebende Gebot, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes so zu verhalten, wie es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, welche der Beruf eines Polizeibeamten erfordert. Auf eine - zusätzliche - Verletzung der Dienstpflicht zur Offenheit und Wahrhaftigkeit dem Dienstherrn gegenüber gemäß § 55 Satz 1 BG LSA kommt es danach nicht weiter an.

Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht geht der Disziplinarsenat davon aus, dass der Beamte seinem Dienstherrn gegenüber bewusst falsche Angaben über Kaufdatum und Kaufpreis der beschädigten Jacke sowie dem Geschädigten gegenüber bewusst falsche Angaben über den Wert der beschädigten Jacke, zusätzlich über die Kosten für die Wiederbeschaffung der Schlüssel gemacht hat, und zwar in der Absicht, auf diesem Wege eine höhere Entschädigungsleistung zu erzielen als die eigentlich angemessene. Dies ergibt sich aus folgendem:

In dem von ihm am 4. April 2003 unterzeichneten Formular für die Geltendmachung von Entschädigungsleistungen hat der Beamte unmissverständlich angegeben, er habe die Jacke im November 2002, d. h. wenige Monate zuvor, zu einem Preis von 199,00 € erworben. Dieser Preis entsprach, wie der Beamte selbst eingeräumt hat, noch nicht einmal der Hälfte des eigentlichen Kaufpreises, welcher bei allenfalls 140,00 DM = 70,00 € gelegen hat. Auch das angegebene Kaufdatum entsprach nicht der Wahrheit, zumal die Jacke unübersehbar bereits erhebliche Gebrauchsspuren aufwies. Der Disziplinarsenat ist davon überzeugt, dass dem Beamten die Fehlerhaftigkeit seiner Angabe vom entweder bereits zum Zeitpunkt der Erklärung bewusst war oder jedenfalls später bewusst geworden ist. Dies ergibt sich unzweifelhaft daraus, dass der Beamte von der Jacke die - eine Identifizierung ermöglichenden - Etiketten abgetrennt hat, bevor er sie seiner Dienstbehörde übersandt hat. Dieses Verhalten kann nur so gedeutet werden, dass es dem Beamten darum ging, die Fehlerhaftigkeit seiner Angaben zum Alter und Kaufpreis zu verschleiern und den von ihm bei seinem Dienstherrn bereits erregten Irrtum zu unterhalten. Dadurch dass der Beamte bei Übersendung der Jacke an die Dienststelle seine zuvor abgegebene - fehlerhafte - Wertangabe nicht korrigiert hat, hat er an der ursprünglichen Täuschung des Dienstherrn festgehalten. Der Disziplinarsenat hat auch keinen Zweifel daran, dass der Beamte seine Dienstbehörde bewusst über Kaufdatum und -preis der Jacke täuschen wollte, um - wenn auch auf der Basis des Zeitwertes - eine höhere Entschädigung zu erlangen als die eigentlich berechtigte. Ein solches Verhalten stellt - neben einer strafbaren Handlung eines Betrugsversuchs - ein innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BG LSA dar, denn der Beamte hat insoweit gegen die ihm aus dem Beamtenverhältnis obliegende Pflicht zu einem achtungsgemäßen Verhalten innerhalb des Dienstes i. S. von § 54 Satz 3 BG LSA vorsätzlich verstoßen. Es wäre von dem Beamten unbedingt zu erwarten gewesen, den Dienstherrn spätestens bei Abgabe der Jacke über die ihm zwischenzeitlich bewusst gewordenen Zweifel an dem Anschaffungszeitpunkt der Jacke und an dem dafür gezahlten Kaufpreis aufzuklären, anstatt an der ursprünglichen falschen Angabe festzuhalten. Wenn die von ihm zum Kaufpreis gegebene Einlassung, er habe eine Euro-Summe mit einer DM-Summe verwechselt, tatsächlich der Grund für die entstandenen Zweifel war, so war der Beamte gehalten, diese dem Dienstherrn zu offenbaren, anstatt an einer - als unrichtig erkannten - früheren Angabe festzuhalten. Gleiches gilt auch hinsichtlicht des Anschaffungsjahres, denn daran, dass die Jacke erst wenige Monat alt war, mussten sich dem Beamten schon angesichts des Gebrauchszustands erhebliche Zweifel aufgedrängt haben. Die Einlassung des Beamten, er habe "Angst" vor der richtigen Angabe gehabt, vermag ihn als Polizeibeamten ebenso wenig zu entlasten, wie diejenige, er habe aus "Wut" über die Verwaltung gehandelt; ein solches Verhalten der eigenen Verwaltung gegenüber ist bereits für sich völlig unangemessen. Hinzu kommt, dass dem Beamtem durch bewusstes, anderenfalls grob sorgloses und damit pflichtwidrigeres Verhalten jedenfalls die Pflicht zugewachsen ist, den von ihm beim Dienstherrn erregten Irrtum aufzuklären.

Bei dieser Sachlage kann es letztlich offen bleiben, ob der Beamte der Zeugin A. auf Nachfrage - wahrheitswidrig - erklärt hat, er habe die Jacke bei Peek & Cloppenburg gekauft. Es ist schon als pflichtwidriges Unterlassen richtiger Angaben anzusehen, dass er die Zeugin nicht darüber aufgeklärt hat, dass er die Jacke tatsächlich bei "Werdin" gekauft habe. Denn dass ihm dies zwischenzeitlich bewusst gewesen sein musste, ergibt sich schon aus den herausgetrennten Etiketten, die auf die Herkunft der Jacke hätten hinweisen können.

Auch hinsichtlich der Geltendmachung von Schadenersatz gegenüber dem Schädiger H. geht der Disziplinarsenat davon aus, dass der Beamte - wenn auch mit Hilfe des ihn vertretenden Rechtsanwaltes - bewusst eine falsche Kaufpreissumme für die Jacke und die Ersatzschlüssel genannt hat, um einen höheren als den angemessenen Schadenersatz zu erlangen. Dem steht auch nicht entgegen, dass - worauf der in Anspruch genommene Schädiger selbst hingewiesen hat - hinsichtlich der Jacke ein Anspruch auf Schadenersatz zum Neupreis ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre; indes hatte der Beamte selbst die überhöhte Kaufpreissumme zur Grundlage seiner Forderung gemacht. Insoweit schließt sich der Disziplinarsenat der strafrechtlichen Würdigung durch das Amtsgericht Wittenberg dahin gehend an, dass es sich insoweit um den Versuch eines Betrugsdeliktes i. S. von § 263 StGB handelte. Disziplinarrechtlich ist dieses Verhalten als ein - außerdienstliches - Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA anzusehen, denn der Beamte hat sich auch insoweit entgegen § 54 Satz 3 BG LSA nicht so verhalten, wie es der Achtung und dem Vertrauen, welches in die Tätigkeit gerade eines Polizeibeamten zu setzen ist, entspricht. Der dienstliche Bezug des Verhaltens ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass der Beamte mit dem anwaltlichen Schreiben ausdrücklich auf seine Beamteneigenschaft und die im Dienst entstandene Grundlage für seinen Schadenersatzanspruch hingewiesen hat.

Ist danach von einer zweifachen Dienstpflichtverletzung auszugehen, so erscheint dem Disziplinarsenat die von der Einleitungsbehörde geforderte Versetzung des Beamten in ein Amt mit einem niedrigeren Endgrundgehalt gemäß § 10 der hier gemäß § 81 Abs. 4 bis 6 DG LSA vom 21. März 2006 (GVBl. S. 102) anwendbaren DO LSA als die angezeigte Disziplinarmaßnahme. Die mit einem Betrug bzw. einem Betrugsversuch gegenüber der eigenen Verwaltung beabsichtigte rechtswidrige Bereicherung und entsprechende Schädigung der Verwaltung beeinträchtigt die Vertrauensbasis zwischen Beamten und Dienstherrn schwerwiegend. Ein Beamter, der das Vertrauen in seine Uneigennützigkeit und Redlichkeit missbraucht, stellt seine Vertrauenswürdigkeit für die Zukunft infrage. Bedarf daher bereits die in betrügerischer Absicht vorgenommene Täuschung des Dienstherrn selbst einer spürbaren Sanktion, so gilt dies umso mehr, als noch das - wenn auch außerdienstliche - Dienstvergehen der bewusst überzogenen Regressforderung gegenüber dem Schädiger hinzutritt. Der Disziplinarsenat vermag in dem Handeln - mit Ausnahme des Umstandes, dass die Entschädigungssumme ohnehin nicht besonders hoch ausgefallen wäre - besondere Milderungsgründe, die zugunsten des Beamten sprechen könnten, nicht zu erkennen. Insbesondere sieht der Disziplinarsenat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beamte etwa seine falschen Wertangaben aus einer Unbedachtheit bzw. mangelnden Überlegung heraus abgegeben hat. Dagegen spricht sein gesamtes Verhalten: Der Beamte hat in seiner Schadensanzeige unzweideutig erklärt, die Jacke im November 2002 zu einem Kaufpreis von 199,00 € gekauft zu haben und diese Angabe im Übrigen auch in dem von ihm veranlassten Anwaltsschreiben vom 11. Juni 2003 aufrechterhalten. Er hat über einen Zeitraum von mehreren Monaten zu keinem Zeitpunkt Veranlassung gesehen, über die ihm entstandenen Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben zu informieren, sondern im Gegenteil die Herkunft der Jacke dadurch zu verschleiern versucht, dass er die Etiketten aus der Jacke entfernt hat, bevor er sie - dies auch erst nach ausdrücklicher Aufforderung - dem Dienstherrn übersandt hat. Dieses Verhalten begründet ohne weiteres den Vorwurf eines Betrugsversuchs mit entsprechender Bereicherungsabsicht. Dabei mag dem Beamten insoweit eingeräumt werden, dass es ihm nicht darum gegangen sein mag, den von ihm angegebenen Neupreis für die Jacke erstattet zu bekommen; indes war ihm daran gelegen, dass der Dienstherr seiner Billigkeitsentschädigung auf der Basis der entsprechenden Billigkeitsrichtlinie den Anschaffungsneupreis für die Jacke zugrunde legte. Hinsichtlich der dem Schädiger gegenüber geltend gemachten - überzogene - Schadensforderung hält der Senat die Einlassung des Beamten, er habe die Quittung des Schlüsseldienstes rückdatieren lassen, für ein bloße Schutzbehauptung, so dass es insoweit bei dem Vorwurf bewusst fehlerhafter Angaben gegenüber dem Schädiger bleibt.

Die vorstehende Verhaltensweise lässt daher nach Auffassung des Disziplinarsenats bereits Zweifel daran aufkommen, ob überhaupt noch die erforderliche Vertrauensbasis für einen Verbleib des Beamten im Polizeidienst gegeben ist. Gerade von einem Polizeibeamten, zu dessen Kernaufgaben es gehört, Straftaten Dritter zu verfolgen, muss erwartet werden, dass er sich nicht dazu hinreißen lässt, aus eigennützigen Motiven seinen Dienstherrn oder Dritte zu betrügen. Der Disziplinarsenat hat daher durchaus auch die schärfste Sanktion einer Entfernung aus dem Dienst in Betracht gezogen. Der Beamte hat sich im Verlauf der Verhandlung vor dem Senat einsichtig gezeigt und sein Fehlverhalten ausdrücklich bedauert. Es besteht daher Anlass zu der Annahme, dass er sich bereits die - durchaus gravierende - Disziplinarmaßnahme der Degradierung zu Herzen nimmt und auf korrektes Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes bedacht sein wird. Vor allem wird er auch sein mitunter sehr temperamentvolles Wesen zügeln müssen. Nicht zuletzt auch angesichts der von dem Beamten zwischenzeitlich erbrachten guten dienstlichen Leistungen geht der Senat - wie offensichtlich auch die Einleitungsbehörde - davon aus, dass das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn noch nicht völlig zerstört ist. Daher konnte es letztlich bei der - milderen - Sanktion der Versetzung in ein Amt mit niedrigerem Endgrundgehalt (Degradierung gemäß § 10 DO LSA a. F.) bleiben, um dem Beamten eine Chance zu geben, sich in seiner weiteren Dienst- und Lebensführung zu bewähren. Der Beamte wird nun zu beweisen haben, dass er sich sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes so verhält, wie es der Dienstherr und die Öffentlichkeit von einem Polizeibeamten erwarten dürfen. Ein künftiger ähnlicher Disziplinarverstoß kann ohne weiteres die Entfernung aus dem Dienst zur Folge haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 101 Abs. 1 Satz 3, 102 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 DO LSA a. F. Der Disziplinarsenat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass es unbillig wäre, den Beamten mit den Kosten des Verfahrens zu belasten.

Dieses Urteil wurde mit seiner Verkündung rechtskräftig, § 77 DO LSA a. F.

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