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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: 10 L 6/05
Rechtsgebiete: BDG, BBG


Vorschriften:

BDG § 12
BDG § 13 II
BBG § 77
1. Eine wiederholte vorsätzliche Trunkenheitsfahrt eines Polizeibeamten, verbunden mit mehrfachem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie in einem Falle mit einer Straßenverkehrsgefährdung stellt ein Dienstvergehen i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG dar und kann die Voraussetzungen für die Aberkennung des Ruhegehalts gemäß § 12 BDG erfüllen.

2. Der Verstoß gegen eine dem Beamten erteilte, ihm verständliche Weisung, sich einer Therapie zu unterziehen, erfüllt die Voraussetzungen eines Dienstvergehens i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG und kann zur Aberkennung des Ruhegehalts führen (Therapieverweigerung).


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 10 L 6/05

Datum: 22.06.2006

Gründe:

Der jetzt 33 Jahre alte Beklagte wurde - nach Absolvierung der Gesellenprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk - zum (...) in den Dienst des damaligen Bundesgrenzschutzes eingestellt. Am (...) folgte seine Ernennung zum Polizeimeister im Bundesgrenzschutz, am (...) die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.

Der in A-Stadt wohnhafte Beklagte verrichtete seinen Dienst im Wesentlichen bei dem Bundesgrenzschutzamt D, unterbrochen u. a. durch eine Abordnung an den Flughafen E.

Der Beklagte lebt von seiner Ehefrau und dem gemeinsamen neunjährigen Sohn getrennt; er ist für zwei weitere, nichteheliche Kinder unterhaltspflichtig. Mit Verfügung vom 9. Oktober 2003 wurde er mit Ablauf des 31. Oktober 2003 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt; seitdem erhält er Versorgungsbezüge in Höhe von ca. 1.260,00 € zuzüglich ca. 450,00 € kinderbezogenen Familienzuschlag.

Der Beklagte wurde in dem hier maßgeblichen Zeitraum (Tatzeiten zwischen Februar 2003 und Juli 2003) mehrfach wegen Alkoholdelikten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges strafrechtlich verurteilt:

am 28. Mai 2003 verurteilte ihn das Amtsgericht Braunschweig wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung infolge Trunkenheit (BAK 1,94 g/ml) zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen und einer Fahrerlaubnissperre von einem Jahr,

am 9. September 2003 erfolgte eine Verurteilung des Amtsgerichts Braunschweig wegen zweimaligen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, in einem Fall in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,31 g/ml) zu einer Geldstrafe von 50 Tagesätzen und einer Fahrerlaubnissperre von einem Jahr,

sodann verurteilte das Amtsgericht Wolfenbüttel den Beklagten am 22. Januar 2004 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 20 Tagesätzen,

mit Urteil vom 30. März 2004 erkannte das Amtsgericht Northeim gegen den Beklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,64 g/ml) in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis auf eine Freiheitsstrafe von vier Monaten sowie auf eine Fahrerlaubnissperre von zwei Jahren,

Die vorgenannten strafrichterlichen Verurteilungen waren Gegenstand des mit Verfügung vom 31. Oktober 2002 eingeleiteten und durch mehrere spätere Verfügungen jeweils gemäß § 19 Abs. 1 BDG erweiterten disziplinaren Ermittlungsverfahrens.

Aufgrund der offensichtlichen Alkoholproblematik, welche im Übrigen zu zahlreichen dienstlichen Unregelmäßigkeiten - Verspätungen, unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst - sowie zu einem erheblichen dienstlichen Leistungsabfall geführt hatten, wurde der Beklagte am 16. April 2003 zur Erstellung eines medizinischen Gutachtens bei dem Sozialmedizinischen Dienst einbestellt. Dort erschien er mit einer dreistündigen Verspätung und mit der Entschuldigung, er habe verschlafen; dabei trug er - wie sich aus dem Gutachten ergibt - eine auffällige Alkoholfahne. In dem Gutachten vom 7. Mai 2003 heißt es u. a. wie folgt:

"In der Gesamtschau der Ereignisse ist von dem Vorliegen einer psychischen Gesundheitsstörung in Verbindung mit Alkoholmissbrauch auszugehen. Hier besteht primäre Behandlungsbedürftigkeit. PM A. muss sich dringend einer klinischen Behandlung unterziehen ..."

Am 13. Mai 2003 begann der Beklagte eine ambulante Therapie in einer Tagesklinik in F. Die Behandlung wurde indes am 22. Mai 2003 abgebrochen, weil der Beklagte nicht erschienen war. Am Vortag hatte er erneut unter Alkoholeinfluss (BAK 1,31 g/ml) ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt. Danach erschien der Beklagte mehrere Tage lang unentschuldigt nicht zum Dienst. Sodann wurde - in Abstimmung mit den den Beklagten behandelnden Ärzten - eine tagesstationäre Behandlung im Kreiskrankenhaus G vereinbart, welche ab dem 19. Juni 2003 beginnen sollte. Der Beklagte trat indes diese Behandlung nicht an und blieb stattdessen dem Dienst wiederum unerlaubt fern.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2003 hielt die Dienststelle dem Beklagten erneut die Notwendigkeit einer klinischen Behandlung vor Augen. In dem Schreiben heißt es u. a. wie folgt:

"Gemäß § 54 Satz 1 BBG sind Sie zur vollen Hingabe an den Beruf verpflichtet. Dazu gehört die Pflicht zur Gesunderhaltung und die Pflicht zur aktiven Mitwirkung bei allen Behandlungen ... So haben Sie z. B. eine Alkoholentwöhnungsbehandlung anzutreten und durchzustehen. Dies gilt ebenso für Behandlungen bei psychischen Erkrankungen. Der Abbruch einer solchen Therapie ist einer Verweigerung derselben gleichzusetzen, mit der Folge disziplinarer Maßnahmen ... Ich fordere Sie deshalb zur aktiven Unterstützung angefangener und noch durchzuführender Behandlungen auf. Dazu haben sie sich beim Leiter des Sanitätsdienstes der BGSA D vorzustellen. Ich fordere Sie deshalb auf, bis zum 1.7.2003 einen entsprechenden Termin zu vereinbaren und mir zu melden."

Sodann trat der Beklagte zwar am 24. Juni 2003 eine ambulante Therapie im Kreiskrankenhaus G an, brach diese jedoch vorzeitig wieder ab, nachdem er am 3. Juli 2003 mit einem Blutalkoholgehalt von 1,64 g/ml - ohne Fahrerlaubnis - die BAB 7 in der Nähe von Northeim befahren hatte und infolge Alkoholeinflusses mit seinem PKW in den Graben gerutscht war.

Der Beklagte wurde schließlich durch Schreiben des Grenzschutzpräsidiums H vom 14. Juli 2003 erneut aufgefordert, sich einer dringend notwendigen stationären Behandlung zu unterziehen und hierzu unverzüglich mit dem Abteilungsarzt Kontakt aufzunehmen. In dem Schreiben heißt es wie folgt:

"Da bezüglich des Alkoholmissbrauchs eine primäre Behandlungsbedürftigkeit gesehen wird, sollten Sie sich dringend einer klinischen Behandlung unterziehen. Zwei zwischenzeitlich angetretene teilstationäre Behandlungen ... haben sie vorzeitig abgebrochen.

Ich weise Sie darauf hin, dass Sie gemäß § 54 Satz 1 BBG dazu verpflichtet sind, alles Ihnen Zumutbare zu unternehmen, um Ihre Dienstfähigkeit wieder herzustellen. Da die Durchführung einer teilstationären Behandlung in Ihrem Falle als gescheitert angesehen werden muss, fordere ich Sie auf, eine stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung durchzuführen und diesbezüglich unverzüglich Kontakt mit dem für Sie zuständigen Abteilungsarzt aufzunehmen."

Dieser Aufforderung kam der Beklagte indes nicht nach, so dass mit Verfügung vom 18. Juni 2003 die vorläufige Dienstenthebung gemäß § 60 BBG angeordnet und schließlich unter dem 9. Oktober 2003 die Zurruhesetzungsverfügung wegen Dienstunfähigkeit zum Ablauf des 31. Oktober 2003 erging.

Am 23. April 2004 hat die Klägerin Disziplinarklage erhoben, mit welchem sie die Aberkennung des Ruhegehalts des Beamten erstrebt. In der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkammer - an welcher der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teilgenommen hat - hat die Klägerin beantragt,

dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

Die Disziplinarkammer hat dem Antrag der Klägerin entsprochen. Zur Begründung hat die Disziplinarkammer im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe ein -einheitliches - Dienstvergehen begangen, indem er seine Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf (§ 54 Satz 1 BBG) sowie zum allgemeinen Wohlverhalten (§ 54 Satz 2 BBG), seine Gehorsamspflicht (§ 55 Satz 2 BBG) und seine Pflicht zur Nichtbegehung von Straftaten und damit zu achtungswürdigem Verhalten auch außerhalb des Dienstes verletzt habe. Dabei hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung - selbständig tragend - auf folgende Dienstpflichtverletzungen abgestellt:

Zum einem habe der Beklagte schuldhaft nicht daran mitgewirkt, seine offensichtlich bestehende Alkoholkrankheit zu überwinden, indem er Therapieversuche abgebrochen und auch in der Folgezeit nicht an einer Therapie seiner gesundheitlichen Probleme mitgewirkt habe. Daneben habe sich der Beklagte bereits wegen der von ihm begangenen Straftaten im Zusammenhang mit Trunkenheit im Verkehr bzw. wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis einer Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht, welche geeignet sei, Achtung und Vertrauen in bedeutsamer Weise zu beinträchtigen. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG für die Aberkennung des Ruhegehalts seien gegeben, denn der Beklagte hätte als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müssen.

Gegen die Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten, mit welcher er zwar nicht das Vorliegen eines Disziplinarvergehens in Abrede stellt, aber eine Milderung der vom Verwaltungsgericht verhängten Sanktion anstrebt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Er habe die ambulante Therapie in G abgebrochen, weil ihm angesichts seiner damaligen finanziellen Belastungen die Mittel für die Bezahlung der täglichen Hin- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefehlt hätten. Im Übrigen habe es an der gebotenen Unterstützung der Alkoholproblematik durch seinen Dienstherrn gefehlt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass bei Alkoholkranken eine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht gegeben sei. Hinsichtlich der Trunkenheitsfahrten sei hervorzuheben, dass eine Trunkenheit am Steuer - wenn damit nicht eine Gefährdung für Leib oder Leben anderer Verkehrsteilnehmer verbunden sei - nicht als Straftat von echtem kriminellem Gehalt angesehen werden könne. Insgesamt fehle es schließlich an einer Abwägung unter Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen, welche hätte dazu führen müssen, dass hier (zunächst) eine mildere Sanktion als diejenige der Aberkennung des Ruhegehalts hätte verhängt worden wäre.

Der Beklagte, der zur mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat trotz ordnungsgemäßer Ladung persönlich nicht erschienen ist, beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - Disziplinarkammer - vom 6. September 2005 zu ändern und statt der Aberkennung des Ruhegehalts auf eine Kürzung des Ruhegehalts um ein Fünftel für den Zeitraum von drei Jahren zu erkennen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Aberkennung des Ruhegehaltes weiterhin für geboten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Beiakten Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg, denn die von der Disziplinarkammer verhängte Sanktion ist - auch der Höhe nach - rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Disziplinarsenat schließt sich - auch unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung und des Ergebnisses der mündlichen Berufungsverhandlung - der Auffassung der Disziplinarkammer an, wonach die Voraussetzungen für die Aberkennung des Ruhegehalts gemäß § 12 BDG gegeben sind, denn der Beklagte hätte als noch im Dienst befindlicher Beamter aufgrund der festgestellten Dienstpflichtverletzungen aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müssen. Dies ergibt sich aus folgendem:

Bereits die von dem Beklagten mehrfach begangenen Straftaten der Trunkenheit im Straßenverkehr, des mehrfachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie der Straßenverkehrsgefährdung erfüllen die Voraussetzungen eines außerdienstlichen Disziplinarvergehens i. S. von § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG. Dabei berücksichtigt der Disziplinarsenat durchaus die - neuere - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine - erstmalige - außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Beamten i. S. von § 316 StGB noch nicht als Verletzung von Dienstpflichten i. S. von § 54 Satz 3 BBG anzusehen ist (so BVerwG, U. v. 30.8.2000 - DVBl. 2001, S. 137). Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob eine Dienstpflichtverletzung dann gegeben sein kann, wenn bei einer Mehrzahl entsprechender außerdienstlicher Gesetzesverstöße der Schluss möglich ist, dass das Fehlverhalten "dadurch eine neue Qualität im Hinblick auf die Beurteilung der dienstlichen Vertrauenswürdigkeit des Beamten" erhält. Diese Voraussetzungen sieht der Disziplinarsenat in dem hier gegebenen Sachverhalt als gegeben an:

Zum einem handelt es sich hier nicht um eine lediglich einmalige Trunkenheitsfahrt i. S. von § 316 StGB, sondern um eine erhebliche Zahl gleich gelagerter Fälle in einem engen Zeitraum von weniger als einem Jahr; dazu kommt, dass es in einem Fall nicht nur bei der - abstrakten Straßenverkehrsgefährdung in Gestalt einer - Trunkenheitsfahrt verblieb, sondern dass hier eine vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung i. S. von § 315 c StGB, d. h. eine konkrete Gefährdung für Leib oder Leben anderer Verkehrsteilnehmer festzustellen war.

Zu berücksichtigen ist auch der Umstand, dass sich der Beklagte weder durch die mehrfache strafrichterliche Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrten, verbunden mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis, noch durch die Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis hat davon abbringen lassen, gleichwohl wiederholt ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Dabei sieht es der Disziplinarsenat - gerade im Hinblick auf die dienstliche Stellung des Beklagten als Polizeibeamter - als zusätzlich gravierend an, dass dieser - trotz Entziehung der Fahrerlaubnis und einschlägiger strafrechtlicher Vorverurteilungen - mit seinem PKW zu seiner Dienststelle nach D gefahren ist. Eine derartige Hartnäckigkeit und Häufigkeit von Verstößen gegen elementare strafrechtliche Bestimmungen durch einen Polizeivollzugsbeamten ist ohne Zweifel geeignet, den Rückschluss auf eine fehlende Gesetzestreue zuzulassen und die Annahme zu begründen, dass eine derartige Verhaltensweise zu einer ganz erheblichen Beeinträchtigung der dienstlichen Vertrauenswürdigkeit eines Beamten und nicht zuletzt auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsbeamtentums in der Öffentlichkeit führt, die für sich die Annahme eines endgültigen Vertrauensverlustes rechtfertigt.

Danach schließt sich der Disziplinarsenat der Auffassung der Disziplinarkammer dahin gehend an, dass auch außerdienstliche Trunkenheitsfahrten - jedenfalls wenn sie in der hier gegebenen Häufigkeit festzustellen sind - eine Verletzung von Dienstpflichten i. S. von § 54 Satz 3 BBG begründen.

Im Übrigen kommt - selbständig tragend - hinzu, dass der Beklagte auch mit seiner hartnäckigen Weigerung, an Therapien zur Beseitigung seiner alkoholbedingten Dienstunfähigkeit teilzunehmen, einen Verstoß gegen seine Dienstpflichten i. S. von §§ 54 Satz 1, 55 Satz 2 BBG und damit auch insoweit ein schuldhaftes Dienstvergehen i. S. von § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen hat.

Die Verpflichtung eines dienstunfähig gewordenen Beamten zur Wiederherstellung seiner verlorenen bzw. eingeschränkten Dienst- und Einsatzfähigkeit stellt eine Kernpflicht im Rahmen des Beamtenverhältnisses dar (so genannte Gesundungspflicht). Zwar ruht im Falle der Dienstunfähigkeit die allgemeine Dienstleistungspflicht; indes ist der dienstunfähige Beamte umso mehr verpflichtet, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, um die Dienstfähigkeit wieder herzustellen (vgl. dazu bereits BVerwGE 63, S. 327, 328; Köhler/Ratz, BDG, 4. Auflg., S. 203 m. w. N.). Maßgeblich für das geschuldete Genesungsverhalten ist grundsätzlich die konkrete ärztliche Anordnung, wobei vorrangig Anordnungen des - insoweit mit spezifischen Sachkenntnissen ausge-statteten - amts- bzw. behördlichen Dienstes Folge zu leisten ist.

Dem Beklagten wurde durch den zuständigen Arzt des Sozialmedizinischen Dienstes der Klägerin aufgegeben, sich "dringend" einer klinischen Behandlung zu unterziehen. Diese ärztliche Weisung wurde dem Beklagten mit Schreiben seiner Beschäftigungsdienststelle vom 19. Juni 2003 nochmals - in eindeutiger und klar verständlicher Fassung - übermittelt; zugleich wurde er dazu aufgefordert, "angefangene bzw. noch durchzuführende" Behandlungen zu unterstützen. Mit Schreiben des Grenzschutzpräsidiums H vom 14. Juli 2003 wurde der Beklagte nochmals - nicht minder eindeutig und verständlich - aufgefordert, eine stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung durchzuführen und diesbezüglich unverzüglichen Kontakt zu dem zuständigen Abteilungsarzt aufzunehmen. Es ist auch weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst erkennbar, dass der Beklagte etwa aufgrund seiner Alkoholproblematik nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Deutlichkeit bzw. Verbindlichkeit der ihm erteilten Weisungen zu erkennen und umzusetzen. Vielmehr war dem Beklagten jeweils klar und unzweideutig vorgegeben, was er zu veranlassen hatte.

Der Beklagte hat gegen ihn erteilte dienstliche Weisungen mehrfach schuldhaft verstoßen, indem er zum einen ambulante Therapien in F und G abgebrochen, zum anderen die ihm weiter auferlegte stationäre Therapie gar nicht erst angetreten hat. Die hinsichtlich des Abbruchs der teilstationären Therapie in G gegebene Einlassung des Beklagten, er habe kein Geld für tägliche Fahrten gehabt, vermag ihn nicht zu entlasten. Abgesehen davon, dass - worauf die Klägerin mit Recht hinweist - die Fahrtstrecke nach G (ca. 32 km) deutlich kürzer ist als diejenige zum Dienstort des Beklagten (ca. 98 km), war es dem Beklagten durchaus zuzumuten, sich für den Fall eines tatsächlichen finanziellen Engpasses an seine Dienstbehörde zu wenden, anstatt ohne weiteres eine bereits vorbereitete und abgesprochene Therapie - deren Notwendigkeit von ihm zu keiner Zeit infrage gestellt worden war - einfach abzubrechen.

Das Gesamtverhalten des Beklagten kann daher nur so gedeutet werden, dass er letztlich eine Maßnahme zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit insgesamt ablehnte, sondern sich stattdessen - wie die Häufung seiner Trunkenheitsdelikte zeigt - dem Alkoholgenuss hingab. Danach ist davon auszugehen, dass der Beklagte schließlich seine Dienstunfähigkeit und damit seine Versetzung in den Ruhestand selbst veranlasst hat. Mit seiner Weigerung, sich einer zumutbaren Behandlung zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu unterziehen, hat der Beklagte schuldhaft gegen die ihm obliegende Gehorsamspflicht gemäß § 55 Satz 2 BBG verstoßen.

Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass die Klägerin - wie der Beklagte behauptet - ihn nicht hinreichend bei der Bekämpfung seiner Alkoholproblematik unterstützt hat. Das Gegenteil ergibt sich bereits daraus, dass die Dienststelle des Beklagten maßgeblich daran beteiligt war, im Zusammenwirken mit dem medizinischen Dienst geeignete therapeutische Einrichtungen für den Beklagten zu finden und dessen Aufnahme vorzubereiten.

Die vorstehend festgestellten Dienstpflichtverletzungen rechtfertigen - bereits jeweils für sich genommen, in jedem Falle aber insgesamt - die Verhängung der erkannten Höchstmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts gemäß § 12 Abs. 1 BDG, denn ein aktiver Beamter, der entsprechende Dienstvergehen begangen hätte, hätte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren und wäre aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Eine mildere Maßnahme, welchen den Beklagten im Ruhestandsbeamtenverhältnis verbleiben ließe, kam nicht in Betracht; die erkannte Höchstmaßnahme ist auch nicht etwa unverhältnismäßig, zumal sie allein auf das dem Beklagten selbst zuzurechnende Verhalten zurückzuführen ist. Milderungsgründe sind schließlich weder dargetan noch ersichtlich. Im Übrigen hat der Beklagte mit seinem Nichterscheinen in beiden mündlichen Verhandlungen auch nicht die Chance genutzt, eine mögliche Abkehr vom Alkohol und eine Ordnung seiner persönlichen Lebensverhältnisse darzutun, was möglicherweise hätte Berücksichtigung finden können. Es ist weder dem Dienstherrn noch dem Steuerzahler zuzumuten, einem noch sehr jungen Beamten, der seine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit letztlich selbst zu vertreten hat, ein lebenslanges Ruhegehalt zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 4 BDG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 69 BDG i. V. m. § 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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