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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 2 L 109/07
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 54 Nr. 1
Auf eine Zweitausweisung, die als Regelausweisung nach § 54 AufenthG erlassen wird, kann die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zweitausweisung auf der Grundlage der Vorschriften über die Ermessensausweisung des Ausländergesetzes (Ur-teile vom 05.11.1985 - 1 C 40.82 - DVBl. 1986, 511 und vom 31.03.1998 - 1 C 28/97 - BVerwGE 106,302) nicht ohne weiteres übertragen werden.
Gründe:

Der gemäß § 124a Abs. 4 VwGO zulässige Antrag ist nicht begründet.

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Ausweisungsverfügung des Beklagten vom 15.11.2005 ist aus den vom Kläger vorgebrachten Gründen rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 54 Nr. 3 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zuwider ohne Erlaubnis Betäubungsmittel in Verkehr bringt oder mit ihnen handelt. Die Voraussetzungen dieses Regelausweisungsgrundes liegen vor. Der Kläger ist mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 18.03.2005 (Az.: 271 Js 31139/03) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 12 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden.

Entgegen dem Antragsvorbringen ist die Ausweisung auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich mit dem bestandskräftigen Bescheid der Ausländerbehörde Hamburg vom 03.04.2003, aus anderen Gründen als den nunmehr zugrunde gelegten ausgewiesen wurde. Der Kläger trägt insoweit vor, angesichts der bereits vorliegenden Ausweisung hätte die nunmehrige Zweitausweisung nur erlassen werden dürfen, wenn hierfür ein öffentliches Interesse bestanden hätte, an dem es hier aber gerade fehle. Mit diesem Einwand vermag der Kläger nicht durchzudringen.

Verwirklicht ein bereits ausgewiesener Ausländer - wie hier der Kläger - weitere Ausweisungsgründe, ist die Ausländerbehörde durch die §§ 53 ff. AufenthG nicht gehindert, ihn aufgrund dieser neuen Gründe erneut auszuweisen, d.h. eine weitere Ausweisungsverfügung (Zweitausweisung) zu erlassen. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Zweitausweisung ging auf der Grundlage des Ausländergesetzes auch das Bundesverwaltungsgericht aus (Urt. v. 05.11.1985 - 1 C 40.82 - DVBl. 1986, 511). Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung ausgeführt, dass es für die in diesem Fall angegriffene Zweitausweisung entgegen einem Argument der Vorinstanz auch nicht an einem öffentlichen Interesse fehle. Ein solches öffentliches Interesse an einer Zweitausweisung bestehe zumindest dann, wenn zu befürchten sei, die Sperrwirkung der ersten Ausweisung werde ohne Rücksicht auf den neuen Ausweisungsgrund und das dadurch ausgelöste Schutzbedürfnis der Allgemeinheit entfallen (so auch: BVerwG, Urt. v. 31.03.1998 - 1 C 28/97 - BVerwGE 106,302; OVG Hamburg, Beschl. v. 02.07.1991 - BS IV 154/91 - juris; Hailbronner, AuslR, § 53 AufenthG RdNr. 7). Ein solcher Fall dürfte hier zwar nicht vorliegen, weil kein Grund ersichtlich ist, weshalb die Sperrwirkung der bestandskräftigen und nicht befristeten Ausweisung der Ausländerbehörde Hamburg vom 03.04.2003, etwa aufgrund einer Rücknahme oder aus sonstigen Gründen, entfallen sein sollte. Die genannte Rechtsprechung kann indessen schon deshalb nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil sie sich auf Ermessensausweisungen im Sinne der §§ 45 f. AuslG bezieht, die angefochtene Ausweisung jedoch eine Regelausweisung nach § 54 AufenthG darstellt. Das Kriterium des öffentlichen Interesses ist ein Ermessensgesichtspunkt (vgl. Discher, in: GK AufenthG, vor §§ 53 ff. RdNr. 1309). Bei der Regelausweisung nach § 54 AufenthG steht der Behörde ein Ermessensspielraum aber nur dann zu, wenn kein Regel-, sondern ein Ausnahmefall vorliegt (vgl. Hailbronner, AuslR, § 54 AufenthG RdNr. 50 unter Hinweis auf BVerwGE 94, 35, 44). Ein Ausnahmefall dürfte jedoch nicht allein mit dem Vorliegen einer bereits erlassenen Ausweisungsverfügung begründet werden können.

Selbst wenn man aber eine solche Auffassung vertreten und aufgrund dessen am Erfordernis des öffentlichen Interesses auch für die Regelzweitausweisung festhalten würde, könnte ein solches öffentliches Interesse hier durchaus bejaht werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 05.11.1985 (Az.: 1 C 40.82 - DVBl. 1986, 511) keine abschließenden Kriterien für das öffentliche Interesse am Erlass einer Zweitausweisung aufgestellt. Vielmehr hat es lediglich festgestellt, dass ein öffentliches Interesse an einer solchen Zweitausweisung zumindest dann bestehe, wenn zu befürchten sei, die Sperrwirkung der ersten Ausweisung werde ohne Rücksicht auf den neuen Ausweisungsgrund und das dadurch ausgelöste Schutzbedürfnis der Allgemeinheit entfallen. Angesichts dessen kann ein öffentliches Interesse an einer Zweitausweisung auch aus anderen Gründen als den vom Bundesverwaltungsgericht genannten vorliegen. Hier spricht für das öffentliche Interesse, dass es sich bei der Erstausweisung um eine Ermessensausweisung auf der Grundlage des nicht mehr geltenden Ausländergesetzes handelt, die zudem von einer für den Kläger nicht mehr zuständigen Behörde erlassen wurde. Vor diesem Hintergrund bestand schon aus Klarstellungsgründen ein öffentliches Interesse daran, den vom Kläger ungeachtet der bereits erlassenen Ausweisung erneut begangenen schwerwiegenden Rechtsverstößen, die nunmehr eine Regelausweisung im Sinne des § 54 AufenthG nach sich ziehen, durch eine entsprechende Verfügung Rechnung zu tragen.

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die angefochtene Zweitausweisung stelle für ihn eine besondere Belastung dar, weil er sich nunmehr zum Erlangen einer Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG mit zwei Ausweisungsverfügungen konfrontiert sehe und für jede von diesen im Wege von zwei gesonderten Verwaltungsverfahren jeweils eine Befristung beantragen müsse. Dieser Mehraufwand erscheint schon deshalb nicht ungerechtfertigt, weil sich der Kläger trotz der gegen ihn bereits verhängten Ausweisung nicht von der Verwirklichung weiterer Ausweisungsgründe hat abschrecken lassen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47, 52 GKG <Streitwert>.

Ende der Entscheidung

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