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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 2 L 14/02
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 35 I 1
BauGB § 35 III
1. Ein Gebäude dient keinem forstwirtschaftlichen Betrieb, wenn es nach seiner Gestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung nicht von dem Betrieb geprägt wird.

Bei einem Wohngebäude ist entscheidend, wie viele Arbeitsstunden für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung jährlich aufzuwenden sind.

2. Ob die Gefahr einer Splittersiedlung droht, ist nicht davon abhängig, ob die zu beurteilenden Flächen, von denen die Gefahr der Verfestigung oder Erweiterung ausgeht, im Eigentum des Bauherrn stehen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 14/02

Datum: 31.03.2005

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), i. V. m. Nrn. 9.1.1 und 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 [1328]) <Streitwert>.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Instandsetzung des in Rede stehenden, im Außenbereich liegenden ehemaligen Forstarbeiterhauses zur Wohnnutzung sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es nicht zu den nach § 35 Abs. 1 des Baugesetzbuchs - BauGB - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1997 (BGBl I 2141, ber.: BGBl. 1998 I 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.06.2004 (BGBl I 1359), privilegierten Vorhaben gehöre und seine Ausführung öffentliche Belange beeinträchtige.

Dem Verwaltungsgericht ist insbesondere darin zu folgen, dass das streitige Gebäude keinem forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient. Unabhängig davon, ob es sich bei dem vom Kläger begonnenen Unternehmen um einen "Betrieb" im Sinne dieser Bestimmung handelt, kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Gebäude einem solchen Betrieb dient.

Den Begriff des "Dienens" hat das Verwaltungsgericht unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend ausgelegt. Danach ist insbesondere darauf abzustellen, ob ein vernünftiger Forstwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs ein Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Ein Bauvorhaben im Außenbereich ist nicht allein deshalb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert, weil der Bauherr Land- oder Forstwirt ist; aus der Privilegierung eines Betriebes allein folgt nicht zwangsläufig die Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Außenbereich (BVerwG, Beschl. v. 21.06.1996 - BVerwG 4 B 89.96 -, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 322). Das Merkmal des Dienens ist vielmehr zu verneinen, wenn das Vorhaben zwar nach seinem Verwendungszweck gerechtfertigt sein mag, nach seiner Gestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung aber nicht durch diesen Verwendungszweck erschöpfend geprägt wird; dabei ist für die Beziehung des Vorhabens zum Betrieb die konkrete Betriebsweise ausschlaggebend (BVerwG; Urt. v. 16.05.1991 - BVerwG 4 C 2.89 -, DÖV 1992, 73 [75]). Bei der Errichtung eines Gebäudes zu Wohnzwecken ist entscheidend, wie viele Arbeitsstunden für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung jährlich aufzuwenden sind; dies wird bei forstwirschaflichen Betrieben maßgeblich beeinflusst von der Art des Waldes, seiner Lage (Hanglage), vom Alter des Forstbestandes, vom Umfang des zu schlagenden Holzes und der nachfolgenden Aufforstung sowie vom Umfang der sonstigen Pflege des Waldes (BVerwG, Urt. v. 04.03.1983 - BVerwG 4 C 69.79 -, BRS 40 Nr. 71). Maßgeblich ist auf die sich aus den spezifischen Abläufen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs ergebenden Zweck der ständigen Anwesenheit und Bereitschaft auf dem Betriebsgelände abzustellen (vgl. VGH BW, Urt. v. 26.02.2002 - 5 S 2048/00 -, NuR 2003, 171; Urt. v. 06.02.1991 - 3 S 2873/90 -, NuR 1991, 431; OVG RP, Urt. v. 11.06.1986 - 1 A 125/83 -, NuR 1987, 273 [274]; BayVGH, Urt. v. 25.09.1995 - 14 B 94.3676 -, BRS 57 Nr. 101).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht eine dem Betrieb dienende Funktion des streitigen Vorhabens zu Recht verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Beaufsichtigung der Waldflächen durch den (seinerzeit) vom Kläger betrauten Forststudenten dessen ständige Anwesenheit vor Ort nicht erfordere.

Auch die vom Kläger innerhalb der Antragsfrist vorgetragenen neuen Gesichtspunkte begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Dies gilt insbesondere für seine Erklärung, er selbst werde sich nach dem Ende seiner Tätigkeit als Chefarzt (in zwei Jahren) ausschließlich der Forstwirtschaft widmen, weitere Waldflächen hinzuerwerben oder pachten und die zur Kleinsiedlung Sophienhorst gehörende Scheune anmieten, um einen eigenen forstwirtschaftlichen Gerätepark unterzubringen. Bei der Beurteilung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zwar neue entscheidungserhebliche und vom Antragsteller innerhalb der Antragsfrist vorgetragene Tatsachen zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 11.11.2002 - BVerwG 7 AV 3.02 -, NVwZ 2003, 490). Die bloße Absicht, den forstwirtschaftlichen Betrieb nunmehr selbst zu führen und zu erweitern, genügt indessen nicht, um die Notwendigkeit des Wohnhauses für den Betrieb zu begründen. Wie bereits dargelegt, kommt es maßgeblich darauf an, ob die betrieblichen Abläufe die (nahezu) ständige Anwesenheit des Klägers oder gegebenenfalls einer anderen Person erfordern. Hierfür hat der Kläger keine genügenden Anhaltspunkte dargelegt. Allein die Größe der zu bewirtschaftenden Flächen ist nicht entscheidend. Wie viele Arbeitsstunden der Forstwirt aufwenden muss, hängt zwar auch, aber nicht nur vom Umfang der Waldflächen ab. Unabhängig davon hat der Kläger innerhalb der Antragsfrist keine (verbindlichen) Verträge über den Zukauf und die (langfristige) Verpachtung weiterer Flächen, sondern lediglich Listen über eigenen Grundbesitz von rund 52 ha und den zur Pacht vorgesehenen Grundbesitz des anderen Mitglieds der (beabsichtigten) Forstbetriebsgemeinschaft von rund 73 ha sowie Anträge auf Zukauf weiterer forstwirtschaftlicher Flächen vorgelegt. Ob der Betrieb tatsächlich die vom Kläger angestrebte Größe erreichen wird, steht noch nicht fest. Soweit der Kläger weiter vorträgt, sein Betrieb stelle einen "Nachhaltsbetrieb" dar, der eine dauernde und äußerst intensive Betriebsorganisation erfordere, und es müsse eine Waldbrandvorsorge vor Ort erfolgen, vermag er auch damit nicht aufzuzeigen, dass eine (nahezu) ständige Anwesenheit und Bereitschaft vor Ort erforderlich ist. Er trägt selbst vor, dass die verhältnismäßig kleine Grundfläche von etwa 60 m² das Bewohnen des Hauses mit einer kompletten Familie nicht zulasse. Dies lässt - worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat - eher darauf schließen, dass der Kläger im streitigen Gebäude nicht ständig, sondern nur bei Bedarf wohnen will.

Insoweit unterscheidet sich - wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - der vorliegende Sachverhalt, was die dienende Funktion des Wohngebäudes anbetrifft, maßgeblich von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05. 1999 (a. a. O.) zugrunde lag. In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall stand fest, dass der Kläger, ein staatlich geprüfter Landwirt und (bereits) Eigentümer einer 100 ha großen Forstfläche sowie einer 3,8 ha großen landwirtschaftlichen Fläche, seinen über mehrere hundert Kilometer entfernten Wohnsitz auf das Betriebsgelände verlegen wollte, um seinen forstwirtschaftlichen Betrieb unter Einsatz seiner - im Wesentlichen ganzen - Arbeitskraft zu führen, und die von ihm beabsichtigte Wirtschaftsweise seine - bezogen auf die 230 Arbeitstage des Jahres - nahezu tägliche achtstündige Anwesenheit im Betrieb erforderte.

Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben des Klägers beeinträchtige öffentliche Belange, weil es die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lasse (§ 35 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB), begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Vorbildwirkung bestehe nicht, weil die angrenzenden Freiflächen in seinem Eigentum stünden, so dass Dritte gar nicht die Möglichkeit hätten, ihrerseits Bauabsichten zu verwirklichen. Auf die gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse kommt es indessen nicht an. Die bauplanungsrechtliche Beurteilung eines Vorhabens darf (auch) im Zusammenhang mit der Vorbildwirkung nicht allein auf die gegenwärtigen Absichten des jeweiligen Eigentümers abstellen, sondern muss sich an den objektiven Gegebenheiten orientieren (vgl. OVG SH Urt. v. 09.12.1991 - 1 L 46/91 -, Gemeinde 1992, 231). Eine Vorbildwirkung könnte nur dann verneint werden, wenn eine weitere Bebauung dauerhaft ausgeschlossen wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.09.1999 - BVerwG 4 B 27.99 -, BauR 2000, 1173 [1174]). Die Eigentums- oder Nutzungsverhältnisse an einem Grundstück können sich jedoch jederzeit ändern.

Wie das Verwaltungsgericht weiter festgestellt hat, sind nach dem Lageplan auf der Lichtung, auf der sich unter anderem das streitige Gebäude befindet, noch Freiflächen vorhanden, die bebaut werden könnten. Dieser Befund deckt sich mit den im Verfahren betreffend die Baueinstellung (4 B K 620/99) vorgelegten und in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen vorhandenen Lichtbildern, die im Übrigen auch Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung waren. Allein mit der Behauptung, weitere Bauvorhaben kämen wegen der auf der Lichtung bereits vorhandenen baulichen Anlagen nicht in Betracht, vermag der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Freiflächen seien objektiv für eine zukünftige Bebauung geeignet, nicht zu begründen. Insoweit fehlt es an einer substanziierten Darlegung, weshalb der Lageplan nicht zuverlässig Aufschluss über die Bebaubarkeit der Freiflächen geben können soll. Die vom Kläger im Zulassungsantrag angeregte Ortsbesichtigung kommt im Verfahren auf Zulassung der Berufung nicht Betracht. Das Berufungsgericht hat im Zulassungsverfahren - von dem Zulassungsgrund "Verfahrensmangel" abgesehen - grundsätzlich nur auf der Basis der ihm vorliegenden Unterlagen, namentlich des Antragsvorbringens zu prüfen, ob einer der Zulassungsgründe vorliegt (OVG NW, Beschl. v. 21.01.2000 - 3 A 115/98 -, zit. bei Juris; Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124a RdNr. 78). Es hat dagegen keine Sachverhaltsermittlung vorzunehmen und insbesondere keine Beweise zu erheben (OVG NW, Beschl. v. 21.01.2000, a. a. O.; Bader in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl., § 124 RdNr. 15).

Die erst nach Ablauf der Antragsfrist geltend gemachten Gründe können nicht berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob das streitige Vorhaben die Änderung oder Nutzungsänderung eines erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäudes im Sinne von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB zum Gegenstand hat, dem die Entstehung Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nicht entgegengehalten werden könnte.

2. Die Rechtssache hat auch nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Die Zulassung der Berufung nach dieser Vorschrift erfordert, dass eine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, aber in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage aufgeworfen wird, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Frage muss so eindeutig bezeichnet sein, dass bereits im Zulassungsverfahren beurteilt werden kann, ob sie in dem anhängigen Rechtsmittelverfahren klärungsbedürftig und -fähig ist (BVerwG, Beschl. v. 14.02.1984 - BVerwG 1 B 10.84 -, Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 102 [S. 75]). Insbesondere muss dargelegt werden, dass die Frage, so, wie sie formuliert worden ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits entscheidungserheblich (gewesen) ist (vgl. Berlit, in: GK-AsylVfG, § 78 RdNr. 140 [m. w. N.]; OVG LSA, Beschl. v. 18.02.1998 - A 1 S 134/97 -; OVG NW, Beschl. v. 31.05.1995 - 1 A 2214/99.A -; VGH BW, Beschl. v. 10.05.1999 - A 6 S 1784/98 -).

Die vom Kläger aufgeworfene Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wohnen im Außenbereich einem forstwirtschaftlichen Betrieb dient, lässt sich nicht allgemein, sondern nur bezogen auf den jeweiligen Einzelfall beantworten.

Auf die weitere Frage, inwieweit zur Bejahung des Begriffs "Dienen" die Eigenbewirtschaftung zwingende Voraussetzung ist, käme es in einem Berufungsverfahren nach bisherigem Streitstand nicht an. Denn unabhängig davon, ob der Kläger seinen Betrieb selbst bewirtschaftet oder - wie bisher - durch einen Dritten bewirtschaften lässt, hängt die Frage des Dienens maßgeblich davon ab, ob die ordnungsgemäße Bewirtschaftung die (nahezu) ständige Anwesenheit auf dem Betriebsgelände erfordert. Da dies nach den bisherigen Darlegungen des Klägers nicht der Fall ist, würde sich die Frage, ob auch die (ständige) Anwesenheit einer anderen Person als die des Betriebsinhabers die Errichtung eines Wohngebäudes rechtfertigt, in einem Berufungsverfahren nicht stellen.

Die "grundsätzliche Frage der Bildung oder Verfestigung von Splittersiedlungen im Außenbereich insbesondere dann, wenn ein vorhandenes Wohngebäude durch Instandsetzung wieder in Betrieb genommen werden soll, ohne dass dies den Anspruch auf Errichtung weiterer Bauvorhaben in räumlicher Nähe zu begründen vermag", ist nicht klärungsfähig; denn sie ist zu allgemein formuliert, um bereits im Zulassungsverfahren beurteilen zu können, ob sie in einem Berufungsverfahren klärungsfähig wäre.

Ende der Entscheidung

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