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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 11.08.2004
Aktenzeichen: 2 L 173/01
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 54 I
ZPO § 42 II
ZPO § 48
1. Das Ablehnungsgesuch ist bereits dann gerechtfertigt, wenn aus der Sicht der Prozesspartei lediglich der Eindruck entstehen kann, der Richter werde nicht mehr unparteiisch handeln.

2. Die Beteiligung des Richters in erster Instanz an einem "Musterverfahren" kann die Besorgnis der Befangenheit auch in den (Rechtsmittel-)Verfahren begründen, die nach dem "Muster" entschieden worden sind.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 173/01

Datum: 11.08.2004

Gründe:

Gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies setzt nicht voraus, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob vom Standpunkt des das Ablehnungsgesuch stellenden Verfahrensbeteiligten aus genügende objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Betrachters geeignet sind, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (BVerfGE 32, 288,290; BVerfG NJW 1990, 2457; BVerwGE 50, 36, 38f.; BVerwG, Beschl. v. 28.07.1986, Buchholz 310 [VwGO] § 54 Nr.37).

Nach § 42 Abs. 2 ZPO ist das Ablehnungsgesuch deshalb dann erfolgreich, wenn eine Prozesspartei den Eindruck gewinnen muss, der Richter werde den Fall nicht mehr unparteiisch behandeln. Wenn § 42 ZPO auch die Ablehnung mit Gründen "aus der Sicht einer Prozesspartei" ermöglicht, so reicht doch nicht schon aus, dass diese der Ansicht ist, der Richter sei befangen, sondern notwendige Voraussetzung des § 42 Abs. 2 ZPO ist, dass der Grund - nach einem objektivierten Maßstab (vgl. z. B. Feiber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 42 RdNr 4; Thomas / Putzo, ZPO, 17. Aufl., § 42 Anm 2 b) - geeignet ist, das Misstrauen zu rechtfertigen. Für den Erfolg des Ablehnungsgesuchs kann schon deshalb nicht auf die rein subjektive Befürchtung der Prozesspartei, sie werde den Prozess verlieren, abgestellt werden, weil die Vorschriften über Ausschließung und Befangenheit von Richtern Ausnahmevorschriften von dem Grundsatz sind, dass der Richter nicht für einen einzelnen Prozess bestellt werden darf, sondern nach allgemeinen Kriterien im voraus bestimmt sein muss (Feiber, a a O, § 42 RdNr 6); allein diese Auslegung wird dem Grundsatz des "gesetzlichen Richters" (Art. 101 Abs 1 S 1 des Grundgesetzes - GG -) gerecht (vgl. insoweit etwa Jarass / Pieroth, GG, 2. Aufl, Art. 101 RdNr. 10, m. w. Nachw.).

Die Tatsache, dass die Richterin am Oberverwaltungsgericht ... durch ihre Mitwirkung als Vorsitzende an den Entscheidungen der als Musterverfahren geführten Verfahren 2 A 169/00 MD (2 L 157/01) und 2 A 224/00 MD (2 L 160/01) erstinstanzlich mitgewirkt hat und deshalb in diesen Verfahren kraft Gesetzes von der Mitwirkung ausgeschlossen ist, ist ein solcher Umstand, der die aus dem Tenor ersichtliche Entscheidung rechtfertigt.

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