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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: 2 L 264/01
Rechtsgebiete: VwGO, LSA-BauO, GG


Vorschriften:

VwGO § 42 II
VwGO § 113 I
VwGO § 117 II Nr. 5
VwGO § 124 II Nr. 5
VwGO § 138 Nr. 6
LSA-BauO § 53 I
LSA-BauO § 53 VII
GG Art. 28 II
1. Die Festsetzung notwendiger Stellplätze ist eine Aufgabe staatlicher Verwaltung und gehört deshalb zum übertragenen Wirkungskreis der Kommunen. Sie berührt nicht zugleich die Planungshoheit der Gemeinde oder sonstige Rechte des eigenen Wirkungskreises.

2. Ob ein Urteil "mit Gründen versehen ist" (vgl. § 138 Nr. 6 VwGO), muss am Maßstab des § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beurteilt werden. Danach sind die Gründe gefordert, welche für die richterliche Entscheidungsfindung leitend gewesen sind; sie sind notwendig, um die Beteiligten über die rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen zu unterrichten sowie um dem Rechtsmittelgericht die Kontrolle zu ermöglichen.

Die Verfahrensrüge des § 138 Nr. 6 VwGO hat deshalb erst dann Erfolg, wenn überhaupt keine Gründe gegeben werden oder wenn die angeführten Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder in ähnlicher Weise völlig unzureichend sind.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 264/01

Datum: 09.10.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vermögen das Urteil erster Instanz nicht zu erschüttern.

Entgegen der Auffassung der Antragsschrift ist die Berufung nicht bereits deshalb zuzulassen, weil zitierte Kommentarstellen bzw. Gerichtsentscheidungen nach eingehenderer Betrachtung auch eine andere rechtliche Auslegung möglich erscheinen ließen; denn maßgeblich ist nicht der die Begründung unterstützende Einzelbeleg, sondern die Frage, ob die Entscheidung im Ergebnis fehlerhaft ist.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen; denn die Klägerin ist durch die Festsetzung der Anzahl notwendiger Stellplätze für das Bauvorhaben der Beigeladenen nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Klägerin vermag schon keine eigenen Rechte aus der bauordnungsrechtlichen Regelung des § 53 Abs. 1 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA - vom 09.02.2001 (LSA-GVBl., S. 50), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 13.08.2002 (LSA-GVBl., S. 358) - entsprechend § 52 Abs. 1 BauO LSA 1994 - herzuleiten; denn das Bauordnungsrecht gehört nicht zum "eigenen" gemeindlichen Wirkungskreis, sondern ist dem staatlichen Recht zuzuordnen (vgl. z. B. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26.04.2001 - 1 A 11339/00 -, BRS Nr. 139 S. 569).

Gegen einen aus § 53 Abs. 1 BauO LSA abzuleitenden Schutz gemeindlicher Interessen spricht überdies das inhaltliche Ziel der Stellplatzvorschriften, deren Grundanliegen es ist, den von einem Bauvorhaben ausgelösten ruhenden Verkehr von der öffentlichen Verkehrsfläche fernzuhalten und damit die Sicherheit und Leichtigkeit des fließenden Verkehrs zu gewährleisten (Jäde/Dirnberger, BauO LSA, Stand: Juni 2003, § 53 RdNr. 1). Da die Regelung des Straßenverkehrs - wozu namentlich die Abwehr von Gefahren gehört, die dem Straßenverkehr selbst drohen oder von diesem ausgehen - seit jeher nicht zum eigenen, durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Wirkungskreis der Gemeinden, sondern zu den staatlichen Aufgaben gehört, spricht auch wenig dafür, dass diese die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs betreffende landesrechtliche Vorschrift ausnahmsweise eigene Rechtspositionen der Gemeinden begründen soll (so BVerwG, Urt. v. 14.01.1993 - BVerwG 4 C 2.90 -, Buchholz 310 [VwGO] § 65 Nr. 109).

Durchgreifende Gesichtspunkte dafür, dass die Klägerin über den in § 53 Abs. 7 BauO LSA 2001 (= § 52 Abs. 6 BauO LSA 1994) geregelten Fall nicht realisierbarer Stellplätze und der folgenden Pflicht zur Ablösung in Geld eine eigene schützenswerte Rechtsposition im Hinblick auf die Grundentscheidung notwendiger Stellplätze erlangen könnte, hat die Antragsschrift nicht dargetan. Die Tatsache, dass die Gemeinde verlangen kann, dass der zur Herstellung Verpflichtete statt dessen an sie einen Geldbetrag zahlt (§ 53 Abs. 7 Satz 1 BauO LSA) bzw. nach der alten Rechtslage die Bauaufsichtsbehörde hierzu das Einverständnis der Gemeinde benötigte (§ 52 Abs. 6 Satz 1 BauO LSA), hat nicht zur Folge, dass der Klägerin - über den Weg hier möglicherweise anzustellender planerischer Erwägungen - ein durchsetzungsfähiges Recht auf Errichtung von Stellplätzen aus Gründen gemeindlicher Planungshoheit zusteht (vgl. u. a. hierzu BayVGH, Urt. v. 16.12.1996 - 14 B 93.2981 -, BRS 59 Nr. 132, S. 415).

Soweit die Antragsschrift meint, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vernachlässige, dass Behördenentscheidungen zu Gunsten Dritter mit der Folge gemeindlicher Lasten (stets) Rechte der Gemeinde verletzen, sind die für diese Auffassung in Bezug genommenen Fallkonstellationen von Fachplanung nicht auf die hier streitige Rechtsfrage übertragbar.

2. Die Rechtssache ist auch nicht wegen der geltend gemachten "grundsätzlichen Bedeutung" i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen; denn das Verwaltungsgericht hat den von der Antragsschrift als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtssatz, "dass § 52 Abs. 1 BauO LSA die Pflicht zur Herstellung von Stellplätzen nicht zu dem Zweck vorschreibt, die Gemeinden dadurch von ihren finanziellen und planerischen Aufgaben zu entlasten, sondern nur zu dem Zweck der Gefahrenabwehr", so nicht aufgestellt. Es hat vielmehr zu Recht ergänzend ausgeführt, dass der von einem Bauvorhaben ausgelöste ruhende Verkehr dadurch von den öffentlichen Verkehrsflächen ferngehalten und damit die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet werden soll.

3. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der "besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache" i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist schon nicht hinreichend dargelegt; denn weder die fehlende Klärung einer Rechtsfrage durch das Oberverwaltungsgericht noch die in diesem Rechtsstreit überhaupt nicht notwendige Sachkunde für die Berechnung von Stellplatzabschlägen bedingt die von diesem Zulassungsgrund geforderte Komplexität der Rechtssache.

4. Die gerügten Verfahrensmängel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegen nicht vor.

Die Antragsschrift meint zu Unrecht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mit Gründen versehen ist (§ 138 Nr. 6 VwGO).

§ 138 Nr. 6 VwGO bezieht sich auf den notwendigen Inhalt eines Urteils (§ 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Im Urteil müssen die Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Das ist verfahrensrechtlich geboten, um die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und um dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Sind Entscheidungsgründe derart mangelhaft, dass sie diese doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können, ist die Entscheidung nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn der Entscheidungsformel überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind, weil die angeführten Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie völlig unzureichend sind (vgl. u. a. BVerwG, Beschl. v. 13.07.1999 - BVerwG 9 B 419.99 -, Buchholz 310 [VwGO] § 138 Nr. 6, Nr. 35 [S. 2]).

So liegt es hier jedoch nicht; denn das Verwaltungsgericht ist lediglich zu einer - sehr wohl mit Gründen versehenen - anderen Rechtsauffassung gelangt.

Weshalb die ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung nicht beantragte Verbindung (§ 93 VwGO) mit dem Verfahren 4 A 168/00 MD zu einem Verfahrensfehler führt, hat die Antragsschrift bereits nicht dargelegt.

Ende der Entscheidung

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