Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 29.10.2003
Aktenzeichen: 2 L 31/02
Rechtsgebiete: BauGB, LSA-KAG, BGB


Vorschriften:

BauGB § 131 I
LSA-KAG § 6 I 1
BGB § 890 I
1. Der "Vorteil" des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA besteht bei Ausbaumaßnahmen darin, die Straße in Anspruch nehmen zu können. Einen solchen "Vorteil" hat auch das Hinterliegergrundstück dann, wenn es dem Eigentümer des an die Straße angrenzenden Grundstücks gehört und die Straße über dieses erreicht werden kann.

2. Dass eine Zuwegung beim Entstehen der sachlichen Beitragspflicht bereits besteht, ist ebenso wenig erforderlich wie eine einheitliche oder gleichartige Nutzung beider Grundstücke.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 31/02

Datum: 29.10.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

1. Die geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht hinreichend dargelegt.

"Darlegen" bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als ein lediglich allgemeiner Hinweis; "etwas darlegen" verlangt vielmehr soviel wie "erläutern", "erklären" oder "näher auf etwas eingehen" (BVerwG, Beschl. v. 02.10.1961 - BVerwG VIII B 78.61 -, BVerwGE 13, 90 [91]; Beschl. v. 09.03.1993 - BVerwG 3 B 105.92 -, Buchholz 310 [VwGO] § 133 [n. F.] Nr. 11).

Genügte allein die herkömmliche Art der Rechtsmittelbegründung, dann bedürfte es der Zulassungsgründe nicht. Der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist vor der Zulassung des Rechtsmittels noch nicht, die angegriffene Entscheidung auf ihr Ergebnis hin zu kontrollieren, sondern ausschließlich die Frage, ob das Rechtsmittel zugelassen werden kann. Ob dies der Fall ist, prüft das Gericht nicht von Amts wegen; auch wenn nach der Zulassung im Rechtsmittelverfahren die "Amtsmaxime" des § 86 Abs. 1, 3 VwGO entsprechend gilt (vgl. § 125 Abs. 1 VwGO), hat der Gesetzgeber dem Rechtsmittelführer für das vorgeschaltete Antragsverfahren die besondere "Darlegungslast" nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO 02 auferlegt. Aus dem deutlichen Unterschied dieser Regelung im Vergleich zu der über die Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 S. 1, 4 VwGO 02) folgt, dass sich die "Gründe" i. S. des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO 02 auf die Zulassungsfragen beziehen müssen und nicht lediglich die angefochtene Entscheidung selbst in Frage stellen dürfen; erst die Berufungsbegründung des § 124a Abs. 3 VwGO 02 ist mit der früheren Art einer Rechtsmittelrechtfertigung vergleichbar.

Das gilt auch für § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; er hat nicht etwa die Bedeutung, Anträgen, welche aus anderen Gründen nicht zur Zulassung führen, sozusagen auffangweise zur Zulassung zu verhelfen, sondern ist Teil des Systems, das grundsätzlich keine Rechtsmittelinstanz eröffnet und die Zulassung nur ausnahmsweise ermöglicht, indem es die Durchführung des Rechtsmittels von dessen Zulassung abhängig macht. Auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann sich nicht schon berufen, wer die angefochtene Entscheidung mit Hilfe einer "Rechtsmittelbegründung alten Rechts" in Frage stellen will, indem er sich mit der Entscheidung auseinander setzt und Gegenpositionen bezieht. Der Darlegungslast genügt vielmehr nur, wer den "Grund" benennt, der ausnahmsweise die Zulassung rechtfertigt, und dessen Voraussetzungen "schlüssig" beschreibt.

Dazu gehört bei § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass belegt wird, es beständen gerade "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" der angefochtenen Entscheidung. Dies verlangt zunächst, dass der Antrag einzelne tatsächliche Feststellungen des Gerichts oder Elemente der rechtlichen Ableitung konkret bezeichnet, die beanstandet werden sollen, sowie zusätzlich, dass aufgezeigt wird, aus welchem Grund die konkrete Passage ernstlichen Zweifeln begegnet. Da § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO außerdem verlangt, dass ernstliche Zweifel an der "Richtigkeit" des Ergebnisses bestehen, muss der Antragsteller ferner darlegen, dass das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einer anderen, für den Rechtsmittelführer positiven Entscheidung gelangt wäre.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das dem Landkreis K. gehörende Berufsschulgrundstück (Flurstück ...) bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksflächen hätte mit einbezogen werden müssen.

Ob bei Hinterliegergrundstücken, die nicht unmittelbar an eine Verkehrsanlage angrenzen, eine vorteilsrelevante In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit besteht, bedarf einer differenzierenden Betrachtung. Besteht bei einem hinterliegenden und einem anliegenden Grundstück Eigentümeridentität und werden die Grundstücke auch einheitlich genutzt, ist im Grundsatz die vorteilsrelevante In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit zu bejahen; denn der Grundstückseigentümer kann sich den Zugang oder die Zufahrt jederzeit aus eigenem Willensentschluss verschaffen (Beschl. des Senats vom 06.05.2003 - 2 M 39/02 -).

Das Grundstück Flurstück ... grenzte schon immer an die Flurstücke ... und ... an, welche ebenfalls im Eigentum des Landkreises Köthen standen. Es handelt sich daher um einen Fall der Eigentümeridentität. Die auf dem Grundstück im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht vorhandene Bebauung (die ehemaligen Polizeigaragen) steht der In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit dabei nicht entgegen. Eine einheitliche Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstücken ist nämlich keine zwingende Voraussetzung; denn im Falle der Eigentümeridentität besteht für den Eigentümer immer die Möglichkeit, die Bebauung auf seinem Grundstück nach der Entstehung der Beitragspflicht anders zu organisieren und von der Möglichkeit der In-Anspruch-Nahme auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Würde man dies nicht schon bei der Entstehung der Beitragspflicht berücksichtigen, bliebe die spätere Zugangsnahme beitragsfrei.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat (Urt. v. 26.02.1993 - BVerwG 8 C 35.92 -, BVerwGE 92, 157 ff.) für das Erschließungsbeitragsrecht für die Fälle der Eigentümeridentität, in denen ein Anlieger- und Hinterliegergrundstück im Eigentum derselben Person stehen, entschieden, für die Erfüllung des § 133 Abs. 1 BauGB reiche es aus, wenn der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks, dessen konkrete Bebaubarkeit herbeiführen könne: Ein Hinterliegergrundstück sei einer Anbaustraße wegen "im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB bebaubar..., wenn es in der Hand des Eigentümers liegt, mit Blick auf diese Anlage" nicht nur etwaige tatsächliche Hindernisse in Gestalt etwa einer Böschung oder einer sonstigen natürlichen Gegebenheit auf dem Anliegergrundstück mit zumutbaren finanziellen Mitteln auszuräumen, sondern überdies "die Erreichbarkeitsanforderungen zu erfüllen, von denen das Bebauungsrecht und das Bauordnungsrecht die bauliche oder gewerbliche Nutzung des Grundstücks abhängig machen. Das, "also sowohl das Eine als auch das Andere", trifft in der Regel zu, wenn das Hinterliegergrundstück und das es von der Anbaustraße trennende Anliegergrundstück im Eigentum derselben Person stehen (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge 6. Aufl., § 17 RdNr. 78).

Nichts anderes gilt auch für das Straßenausbaubeitragsrecht. Der Eigentümer kann den Mangel, der in dem Nichtanliegen des Hinterliegergrundstücks besteht, jederzeit durch die Vereinigung dieses Grundstücks mit dem Anliegergrundstück beseitigen. Nach § 890 Abs.1 BGB können die beiden Grundstücke dadurch zu einem dann insgesamt anliegenden Grundstück vereinigt werden, indem der Eigentümer sie als ein Grundstück in das Grundbuch eintragen lässt.

Bei Eigentümeridentität wird daher den Hinterliegergrundstücken der Vorteil der In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit regelmäßig geboten, und zwar unabhängig davon, ob eine Zuwegung über das Anliegergrundstück tatsächlich bereits angelegt worden ist oder nicht und ob das Anlieger- und das Hinterliegergrundstück einheitlich genutzt werden oder nicht.

Auf die "Zugangslücken-Problematik", die das Verwaltungsgericht bei der angegriffenen Entscheidung in den Vordergrund gestellt hat und der die Zulassungsschrift mit dem Einwand, bei dem Grundstück Flurstück ... handle es sich um ein Grundstück im fremden Eigentum, entgegen treten will, kommt es daher nicht an.

2. Auch Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) werden von der Zulassungsschrift nicht aufgeworfen.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dessau steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Eine Diskrepanz zu der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht besteht nicht. Soweit die Zulassungsschrift sich auf divergierende Rechtsprechung der Obergerichte in der Verwaltungsgerichtsbarkeit beruft, kann eine Klärung der aufgeworfenen Fragen schon deshalb nicht erreicht werden, weil es sich bei dem Straßenausbaubeitragsrecht jeweils Landesrecht handelt und einheitliche Rechtsgrundlagen in den verschiedenen Bundesländern nicht vorhanden sind.

Ende der Entscheidung

Zurück