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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 2 L 409/04
Rechtsgebiete: VwVfG LSA


Vorschriften:

VwVfG LSA § 49
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 409/04

Datum: 22.03.2006

Gründe:

Der gemäß § 124a VwGO zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid, mit dem der Beklagte eine der Klägerin erteilte Freistellung von der öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit für Umweltschäden (Altlastenfreistellung) widerrief, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 07.01.1999 (GVBl. S. 2) - VwVfG LSA a.F. -zum Erlass des angefochtenen Widerrufsbescheides ermächtigt war. Die Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage lagen zum Zeitpunkt des Widerrufs vor, weil sich der Beklagte in dem aufgehobenen Freistellungsbescheid den Widerruf für den Fall der Nichteinhaltung bestimmter Nebenbestimmungen vorbehalten hatte und dieser Fall auch eingetreten war. Gegen diese Feststellungen wendet sich die Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag auch nicht. Zur Begründung ihres Antrags macht sie vielmehr lediglich geltend, der angefochtene Widerrufsbescheid sei deshalb rechtswidrig, weil er mit Ermessensfehlern behaftet sei. Auch insoweit wecken jedoch die dargelegten Gründe keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass die Behörde das Widerrufsermessen, das ihr durch § 49 VwVfG LSA a.F. eröffnet ist, gemäß § 40 VwVfG LSA a.F. auch auszuüben hat und dass diese Ermessensausübung eine umfassende, konkret fallbezogene Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte, Interessen und Belange erfordert (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 40 RdNr. 56 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung beschränkt sich jedoch gemäß § 114 VwGO darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 114 RdNr. 4). In Anlegung dieses Prüfungsmaßstabes hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen von Ermessensfehlern zu Recht verneint.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, das Verwaltungsgericht sei in seiner Urteilsbegründung weder auf die Abwägung selbst noch auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingegangen, sondern habe sich lediglich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Freistellungsvorschrift ausgeübt habe. Auf die genannten Gesichtspunkte musste das Verwaltungsgericht indes deshalb nicht eingehen, weil der angefochtene Bescheid insoweit keine Ermessensfehler erkennen lässt.

Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von der Klägerin in Frage gestellten Abwägung als solcher. Der insoweit in Betracht kommende Ermessensfehler in Gestalt eines Ermessensausfalls liegt nicht vor. Der Beklagte nahm erkennbar eine Abwägung vor und übte damit sein Ermessen aus. In der Begründung des Ausgangsbescheides und des Widerspruchsbescheides setzte er sich auch mit den wesentlichen Gesichtspunkten des Falles auseinander und berücksichtigte insbesondere auch solche Umstände, die - wie beispielsweise die Betriebseinstellung als Folge eines Naturereignisses - zugunsten der Klägerin sprechen könnten. Entgegen dem Antragsvorbringen lässt das Urteil auch nicht eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Umstand vermissen, dass die Klägerin die Betriebseinstellung nicht verschuldet hat. Entscheidend kommt es insoweit nicht darauf an, ob sich das Gericht in seinem Urteil, sondern ob sich die das Ermessen ausübende Behörde in dem angefochtenen Bescheid mit diesem Gesichtspunkt auseinandergesetzt hat. Dies ist indes zu bejahen. Der Beklagte nahm sowohl im angefochtenen Ausgangsbescheid als auch in seinem Widerspruchsbescheid zu dem Umstand Stellung, dass die Betriebseinstellung aufgrund eines Naturereignisses (und damit ohne Verschulden der Klägerin) erfolgte. Die Abwägung lässt im Übrigen auch keine sachfremden Erwägungen erkennen.

Ermessensfehler sind auch nicht mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes ersichtlich. Die sich aus diesen Grundsätzen ergebenden Grenzen der Ermessensausübung sind eingehalten. Die angefochtene Widerrufsentscheidung ist weder unverhältnismäßig noch verletzt sie ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin. Da der Zweck der Freistellung, nämlich die Beseitigung eines Investitionshemmnisses zur Ermöglichung einer (arbeitsplatzschaffenden) Investition, infolge der Betriebseinstellung entfallen war, erscheint der angefochtene Widerruf als geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme zur Aufhebung der gesetzlich nicht mehr gerechtfertigten Begünstigung der Klägerin. In dieser Aufhebung einer nicht mehr gerechtfertigten Begünstigung und einem Wiederauflebenlassen der grundsätzlich bestehenden Altlastenverantwortlichkeit liegt zugleich der nach der Ansicht der Klägerin angeblich fehlende Zweck des Widerrufs. Unverhältnismäßig ist der Widerruf auch nicht deshalb, weil - wie die Klägerin vorträgt - ihr wirtschaftliches Überleben von dem Fortbestand der Freistellung abhängt. Dies mag zwar zutreffen, ist aber nach Art und Umfang der streitgegenständlichen Freistellung nicht als außergewöhnliches oder gar unvorhersehbares Ereignis einzustufen, dem deshalb bei der Widerrufsentscheidung ein besonders starkes Gewicht beizumessen gewesen wäre. Dies gilt umso mehr, als die Einstellung des Betriebs nicht etwa als Folge des Widerrufs der Freistellung zu werten ist, sondern umgekehrt der Widerruf deshalb erfolgte, weil die Klägerin zuvor aufgrund eines Hochwasserschadens ihren Betrieb eingestellt und auch eine Wiederaufnahmeabsicht nicht hinreichend untermauert hatte.

Soweit die Klägerin vorträgt, sie plane weiterhin, in ihre Zinkschmelzanlage zu investieren und diese wieder in Betrieb zu nehmen, kann sie auch damit keinen Erfolg haben. Der Beklagte stützte seinen Widerruf gerade auch auf den Umstand, dass ihm die Klägerin kein hinreichend konkretes, realisierbares Unternehmenskonzept vorgelegt hatte. Es war auch nicht ermessensfehlerhaft, die Vorlage eines solchen Konzepts zu fordern. Hierbei mag es zwar zutreffen, dass ein solches Konzept nach Lage der Dinge noch nicht in allen Einzelheiten feststehen konnte; andererseits ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte im Rahmen seiner Ermessensentscheidung allein die Vorlage des lediglich grob umrissenen Ausgangskonzepts vom 02.01.1996 nicht für ausreichend erachtete.

Auch ein schutzwürdiges, dem Wideruf entgegenstehendes Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Freistellung ist nicht erkennbar. Da sich der Beklagte in dem aufgehobenen Freistellungsbescheid den Widerruf gerade für einen Fall vorbehalten hatte, wie er später eintrat, konnte die Klägerin auch nicht schutzwürdig auf den Fortbestand der ihr erteilten Altlastenfreistellung vertrauen. Soweit die Klägerin vorträgt, sie warte immer noch darauf, dass das streitgegenständliche Gelände entsprechend einer Zusage der öffentlichen Hand saniert werde, kann sie damit bereits deshalb nicht durchdringen, weil es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Widerrufs nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen in (angeblich zugesagte) Sanierungsmaßnahmen, sondern auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Freistellung ankommt, welches jedoch - wie dargelegt - zu verneinen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG (a.F.).

Ende der Entscheidung

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