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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 2 M 108/07
Rechtsgebiete: AufenthG, AuslG


Vorschriften:

AufenthG § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AuslG 1990 § 69 Abs. 3 S. 1
1. Ein "rechtmäßiger" Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist so lange gegeben, wie sich beide Ehegatten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unter der Geltung des AuslG 1990 war der Aufenthalt eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich nur dann rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt wurde oder nach § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990 als erlaubt galt; eine Duldung genügte nicht, weil sie keinen rechtmäßigen Aufenthalt begründete

2. Für den Beginn der Zweijahresfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist regelmäßig der Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durch die zuständige Ausländerbehörde maßgeblich, soweit sich die Aufenthaltserlaubnis keine rückwirkende Kraft beimisst. Dies gilt auch dann, wenn die Ausländerbehörde die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zunächst zu Unrecht verweigert hat. Um Rechtsnachteile bei einer zögerlichen Verfahrensweise der Ausländerbehörde zu vermeiden, kann der Ausländer Untätigkeitsklage mit dem Ziel der (zeitnahen) Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erheben oder eine rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erstreiten.


Gründe:

I.

Der Antragsteller beantragte im Mai 2001 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Form eines Visums zum Zwecke der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen D. M.. Am 02.07.2001 versagte die Antragsgegnerin ihre Zustimmung hierzu unter Hinweis auf bestehende Zweifel an der "Schutzwürdigkeit" der beabsichtigten Ehe. Am 13.10.2001 reiste der Antragsteller mit einem bis zum 17.12.2001 befristeten und später bis zum 17.02.2002 verlängerten Besuchervisum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 07.03.2002 heiratete er Frau M.. Den vom Antragsteller am 08.03.2002 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Eheschließung und Arbeitsaufnahme lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28.03.2002 ab und gab zur Begründung an, es lägen Indizien für eine Scheinehe vor. Mit Beschluss vom 04.04.2002 (3 B 242/02) ordnete das Verwaltungsgericht Magdeburg die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die im Ablehnungsbescheid enthaltene Abschiebungsandrohung an und gab der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung auf, dem Antragsteller vorläufig eine Duldung zu erteilen, die er unter Datum vom 11.04.2002 erhielt. Die von der Antragsgegnerin erhobene Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 30.09.2002 (2 M 141/02) zurück und führte zur Begründung aus, die Antragsgegnerin habe ihre Annahme, es handele sich um eine Scheinehe, nicht mit überzeugenden Umständen belegt. Ihr obliege es im noch andauernden Hauptsacheverfahren, den Sachverhalt intensiver aufzuklären. Am 27.10.2003 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine bis zum 26.10.2004 befristete Aufenthaltserlaubnis, die später bis zum 27.10.2006 verlängert wurde.

Am 23.10.2006 beantragte der Antragsteller die erneute Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und gab dabei an, die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe seit Mai 2005 nicht mehr. Mit Bescheid vom 24.01.2007 lehnte die Antragsgegnerin die Verlängerung ab, da die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben sei und der Antragsteller auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht in Form einer auf ein Jahr befristeten Aufenthaltserlaubnis habe. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Am 15.02.2007 hat der Antragsteller um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Die Voraussetzung des Bestehens einer mindestens zweijährigen rechtmäßigen ehelichen Lebensgemeinschaft sei erfüllt. Für den Beginn dieses Zeitraums sei hier nicht auf den Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis; denn sein Aufenthalt habe mit der Antragstellung als erlaubt gegolten. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 12.03.2007 abgelehnt und zur Begründung angegeben, angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller erstmals am 27.10.2003 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten und er sich bereits am 01.05.2005 von seiner Ehefrau getrennt habe, habe die eheliche Lebensgemeinschaft nicht im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mindestens zwei Jahre rechtmäßig bestanden. Ein fiktives Aufenthaltsrecht nach § 69 AuslG habe nicht bestanden.

Die hiergegen erhobene Beschwerde hat der Antragsteller wie folgt begründet: Für die Berechnung der Frist des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG könne nicht auf den Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abgestellt werden. Hätte die Antragsgegnerin sich rechtstreu verhalten, hätte er bereits im März 2002 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Bereits in diesem Zeitpunkt habe er einen Anspruch auf das Aufenthaltsrecht gehabt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Der Antragsteller hat nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung keinen Anspruch auf die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau hat nicht mindestens zwei Jahre "rechtmäßig" bestanden. Ein "rechtmäßiger" Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft ist so lange gegeben, wie sich beide Ehegatten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (BVerwG, Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 19.93 -, BVerwGE 101, 236 [240]). Unter der Geltung des AuslG 1990 war der Aufenthalt eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich nur dann rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden war (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.02.1993 - 1 C 45.90 -, BVerwGE 92, 116 [125]) oder nach § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990 als erlaubt galt; eine Duldung genügte nicht, weil sie - wie sich aus § 56 Abs. 1 AuslG 1990 ergibt - keinen rechtmäßigen Aufenthalt begründete (vgl. GK-AuslR, II - § 19 RdNr. 42, m. w. Nachw.; VGH BW, Beschl. v. 21.07.2004 - 13 S 1532/04 -, InfAuslR 2004, 393; SächsOVG, Beschl. v. 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, AuAS 2004, 108 [nur Leitsatz]).

Für den Beginn der Zweijahresfrist ist regelmäßig der Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durch die zuständige Ausländerbehörde maßgeblich, soweit sich die Aufenthaltserlaubnis keine rückwirkende Kraft beimisst (vgl. VGH BW, Beschl. v. 21.07.2004, a. a. O.; BayVGH, Beschl. v. 29.12.2004 - 10 CS 04.3164 -; Juris; Beschl. v. 24.09.2003 - 10 CS 03.2349 -). Dies war hier der 27.10.2003. Der Erlaubnis lässt sich nicht entnehmen, dass sie rückwirkende Kraft haben sollte. Mit der Antragstellung am 08.03.2002 trat auch keine Erlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990 ein, da der Antragsteller nicht mit einem mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten Visum in die Bundesrepublik Deutschland einreiste und sich im Zeitpunkt der Antragstellung auch nicht mehr als 6 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Er war lediglich im Besitz eines zu Besuchszwecken erteilten und im Übrigen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufenen Visums. Im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Mai 2005 war damit die für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erforderliche zweijährige Bestandszeit noch nicht erreicht.

Der Einwand des Antragstellers, es sei hier deshalb auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen, weil die Antragsgegnerin die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zunächst zu Unrecht verweigert habe, verfängt nicht. Der Senat hat im Beschluss vom 30.09.2002 zwar festgestellt, dass (zu diesem Zeitpunkt) nicht nachgewiesen sei, dass tatsächlich eine Scheinehe vorliege. Auch brachten die von der Antragsgegnerin im Jahr 2003 angestellten Ermittlungen keine neuen Erkenntnisse. Die Antragsgegnerin ist aufgrund des "Zwischenberichts" ihres Stadtordnungsdienstes vom 08.07.2003 davon ausgegangen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft geführt werde. Daraus folgt entgegen der Auffassung des Antragstellers aber nicht, dass es rechtsmissbräuchlich wäre, die Zeit zwischen Antragstellung und Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht anzurechnen. Um Rechtsnachteile wegen der zögerlichen Verfahrensweise der Antragsgegnerin zu vermeiden, hätte der Antragsteller Untätigkeitsklage mit dem Ziel der (zeitnahen) Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erheben können. Ferner wird man ihn voraussichtlich darauf verweisen können, dass er sich mit der nur ex nunc wirkenden Aufenthaltserlaubnis nicht hätte zufrieden geben müssen, sondern eine auch rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hätte erstreiten können. Ein Ausländer kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen, wenn er daran ein schutzwürdiges Interesse hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 14.99 -, NVwZ 1999, 306).

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Erteilung von unbefristeten Aufenthaltserlaubnissen nach § 24 Abs. 1 AuslG 1990 (vgl. Urt. v. 22.01.2002 - 1 C 6.01 -, BVerwGE 115, 352 [356]; Urt. v. 29.09.1998, a. a. O.). Danach stehen dem ununterbrochenen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis diejenigen Zeiten gleich, in denen der Ausländer zwar keinen Aufenthaltstitel besessen hat, für die er aber nach der vom Gericht inzident vorzunehmenden Prüfung rückwirkend die befristete Verlängerung seiner bisherigen Aufenthaltserlaubnis beanspruchen kann. Unabhängig von der Frage, ob diese Rechtsprechung überhaupt auf befristete Aufenthaltserlaubnisse übertragbar ist, kann sie hier schon deshalb zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis führen, weil eine solche inzidente gerichtliche Prüfung nicht mehr möglich ist. Die Aufenthaltserlaubnis vom 27.10.2003, die sich - wie dargelegt - keine rückwirkende Kraft beigemessen hat, wurde vom Antragsteller nicht angefochten und ist damit bestandskräftig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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