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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 05.04.2006
Aktenzeichen: 2 M 126/06
Rechtsgebiete: AufenthG, GG


Vorschriften:

AufenthG § 12 V
AufenthG § 61 I 1
GG Art. 6
1. § 12 Abs. 5 Satz 2 AufenthG ermächtigt bzw. verpflichtet die Ausländerbehörde am Aufenthaltsort des Ausländers nur dazu, das Verlassen des nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG beschränkten Aufenthaltsbereichs für eine begrenzte Zeit zu erlauben. Auf der Grundlage dieser Vorschrift ist es hingegen nicht möglich, eine Wohnsitznahme in einem anderen Bundesland auf Dauer zu gestatten.

2. Eine dauerhafte Änderung des Wohnsitzes kann der Ausländer der meint, aus zwingenden Gründen wie etwa dringenden familiären Gründen oder aus Gründen der Hilfsbedürftigkeit seinen Aufenthalt an einem anderen Aufenthaltsort in einem anderen Bundesland nehmen zu müssen, nur mit einer weiteren vorläufigen Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a AufenthG der Ausländerbehörde erreichen, in deren Zuständigkeitsbereich er meint, künftig sich aufzuhalten zu müssen (vgl..OVG NW, Beschl. v. 29.11.2005, 19 B 2364/03 - InfAuslR 2006; SächsOVG, Beschl. v. 19.05.2004 - 3 BS 380/03 -, InfAuslR 2004, 341).


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 126/06

Datum: 05.04.2006

Gründe:

1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Den Antragstellern steht der gegenüber dem Antragsgegner geltend gemachte Anspruch auf Gestattung der Wohnsitznahme in Wuppertal aller Voraussicht nach nicht zu. Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Die Ausländerbehörde, die die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebung gewährt hat, kann nach § 12 Abs. 5 Satz 1 AufenthG dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Gemäß § 12 Abs. 5 Satz 2 AufenthG ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Diese Vorschrift ermächtigt bzw. verpflichtet die Ausländerbehörde am Aufenthaltsort des Ausländers indes nur dazu, das Verlassen des gesetzlich beschränkten Aufenthaltsbereichs für eine begrenzte Zeit zu erlauben (vgl. Beschl. d. Senats v. 09.03.2006 - 2 M 225/05 -; OVG NW, Beschl. v. 29.11.2005 - 19 B 2364/03 - InfAuslR 2006, 64; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 12 AufenthG RdNr. 15; vgl. auch Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 61 RdNr. 18). Mit § 12 Abs. 5 AufenthG werden Ausnahmen von der räumlichen Beschränkung wie im AsylVfG geregelt (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 15/420, S. 73). Auf der Grundlage dieser Vorschrift ist es indessen nicht möglich, eine Wohnsitznahme in einem anderen Bundesland auf Dauer zu gestatten. Zwar spricht § 12 Abs. 5 AufenthG - anders als §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - nicht von einem "vorübergehenden" Verlassen des beschränkten Aufenthaltsbereichs. Eine Erlaubnis zur dauerhaften Wohnsitznahme in einem anderen Bundesland käme aber einer Aufhebung der räumlichen Beschränkung des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gleich, die § 12 Abs. 5 AufenthG gerade nicht beinhaltet.

Eine andere Anspruchsgrundlage, die die Gestattung einer auf Dauer angelegte Wohnsitznahme in einem anderen Bundesland ohne Zustimmung der dort zuständigen Ausländerbehörde zulässt, ist nicht ersichtlich. Eine dauerhafte Änderung des Wohnsitzes kann der Ausländer der meint, aus zwingenden Gründen wie etwa dringenden familiären Gründen oder aus Gründen der Hilfsbedürftigkeit seinen Aufenthalt an einem anderen Aufenthaltsort in einem anderen Bundesland nehmen zu müssen, nur mit einer weiteren vorläufigen Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a AufenthG der Ausländerbehörde erreichen, in deren Zuständigkeitsbereich er meint, künftig sich aufzuhalten zu müssen (vgl. Beschl. d. Senats v. 10.05.2005 - 2 M 83/05 -; OVG NW, Beschl. v. 29.11.2005, a. a. O.; SächsOVG, Beschl. v. 19.05.2004 - 3 BS 380/03 -, InfAuslR 2004, 341, zur Rechtslage nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990). Um einen solchen (dauerhaften) Wohnsitzwechsel geht es den Antragstellern. Dies ergibt sich unmissverständlich aus ihren beim Antragsgegner gestellten Anträgen vom 02.12.2003 und 15.09.2005. Diesen ist zu entnehmen, dass die Antragsteller mit dem Vater der Antragsteller zu 3. und 4. auf Dauer in Wuppertal zusammenleben wollen. Der Umstand, dass die Antragsteller im vorläufigen Rechtsschutzverfahren lediglich eine vorläufige Gestattung der Wohnsitznahme bis zu einer Entscheidung im Widerspruchsverfahren begehren, führt zu keiner anderen Beurteilung. Maßgeblich ist, welchen Anspruch die Antragsteller im Hauptsache- bzw. Widerspruchsverfahren verfolgen. Sind hinreichende Erfolgsaussichten für den im Hauptsache- bzw. Widerspruchsverfahren geltend gemachten Anspruch nicht gegeben, kann die begehrte Rechtsposition im vorläufigen Rechtsschutz auch nicht auf Zeit bis zum Eintritt eines verfahrens- oder prozessrechtlichen Ereignisses gewährt werden.

Den Antragstellern bleibt es unbenommen, bei der Stadt W. einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Duldung zu stellen, über den diese Behörde dann unter Berücksichtigung der von den Antragstellern vorgetragenen familiären Gründe im Lichte des Art. 6 GG zu entscheiden haben wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) <Streitwert>.

2. Die beantragte Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster und zweiter Instanz kann nicht gewährt werden.

Soweit die Antragsteller (nochmals) Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz begehren, kann dem schon deshalb nicht entsprochen werden, weil nach Abschluss des Verfahrens vor dem Gericht des betreffenden Rechtszugs Prozesskostenhilfe nur ausnahmsweise bewilligt werden kann, nämlich dann, wenn der Bewilligungsantrag während des Verfahrens gestellt, aber nicht beschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (BVerwG, Beschl. v. 03.03.1998 - 1 PKH 3/98 - Juris, m. w. Nachw.). So liegt es hier aber nicht. Das Verwaltungsgericht, das für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im ersten Rechtszug im Übrigen allein zuständig ist (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 127 RdNr. 9; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 127 RdNr. 8), hat den bereits am 16.11.2005 von den Antragstellern gestellten Prozesskostenhilfeantrag für das erstinstanzliche Verfahren im angegriffenen Beschluss abschlägig beschieden.

Für das Beschwerdeverfahren kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den bereits dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).

Ende der Entscheidung

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