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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 05.04.2006
Aktenzeichen: 2 M 133/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 12 V
AufenthG § 60a II
AufenthG § 61 I
1. Einer Antragserwiderung im Beschwerdeverfahren betreffend Beschlüsse nach §§ 80, 80 a oder 123 VwGO stehen die in § 146 Abs. 4 S. 3 und 6 VwGO getroffenen Regelungen entgegen.

2. Die Vorschrift des § 12 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass sie nur zur Erlaubnis eines vorübergehenden Verlassens des beschränkten Aufenthaltsbereichs ermächtigt.

3. Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer kann einen mit einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG verbundenen Wechsel seines nach § 61 Abs. 1 AufenthG beschränkten Aufenthaltsbereichs nur durch die Erteilung einer (weiteren) Duldung der Ausländerbehörde erzielen, in deren Zuständigkeitsbereich der angestrebte neue Aufenthaltsort liegt.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 133/06

Datum: 05.04.2006

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Soweit der Antragsteller seinen Antrag im Beschwerdeverfahren erstmals dahingehend erweitert hat, dass er nunmehr zusätzlich die Verpflichtung des Antragsgegners zur (vorläufigen) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sowie die Verpflichtung "der Ausländerbehörde in Bremen" zur Zustimmung seiner länderübergreifenden Umverteilung begehrt, ist seine Beschwerde bereits unzulässig. Einer derartigen Antragserweiterung entsprechend § 91 VwGO im Beschwerdeverfahren betreffend Beschlüsse nach §§ 80, 80a oder 123 VwGO stehen die in § 146 Abs. 4 S. 3 und 6 VwGO getroffenen Regelungen entgegen. Aus diesen wird zu Recht geschlossen, dass das Beschwerdegericht in diesen Verfahren nur zur Überprüfung der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung befugt ist und insoweit keine eigene, originäre Entscheidung trifft (vgl. VGH BW, Beschl. v. 01.09.2004 - 12 S 1750/04 - VBlBW 2004, 483 sowie die weiteren Rechtsprechungsnachweise bei Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll; VwGO, 3. Aufl., § 146 RdNr. 34).

Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

Dem Antragsteller fehlt es - wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat - an dem für eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch. Hinsichtlich der begehrten Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG kann offen bleiben, ob die hierfür erforderlichen tatbestandsmäßigen Voraussetzungen entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts deshalb zu bejahen sind, weil der Antragsteller Vater eines in Bremen lebenden Kindes ist und mit diesem - wie er geltend macht - eine familiäre Lebensgemeinschaft führt. Jedenfalls steht ihm auch dann, wenn dies der Fall sein sollte, ein entsprechender Anspruch nicht gegenüber dem Antragsgegner zu, weil es diesem an der insoweit erforderlichen Passivlegitimation fehlt. Hinsichtlich der begehrten Erlaubnis zum Verlassen des Aufenthaltsbereichs gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 AufenthG fehlt es an den insoweit erforderlichen Voraussetzungen.

Das Begehren des Antragstellers ist darauf gerichtet, als vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Aufenthalt gemäß § 61 Abs. 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt beschränkt ist, eine mit einer (weiteren) Duldung verbundene Erlaubnis zum Verlassen dieses gesetzlich beschränkten Aufenthaltsbereichs zu erhalten, um sich zum Zwecke der Verwirklichung einer familiären Lebensgemeinschaft bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - und damit dauerhaft - in dem Bundesland Bremen aufzuhalten. Ein derartiges Begehren kann nicht dadurch verwirklicht werden, dass der Ausländer bei der Ausländerbehörde des bisherigen Aufenthaltsbereichs eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG nebst einer (dauerhaften) Erlaubnis zum Verlassen des Aufenthaltsbereichs gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 AufenthG beantragt, sondern setzt vielmehr eine von dem aufnehmenden Land zu erteilende und damit auch bei der dortigen Ausländerbehörde zu beantragende Duldung voraus. Dies ergibt sich aus folgendem:

Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Die Ausländerbehörde, die die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebung gewährt hat, kann nach § 12 Abs. 5 Satz 1 AufenthG dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Gemäß § 12 Abs. 5 Satz 2 AufenthG ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Diese Vorschrift ermächtigt bzw. verpflichtet die Ausländerbehörde am Aufenthaltsort des Ausländers indes nur dazu, das Verlassen des gesetzlich beschränkten Aufenthaltsbereichs für eine begrenzte Zeit zu erlauben (vgl. Beschl. d. Senats v. 09.03.2006 - 2 M 225/05 - und vom 05.04.2006 - 2 M 126/06 -; OVG NW, Beschl. v. 29.11.2005 - 19 B 2364/03 - InfAuslR 2006, 64; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 12 AufenthG RdNr. 15; vgl. auch Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 61 RdNr. 18). Mit § 12 Abs. 5 AufenthG werden Ausnahmen von der räumlichen Beschränkung wie im AsylVfG geregelt (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 15/420, S. 73). Auf der Grundlage dieser Vorschrift ist es indessen nicht möglich, eine Wohnsitznahme in einem anderen Bundesland auf Dauer zu gestatten. Zwar spricht § 12 Abs. 5 AufenthG - anders als §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - nicht von einem "vorübergehenden" Verlassen des beschränkten Aufenthaltsbereichs. Eine Erlaubnis zur dauerhaften Wohnsitznahme in einem anderen Bundesland käme aber einer Aufhebung der räumlichen Beschränkung des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gleich, die § 12 Abs. 5 AufenthG gerade nicht beinhaltet.

Eine andere Anspruchsgrundlage, die die Gestattung einer auf Dauer angelegten Wohnsitznahme in einem anderen Bundesland ohne Zustimmung der dort zuständigen Ausländerbehörde zulässt, ist nicht ersichtlich. Eine dauerhafte Änderung des Wohnsitzes kann der Ausländer, der meint, aus zwingenden Gründen wie etwa dringenden familiären Gründen oder aus Gründen der Hilfsbedürftigkeit seinen Aufenthalt an einem anderen Aufenthaltsort in einem anderen Bundesland nehmen zu müssen, nur mit einer weiteren vorläufigen Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a AufenthG der Ausländerbehörde erreichen, in deren Zuständigkeitsbereich er meint, künftig sich aufzuhalten zu müssen (vgl. Beschl. d. Senats v. 10.05.2005 - 2 M 83/05 -; OVG NW, Beschl. v. 29.11.2005, a. a. O.; SächsOVG, Beschl. v. 19.05.2004 - 3 BS 380/03 -, InfAuslR 2004, 341, zur Rechtslage nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990).

In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht vor, weil der Antragsteller (faktisch) eine Dauererlaubnis zum Verlassen des bisherigen beschränkten Aufenthaltsbereichs begehrt, und fehlt es hinsichtlich der erstrebten Duldung an der Passivlegitimation des Antragsgegners, weil es diesem bezogen auf den angestrebten neuen Aufenthaltsort im Bundesland Bremen an der insoweit erforderlichen örtlichen Zuständigkeit fehlt. Richtiger Antragsgegner wäre vielmehr die dortige Ausländerbehörde.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) <Streitwert>.

Ende der Entscheidung

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