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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: 2 M 170/06
Rechtsgebiete: GG, FIHG, FI/GFIH-AG LSA, AllGO LSA, EWGRL 85/73


Vorschriften:

GG Art. 72 I
GG Art. 74 I Nr. 20
FIHG § 24
FI/GFIH-AG LSA § 5
FI/GFIH-AG LSA § 8
FI/GFIH-AG LSA § 10
AllGO LSA
EWGRL 85/73
1. Auch nach der Aufhebung des § 24 FlHG durch das Gesetz zur Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts vom 01.09.2005 (BGBl I 2618) stellen die §§ 5, 8 Fl/GFlH-AG LSA in Sachsen-Anhalt (weiterhin) die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für die Erhebung von Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchungen sowie für die Kontrollen und Untersuchungen bei der Zerlegung der geschlachteten Tiere dar. Sie sind auf Grund dieser Rechtsänderung weder weggefallen noch verstoßen sie (nunmehr) gegen Bundesrecht.

2. Eine Umsetzung der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG durch den Landesgesetzgeber genügt den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen; eine bundesrechtliche Regelung ist für eine ordnungsgemäße und vollständige Umsetzung nicht erforderlich.

3. Es entspricht den Vorgaben des EuGH in seiner Entscheidung vom 30.05.2002 (C-284/00 - DVBl 2002, 1108), wonach die Kosten bakteriologischer Untersuchungen und von Untersuchungen auf Trichinen, die gemäß der Richtlinie 64/433/EWG in der Fassung der Richtlinie 89/662/EWG wie der Fassung der Richtlinie 91/497/EWG durchgeführt wurden, von der Gemeinschaftsgebühr nach der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG erfasst werden und keine zusätzliche spezifische Gebühr erhoben werden darf, wenn die Kosten für solche Zusatzuntersuchungen in den - pauschal kalkulierten - Gebühren enthalten sind, seien es die in der Richtlinie vorgegebenen Pauschalgebühren oder die in einem Mitgliedsstaat nach den tatsächlichen Kosten erhöhten Gebühren (vgl. HessVGH, Beschl. v. 02.06.2005 - 5 ZU 1197/04 -, JagdrEntsch XIX Nr. 34).

4. In welchem Umfang eine Verringerung der Gebühr nach Anhang A Kapitel I Nr. 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG in Betracht kommt, hängt davon ab, in welchem Umfang der Kontrollbehörde auf Grund der Tatsache, dass im kontrollierten Betrieb das zu untersuchende Fleisch sowohl gewonnen als auch zerlegt wird, Einsparungen bei den Löhnen und Sozialabgaben des Untersuchungspersonals sowie bei den durch die Durchführung der Untersuchungen und Kontrollen anfallenden Verwaltungskosten entstanden sind (vgl. EuGH, Urt. v. 16.10.2003 - C-423/01 - EuGHE I 2003, 11985).

5. Europäisches Gemeinschaftsrecht hindert grundsätzlich nicht, die erforderliche Umsetzung der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG rückwir-kend vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.10.2001 - 3 C 1.01 -, NVwZ 2002, 486). Das Fl/GFlH-AG LSA wendet diese Richtlinie nicht rückwirkend - für einen vor ihrem Inkrafttreten geltenden Zeitraum - an, sie setzt sie lediglich rückwirkend (für einen von ihrer Geltungsdauer erfassten Zeitraum) um. Es liegt damit keine das Gemein-schaftsrecht betreffende Regelung vor, sondern eine nationale Umsetzung dieses Gemeinschaftsrechts; die Zulässigkeit der rückwirkenden Inkraftsetzung einer derartigen nationalen Umsetzung richtet sich deshalb nach nationalem Recht (vgl. HessVGH, Beschl. v. 02.06.2005, a. a. O., m. w. Nachw.).


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 170/06

Datum: 06.06.2006

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die von der Antragstellerin vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Annahme, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Gebührenbescheide (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend).

Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts könne § 24 des Fleischhygienegesetzes i. d. F. d. Bek. v. 30.06.2003 (BGBl I 1242), zuletzt geändert durch Gesetz v. 04.11.2004 (BGBl I 2688) - FlHG - als Ermächtigungsgrundlage, auf die sich auch das Ausführungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 22.12.2004 (LSA-GVBl S. 866) - Fl/GFlH-AG LSA - stütze, nicht herangezogen werden, weil der Bundesgesetzgeber diese Regelung mit dem Gesetz zur Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts vom 01.09.2005 (BGBl I 2618) - LFGB - aufgehoben habe. Die Bestimmungen in §§ 5, 8 Fl/GFlH-AG LSA, die weiterhin die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für die Erhebung der streitgegenständlichen Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchungen sowie für die Kontrollen und Untersuchungen bei der Zerlegung der geschlachteten Tiere beinhalten, sind auf Grund dieser Rechtsänderung weder weggefallen noch verstoßen sie (nunmehr) gegen Bundesrecht. § 24 FlHG stellte nicht die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die landesrechtliche Gebührenregelung dar (vgl. VGH BW, Urt. v. 30.03.2006 - 2 S 831/05 - Juris). Mit dieser Bestimmung hatte der Bundesgesetzgeber von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht und es dabei (zulässigerweise) dem Landesgesetzgeber überlassen, die einzelnen kostenpflichtigen Tatbestände - und damit auch die entsprechenden Gebühren - zu bestimmen und das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht in nationales Recht umzusetzen (BVerwG, Urt. v. 27.04.2000 - 1 C 7.99 -, BVerwGE 111, 143). Soweit § 24 FlHG die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts dem Landesgesetzgeber überlässt, steht diesem auch eine originäre Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1 GG zu, von der der Landesgesetzgeber im Fl/GFlH-AG LSA Gebrauch gemacht hat. Der nachträgliche Wegfall der bundesrechtlichen, den Landesgesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit einschränkenden (konkurrierenden) Regelung konnte damit auch keinen Kompetenzverlust auf Seiten des Landesgesetzgebers zu Folge haben (vgl. VGH BW, Urt. v. 30.03.2006, a. a. O.).

Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin weiter, der EuGH habe mit Urteil vom 08.03.2001 (C-316/99 - EuGHE I 2001, 2037) entschieden, dass der Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG nicht ordnungsgemäß und vollständig in nationales Recht umgesetzt habe mit der Folge, dass die Bundesrepublik und die Länder auf die Erhebung von Gebühren in Höhe der EG-Pauschalgebühren beschränkt seien, bis eine ordnungsgemäße Transformation in das nationale Recht der Bundesrepublik stattgefunden habe. Unabhängig davon, dass sich die Entscheidung des EuGH nur auf die Nichtumsetzung des Teils der Richtlinie bezieht, der sich mit den Pauschalgebühren für Untersuchungen von Geflügelfleisch befasst, besagt die Feststellung des EuGH über die nicht fristgerechte Umsetzung von Gemeinschaftsrecht durch die Bundesrepublik nichts darüber, inwieweit (nunmehr) die förderalen Untergliederungen des Mitgliedsstaats die europarechtlichen Anforderungen national umgesetzt haben (vgl. HessVGH, Beschl. v. 02.06.2005 - 5 ZU 1197/04 -, JagdrEntsch XIX Nr. 34). Es trifft nicht zu, dass sowohl ein bundesrechtlicher als auch ein landesrechtlicher Umsetzungsakt erforderlich wäre. Jeder Mitgliedsstaat ist berechtigt, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte mittels Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen, sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht (EuGH, Urt. v. 10.11.1992 - C-156/9 - EuGHE I 1992, 5597; Urt. v. 09.09.1999 - C-374/97 - EuGHE I 1999, 5133 [5167]). Jede zur Rechtssetzung befugte Gliedkörperschaft der Bundesrepublik Deutschland setzt das Gemeinschaftsrecht für ihren jeweiligen Hoheitsbereich um; die Wirksamkeit dieser Umsetzungsakte ist nicht davon abhängig, dass die Umsetzung auch in allen anderen Gebieten der Bundesrepublik Deutschland bereits erfolgt ist (BVerwG, Beschl. v. 29.03.2005 - 3 BN 1.04 -, Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 26).

Zu Unrecht rügt die Antragstellerin, die Umsetzung der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG in Landesrecht sei nicht ordnungsgemäß und vollständig erfolgt, weil der Landesgesetzgeber gemeinschaftswidrig Sondergebühren in den Kostentarif eingestellt habe. In der Entscheidung vom 30.05.2002 (C-284/00 - DVBl 2002, 1108), auf die sich die Antragstellerin insoweit bezieht, hat der EuGH festgestellt, dass die Kosten bakteriologischer Untersuchungen und von Untersuchungen auf Trichinen, die gemäß der Richtlinie 64/433/EWG in der Fassung der Richtlinie 89/662/EWG wie der Fassung der Richtlinie 91/497/EWG durchgeführt wurden, von der in Rede stehenden Gemeinschaftsgebühr erfasst werden. Der Gerichtshof betont allerdings auch (vgl. Tz. 54, 55), dass die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühr erheben können, sofern dieser die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet; nicht gestattet ist lediglich die Erhebung einer spezifischen Gebühr zusätzlich zu der Gemeinschaftsgebühr, um bestimmte Kosten für Untersuchungen und Kontrollen abzudecken, die nicht in allen Fällen stattfinden. Kosten für die Zusatzuntersuchungen sollen demnach nicht zusätzlich erhoben werden, sondern in den - pauschal kalkulierten - Gebühren enthalten sein, seien es die in der Richtlinie vorgegebenen Gebühren oder die in einem Mitgliedsstaat nach den tatsächlichen Kosten erhöhten Gebühren (so auch HessVGH, Beschl. v. 02.06.2005, a. a. O.; vgl. auch OVG NW, Urt. v. 14.12.2004 - 9 A 4056/02 - Juris). Diesen Anforderungen genügt die Umsetzung durch § 8 Fl/GFlH-AG LSA. In Nr. 1.1 der Tarifstelle 172 der Allgemeinen Gebührenordnung des Landes Sachsen-Anhalt - AllGO - in der Fassung des § 8 Fl/GFlH-AG LSA ist ausdrücklich bestimmt, dass die Gebühren zu den dieser Tarifstelle zuzuordnenden Amtshandlungen auch die Kosten für bakteriologische Untersuchungen und für Untersuchungen auf Trichinen umfassen. Zusätzliche Gebühren für solche Untersuchungen werden nicht erhoben.

Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist auch davon auszugehen, dass der Antragsgegner nicht verpflichtet war, die Gebühren für die Kontrollen und Untersuchungen im Zusammenhang mit der der Zerlegung der geschlachteten Tiere nach Anhang A Kapitel I Nr. 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG gemäß Unterabsatz 2 um 55 % zu verringern. Nach dieser Bestimmung werden die in Unterabsatz 1 genannten Beträge um bis zu 55 % verringert, wenn die Zerlegung in dem Betrieb stattfindet, in dem das Fleisch gewonnen wird. Dieser Teil der Richtlinie ist in Tarifstelle 173 der AllGO unter Ziffer 2.2.3. umgesetzt, die bestimmt, dass der für die Zerlegung zu erhebende Betrag angemessen, jedoch um höchstens 55 v. H. verringert wird, wenn die Zerlegung in dem Betrieb stattfindet, in dem das Fleisch gewonnen wurde. Nach dem Sinn und Zweck der Richtlinie muss sich die Höhe der zu gewährenden Ermäßigung nach den Einsparungen bei den Löhnen und Sozialabgaben des Untersuchungspersonals sowie bei den durch die Durchführung der Untersuchungen und Kontrollen entstehenden Verwaltungskosten richten, die darauf zurückzuführen sind, dass die Zerlegung in dem Betrieb erfolgt, in dem das Fleisch gewonnen wurde (EuGH, Urt. v. 16.10.2003 - C-423/01 - EuGHE I 2003, 11985, Tz. 32). Maßgeblich ist mithin, in welchem Umfang dem Antragsgegner auf Grund der Tatsache, dass im Betrieb der Antragstellerin das zu untersuchende Fleisch sowohl gewonnen als auch zerlegt wird, solche Einsparungen entstanden sind. Hierzu hat das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss ausgeführt, im Fall der Antragstellerin fehle es an einem verminderten Kontrollaufwand, weil die seinerzeitige Organisation der Antragstellerin eine Schlachtung in der Nachtschicht und eine Zerlegung in einer anderen Schicht vorgesehen habe. Dem hält die Antragstellerin entgegen, in jedem Betrieb, in dem eine Schlachtung und Zerlegung vorgenommen werde, müsse das Fleisch gemäß der Fleischhygieneverordnung nach der Schlachtung auf eine Kerntemperatur von 7°C heruntergekühlt werden, bevor eine Zerlegung stattfinden dürfe. Der Umstand, dass auch in anderen Betrieben Schlachtung und Zerlegung zeitversetzt stattfinden, besagt indes noch nichts darüber, in welchem Umfang bei den Kontrollen im Betrieb der Antragstellerin eine Verringerung der tatsächlichen Kosten eingetreten ist. Allerdings schreibt die Richtlinie zwingend eine Verringerung der Beträge vor für den Fall, dass Schlachtung und Zerlegung in ein und demselben Betrieb stattfinden. Sie geht mithin davon aus, dass die Behörden bei der Kontrolle solcher Betriebe regelmäßig Ausgaben für Löhne und Sozialabgaben des Untersuchungspersonals sowie für Verwaltungskosten einsparen. Der Antragsgegner wird sich aus diesem Grund voraussichtlich nicht darauf berufen können, wegen des Schichtbetriebs bei der Antragstellerin komme eine Ermäßigung von vorn herein nicht in Betracht. Der Einwand der Antragstellerin, es sei möglich gewesen, die Hygienekontrollen im Zusammenhang mit den Zerlegearbeiten im Anschluss an die Schlachtungen durchzuführen, ist daher zwar nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Allerdings legt Anhang A Kapitel I Nr. 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG nur die Obergrenze einer Ermäßigung fest. In welchem Umfang Einsparungen vorliegen, muss der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, § 10 Fl/GFlH-AG LSA verstoße gegen das im Verfassungsrecht verankerte Rückwirkungsverbot. Festzuhalten ist zunächst, dass europäisches Gemeinschaftsrecht nicht grundsätzlich hindert, die erforderliche Umsetzung der in Rede stehenden EG-Richtlinie rückwirkend vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.10.2001 - 3 C 1.01 -, NVwZ 2002, 486, m. w. Nachw.; Beschl. v. 29.03.2005, a. a. O.). Das Fl/GFlH-AG LSA wendet die in Rede stehende EG-Richtlinie nicht rückwirkend - für einen vor ihrem Inkrafttreten geltenden Zeitraum - an, sie setzt sie lediglich rückwirkend (für einen von ihrer Geltungsdauer erfassten Zeitraum) um. Es liegt damit keine das Gemeinschaftsrecht betreffende Regelung vor, sondern eine nationale Umsetzung dieses Gemeinschaftsrechts; die Zulässigkeit der rückwirkenden Inkraftsetzung einer derartigen nationalen Umsetzung richtet sich deshalb nach nationalem Recht (vgl. HessVGH, Beschl. v. 02.06.2005, a. a. O., m. w. Nachw.).

Welche Anforderungen das nationale (Verfassungs-)Recht an eine Rückwirkungsanordnung allgemein stellt, bedarf im konkreten Fall keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls für den hier streitigen Erhebungszeitraum (September 2004 bis Juni 2005) ist ein Verstoß gegen höherrangiges Recht durch die Rückwirkungsanordnung in § 10 Fl/GFlH-AG LSA nicht erkennbar. Für die Untersuchungen und Kontrollen, die zeitlich nach der Bekanntmachung des Fl/GFlH-AG im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Sachsen-Anhalt (29.12.2004) stattgefunden haben, stellt sich die Rückwirkungsproblematik schon nicht. Aber auch für die Untersuchungen und Kontrollen die von September bis zum 29.12.2004 stattfanden und für die mit Bescheiden vom 05.10.2004, 08.11.2004, 07.12.2004 22.12.2004 und 04.01.2005 Gebühren erhoben wurden, lässt sich nicht feststellen, dass Rechte der Antragstellerin verletzt sein könnten; denn insoweit ist die Rechtsposition der Antragstellerin durch die rückwirkende Inkraftsetzung der hier maßgeblichen Regelungen der Tarifstellen 172 und 173 der AllGO durch die §§ 8,10 Fl/GFlH-AG nicht verschlechtert worden.

Für die Schlachttier- und Fleischuntersuchungen an Rindern und Schweinen sah die Tarifstelle 172 der AllGO in der am 22.09.2004 in Kraft getretenen Fassung vom 30.08.2004 (LSA-GVBl S. 554 [706]) in den maßgeblichen Ziffern 1.1.1.1 und 1.1.3. dieselben Beträge (4,5/2,5 bis 26,03 € und 0,5/1,3 bis 5,49 € je Tier) vor wie nunmehr die Tarifstelle 172 der AllGO in der Fassung nach der Änderung durch § 8 Fl/GFlH-AG in den entsprechenden, für Untersuchungen ab dem 01.07.1997 geltenden Ziffern 1.1.1.1.3. und 1.1.4.1.2.

Für die Kontrollen und Untersuchungen in Zerlegungsbetrieben sah die Tarifstelle 173 der AllGO in der Fassung vom 30.08.2004 unter Ziffer 2.2. vor, dass Gebühren in Höhe von mindestens 3 € je Tonne angeliefertes Fleisch mit Knochen, im Übrigen nach Zeitaufwand erhoben werden, wobei eine angemessene Verringerung, jedoch um höchstens 55 v. H. erfolgt, wenn die Zerlegung in dem Betrieb stattfindet, in dem das Fleisch gewonnen wurde. Dieselbe Regelung findet sich in der Tarifstelle 173 der AllGO in der Fassung des Fl/GFlH-AG LSA unter Ziffer 2.2.3 für die Zeit ab 01.07.1997. Lediglich ein Bescheid (vom 05.10.2004) betrifft einen Zeitraum (September 2004), für den teilweise noch die AllGO in der am 03.06.2000 in Kraft getretenen Fassung vom 23.05.2000 (LSA-GVBl S. 266) galt. Diese sah in der Tarifstelle 172 unter Ziffer 2.2.3.1. für die Zeit ab dem 01.07.1997 zwar vor, dass eine Gebühr von (genau) 3 € je Tonne angeliefertes Fleisch erhoben wird, wobei wiederum eine angemessene Verringerung, jedoch um höchstens 55 v. H. erfolgt, wenn die Zerlegung in dem Betrieb stattfindet, in dem das Fleisch gewonnen wurde; unter Ziffer 2.2.3.2. war aber geregelt, dass an Stelle der Gebühr eine Erhebung der tatsächlichen Kosten auf Stundenbasis erfolgen kann, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass sich mit der Erhebung von drei ECU/Euro je Tonne angeliefertes Fleisch die tatsächlichen Kosten nicht decken lassen. Insofern ist auch für diesen (kurzen) Zeitraum eine Verschlechterung der Rechtsposition der Antragstellerin durch das Fl/GFlH-AG LSA nicht erkennbar. Ob eine Rückwirkung für frühere Zeiträume zulässig ist und ob insoweit eine "Deckelung" der Gebührenhöhe hätte vorgenommen werden müssen, ist für die hier zu treffende Entscheidung rechtlich ohne Bedeutung. Wird eine Rechtsnorm in unzulässiger Weise rückwirkend in Kraft gesetzt, hindert dieser Mangel nur das rückwirkende Inkrafttreten der Norm, nicht jedoch ihr Inkrafttreten "ex nunc" (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.08.2001 - 4 B 23.01 -, NVwZ 2002, 205, m. w. Nachw.). Der von der Antragstellerin geltend gemachte Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot könnte nur die Unwirksamkeit der Rückwirkungsanordnung für den Zeitraum zur Folge haben, für den eine Rückwirkung unzulässig wäre. Der von der Antragstellerin genannte Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamts vom 03.02.2006 betrifft im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständliche Kostenbescheide des Antragsgegners vom 08.02.1999 bis 11.01.2000, die Schlachttier- und Fleischuntersuchungen im Jahr 1999 zum Gegenstand haben.

Der Einwand der Antragstellerin, es liege keine ordnungsgemäße Kostenkalkulation vor, bleibt unsubstanziiert. Der Antragsgegner hat eine Kalkulation vorgelegt, mit der sich die Antragstellerin nicht näher auseinandergesetzt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3; 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>. Die Antragstellerin greift die streitgegenständlichen Gebührenbescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landeverwaltungsamts vom 21.07.2005 in Höhe von insgesamt 321.793,03 € nur insoweit an, als Beträge von mehr als insgesamt 83.973,26 € erhoben werden, so dass der Differenzbetrag in Höhe von insgesamt 237.819,77 € in Streit steht. Für die Bemessung des Streitwerts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren legt der Senat Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 zugrunde (vgl. Beschl. v. 05.12.2003 - 2 M 431/02 -). Danach beträgt der Streitwert in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO und bei sonstigen auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakten ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes. Dies ergibt den festgesetzten Betrag. Der Senat macht ferner von der Möglichkeit des § 63 Abs. 3 GKG Gebrauch, den vom Verwaltungsgericht auf 124.825,11 € festgesetzten Streitwert vom Amts wegen zu ändern.

Ende der Entscheidung

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