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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 11.10.2006
Aktenzeichen: 2 M 294/06
Rechtsgebiete: AuslG, AufenthG, VwGO


Vorschriften:

AuslG § 69
AufenthG § 81 Abs. 3
AufenthG § 102 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
1. Löste ein vor dem Inkrafttreten des AufenthG gestellter Antrag keine Fiktionswirkung nach § 69 Abs. 2 oder 3 AufenthG aus, hat es damit mangels einer Regelung im AufentG sein Bewenden; § 81 Abs. 3 AufenthG kann eine Fiktionswirkung nur vermitteln, wenn die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes beantragt worden ist.

2. Der Aussetzung der Abschiebung kommt nicht die Funktion eines vorbereitenden oder ersatzweise gewährten Aufenthaltsrechts zu. Hat ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein Bleiberecht in Form einer Fiktion nicht ausgelöst und ist demzufolge ein nach Antragsablehnung gestellter Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig, scheidet aus gesetzessystematischen Gründen darüber hinaus auch die Erteilung einer Duldung für die Dauer des Erteilungsverfahrens grundsätzlich aus. Eine andere Sichtweise ist dann geboten, wenn es dem Ausländer im Hinblick auf Art. 6 GG nicht zugemutet werden kann und darf, seine in der Bundesrepublik gelebten familiären Beziehungen auch nur vorübergehend für die Dauer eines vom Ausland zu betreibenden Visumsverfahrens zu unterbrechen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 294/06

Datum: 11.10.2006

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist ( § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat zunächst angenommen, der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis sei bereits unzulässig, weil mit der ablehnenden Entscheidung der Fortfall eines gesetzlichen Aufenthaltsrechts (§ 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), einer Fortgeltungsfiktion (§ 81 Abs. 4 AufenthG) oder einer gesetzlichen Aussetzung (§ 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) nicht verbunden seien. Mit der Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis am 25.01.2006 sei für den Antragsteller keine günstige Rechtsfolge verbunden gewesen. Insbesondere sei nicht die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingetreten, da der Aufenthalt des Antragstellers wegen der vollziehbaren Ausreisepflicht nicht rechtmäßig gewesen sei.

Dem hält der Antragsteller im Ergebnis ohne Erfolg entgegen, von einem rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei auszugehen, weil der Antragsgegner vorherige Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unbearbeitet gelassen habe. Da der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus Anlass der am 16.06.2004 vorgenommenen Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen bereits am 22.07.2004 gestellt und dieser Antrag vor der ablehnenden Entscheidung des Antragsgegners vom 11.07.2006 nicht beschieden wurde, beurteilt sich der Eintritt einer Fiktionswirkung allein nach § 69 des (bis zum 31.12.2004 geltenden) Ausländergesetzes (AuslG). Nach der Übergangsvorschrift des § 102 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Satz 2 AufenthG bleiben die kraft Gesetzes eingetretenen Wirkungen nach § 69 AuslG wirksam. War keine Fiktionswirkung eingetreten, so hat es damit mangels einer Regelung im AufentG gleichfalls sein Bewenden; § 81 Abs. 3 AufenthG kann von vornherein eine Fiktionswirkung nur vermitteln, wenn die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes beantragt worden ist (vgl. OVG NW, Beschl. v. 31.01.2005 - 18 B 915/04 -, AuAS 2005, 123). Der Umstand dass der Antragsteller den Antrag vom 22.07.2004 nach Inkrafttreten des AufenthG wiederholt hat, nachdem der Antrag unbeschieden geblieben war, ändert hieran nichts.

Eine Erlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG oder eine Duldungsfiktion nach § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG konnte mit der Antragstellung am 22.07.2004 indes nicht eintreten, da der Antragsteller auf Grund eines "sonstigen" Verwaltungsakts ausreisepflichtig und noch nicht ausgereist war (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 3 AuslG). Auch die Ablehnung eines Asylantrags stellt eine aufenthaltsbeendende Maßnahme im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG dar, wenn und sobald hierdurch eine Aufenthaltsgestattung erlischt (vgl. GK-AuslR, Stand Januar 2000, II-§69 RdNr. 28, m. w. Nachw.). So liegt es hier. Nach Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers durch den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12.02.2004 als offensichtlich unbegründet und dem Ergehen des ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts Weimar vom 16.03.2004 erlosch die nach § 55 AsylVfG zur Durchführung des Asylverfahren geltende Aufenthaltsgestattung, da die in diesem Bescheid erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar war (§§ 67 Abs. 1 Nr. 4, 75 AsylVfG).

Die Beschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg, als der Antragsteller (nunmehr) hilfsweise begehrt, den Antrag in einen Antrag nach § 123 VwGO umzudeuten, weil er auf Grund der Eheschließung ein Aufenthaltsrecht beanspruchen könne. Insoweit ist schon unklar, welchen Inhalt eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO haben soll. Nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO muss die Beschwerde einen bestimmten Antrag enthalten. In Betracht kommt - wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist und was der Antragsteller insoweit nicht beanstandet hat - ein Ausspruch, mit dem der Antragsgegner verpflichtet werden soll, die Abschiebung des Antragstellers bis zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auszusetzen.

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, kommt der Aussetzung der Abschiebung (Duldung) indes nicht die Funktion eines vorbereitenden oder ersatzweise gewährten Aufenthaltsrechts zu (vgl. Beschl. d. Senats v. 25.08.2006 - 2 M 228/06 -; sowie zu § 55 Abs. 2 AuslG: BVerwG, Urt. v. 25.09.1997 - 1 C 3.97 -, BVerwGE 105, 35 [43]). Die Frage, ob gegebenenfalls auch eine längerfristige Trennung von Ehegatten im Hinblick auf Art. 6 GG zulässig ist, ist grundsätzlich im Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nachzugehen, das wegen § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in der Regel nicht vom Inland aus betrieben werden kann (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, II § 60a RdNr. 87). Hat ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - wie hier - ein Bleiberecht in Form einer Fiktion nicht ausgelöst und ist demzufolge ein nach Antragsablehnung gestellter Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig, scheidet aus gesetzessystematischen Gründen darüber hinaus auch die Erteilung einer Duldung für die Dauer des Erteilungsverfahrens grundsätzlich aus; denn die Erteilung einer Duldung widerspräche der in den genannten Vorschriften zum Ausdruck gekommenen gesetzlichen Wertung, für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Bleiberecht zu gewähren (vgl. OVG NW, Beschl. v. 11.01.2006 - 18 B 44.06 - AuAS 2006, 144; Beschl. v. 07.06.2004 - 18 B 596/04 - Juris; OVG Berlin, Beschl. v. 26.11.2003 - 6 S 343.03 -, juris). Eine grundsätzlich andere Sichtweise ist zwar dann geboten, wenn es dem Ausländer im Hinblick auf Art. 6 GG nicht zugemutet werden kann und darf, seine in der Bundesrepublik gelebten familiären Beziehungen auch nur vorübergehend für die Dauer eines vom Ausland zu betreibenden Visumsverfahrens zu unterbrechen, etwa wenn ein Kleinkind von einem Elternteil getrennt würde (vgl. Beschl. d. Senats v. 25.08.2006 - 2 M 228/06 -; Funke-Kaiser, a. a. O.). Eine solche Unzumutbarkeit ist hier aber nicht ersichtlich.

Ob eine Aussetzung der Abschiebung auch dann in Betracht kommt, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis offensichtlich besteht, bedarf keiner Entscheidung. So liegt der Fall hier nicht. Der Antragsteller erfüllt nicht die Passpflicht nach § 3 AufenthG, und es liegen Ausweisungsgründe vor, was nach § 5 Abs. 1 (Nr. 2) AufenthG in der Regel der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht. Ob ein Ausnahmefall gegeben ist bzw. eine Abweichung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in Betracht kommt, ist der Prüfung im Widerspruchs- oder in einem sich möglicherweise anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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