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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 20.08.2003
Aktenzeichen: 2 M 308/03
Rechtsgebiete: LSA-VwVfG


Vorschriften:

LSA-VwVfG § 35
LSA-VwVfG § 41 I 1
LSA-VwVfG § 41 III
LSA-VwVfG § 41 IV
LSA-VwVfG § 43 I
1. Die öffentliche Bekanntgabe der Allgemeinverfügung (hier: einer Schulschließung) kann auch dadurch bewirkt werden, dass nur der verfügende Teil nebst einem Hinweis, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können, ortsüblich bekannt gegeben wird.

2. Was ortsüblich ist, bestimmt sich nach dem Verkündungsrecht der Körperschaft, welche die Allgemeinverfügung erlässt.

3. Anstelle der öffentlichen Bekanntgabe kann die Allgemeinverfügung auch im Weg der Einzel-Bekanntmachung den Betroffenen bekannt gegeben werden. Dies setzt einen entsprechenden Bekanntgabewillen der Behörde voraus sowie die Möglichkeit für den Betroffenen, sich von dem Verwaltungsakt zuverlässig Kenntnis zu verschaffen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 308/03

Datum: 20.08.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987), sowie auf §§ 154 Abs. 1; 162 Abs. 3 VwGO <Kosten> und hinsichtlich des Streitwerts auf §§ 13 Abs. 1 Satz; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) i. V. m. II. Nr. 37.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605 ff.). Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren im Beschwerdeverfahren nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er weder Anträge gestellt noch sonst das Verfahren wesentlich gefördert hat.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu Unrecht abgelehnt; denn bei der hier allein in Betracht kommenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache erweist sich der Kreistagsbeschluss des Antragsgegners vom 16.12.2002 bereits deshalb gegenüber der Antragstellerin als offensichtlich (formell) rechtswidrig, weil er nicht wirksam im Sinne der §§ 43 Abs. 1; 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt i. d. F. d. Bek. v. 07.01.1999 (LSA-GVBl., S. 3) - VwVfG LSA -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 (LSA-GVBl., S. 130 [135 <Nr. 34>]), bekannt gegeben worden ist.

Der Kreistagsbeschluss vom 16.12.2002, der als Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG LSA anzusehen ist, da er die Schließung einer Schule zum Gegenstand hat (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 24.04.1978 - BVerwG 7 B 111.77 -, NJW 1978, 2211), ist nicht wirksam gemäß § 41 Abs. 3, 4 VwVfG LSA bekannt gegeben worden. Zwar kann nach dem Wortlaut des § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG LSA entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine öffentliche Bekanntmachung auch dadurch bewirkt werden, dass nur der verfügende Teil der Allgemeinverfügung (nebst Hinweis gemäß § 41 Abs. 4 Satz 2 VwVfG LSA, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können) ortsüblich bekannt gegeben wird (so für die Veröffentlichung eines Planfeststellungsbeschlusses BVerwG, Urt. v. 27.05.1983 - BVerwG 4 C 40.81 -, BVerwGE 67, 206; Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., § 41 RdNr. 83a; vgl. auch § 6 Abs. 6 Satz 2 der Verordnung zur Mittelfristigen Schulentwicklungsplanung - MitSEPl-VO - vom 17.11.1999 [LSA-GVBl., S. 356]). Was in diesem Sinne "ortsüblich" ist, richtet sich vorliegend nach § 14 Abs. 4 der Hauptsatzung des Antragsgegners vom 04.05.1998 in der Fassung vom 16.12.2002, wonach die in gesetzlichen Vorschriften vorgesehene "ortsübliche Bekanntmachung" durch Veröffentlichung im Wochenspiegel, Ausgaben Naumburg-Nebra und Zeitz, erfolgt. Nähere Einzelheiten, insbesondere Angaben zur Auslegungszeit im Falle einer Hinweisbekanntmachung, regelt § 14 Abs. 4 der Hauptsatzung nicht. Die Auslegungsfrist hat sich allerdings an dem in § 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG LSA geregelten Zeitraum zu orientieren, d. h. die Möglichkeit der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und seine Begründung muss mindestens zwei Wochen gewährt werden (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 41 RdNr. 96). Anderenfalls wäre der Zweck der Einsichtsmöglichkeit des § 41 Abs. 4 Satz 2 VwVfG LSA, vom Inhalt einer Allgemeinverfügung hinreichend zuverlässig Kenntnis zu nehmen und damit die Einzelbekanntgabe an die Betroffenen zu ersetzen, nicht gewahrt. Diese Zwei-Wochen-Frist hat der Antragsgegner indes nicht eingehalten; denn die genehmigte Nachtragsfortschreibung für die Mittelfristige Schulentwicklungsplanung lag lediglich in der Zeit vom 17.02. - 28.02.2003 im Büro des Kreistags in Naumburg zur Einsichtnahme aus, mit der Folge, dass eine wirksame Hinweisbekanntmachung im Sinne des § 41 Abs. 4 VwVfG LSA nicht erfolgt ist.

Der Antragsgegner hat den Bekanntmachungsfehler auch nicht durch die erneute Veröffentlichung des vollständigen Textes des Kreistagsbeschlusses vom 16.12.2002 im Wochenspiegel, Ausgaben Naumburg-Nebra und Zeitz, vom 09.07.2003 nachträglich geheilt. Zwar kann eine Allgemeinverfügung gemäß § 41 Abs. 3 VwVfG LSA auch im vollen Wortlaut ortsüblich bekannt gegeben werden, mit der Folge, dass es keiner Auslegung und keines Hinweises mehr auf die Auslegung gemäß § 41 Abs. 4 Satz 2 VwVfG bedarf. Indes fehlt in dem von dem Antragsgegner am 09.07.2003 veröffentlichten Text die Begründung des Verwaltungsakts, wie sie im Kreistagsbeschluss vom 16.12.2002 auf Seite 2 niedergelegt worden ist; eine Veröffentlichung lediglich des Beschlusstenors, der Begründung des Sofortvollzugs und der Anlage zum Kreistagsbeschluss genügt den Anforderungen an eine volltextliche Bekanntmachung nicht (vgl. allgemein OVG LSA, Urt. v. 20.01.1994 - 2 L 2/93 -).

Der Antragstellerin ist der Kreistagsbeschluss vom 16.12.2002 auch nicht wirksam gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA bekannt gemacht worden. Zwar ist neben der öffentlichen Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung auch eine Einzelbekanntgabe möglich, so dass ein Kreistagsbeschluss ungeachtet der von der anordnenden Behörde beabsichtigten öffentlichen Bekanntgabe durch konkret-individuelle Bekanntgabe einzelnen Personen gegenüber wirksam werden kann, denen gegenüber die Entscheidung im Einzelfall eröffnet wird (OVG NW, Urt. v. 19.02.2001 - 11 A 5502/99 -, DVBl. 2001, 1307). Allerdings ist die Einzelbekanntgabe nur dann wirksam vollzogen, wenn der Adressat des Verwaltungsakts zuverlässige Kenntnis von seinem Ergehen und seinem Regelungsgehalt hat und dem ein Bekanntgabewille der (erlassenden) Behörde zu einer Eröffnung des Verwaltungsakts an den Adressaten oder den Betroffenen zugrunde liegt (BVerwG, Urt. v. 29.11.1968 - BVerwG VIII C 19.64 -, NJW 1968, 1538; BVerwG, Urt. v. 18.11.1997 - BVerwG 8 C 43.95 -, BVerwGE 104, 301 [315]; OVG NW, a. a. O.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 41 RdNr. 4c, m. w. N.). Daran fehlt es, wenn die Antragstellerin - wie hier - nur zufällig von dem Verwaltungsakt Kenntnis nimmt, indem sie die entsprechenden Unterlagen aus einer Rücksprache mit dem Schulelternrat, dem Schülerrat und dem Schulförderverein erhalten hat; denn diese Kenntnisnahme war nicht von einem Bekanntgabewillen des Antragsgegners getragen.

Ende der Entscheidung

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