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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 2 M 346/06
Rechtsgebiete: AuslG, BGB


Vorschriften:

AuslG § 14 Abs. 1 S. 1
BGB § 133
Zur Frage des Erlöschens einer unter der auflösenden Bedingung "Aufenthalt erlischt bei Beantragung von Sozialhilfe" ergangenen Aufenthaltserlaubnis bei Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 346/06

Datum: 25.01.2007

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der angefochtene Feststellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 27.02.2006 nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich rechtswidrig ist. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die der Antragstellerin am 18.03.2003 erteilte und am 04.03.2004 bis zum 04.03.2006 verlängerte Aufenthaltserlaubnis wegen der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II erloschen ist. Die Antragsgegnerin hat die Aufenthaltsgenehmigung zwar auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG unter der auflösenden Bedingung "Aufenthalt erlischt bei Beantragung von Sozialhilfe" erteilt. Aber auch der Senat geht davon aus, dass die Antragstellerin keine "Sozialhilfe" im Sinne der Nebenbestimmung beantragt hat.

Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin dürfte die Auflage nicht in dem Sinne zu verstehen sein, dass die Aufenthaltsgenehmigung auch bei Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) erlischt.

Die Auslegung (auch) eines Verwaltungsakts und einer Nebenbestimmung richtet sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Adressaten oder der erlassenden Behörde. Maßgebend ist entsprechend der Auslegungsregel des § 133 BGB der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.10.2005 - 6 B 52.05 -, NVwZ 2006, 1423). Entscheidend ist der objektive Erklärungsinhalt des Bescheides aus der Sicht des Adressaten und nicht das, was einzelne Behördenbedienstete gewollt haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.04.1989 - 7 B 55.89 -, JurBüro 1989, 456). Unklarheiten gehen grundsätzlich zu Lasten der Verwaltung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 36 RdNr. 11a, m. w. Nachw.).

Die in Rede stehende Nebenbestimmung "Aufenthalt erlischt bei Beantragung von Sozialhilfe" war im Zeitpunkt ihrer Erteilung am 18.03.2003 auch aus der Sicht der Antragstellerin inhaltlich hinreichend bestimmt und auch nicht auslegungsbedürftig. Es war für sie objektiv erkennbar, dass die Aufenthaltserlaubnis erlischt, wenn sie "Sozialhilfe", also Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) beantragt.

An dem verwendeten Begriff "Sozialhilfe" muss sich die Antragsgegnerin auch nach der Zusammenführung der Sozialhilfe zum Lebensunterhalt für erwerbsfähige Hilfebedürftige und der Arbeitslosenhilfe in der Grundsicherung für Arbeitssuchende im SGB II zum 01.01.2005 festhalten lassen. Dieser vom Gesetzgeber für bestimmte Sozialleistungen verwendete und insoweit eindeutige Begriff ist nach dieser Rechtsänderung nicht bedeutungslos geworden. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, Leistungen der "Sozialhilfe" nach dem SGB XII zu erhalten. Zwar werden bestimmte Hilfeleistungen nicht mehr von der "Sozialhilfe" erfasst. So erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt (§ 21 Satz 1 SGB XII). Im Grundsatz erhalten Leistungen nach dem SGB II erwerbsfähige Hilfebedürftige im Alter zwischen 15 und 65 Jahren, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Hiervon sind aber wiederum verschiedene Personengruppen ausgenommen, beispielsweise Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ihre Familienangehörigen sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des AsylbLG (§ 7 Abs. 2 Satz 2 SGB II) sowie nicht erwerbsfähige Personen. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ausländer können gemäß § 8 Abs. 2 SGB II nur erwerbstätig im Sinne von Absatz 1 sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.

Es mag sein, dass es Sinn und Zweck der Nebenbestimmung war, die Inanspruchnahme des rein steuerfinanzierten und von keiner Vorleistung des Leistungsempfängers abhängigen Fürsorgesystems der Sozialhilfe durch die Antragstellerin, insbesondere von Hilfe zum Lebensunterhalt zu verhindern und dass das SGB II für Erwerbsfähige diese Hilfe zum Lebensunterhalt inhaltlich übernommen hat. Für die Auslegung der in Rede stehenden Nebenbestimmung kommt es aber nicht darauf an, inwieweit die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Willen des Gesetzgebers an die Stelle der Hilfe zum Lebensunterhalt getreten ist. Es ist vielmehr - wie bereits dargelegt - auf den objektiven Erklärungsinhalt der Nebenbestimmung aus der Sicht des Adressaten abzustellen. Dieser darf davon ausgehen, dass andere Leistungen als die der "Sozialhilfe", wie sie gesetzlich definiert ist, von der Nebenbestimmung nicht erfasst sind. Gerade angesichts der mit dem Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis verbundenen gravierenden Folgen für den Ausländer und in Anbetracht des Umstands, dass in Rechtsprechung und Literatur erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit solcher Nebenbestimmungen in Fällen der vorliegenden Art erhoben werden (HessVGH, Beschl. v. 31.07.2003 - 12 TG 1726/03 -, InfAuslR 2003, 418; vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, A 1 § 12 AufenthG RdNr. 12; Renner, AuslG, 7. Aufl., § 14 RdNr. 4), erscheint eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung des Begriffs "Sozialhilfe" geboten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

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