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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.01.2007
Aktenzeichen: 2 M 358/06
Rechtsgebiete: NatSchG LSA, BNatSchG


Vorschriften:

NatSchG LSA § 56 Abs. 4 Nr. 5
BNatSchG § 60 Abs. 2 Nr. 5
1. Der Begriff der "Befreiung" im Sinne des § 56 Abs. 4 Nr. 5 NatSchG LSA ist weiter auszulegen ist als der entsprechende Begriff im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 NatSchG LSA. Unter "Befreiungen" im Sinne der erstgenannten Vorschrift sind auch Ausnahme- und Abweichungsentscheidungen nach § 45 Abs. 3 NatSchG LSA zu verstehen (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Beschl. v. 06.11.2006 - 2 M 311/06 - Juris).

2. Wird ein erforderliches naturschutzrechtliches Befreiungsverfahren unterlassen und führt dies dazu, dass durch tatsächliches Handeln die Schaffung vollendeter Tatsachen und eine Vereitelung des im Befreiungsverfahren bestehenden Mitwirkungsrechtes eines Naturschutzverbandes droht, kann dieser Verband beanspruchen, dass die zuständige Behörde alle Maßnahmen unterlässt, die ohne das an sich notwendige Beteiligungsverfahren durchgeführt werden.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 358/06

Datum: 08.01.2007

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet, soweit sich der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Antragsgegnerin zu 2 richtet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 123 VwGO liegen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vor.

Der für eine einstweilige Anordnung erforderliche Anordnungsgrund ist gegeben, weil der Bau des geplanten Weges bereits begonnen wurde und daher eine Vereitelung der Beteiligungsrechte des Antragstellers durch die Schaffung vollendeter Tatsachen droht.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung steht ihm ein vorläufiger Anspruch auf Einstellung des streitgegenständlichen Wegebaus zu, weil es die Antragsgegnerin zu 2 versäumte, ihm vor dieser Maßnahme Gelegenheit zur Stellungnahme im Sinne des § 56 Abs. 4 Nr. 5 NatSchG LSA zu geben. Nach dieser Vorschrift ist einem nach Abs. 1 anerkannten Verein - wie hier dem Antragsteller - vor Befreiungen von Verboten und Geboten zum Schutz von Naturschutzgebieten, Nationalparken, Biosphärenreservaten und sonstigen Schutzgebieten im Rahmen des § 44 Abs. 3 Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben, soweit Auswirkungen auf Natur- und Landschaftsschutz nicht nur im geringfügigen Umfang oder Ausmaß zu erwarten sind. Der Antragsteller beruft sich mit Erfolg darauf, dass ihm ein Beteiligungsrecht nach § 56 Abs. 4 Nr. 5 NatSchG LSA aufgrund einer zu erteilenden Befreiung von Verboten und Geboten zum Schutz eines sonstigen Schutzgebiets "im Rahmen des § 44 Abs. 3" zusteht.

Der Senat hält - auch in Ansehung der vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründe - im Ergebnis an seiner im Beschluss vom 06.11.2006 vertretenen Auffassung fest, dass der Begriff der "Befreiung" im Sinne des § 56 Abs. 4 Nr. 5 NatSchG LSA weiter auszulegen ist als der entsprechende Begriff im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 NatSchG LSA. Unter "Befreiungen" im Sinne der erstgenannten Vorschrift sind auch Ausnahme- und Abweichungsentscheidungen nach § 45 Abs. 3 NatSchG LSA zu verstehen. Die Fassung von § 56 Abs. 4 Nr. 5 NatSchG LSA, die der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 60 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG entspricht, wirft allerdings die (in der Literatur streitige) Frage auf, ob eine Beteiligung von nach § 56 Abs. 1 NatSchG LSA anerkannten Vereinen bei Projekten innerhalb von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-RL) oder Europäischen Vogelschutzgebieten im Sinne der Richtlinie 79/409/EWG (VRL) erst dann zu erfolgen hat, wenn solche Gebiete nach § 44 Abs. 3 NatSchG LSA zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des Abschnitts 5 erklärt worden sind, oder ob ein Beteiligungsrecht bereits vor einer solchen Unterschutzstellung durch Landesbehörden besteht, wenn eine Befreiung vom Verschlechterungsverbot in Art. 6 Abs. 2 der FFH-RL (das gemäß Art. 7 der FFH-RL auch für die Schutzgebiete nach der VRL gilt) in Rede steht (in diesem Sinne wohl: HessVGH, Beschl. v. 02.11.2004 - 4 TG 2925/04 -, Juris). Nach der Begründung im Gesetzentwurf vom 04.06.2003 (LT-Drucks. 4/804, S. 67) sollte mit der Vorschrift des § 56 NatSchG LSA (im Entwurf § 57) das Klagerecht auf das "bundesrechtlich Notwendige" reduziert werden. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften vom 20.06.2001 (BT-Drucks. 14/6378, S. 60) trägt die Einbeziehung der sonstigen nach § 33 Abs. 2 BNatSchG ausgewiesenen Schutzgebiete in § 60 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG der besonderen Bedeutung dieser Gebiete im Hinblick auf den Erhalt des gemeinschaftlichen Naturbestands Rechnung. Die Verwendung des Wortes "ausgewiesen" mag zwar - isoliert betrachtet - dafür sprechen, dass nur die bereits auf der Grundlage der landesrechtlichen Vorschriften zu geschützten Teilen der Landschaft erklärten Gebiete gemeint sind (so Gassner in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, 2. Aufl., § 60 RdNr. 8). In der Begründung des Gesetzentwurfs wird aber weiter ausgeführt, die Einbeziehung dieser Gebiete entspreche außerdem der in Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der FFH-RL angesprochenen Beteiligung der Öffentlichkeit. Nach dieser Bestimmung stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben. Bei der Beteiligung eines anerkannten Vereins im Sinne von § 56 Abs. 1 NatSchG LSA handelt es sich um eine - spezifisch naturschutzrechtliche - Form der Öffentlichkeitsbeteiligung (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.05.1997 - 11 A 43.96 -, BVerwGE 104, 367 [370]). In Umsetzung dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelung sehen § 34 Abs. 2 BNatSchG und § 45 Abs. 2 NatSchG LSA vor, dass ein Projekt unzulässig ist, wenn die nach den jeweiligen Absätzen 1 vorgeschriebene Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen eines in Absatz 1 genannten Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Bis zu einer Unterschutzstellung durch Erklärung der zuständigen Landesbehörden kommt § 34 BNatSchG und § 45 NatSchG zentrale Bedeutung zu. Diesen Regelungen ist die Aufgabe zugedacht, den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben bis zur Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten zur innerstaatlichen Wirksamkeit zu verhelfen (vgl. Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BNatSchG § 34 RdNr. 3). Es kann dementsprechend nicht davon ausgegangen werden, dass sich die vom Bundesgesetzgeber vorgesehene "Beteiligung der Öffentlichkeit" im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der FFH-RL auf die Fälle beschränken soll, in denen die Landesbehörden Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung oder Europäische Vogelschutzgebiete bereits zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne von § 22 Abs. 1 BNatSchG erklärt haben; zumal Naturschutzgebiete, Nationalparke und Biosphärenreservate, die angesichts der hohen ökologischen Wertigkeit der von der FFH-RL erfassten Lebensraumtypen bzw. Habitate der Arten vorrangig in Betracht kommen (vgl. Gellermann, a. a. O., § 33 RdNr. 10, m. w. Nachw.), ohnehin in § 60 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG und § 56 Abs. 4 Nr. 5 NatSchG LSA genannt sind. Aus all dem folgt, dass auch die "Abweichungen" nach den §§ 45 Abs. 3 NatSchG LSA, 34 Abs. 3 BNatSchG als Befreiungen im Sinne von §§ 56 Abs. 2 Nr. 5 NatSchG LSA, 60 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG begriffen werden müssen (so auch Gellermann, a. a. O., § 60 RdNr. 11).

Hinzu kommt, dass nach § 33 Abs. 4 BNatSchG die Unterschutzstellung nach § 33 Abs. 2 und 3 BNatSchG unterbleiben kann, soweit nach anderen Rechtsvorschriften, nach Verwaltungsvorschriften, durch die Verfügungsbefugnis eines öffentlichen oder gemeinnützigen Trägers oder durch vertragliche Vereinbarungen ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist. In Sachsen-Anhalt hat der Gesetzgeber in § 44 Abs. 3 NatSchG LSA geregelt, dass die Erklärung zu einem Schutzgebiet unterbleiben kann, soweit der Schutz nach § 44a NatSchG LSA erreicht werden kann. In letzterer Vorschrift wird in Abs. 2 das für Naturschutz zuständigen Ministerium zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, mit der die in Absatz 1 genannten Schutzgebiete festgelegt und die zu schützenden Lebensraumtypen und Lebensräume der Tier- und Pflanzenarten sowie der in den Gebieten lebenden Vogelarten bestimmt werden können. Nach Abs. 4 werden durch Verordnung der oberen Naturschutzbehörde die Schutzziele, die dafür erforderlichen Erhaltungs- oder Wiederherstellungsmaßnahmen sowie die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben der einzelnen Natura-2000-Gebiete bestimmt. § 44a NatSchG LSA enthält - anders als § 33 Abs. 3 Satz 3 BNatSchG und § 44 Abs. 4 Satz 3 NatSchG LSA dies ausdrücklich vorsehen - nicht die Verpflichtung zur Bestimmung von Ge- und Verboten, mit denen unter anderem sichergestellt werden soll, dass den Anforderungen des Art. 6 der FFH-RL entsprochen wird. Mit einer solchen Verordnung, die keine (ausdrücklichen) Ge- und Verbote enthält, könnte die erforderliche "Beteiligung der Öffentlichkeit" umgangen werden.

Auf der Grundlage dieses Normverständnisses beruft sich der Antragsteller mit Erfolg auf die Verletzung eines Beteiligungsrechts nach § 56 Abs. 4 Nr. 5 NatSchG LSA, weil die Antragsgegnerin zu 2 nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung vor der weiteren Durchführung des geplanten Wegebaus eine als "Befreiung" im Sinne des § 56 Abs. 4 Nr. 5 NatSchG LSA zu qualifizierende Abweichungsentscheidung nach § 45 Abs. 3 NatSchG LSA treffen muss. Nach § 45 Abs. 1 NatSchG LSA sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebiets zu prüfen. Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig (§ 45 Abs. 2 NatSchG LSA). Gemäß § 45 Abs. 3 NatSchG LSA darf ein Projekt abweichend von Abs. 2 nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es - 1. - aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und - 2. - zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

Die Voraussetzungen für das Erfordernis einer Abweichungsentscheidung nach § 45 Abs. 3 NatSchG LSA sind nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung gegeben. Die Trasse des geplanten Wanderwegs linksseitig der Elbe führt durch das Europäische Vogelschutzgebiet SPA DE 4139/401 "Mittlere Elbe einschließlich Steckby-Lödderitzer Forst" sowie das FFH-Gebiet Nr. 125 "Kühnauer Heide und Elbaue zwischen Aken und Dessau", die jeweils vom Land Sachsen-Anhalt gemeldet wurden (vgl. die Gesamtlisten der Natura-2000-Gebiete mit Einzelkarten auf der Internet-Seite des Landesamts für Umweltschutz Sachsen-Anhalt). Bei Infrastrukturvorhaben in gemeldeten, aber noch nicht nach dem Verfahren des Art. 21 FFH-RL in die Gemeinschaftsliste aufgenommenen Gebieten stellt die Anlegung der materiellrechtlichen Maßstäbe des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL in aller Regel eine Schutzmaßnahme dar, die im Hinblick auf das mit der Richtlinie verfolgte Erhaltungsziel geeignet ist, die erhebliche ökologische Bedeutung des Gebiets zu wahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.09.2005 - 4 B 49.05 -, BVerwGE 124, 201).

Es spricht Überwiegendes dafür, dass der geplante Wegebau zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL und § 45 Abs. 2 NatSchG LSA führen kann. Der Antragsteller hat insoweit substantiiert dargelegt, dass sich in unmittelbarer Nähe der Wegetrasse oder sogar an der Wegetrasse selbst Brutplätze verschiedener zum Teil (stark) gefährdeter Vogelarten mit teilweise nur geringen Populationsgrößen (u. a. Seeadler, Eisvogel, Kranich, Wachtelkönig, Schreiadler, Wanderfalke, Schwarz- und Weißstorch) sowie Rast-, Mauser- und Überwinterungsplätze durchziehender Vogelarten nach Anhang I der VRL befinden. Er hat weiter dargelegt, dass infolge dieser Nähe eine erhebliche Beeinträchtigung oder Aufgabe der Brutplätze sowie aufgrund der durch die Nutzung des Weges hervorgerufenen Störeffekte eine erhebliche Beeinträchtigung der Jagdhabitate zu befürchten sei. Er hat schließlich dargelegt, dass der geschützte Lebensraumtyp 6510 nur einen geringen Teil des FFH-Gebiets ausmache, so dass jegliche Verkleinerung dieses Lebensraumtyps zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Schutzziele des FFH-Gebiets führe. Diese Einwände sind zumindest im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht von der Hand zu weisen und rechtfertigen eine für das Eilverfahren hinreichende Wahrscheinlichkeit dahingehend, dass das Projekt im Sinne des § 45 Abs. 2 NatSchG LSA zu erheblichen Beeinträchtigungen führen "k a n n". Im Übrigen erscheint der mögliche Schaden für Natur und Umwelt bei einer Schaffung vollendeter Tatsachen durch eine sofortige Verwirklichung des Wegeprojektes größer als der Schaden, der durch eine Prüfung der Verträglichkeit des Projekts mit den Erhaltungszielen der Schutzgebiete unter Beteiligung des Antragstellers und der damit einhergehenden Verzögerungen zu erwarten ist.

Kann der streitgegenständliche Wegebau mithin zu erheblichen Beeinträchtigungen im Sinne des § 45 Abs. 2 NatSchG LSA führen, ist auch davon auszugehen, dass er im Sinne des § 56 Abs. 4 NatSchG LSA Auswirkungen auf Natur- und Landschaftsschutz in nicht nur geringfügigem Umfang oder Ausmaß erwarten lässt.

Als Folge des fehlenden Befreiungsverfahrens und der deshalb auch fehlenden Beteiligung des Antragstellers ist diesem ein vorläufiger Unterlassungsanspruch hinsichtlich der geplanten Maßnahme zuzusprechen. Wird ein erforderliches naturschutzrechtliches Befreiungsverfahren unterlassen und führt dies dazu, dass durch tatsächliches Handeln die Schaffung vollendeter Tatsachen und eine Vereitelung des im Befreiungsverfahren bestehenden Mitwirkungsrechtes eines Naturschutzverbandes droht, kann dieser Verband beanspruchen, dass die zuständige Behörde alle Maßnahmen unterlässt, die ohne das an sich notwendige Beteiligungsverfahren durchgeführt werden (vgl. ThürOVG, Urt. v. 02.07.2003 - 1 KO 389/02 - mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Nach § 45 Abs. 6 NatSchG LSA ist für die - hier unterbliebene - Abweichungsentscheidung die Behörde zuständig, die das Projekt genehmigt oder in sonstiger Weise über die Durchführung des Vorhabens entscheidet. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 12 a) NatSchG LSA zählen zu den "Projekten" im Sinne dieses Gesetzes Vorhaben und Maßnahmen innerhalb eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebiets sowie Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne des § 18 NatSchG LSA, sofern sie einer behördlichen Entscheidung oder einer Anzeige an eine Behörde bedürfen oder von einer Behörde durchgeführt werden. Der Bau des in Rede stehenden Wanderwegs wird von der Antragsgegnerin zu 2 durchgeführt. Der Antragsgegner zu 1 hat der Antragsgegnerin zu 2 zwar eine wasserrechtliche Genehmigung nach § 97 Abs. 2 WG LSA erteilt, da sich die Wegetrasse offenbar in einem Überschwemmungsgebiet befindet. Zu Recht wendet der Antragsgegner zu 1 aber ein, dass die wasserrechtliche Genehmigung keine Konzentrationswirkung entfaltet und die Erteilung eventuell erforderlicher naturschutzrechtlicher Befreiungen oder Abweichungen nicht einschließt. Der Genehmigungsvorbehalt besteht gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 WG LSA "unbeschadet anderer Vorschriften". Für die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Vorgaben bleibt allein die Antragsgegnerin zu 2 zuständig.

Der Antragsgegnerin zu 2 ist danach die aus dem Tenor ersichtliche Sicherstellung aufzugeben (Einstellung der Bauarbeiten solange, bis der Antragsteller Gelegenheit erhalten hat, seine Beteiligungsrechte im Sinne des § 56 Abs. 4 Nr. 5 NatSchG i.V.m. §§ 44 Abs. 3 und der nach § 45 Abs. 1 bis 3 NatSchG LSA durchzuführenden Prüfung wahrzunehmen). Die sich daraus ergebende zeitliche Befristung entspricht nicht nur der Natur des auf eine einstweilige Regelung gerichteten Anordnungsverfahrens nach § 123 VwGO, sondern auch dem Begehren des Antragstellers. Zwar enthält der von ihm formulierte Antrag keine derartige zeitliche Befristung. Der Vortrag insgesamt lässt jedoch erkennen, dass er mit seinem einstweiligen Rechtsschutzantrag gerade das Ziel verfolgt, im Rahmen eines durchzuführenden Befreiungsverfahrens beteiligt zu werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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