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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.01.2007
Aktenzeichen: 2 O 312/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 25 Abs. 3 S. 1
AufenthG § 25 Abs. 5 S. 1
Liegt eine die Ausländerbehörde nach § 42 Satz 1 AsylVfG bindende negative Feststellung zu Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG bzw. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vor, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG oder § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG wegen eines zielstaatsbezogenen Ausreisehindernisses nicht in Betracht. Eine andere Beurteilung kommt nur dann in Frage, wenn der Ausländer im Fall seiner Ausreise gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen bzw. Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt würde.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 O 312/06

Datum: 08.01.2007

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die (beabsichtigte) Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO). Hinreichende Erfolgsaussicht ist nämlich nur dann gegeben, wenn der Rechtsstandpunkt des Antragstellers ohne Überspannung der Anforderungen zutreffend oder bei schwieriger Rechtslage zumindest vertretbar erscheint (vgl. Beschl. d. Senats v. 14.01.2004 - 2 O 7/04 -). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger macht ohne Erfolg geltend, er habe aufgrund seines angeborenen Herzfehlers einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kommt nicht in Betracht. Hierfür wäre erforderlich, dass die (zielstaatsbezogenen) Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG gegeben sind. Solche zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse sind hier aber nicht zu prüfen, weil das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in den (bestandskräftigen) Bescheiden vom 22.05.1997 und 25.02.2002 festgestellt hat, dass beim Kläger Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Diese Entscheidung des Bundesamts entfaltet gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG Bindungswirkung für die Ausländerbehörde (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 07.09.1999 - BVerwG 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204; Urt. v. 21.09.1999 - BVerwG 9 C 8.99 -, NVwZ 2000, 206). An dieser Bindungswirkung hat sich durch das Inkrafttreten des AufenthG und die Ersetzung des § 53 (Abs. 6 Satz 1) AuslG durch den gleich lautenden § 60 (Abs. 7 Satz 1) AufenthG nichts geändert (VGH BW, Beschl. v. 15.07.2005 - 13 S 1103/05 -, NVwZ-RR 2006, 145). Damit gilt für den Kläger die auf Dauer angelegte und den Beklagten bindende Feststellung des Bundesamts über das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG bzw. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG fort; eine Änderung dieser Entscheidung, für die ausschließlich das Bundesamt zuständig wäre, liegt nicht vor.

Eine Anwendung des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger nicht nur einen vorübergehenden, sondern einen Daueraufenthalt begehrt.

Schließlich liegen hier auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Insbesondere stellt die Herzerkrankung des Klägers kein von der Ausländerbehörde in eigener Zuständigkeit zu prüfendes inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne dieser Vorschrift dar. Ein solches Ausreisehindernis besteht jedenfalls dann nicht, wenn auch eine Abschiebung nicht rechtlich unmöglich wäre (vgl. VGH BW, Urt. v. 06.04.2005 - 11 S 2779/04 -, Juris). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 25.01.2005 - 2 M 13/05 -; Beschl. v. 01.03.2005 - 2 M 29/05 -; Beschl. 15.09.2004 - 2 M 312/04 -) kann eine bestehende (körperliche oder psychische) Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung in zwei Fallgruppen begründen. Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen der Erkrankung transportunfähig ist, das heißt sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des "Reisens" (der Ortsveränderung vom inländischen Abreiseort zum Ankunftsort im Zielstaat) wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie - außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom konkreten Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert. Für eine solche Reiseunfähigkeit bestehen indes keinerlei Anhaltspunkte.

Nach der Bescheinigung des Deutschen Herzzentrums Berlin vom 28.01.2005 sei aus ärztlicher Sicht gegen eine Reise bzw. Flugreise grundsätzlich nichts einzuwenden, sofern gewährleistet sei, dass an den entsprechenden Orten eine ausreichende medizinische bzw. medikamentöse Behandlung möglich sei. Aufgrund des implantierten Herzschrittmachers und der Bioklappe in der Hauptschlagader, deren Lebensdauer beschränkt sei, sei es unbedingt notwendig, dass der Kläger regelmäßig in einem auf angeborene Herzfehler spezialisierten Zentrum kardiologisch untersucht werde, um ggfs. rechtzeitig invasiv bzw. operativ handeln zu können. Die Testung seines Schrittmachers sowie die medikamentöse Versorgung müssten ebenso unbedingt gewährleistet sein; mindestens zweimal im Jahr solle sich der Kläger einer solchen Untersuchung unterziehen, um eventuell auftretende Komplikationen rechtzeitig zu erkennen und zu beheben. Insgesamt lasse sich feststellen, dass der Kläger ein weitestgehend normales Leben führen könne, jedoch immer an eine medizinische Spezialklinik für angeborene Herzfehler angebunden sein müsse, um die für ihn lebenswichtigen Kontrolluntersuchungen durchführen zu lassen und rechtzeitig über ein weiteres invasives oder auch operatives Vorgehen zu entscheiden.

Soweit der Kläger vorträgt, diese Nachuntersuchungen seien in seiner Heimat nicht gewährleistet, macht er zielstaatsbezogene Gesichtspunkte im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltend, auf die er sich gegenüber dem Beklagten nicht berufen kann. Liegt - wie hier - eine negative Statusfeststellung zu § 53 (Abs. 6 Satz 1) AuslG vor, ist die Ausländerbehörde - wie bereits dargelegt - an diese Feststellung gebunden. Diese Bindung ist nicht nur bei der Frage der rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG zu beachten (vgl. hierzu Beschl. d. Senats v. 11.12.2006 - 2 M 334/06 -); sie hat auch im Rahmen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zur Konsequenz, dass der Ausländer die Unzumutbarkeit seiner freiwilligen Ausreise grundsätzlich nicht auf eine Gefahrensituation im Zielstaat stützen kann, wenn und solange das zuständige Bundesamt keine abweichende Feststellung getroffen hat (vgl. VGH BW, Urt. v. 06.04.2005, a. a. O.). Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn der Kläger im Fall seiner Ausreise gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen bzw. Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt würde (vgl. Beschl. d. Senats v. 12.04.2005 - 2 M 68/05 -; OVG Hamburg, Beschl. v. 02.04.2003 - 3 Bs 439/02 -, NordÖR 2003, 414, m. w. Nachw.). So liegt es hier aber nicht. Nach der vom Beklagten vorgelegten Auskunft der IOM-Verbindungsstelle bei der Regierung der Bundesrepublik Deutschland vom 08.08.2006 soll eine kardiologische Kontrolluntersuchung von Kindern in Belgrad jedenfalls möglich sein; die insoweit anfallenden Kosten sowie die benötigten Medikamente würden durch die Gesundheitsversicherung abgedeckt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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