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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 16.09.2003
Aktenzeichen: 2 O 375/02
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, NÄG


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
NÄG § 3 I
1. Bei schwieriger Rechtslage kann Prozesskostenhilfe am Maßstab des § 114 ZPO bereits dann gerechtfertigt sein, wenn der vorgetragene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint.

2. Geht der sorgeberechtigte Elternteil nach Scheidung eine neue Ehe ein, so reicht der Wunsch nach Namensgleichheit in der neuen Familie nicht aus, die Namensänderung aus "wichtigem Grund" zu rechtfertigen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 O 375/02

Datum: 16.09.2003

Gründe:

Der Kläger hat bei dem Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren beantragt, mit welchem er die Aufhebung des Namensänderungsbescheides des Beklagten ... in Gestalt des Widerspruchsbescheides ... mit der Begründung begehrt, die Namensänderung sei für das Kindeswohl nicht erforderlich. Der schlichte Wunsch seiner geschiedenen Ehefrau, der Beigeladenen zu 1., nach einer Namensgleichheit reiche jedenfalls nicht aus, zumal wenn - wie hier - auf diesem Wege versucht werde, jeglichen Hinweis auf seine frühere Beziehung aus ihrem Leben zu entfernen. Er sei stets bemüht gewesen, einen Umgang mit seiner Tochter, der Beigeladenen zu 2., zu pflegen. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 06.08.2002 (Az: 1 A 253/02 MD) den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers mangels Abgabe einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne des § 117 Abs. 2 ZPO abgelehnt. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 22.08.2002 unter Vorlage eines Vordrucks gemäß § 117 Abs. 4 ZPO Beschwerde eingelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsvorgänge sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg; denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2001 (BGBl I 3987), i. V. m. §§ 114 Abs. 1; 121 Abs. 1 ZPO).

Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn der Rechtsstandpunkt des Klägers ohne Überspannung der Anforderungen zutreffend oder bei schwieriger Rechtslage zumindest vertretbar erscheint (OVG LSA, Beschl. v. 19.05.2003 - 2 O 148/03 -). Diese Voraussetzungen erfüllen die von dem Kläger erhobenen Einwendungen gegen den Bescheid des Beklagten ....

Ein die Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 des Namensänderungsgesetzes - NÄG - in der Fassung vom 16.12.1997 (BGBl I 2942) ist dann gegeben, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Umstände ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt (BVerwG, Beschl. v. 01.02.1989 - BVerwG 7 B 14.89 -, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 3, S. 3 und Beschl. v. 27.09.1993 - BVerwG 6 B 58.93 -, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 4, S. 5). Dies setzt in Fällen der vorliegenden Art voraus, dass die Namensänderung für das Wohl des Kindes erforderlich ist.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung in "Scheidungskinderfällen" im Hinblick auf die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 5. März 1991 - BVerfG 1 BvL 83/86 und 24/88 - (BVerfGE 84, 9) zur Unvereinbarkeit des § 1355 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. mit Art. 3 Abs. 2 GG sowie unter Berücksichtigung der Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches infolge dieser Entscheidung durch das Gesetz zur Neuordnung des Familiennamensrechts - FamNamRG - vom 16. Dezember 1993 (BGBl I 2054) entschieden, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung bereits dann bestehen kann, wenn diese unter Berücksichtigung aller Lebensumstände dem Wohl des Kindes förderlich ist (BVerwG, Urt. v. 07.01.1994 - BVerwG 6 C 34.92 -, BVerwGE 95, 21; Urt. v. 13.12.1995 - BVerwG 6 C 6.94 -, BVerwGE 100, 148; vgl. deshalb auch: VGH BW, Urt. v. 09.07.1991 - 13 S 57/91 -, NJW 1991, 3297; OVG SH, Urt. v. 26.11.1991 - 4 L 19/91 -, NJW 1992, 331; NdsOVG, Urt. v. 16.03.1993 - 10 L 5534/91-; OVG LSA, Beschl. v. 05.07.1996 - 2 L 37/96 - ).

Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings aufgegeben und in seinem Urteil vom 20. Februar 2002 (Az: 6 C 18.01 -, BVerwGE 116, 28 ff.) folgendes ausgeführt:

"Das In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes erfordert für die in Rede stehenden Fälle eine Neubestimmung der Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 3 Abs. 1 NÄG. In Ansehung der diesem Gesetz zugrunde liegenden rechtlichen Wertungen sieht sich der Senat veranlasst, einen wichtigen Grund für die Namensänderung einer so genannten Scheidungshalbwaise nach § 3 Abs. 1 NÄG in diesen Fällen nur anzunehmen, wenn die Namensänderung für das Kind erforderlich ist und andere zu berücksichtigende Interessen nicht überwiegen. Namensänderungsbegehren der so genannten Scheidungshalbwaisen können bei Widerspruch des namensgebenden nicht sorgeberechtigten Elternteils nicht nach anderen Maßstäben beurteilt werden, als sie das Gesetz nunmehr ausdrücklich für "Stiefkinder" normiert. Die in § 1618 Satz 4 BGB zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers verdient für die vorliegende Scheidungshalbwaisen-Konstellation in gleicher Weise Berücksichtigung ...

Erforderlichkeit der Namensänderung liegt vor, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet. Welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, bestimmt sich auch nach dem Gewicht der jeweils im Einzelfall entgegenstehenden Belange." Daran gemessen begegnet die Entscheidung des Beklagten, im Falle der Beigeladenen zu 2. liege ein wichtiger Grund zur Änderung des Familiennamens im Sinne des § 3 Abs. 1 NÄG vor, weil es das Wohl des Kindes gebiete, ihren Familiennamen an denjenigen ihrer neuen Familie anzugleichen, erheblichen Bedenken; denn nach der Stellungnahme des Jugendamtes des Beklagten ... ist es lediglich ein Wunsch der Beigeladenen zu 2., denselben Namen zu tragen, den auch ihre Mutter hat, ohne dass Gründe ersichtlich sind, die eine Namensänderung auch tatsächlich gebieten. Dementsprechend gelangt das Jugendamt auch (nur) zu der Feststellung, dass eine Änderung des Familiennamens für die Beigeladene zu 2. zur Sicherung des Kindeswohls beitrage, weil diese eine stärkere Bindung zur Mutter und deren Familie habe als zum Vater. Damit ist aber eine außergewöhnliche oder auch nur überdurchschnittliche Belastung der Beigeladenen zu 2. durch die Namensverschiedenheit nicht dargetan, mit der Folge, dass die von dem Kläger erhobene Anfechtungsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), sowie aus § 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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