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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 19.04.2006
Aktenzeichen: 2 O 81/05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 167
VwGO § 172
1. Ein verwaltungsgerichtliches Urteil ist nur dann ein geeigneter Vollstreckungstitel, wenn eindeutig, auch für jeden Dritten, klar ist, was vollstreckt werden soll und welche Kriterien für den geschuldeten Anspruch festgelegt sind. Der Vollstreckungstitel muss Inhalt und Umfang der Leistungspflicht genau bezeichnen.

2. Unklarheiten über den Inhalt eines verwaltungsgerichtlichen Urteils dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgesetzten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht.

3. Der Streitwert für ein Vollstreckungsverfahren entspricht dem Streitwert des vorangegangenen Erkenntnisverfahrens.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 O 81/05

Datum: 19.04.2006

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 1; des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>. Der Streitwert für ein Vollstreckungsverfahren entspricht dem Streitwert des vorangegangenen Erkenntnisverfahrens.

Die Beschwerde ist nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässig.

Der Senat lässt es dahinstehen, ob die Zwangsgeldandrohung und - festsetzung gegen die öffentliche Hand zur Erzwingung eines vollstreckbaren Titels sich ausschließlich nach § 172 VwGO richtet oder ob daneben oder ergänzend 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 793, 888 oder 890 ZPO anzuwenden sind (Zum Streitstand: Bader, in: Verwaltungsgerichtsordnung, Kom., 3. Aufl., § 172, RdNr.1)

Die Beschwerde ist in jedem Fall unbegründet.

Das Verwaltungsgericht Halle - 2. Kammer - hat den Antrag der Vollstreckungsgläubigerin/Antragstellerin, der sinngemäß darauf gerichtet ist, der Vollstreckungsschuldnerin/Antragsgegnerin zur Erfüllung der dieser im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 16.10.2003 - 4 A 40/03 HAL - auferlegten Verpflichtung unter Fristsetzung ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,- € anzudrohen und nach Fristablauf festzusetzen, mit Recht abgelehnt. Das dagegen geltend gemachte Beschwerdevorbringen der Antragstellerin veranlasst keine andere Entscheidung.

Mit Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass es für ein Vollstreckungsverfahren bereits an einem Titel mit einem hinreichend bestimmten, vollstreckungsfähigen Inhalt fehlt.

Zur Zwangsvollstreckung muss ein Titel nämlich aus sich heraus verständlich sein und klar erkennen lassen, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann. Ob dies der Fall ist, ist erforderlichenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Eine Auslegung kommt aber nur in Betracht, soweit Umstände zu berücksichtigen sind, die dem Vollstreckungstitel selbst zu entnehmen sind, wozu - bei einem Urteil - auch die Entscheidungsgründe gehören. Die Verpflichtung des Schuldners muss darin hinreichend bestimmt sein. Er muss zuverlässig erkennen können, welche Handlungen er vorzunehmen hat, zu denen er durch Zwangsgeld oder andere Zwangsmittel gezwungen werden kann. Er muss bereits aus rechtsstaatlichen Gründen wissen, in welchen Fällen ihm diese Maßnahmen drohen. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BAG, Urt. v. 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - NZA 2003, 516 m. w. N.). Ein Urteil ist nur dann ein geeigneter Vollstreckungstitel, wenn eindeutig, auch für jeden Dritten, klar ist, was vollstreckt werden soll und welche Kriterien für den geschuldeten Anspruch festgelegt sind. Der Vollstreckungstitel muss Inhalt und Umfang der Leistungspflicht genau bezeichnen; Der vollstreckungsrechtliche Grundsatz der Bestimmtheit des Vollstreckungstitels dient nicht in erster Linie Parteiinteressen. Er beruht vielmehr entscheidend auf dem öffentlichen Interesse an eindeutig bestimmten Grundlagen der Zwangsvollstreckung (vergleiche BGH, Urt. v. 30.06.1983 - V ZB 20/82 -, NJW 1983, 22).

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass es hier daran fehlt.

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle hat in dem Urteil vom 16.10.2003, dessen Vollstreckung die Antragsstellerin verfolgt, entschieden, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, dem Beigeladenen aufzugeben, geeignete Maßnahmen auf der von ihm betriebenen Sportanlage Halle-Lettin zu treffen, die sicherstellen, dass die Immissionsrichtwerte des § 2 der 18. BImSchV durch den auf dem Grundstück der Antragstellerin, Am Sportplatz 1 in Halle, festzustellenden Beurteilungspegel beim Betrieb der Sportanlage Halle-Lettin eingehalten werden.

Abgesehen davon, dass eine solche Tenorierung, wie sie die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle ausgesprochen hat, schon für sich betrachtet zu unbestimmt ist, weil bei problematischen Immissionsverhältnissen nicht nur schematisch die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte aufgegeben werden kann, die nicht wirklich sicherstellen können, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Bauvorhaben erfüllt werden (vgl. Beschl. des Senats v. 04.08.2004 - 2 M 84/04 - zu einer vergleichbaren Rechtslage), fehlt es dem Urteil an der Festlegung einer bestimmten, konkreten Maßnahme, die der Antragsgegnerin aufgegeben worden ist und deren Vollstreckung dementsprechend betrieben werden könnte. Eine Konkretisierung lässt sich auch nicht durch Auslegung aus den Entscheidungsgründen ermitteln. Wiederum abgesehen davon, dass ein Anspruch eines Nachbarn auf Einschreiten einer Behörde gegen einen Dritten - um eine solche Konstellation hat es sich im Urteil vom 16.10.2003 gehandelt - nur bei einer "Ermessensreduzierung auf Null" bejaht werden kann, hat das Gericht in dem Urteil ausdrücklich ausgeführt, dass der Antragsgegnerin bei der "Auswahl der gegenüber dem Beigeladenen anzuordnenden Maßnahme Ermessen zusteht" und "eine Reduzierung des Ermessensspielraums der Antragsgegnerin auf die Anordnung einer bestimmten Maßnahme nicht vorliegt". Zu einer bestimmten, konkreten Maßnahme wurde die Antragsgegnerin damit jedenfalls nicht verpflichtet.

Weiterhin zutreffend hat das Verwaltungsgericht Halle - 2. Kammer - in dem durch die Beschwerde angegriffenen Beschluss angenommen, dass derartige Mängel eines Urteils nur im Erkenntnisverfahren und nicht im Vollstreckungsverfahren behoben werden können. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgesetzten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG, Urt. v. 28.03.2003, a. a. O.).

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