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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 15.09.2003
Aktenzeichen: 2 R 439/03
Rechtsgebiete: LSA-HSG, VwGO


Vorschriften:

LSA-HSG § 79
LSA-HSG § 81
LSA-HSG § 123 I
VwGO § 47 I 2
VwGO § 47 VI
1. Die Experimentierklausel des § 81 LSA-HSG enthält nicht die Ermächtigung, durch die Grundordnung das Amt des Kanzlers abzuschaffen.

2. § 81 LSA-HSG ist die speziellere Vorschrift im Vergleich zu der weiteren Experimentierklausel des § 123 Abs. 1 LSA-HSG.

3. Die Folgenabwägung für den einstweiligen Rechtsschutz führt zum Überwiegen der Interessen des bisherigen Amtsinhabers, wenn dieser bereits an eine andere Stelle abgeordnet und das neue Amt des den Kanzler ersetzenden Verwaltungsleiters ausgeschrieben worden ist.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 R 439/03

Datum: 15.09.2003

Gründe:

1. Die Antragsgegnerin ist eine Hochschule des Landes Sachsen-Anhalt. Für den Regelfall sieht das Hochschulgesetz des Landes (i. d. F. v. 01.07.1998 [LSA-GVBl., S. 300], zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 [LSA-GVBl., S. 130, 150] <Anlage Nr. 219> - HSG-LSA -) die Leitung der Hochschule durch ein "Rektorat" vor (§ 79 Abs. 1 Satz 1 HSG-LSA), dem auch der Kanzler angehört (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HSG-LSA), über dessen Aufgaben § 82 HSG-LSA besondere Bestimmungen enthält, auf die verwiesen wird.

§ 81 Abs. 1 Nr. 1 HSG-LSA ermächtigt die Hochschule, durch ihre Grundordnung abweichend von §§ 79 und 80 HSG-LSA zu bestimmen, dass die Hochschule durch ein Präsidium geleitet wird; für diesen Fall ist die entsprechende Anwendung u. a. des § 79 HSG-LSA angeordnet (§ 81 Abs. 2 Satz 1 HSG-LSA).

Die sog. "Erprobungsklausel" des § 123 Abs. 1 HSG-LSA hat den Wortlaut:

"(1) Die Hochschulen können zur Erprobung neuer Organisationsformen mit Zustimmung des Ministeriums von § 65 und § 114 Satz 2 sowie den Vorschriften der Abschnitte 9, 10 und 12 dieses Gesetzes abweichende Regelungen in der Grundordnung treffen, soweit dies erforderlich ist, um die Entscheidungsprozesse zu vereinfachen und die Selbstverwaltung der Hochschule zu stärken. Dabei kann insbesondere vorgesehen werden, abweichend von § 75 anstelle des Konzils und des Senats nur ein zentrales Kollegialorgan zu bilden. Die Grundordnung kann dabei auch bestimmen, dass Entscheidungen des Senats nach § 77 Abs. 2 nur mit Zustimmung des Rektors oder der Rektorin sowie Entscheidungen des Fachbereichsrats nach § 88 Abs. 2 nur mit Zustimmung des Sprechers oder der Sprecherin des Fachbereichs getroffen werden können und dass abweichend von § 114 Satz 2 die Dienstvorgesetztenfunktion von dem Rektor oder der Rektorin ausgeübt wird."

Die Regelungen der §§ 79 bis 82 HSG-LSA finden sich im Abschnitt 9 des Hochschulgesetzes.

2. Die bisherige Grundordnung der Antragsgegnerin vom 02.12.1998 (Bek. MK v. 04.11.1999 [LSA-MBl. 2000, S. 58]), geändert durch die Satzung vom 22.11.2000 (Bek. MK v. 30.01.2001 [LSA-MBl., S. 146]) - GrdO 98 -, sah in ihrem § 8 Abs. 1 entsprechend § 79 HSG-LSA ein "Rektorat" vor, dem außer dem Rektor und drei Prorektoren auch der Kanzler angehörte.

Die vom Konzil am 04.12.2001 beschlossene und durch das Ministerium am 18.02.2003 genehmigte "Grundordnung der Hochschule Anhalt (FH), Hochschule für angewandte Wissenschaften" - GrdO 01 -, die sich nach ihrer Präambel auf §§ 63 und 123 HSG-LSA stützt und als Hochschulgremien weiterhin ein Konzil (§ 6 GrdO 01) und einen Senat (§ 7 GrdO 01) vorsieht, enthält in ihrem § 8 folgende Regelungen:

"§ 8 Präsidium

(1) Die Leitung der Hochschule ... wird von einem Präsidium, bestehend aus Präsidentin oder Präsident und drei Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten wahrgenommen.

(2) Die Amtszeit des Präsidiums beträgt vier Jahre. ...

(3) Die Präsidentin oder der Präsident wird nach öffentlicher Ausschreibung vom Senat dem Konzil zur Wahl vorgeschlagen.

(4) ...

(5) Das Konzil wählt mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Präsidentin oder den Präsidenten und die Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten ...

(6), (7) ...."

Außerdem werden in einem § 13 (GrdO 01) folgende Bestimmungen über die Leitung der Verwaltung getroffen:

"§ 13 Leiterin oder Leiter der Verwaltung

(1) Nach öffentlicher Ausschreibung wird für die Dauer von sieben Jahren eine Leiterin oder ein Leiter der Verwaltung durch die Präsidentin oder den Präsidenten eingestellt. Die Leiterin oder der Leiter der Verwaltung führt insbesondere die Geschäfte der laufenden Verwaltung der Hochschule einschließlich des wirtschaftlichen und technischen Bereiches. Sie oder er kann nach entsprechender Delegierung durch die Präsidentin oder den Präsidenten die Hochschule in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten vertreten. Sie oder er ist Dienstvorgesetzter des Verwaltungspersonals der Hochschule.

(2) Die Leiterin oder der Leiter der Verwaltung ist der Präsidentin oder dem Präsidenten unterstellt. Sie oder er nimmt beratend an den Sitzungen des Präsidiums teil.

(3) ... "

Die Amtsperiode des bisherigen "Rektorats" blieb bis zum 31.08.2003 bestehen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 GrdO 01).

3. Der Antragsteller ist Beamter auf Lebenszeit in der Besoldungsgruppe A 15; ihm wurde mit Wirkung vom 01.04.1994 das Amt des Kanzlers übertragen. Durch Verfügung vom 24.04.2003 ordnete das Kultusministerium den Antragsteller mit Wirkung vom 01.05.2003 bis auf Weiteres an das Ministerium ab. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht Dessau mit Beschluss vom 15.05.2003 - 1 B 1081/03 DE - ab, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde erhoben, die im Verfahren 3 M 241/03 beim Oberverwaltungsgericht anhängig ist.

4. Der Antragsteller hat am 30.06.2003 den Normenkontrollantrag gestellt, über den noch nicht entschieden ist (Verfahren 2 K 280/03), und begehrt, festzustellen, dass die Grundordnung 2001, wenigstens aber deren §§ 8 Abs. 1; 13 Abs. 1 Satz 2, nichtig ist.

Außerdem hat der Antragsteller am 11.09.2003 um vorläufigen Rechtsschutz gebeten (Verfahren 2 R 439/03). Er führt aus:

Die neue Stelle der Verwaltungsleitung sei inzwischen ausgeschrieben; die Ausschreibungsfrist ende am 15.09.2003. Es sei zu besorgen, dass sogleich anschließend die Stelle besetzt werde. Ihm sei das Amt des Kanzlers auf Lebenszeit übertragen worden. In diese Rechtsstellung greife die Grundordnung 2001 ein. Die neue Satzung könne sich nicht auf § 123 HSG-LSA stützen und sei auch in der Vorbereitung als Fall des § 81 HSG-LSA angesehen worden. Die beschlossene Grundordnung sei nach dem 04.12.2001 auf Veranlassung des Ministeriums geändert worden, ohne dass nachgewiesen sei, dass das Konzil den Änderungsvorstellungen auch beigetreten sei. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass die Organisationsänderungen i. S. des § 123 Abs. 1 HSG-LSA "erforderlich" gewesen seien und die Selbstverwaltung hätten stärken können.

Der Antragsteller beantragt,

die Grundordnung der Hochschule Anhalt (FH), Hochschule für angewandte Wissenschaften, in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.03.2003 (LSA-MBl., S. 221) vorläufig außer Kraft zu setzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen,

und erwidert: Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt, soweit er für Satzungsbestimmungen, welche seine Position nicht beträfen, rüge, es fehle an einem Beitrittsbeschluss des Konzils. Im Übrigen sei die Grundordnung ordnungsgemäß zustande gekommen. Sie könne auch auf § 123 Abs. 1 HSG-LSA gestützt werden, weil die Vorschriften der §§ 79 ff HSG-LSA im 9. Abschnitt ständen. Das Satzungsgebungsermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Die Grundordnung sei bereits seit dem 01.09.2003 anzuwenden und die Organisation entsprechend umgestellt; spätestens mit diesem Zeitpunkt habe sich das Anliegen des Antragstellers erledigt, weil die Position des Kanzlers bereits entfallen sei und nicht wieder aufleben könne.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vom Antragsteller im Verfahren 2 K 280/03 überreichten Protokollauszüge über die Sitzungen des Konzils vom 20.09.2001, vom 07.11.2001 und vom 04.12.2001 sowie auf das Schreiben des Konzilsvorsitzenden vom 11.10.2001 an die Mitglieder des Konzils und das Schreiben vom 28.02.2003 des Konzils an den Kanzler Bezug genommen.

II.

Der auf § 47 Abs. 6 VwGO gestützte Antrag ist zulässig (1.) und im Wesentlichen begründet (2.).

1. Der Antragsteller kann sich im Weg der Normenkontrolle gegen die Satzung der Antragsgegnerin wenden (1.1.). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht auch ein Anordnungsgrund (1.2.).

1.1. Die Satzung einer Hochschule des Landes unterliegt nach § 47 Abs. 1 Satz 2 VwGO i. V. m. § 10 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung und des Bundesdisziplinargesetzes - VwGO-AG-LSA - vom 28.01.1992 [LSA-GVBl., S. 36]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 (LSA-GVBl., S. 130 [130, 163 <Nr. 372>]), der Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht.

Obwohl der Antragsteller nur abgeordnet worden ist, kann er i. S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO bereits deshalb geltend machen, in eigenen Rechten betroffen zu sein, weil sein bisheriges Amt durch die Organisationsvorschriften der neuen Grundordnung 2001 mit Wirkung vom 01.09.2003 entfallen soll. Dies gilt um so mehr, als die Antragsgegnerin ihre Organisationsstruktur - wie sie in ihrer Erwiderung vorgetragen hat - bereits mit dem 01.09.2003 umgestellt hat und das Amt des Kanzlers als entfallen ansieht. Entgegen ihrer Auffassung ist allerdings zu diesem Zeitpunkt die Hauptsache nicht etwa erledigt, weil bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags mit Rückwirkung davon auszugehen wäre, dass die Grundordnung nichtig ist, also zu behandeln ist, als wäre sie nicht in Kraft getreten.

1.2. Für die begehrte einstweilige Anordnung auf der Grundlage des § 47 Abs. 6 VwGO besteht ein - in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 123 Abs. 1 VwGO vorauszusetzender - Anordnungsgrund; denn infolge der Abordnung des Antragstellers schafft die Antragsgegnerin mit der Ausschreibung der neuen Stelle für die Verwaltungsleitung auf der Grundlage des neuen § 13 Abs. 1 GrdO 01 Fakten, welche eine Rückkehr des Antragstellers in seine ehemalige Funktion nach Ende der Abordnung endgültig hindern und deshalb nicht mehr rückgängig gemacht werden sollen. Der Anordnungsgrund besteht auch dann, wenn sich die ursprüngliche Befürchtung des Antragstellers nicht erfüllt, weil die Antragsgegnerin die Stelle des Verwaltungsleiters noch nicht am 16.09.2003, sondern erst nach dem 25.09.2003 besetzen wird; denn auch zu dem späteren Zeitpunkt kann noch nicht zur Hauptsache entschieden sein.

2. Die begehrte einstweilige Anordnung ist - bezogen auf die Bestimmungen der Grundordnung, welche die bisherigen Befugnisse des Antragstellers als Kanzler beeinträchtigen - zu erlassen (2.1.); im Übrigen bleibt der Antrag ohne Erfolg (2.2.).

2.1. Die einstweilige Anordnung ist am Maßstab der gegenüber § 123 Abs. 1 VwGO strengeren Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten (2.1.1.); denn die Regelungen der §§ 8 Abs. 1; 13 Abs. 1 GrdO 01 werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als nichtig erweisen (2.1.2.).

2.1.1. Wenn auch bei § 47 Abs. 6 VwGO die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags der Hauptsache in der Regel außer Betracht bleiben und lediglich eine Abwägungsentscheidung zu treffen ist, ob die Folgen, die sich ergeben, wenn die einstweilige Anordnung verweigert wird, die Rechtsvorschrift später in der Hauptsache aber für nichtig erklärt wird, schwerer wiegen als die Folgen, die eintreten, wenn der Vollzug der Rechtsvorschrift ausgesetzt wird, die Norm indessen später in der Hauptsache bestätigt wird (vgl. für die Normenkontrolle von Gesetzen: BVerfG, Beschl. v. 24.07.1957 - 1 BvL 23/52 -, BVerfGE 7, 89 [104]; LVerfG LSA, Beschl. v. 24.07.2001 - LVG 10/01 -; vgl. i. Ü. zu Normenkontrollen: VGH BW, Beschl. v. 18.12.2000 - 1 S 1763/00 -, NVwZ 2001, 827 f.; SaarlOVG, Beschl. v. 03.11.2000 - 1 B 376/00 -, [juris]; OVG NW, Beschl. v. 19.09.1979 - Xa ND 8/79 -, NJW 1980, 1013; OVG LSA, Beschl. v. 24.04.2002 - 2 R 270/01 -; Beschl. v. 29.01.2003 - 2 R 382/02 -, Beschl. v. 20.08. 2003 - 2 R 390/03 -), sind wichtige Gründe für eine vorläufige Regelung jedenfalls dann anzunehmen, wenn - wie hier - der Normenkontrollantrag mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird und durch den Vollzug der Rechtsnorm vollendete, nach Lage der Dinge nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen werden (so zuletzt: OVG LSA, Beschl. v. 20.08.2003 - 2 R 390/03 -).

2.1.2. Diese Voraussetzungen sind für die §§ 8 Abs. 1; 13 Abs. 1 GrdO 01 erfüllt.

Dabei kann offen bleiben, ob sich die Satzungsbestimmung jedenfalls des § 13 GrdO 01 bereits aus formellen Gründen als nichtig erweisen wird, weil - wie das Schreiben vom 28.02.2003 des Konzils an den Kläger als damaligen Kanzler nahe legt - vom Ministerium im Genehmigungsverfahren gegenüber dem Konzilsbeschluss vom 04.12. 2001 Änderungen gefordert waren, welchen das Konzil nicht mehr durch besonderen Beschluss (bestätigend) beigetreten war; denn die genannten Bestimmungen sind jedenfalls durch die gesetzlichen Ermächtigungen der "Experimentierklauseln" nicht gedeckt.

§ 123 Abs. 1 HSG-LSA ermächtigt nicht zu einem Satzungsrecht, welches die Funktion eines Kanzlers der Hochschule vollständig beseitigt, dessen Aufgaben innerhalb der Hochschule einer besonderen Verwaltungsstelle unter der Aufsicht des neuen Hochschul-Präsidenten überträgt und ihn aus dem Leitungsorgan "Präsidium" ausschließt.

Dem Rückgriff auf § 123 Abs. 1 HSG-LSA als Ermächtigungsnorm für diese organisatorischen Änderungen steht zunächst entgegen, dass § 81 HSG-LSA für die Organisation der Leitung einer Hochschule besondere Ermächtigungen enthält, welche nur Abweichungen von den das "Rektorat" betreffenden Bestimmungen der §§ 79, 80 HSG-LSA erlauben, ohne dass innerhalb des § 81 HSG-LSA eine Rechtfertigung für die Abschaffung des Kanzler-Amts gefunden werden könnte. Vielmehr im Gegenteil erklärt § 81 Abs. 2 Satz 1 HSG-LSA die §§ 79, 80 HSG-LSA und damit auch die Regelung des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HSG-LSA für entsprechend anwendbar, welche die Mitgliedschaft eines Kanzlers im kollegialen Leitungsorgan vorsieht. Ganz abgesehen davon bestätigen systematische Argumente dieses aus dem Wortlaut des § 81 HSG-LSA gewonnene Ergebnis; denn Regelungen über die Aufgaben des Kanzlers finden sich in einem eigenen, dem § 81 HSG-LSA folgenden Paragraphen.

Das Argument der Spezialität des § 81 HSG-LSA lässt sich auch nicht mit dem Hinweis überwinden, § 123 Abs. 1 HSG-LSA ermächtige gerade durch seine pauschale Bezugnahme auf den 9. Abschnitt, sich auch über die eben erkannten Einschränkungen hinwegzusetzen; denn § 123 Abs. 1 HSG-LSA verdeutlicht gerade durch die dort genannten Beispiele von Zusammenlegungen oder Vereinfachungen, dass die Ermächtigung entsprechend ihrem ernst zu nehmenden Wortlaut nur dazu berechtigt, Entscheidungsprozesse zu vereinfachen und die Selbstverwaltung der Hochschule zu stärken.

Eine "Vereinfachung" der Entscheidungsprozesse im Leitungsorgan der Hochschule lässt sich nicht dadurch belegen, dass die Zusammensetzung des neuen Präsidiums nach § 8 Abs. 1 GrdO 01 keinen Kanzler als Vollmitglied mehr vorsieht wie im Normalfall des § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HSG-LSA, sondern einen Verwaltungsleiter nur beratend an den Sitzungen des Präsidiums beteiligt (§ 13 Abs. 2 Satz 2 GrdO 01). Auch nach dem herkömmlichen Verständnis der Hochschulverfassung ist der Kanzler "leitender Verwaltungsbeamter ... unterhalb der »Leitung«" (Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl., RdNr. 410 [S. 456]) als Stelle "zwischen der Leitung und allen Abteilungen der Verwaltung" (Thieme, a. a. O., S. 457); innerhalb der kollegialen Leitung hat er eine "Beraterfunktion" (Thieme, a. a. O., RdNr. 411 [S 457]). Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann bedeutet es auch keine (Verwaltungs-)Vereinfachung, wenn der neuen "Verwaltungsleitung" nach § 13 Abs. 1 GrdO 01 als Dienstvorgesetztem des Verwaltungspersonals (vgl. für den Regelfall: § 82 Abs. 1 Satz 4 HSG-LSA) sowie mit der Geschäftsführung für die laufende Verwaltung (vgl. für den Regelfall: § 82 Abs. 1 Satz 1 HSG-LSA) und als Vertretung des Präsidenten in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten (vgl. für den Regelfall: § 82 Abs. 1 Satz 2 HSG-LSA) im Wesentlichen die gleichen Aufgaben übertragen werden wie dem Kanzler. Da beide Voraussetzungen (Vereinfachung und Stärkung der Selbstverwaltung) kumulativ erfüllt sein müssen, bleibt beim Fehlen von "Vereinfachung" ohne Bedeutung, dass der Kanzler im Normalfall ein staatlicher Mitarbeiter in der Hochschule ist (§ 82 Abs. 2 Satz 1 HSG-LSA), während der Verwaltungsleiter nach § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GrdO 01 allein vom Vertrauen der Hochschulleitung abhängig ist und die Vertretung in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten einer besonderen Delegation durch die Hochschulleitung bedarf (§ 13 Abs. 1 Satz 3 GrdO 01).

2.2. Andere Satzungsbestimmungen als §§ 8, 13 GrdO 01 wirken sich auf die Position, welche der Antragsteller durch die einstweilige Anordnung gesichert sehen will, nicht derart aus, dass i. S. des § 47 Abs. 6 VwGO "schwere Nachteile" zu befürchten wären; auch "aus anderen wichtigen Gründen" kommt eine vorläufige Regelung nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1; 155 Abs. 1 VwGO. Die Kosten des Verfahrens sind in vollem Umfang vom Antragsgegner zu tragen, weil die vom Antragsteller mit Erfolg beanstandeten Satzungsbestimmungen zum Kern der neuen Regelung gehören und deshalb der nach seiner Formulierung weiter gehende Antrag des Antragstellers, mit dem er unterliegt, nur einen unwesentlichen Teil i. S. des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO ausmacht.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 Abs. 1 Satz 2; 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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