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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.02.2001
Aktenzeichen: 3 M 463/00
Rechtsgebiete: VwGO, AbwAG, AG AbwAG, WG LSA, GKG LSA, KAG LSA


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 146 Abs. 4
AbwAG § 9 Abs. 1
AbwAG § 9 Abs. 2
AbwAG § 9 Abs. 2 Satz 1
AbwAG § 9 Abs. 2 Satz 2
AbwAG § 9 Abs. 2 Satz 3
AbwAG § 9 Abs. 3
AbwAG § 11 Abs. 2 Satz 2
AbwAG § 10 Abs. 3 bis 5
AbwAG § 12
AbwAG § 12 Abs. 2
AbwAG § 13
AG AbwAG § 6 Abs. 1
AG AbwAG § 6 Abs. 1 Satz 1
AG AbwAG § 6 Abs. 1 Satz 1 1. Altn.
AG AbwAG § 7 Abs. 1
AG AbwAG § 7 Abs. 1 Satz 1
AG AbwAG § 7 Abs. 1 Satz 2
AG AbwAG § 7 Abs. 1 Satz 3
AG AbwAG § 7 Abs. 2
AG AbwAG § 7 Abs. 2 Satz 1
AG AbwAG § 8
AG AbwAG § 13
WG LSA § 151 Abs. 1 Satz 1
WG LSA § 157 Abs. 1 Satz 2
WG LSA § 157 Abs. 5
GKG LSA § 9
GKG LSA § 9 Abs. 1 Satz 1 GKG LSA
KAG LSA § 5 Abs. 2
KAG LSA § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 3 M 463/00

Datum: 08.02.2001

Gründe:

Der gem. § 146 Abs. 4 VwGO statthafte Antrag der Antragstellerin auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts über die Aussetzung der Vollziehung (§ 80 VwGO) hat keinen Erfolg.

Die von der Antragstellerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses i. S. von § 146 Abs. 4 i. V. m. § 124 Abs. 2 VwGO vermögen die Zulassung der Beschwerde nicht zu rechtfertigen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses liegen vor - wenn ausgehend von den Darlegungen in der Antragsschrift - die Bedenken gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung derart überwiegen, daß der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Mißerfolg. Da § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO außerdem verlangt, daß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses bestehen, muß die Antragstellerin ferner darlegen, daß das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einer anderen, für die Rechtsmittelführerin positiven Entscheidung gelangt wäre (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 7.9.2000 - A 3 S 704/98 -; Beschl. v. 4.6.1998 - B 2 S 194/98 -; OVG Hamburg, Beschl. v. 20.2.1997 - Bs IV 19/97 - DVBl. 1997, 1333). Hieran gemessen läßt sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Rechtsmittels nicht feststellen.

Die Antragstellerin bestreitet ihre Abgabepflicht für die durch Bescheid des Antragsgegners vom 8. Mai 2000 festgesetzte Abwasserabgabe für Schmutzwasser im Veranlagungsjahr 1996 für die Einleitstelle KBA 600/Casseegraben in Höhe von 16.230,36 DM. Das Verwaltungsgericht hielt diesen Einwand für nicht zutreffend, weil die Abgabepflicht nach § 9 Abs. 1 AbwAG denjenigen treffe, der Abwasser einleite und dies für den Veranlagungszeitraum die Antragstellerin als Betreiberin der Kläranlage (KA) KBA 600/Cassee-graben gewesen sei. Auf die satzungsgemäße Übernahme der Abwasserentsorgungspflicht durch den Beigeladenen komme es nicht an. Soweit das Bundesrecht die Länder ermächtige, anstelle der Einleiter Köperschaften des öffentlichen Rechts zu Abgabepflichtigen zu bestimmen (§ 9 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 AbwAG), wovon das Land Sachsen-Anhalt mit der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 des Ausführungsgesetzes zum AbwAG-AG AbwAG- Gebrauch gemacht habe, der zufolge die Gemeinden für das aus der öffentlichen Kanalisation eingeleitete Abwasser und anstelle von Kleineinleitern abgabepflichtig seien, könne den Beigeladenen als Zweckverband die Abwasserabgabenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AG AbwG nur treffen, wenn er in bezug auf die Abwasserbeseitigung an die Stelle der Gemeinde treten würde, d. h. wenn er die nach § 151 Abs. 1 Satz 1 WG LSA den Gemeinden übertragene Abwasserbeseitungspflicht übernehmen würde. Dazu reiche aber eine entsprechende Regelung in der Satzung des Zweckverbandes nicht aus. Die Übernahme der Abwasserbeseitungspflicht gehe gem. § 157 Abs. 5, Abs. 1 Satz 2 WG LSA erst mit der tatsächlichen "Betriebsaufnahme" und auch nur in dem damit realisierten Umfang über. Die Abwasserbeseitigung durch die Kläranlage KBA 600/Casseegraben werde indes tatsächlich von der Antragstellerin durchgeführt.

Mit ihrem Einwand, für die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf den Zweckverband komme es nicht auf die "tatsächliche" (Betriebs)Übernahme an, sondern die Abwasserbeseitigungspflicht gehe gem. § 9 GKG LSA mit Bildung des Zweckverbandes über, begründet die Antragstellerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Beschlußergebnisses.

Es kann offen bleiben, ob die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, hinsichtlich des Übergangs der Abwasserbeseitigungspflicht gem. § 157 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 WG LSA komme es auf die tatsächliche "Betriebsaufnahme" und den damit realisierten Umfang der Abwasserentsorgung an, zutreffend ist. Der Gesetzeswortlaut, wonach bei einem Zusammenschluß von Gemeinden zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft die Abwasserbeseitigungspflicht auf diese übergeht, "soweit sie die Abwasserbeseitigung übernimmt" muß nicht zwingend dahin verstanden werden. Die Verwendung des Begriffes "soweit" statt des Wortes "sobald" legt eher eine Regelung des sachlich-räumlichen Geltungsbereiches der übernommenen Verpflichtung nahe statt einer Regelung des Zeitpunktes oder der Art und Weise des Pflichtenüberganges. Ebenso kann dahinstehen, wie sich die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu § 157 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 WG LSA in Einklang mit der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 GKG LSA bringen läßt, wonach mit der Bildung des Zweckverbandes das Recht und die Pflicht der beteiligten kommunalen Gebietskörperschaften, die übertragenen Aufgaben zu erfüllen und die dazu notwendigen Befugnisse auszuüben, auf den Zweckverband übergehen. Einer abschließenden Klärung dieser Rechtsfragen bedarf es nicht, weil hierdurch die Frage nach der Person des Abwasserabgabepflichtigen nicht beantwortet wird.

Gem. § 9 Abs. 1 AbwAG ist grundsätzlich derjenige abgabepflichtig, der Abwasser einleitet. Einleiten i. S. dieses Gesetzes ist das unmittelbare Verbringen des Abwassers in ein Gewässer (§ 2 Abs. 2 AbwAG). Einleiter i. S. des § 9 Abs. 1 AbwAG sind danach - soweit die Abwassereinleitung (- wie hier -) über eine Benutzungsanlage ausgeübt wird - regelmäßig die Betreiber von Abwasseranlagen, insbesondere Abwasserbehandlungsanlagen, aus denen das (behandelte) Abwasser unmittelbar in ein Gewässer eingeleitet wird (sog. Direkteinleiter). Anlagenbetreiber ist - unbeschadet der privat-rechtlichen Situation - grundsätzlich derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über die Anlage besitzt und ausübt sowie als wasserwirtschaftliches Unternehmen in der Lage ist, auf das Einleiten aus ihr nach Menge und Beschaffenheit Einfluß zu nehmen (vgl. Köhler, AbwAG, § 9 Rdnr. 3 m. w. N.).

Hieran gemessen hat das Verwaltungsgericht die Antragstellerin zu Recht als Direkteinleiterin der KA KBA 600/Casseegraben angesehen. Auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin übt sie und nicht der Beigeladene die tatsächliche Sachherrschaft über die Kläranlage aus. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Verbandssatzung (VS) des Beigeladenen vom 31. Mai 1994. Danach plant, errichtet und betreibt der Zweckverband zur Erfüllung seiner Aufgaben eine Gemeinschaftskläranlage sowie die notwendigen Verbindungsleitungen und Pumpstationen (§ 3 Abs. 2 VS). Der Zweckverband errichtet, übernimmt und betreibt die Ortskanalnetze der Mitgliedsgemeinden (§ 3 Abs. 3 Satz 1 VS). Anhaltspunkte dafür, daß die Kläranlage KBA 600/Casseegraben Bestandteil der von dem Beigeladenen zu übernehmenden und zu betreibenden Ortskanalnetze der Mitgliedsgemeinden ist, lassen sich der Verbandssatzung nicht entnehmen. Dies erscheint im Hinblick auf die vorgesehene Entsorgung über eine Gemeinschaftskläranlage auch nicht plausibel. Im übrigen würde die Unterstellung der Kläranlage KBA 600/Casseegraben unter die Hoheitsgewalt des Zweckverbandes im Wege der Widmung als öffentliche Einrichtung wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Eigentum voraussetzen, daß sich der Beigeladene die Verfügungsmacht über die Sache zuvor auf legalem Wege beschafft hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29.6.1990 - 2 S 3386/88 -; OVG LSA, Beschl. v. 20.11.1997 - B 2 S 387/97 -). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die Kläranlage KBA 600/Casseegraben in das Eigentum des Beigeladenen übergegangen ist oder ihm die privatrechtliche Verfügungsmacht hierüber eingeräumt wurde. Insofern ergibt sich auch keinerlei Indiz für die Annahme, es könnte eine Identität zwischen Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigtem der Einleitungsanlage und abgabepflichtigem Einleiter bestehen. Anhaltspunkte für eine Sachherrschaft des Beigeladenen an der streitgegenständlichen Kläranlage ergeben sich danach auch nicht nach dem Inhalt der Verbandssatzung.

Soweit die Abwasserabgabenpflicht nach § 9 Abs. 1 AbwAG an die tatsächliche Sachherrschaft über eine (konkrete) Abwasserentsorgungsanlage anknüpft, kommt es auch nicht entscheidend darauf an, bei wem die Abwasserentsorgungspflicht liegt; abgabepflichtig ist auch, wer rechtswidrig oder strafbar Abwasser einleitet (vgl. Köhler, a. a. O., § 9 Rdnr. 2, § 1 Rdnr. 65). Auch wenn ein Dritter die Einleitungspflicht nur für den Abwasserentsorgungspflichtigen erfüllt, wird der Entsorgungspflichtige damit nicht zwangsläufig zum Anlagebetreiber; maßgeblich ist auch hier, bei wem die Verantwortung für den Betrieb liegt. Die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht und die unmittelbare Verantwortung für den Anlagebetrieb müssen nicht unbedingt zusammenfallen (vgl. Köhler, a. a. O., § 9 Rdnr. 4). Die Abwasserabgabepflicht gehört deshalb nicht zu den Pflichten einer an der Bildung eines Zweckverbandes beteiligten kommunalen Gebietskörperschaft, die notwendigerweise zur Erfüllung der übertragenen Abwasserentsorgungspflicht auf den Zweckverband übergehen müssen i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 GKG LSA. Da die Abwasserabgabepflicht - anders als die Abwasserentsorgungspflicht - an die tatsächliche Benutzung einer konkreten Entsorgungsanlage anknüpft, käme ein Wechsel in der Person des Abwasserabgabepflichtigen gem. § 9 Abs. 1 AbwAG vorliegend nur in Betracht, wenn der Beigeladene anstelle der Antragstellerin, Betreiber und Inhaber der Sachherrschaft über die Kläranlage KBA 600/Casseegraben wäre. Dafür bieten Sachverhalt und Beteiligtenvorbringen - wie ausgeführt - keinen Anhalt.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht, wenn man die Abgabepflicht der Antragstellerin aus § 6 Abs. 1 Satz 1 AG AbwAG herleitet. Danach sind die Gemeinden für das aus der öffentlichen Kanalisation eingeleitete Abwasser und anstelle von Direkteinleitern, die im Jahresdurchschnitt weniger als 8 Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen u. ä. Schmutzwasser einleiten, abgabepflichtig.

Soweit mit dieser Rechtsvorschrift eine Abgabepflicht der Gemeinde als öffentlich-recht-liche Körperschaft anstelle von Einleitern begründet wird, beruht diese Regelung auf der Ermächtigungsnorm des § 9 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 AbwAG und erweist sich vorliegend als nicht einschlägig. Denn Regelungsinhalt ist eine Abgabepflicht für Dritte, die nicht in Betracht kommt, wenn Abgabepflichtiger und Einleiter identisch sind, wie dies bei der Antragstellerin als abgabepflichtige Gemeinde und als Betreiberin der streitgegenständlichen Kläranlage der Fall ist. Dies zeigt sich auch in den Regelungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 AbwAG, wonach der Einleiter - wenn der Abgabepflichtige nicht Einleiter ist (§ 9 Abs. 2 und 3) - dem Abgabepflichtigen die notwendigen Daten und Unterlagen zu überlassen hat oder des § 12 Abs. 2 AbwAG, wonach der Einleiter, der nach § 9 Abs. 2 oder 3 nicht abgabepflichtig ist, im Wege der Schätzung zur Abgabe herangezogen werden kann, wenn er seinen Verpflichtungen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 und den ergänzenden Vorschriften der Länder nicht nachkommt. Von einer Nichtidentität von Abgabepflichtigem und Einleiter geht auch die auf der Ermächtigung des § 9 Abs. 2 Satz 3 AbwAG beruhende Abwälzungsregelung in § 7 Abs. 2 Satz 1 AG AbwAG aus, wonach die Gemeinden die von ihnen nach § 6 Abs. 1 anstelle von Abwassereinleitern zu entrichtende Abwasserabgabe auf die Abwassereinleiter abwälzen. Denn abgaberechtlich können Abgabegläubiger und Abgabeschuldner - soweit keine abweichende gesetzliche Regelung besteht - nicht ein und dieselbe Person sein (vgl. Köhler, a. a. O., § 1 Rdnr 7).

Soweit § 6 Abs. 1 Satz 1 AG AbwAG mit seiner ersten Alternative ("für das aus der öffentlichen Kanalisation eingeleitete Abwasser") auch den hier streitgegenständlichen Fall der eigenen Einleitung durch die Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft erfaßt, beurteilt sich die Abgabepflicht aber nicht anders als nach der Grundnorm des § 9 Abs. 1 AbwAG (vgl. Köhler, a. a. O., § 9 Rdnr. 9). Dem entspricht auch die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 AG AbwAG, wonach (u. a.) die Gemeinden die von ihnen für eigene Einleitungen zu entrichtende Abwasserabgabe im Rahmen der Erhebung von Gebühren nach § 5 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes abwälzen. Im Falle "eigener Einleitungen", wie beim Betrieb einer Abwasserentsorgungsanlage, wälzt die Gemeinde die Abwasserabgabe auf die an ihre Kläranlage mittels Indirekteinleitung angeschlossenen Anschlußnehmer als Kostenfaktor der von ihr betriebenen öffentlichen Einrichtung durch die Erhebung von Benutzungsgebühren ab. An diese Möglichkeit der Gebührenerhebung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung knüpft auch die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 AG AbwAG an, wonach dies (§ 7 Abs. 1 Satz 1) entsprechend gilt für abgabepflichtige Zweck-verbände, die Gebühren erheben. In § 7 Abs. 1 Satz 3 AG AbwAG wird nochmals klargestellt, daß die Abwasserabgabe zu den Kosten i. S. des Kommunalabgabengesetzes gehört. Abgabepflichtig für eigene Einleitungen im vorgenannten Sinne wird ein Zweckverband danach, wenn er selbst Betreiber einer Kläranlage wird bzw. selbst unmittelbar aus der öffentlichen Kanalisation einleitet i. S. von § 6 Abs. 1 Satz 1 1. Altn. AG AbwAG.

Anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. September 1999 (A 2 S 470/98), soweit darin unter Verweis auf die Abwälzungsregelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 AG AbwAG ausgeführt wird, den Zweckverband treffe die Abgabepflicht anstelle der Gemeinde, wenn die gemeindliche Aufgabe (der Abwasserbeseitigung) durch einen Zweckverband erfüllt werde. Mit dieser Rechtsauffassung begründet der 2. Senat den Anspruch der klagenden Gemeinde auf Erstattung einer von ihr erhobenen und gezahlten Abwasserabgabe durch den Zweckverband im Rahmen einer Abwicklungsentscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde wegen Auflösung des Zweckverbandes (§ 5 Abs. 4 Satz 2 GKG-LSA). Nach den Feststellungen des 2. Senats war der Zweckverband aufgrund seiner Verbandssatzung verpflichtet, die abwasserabgabebelastete Abwasseranlage zu übernehmen und ist dieser Übernahmepflicht nicht nachgekommen. Die Kosten seien dem Zweckverband zuzurechnen und der in Vorlage getretenen Gemeinde zu erstatten, weil der Verband und nicht mehr die Gemeinde für die Abwasserentsorgung Sorge zu tragen gehabt habe und die Gemeinde insoweit ein "fremdes" Geschäft, nämlich das des Verbandes geführt habe.

Der vom 2. Senat behandelte Fall unterscheidet sich danach von der hier streitgegenständlichen Problematik bereits dadurch, daß sich nach dem bislang bekannten Sachverhalt weder aus der Verbandssatzung des Beigeladenen vom 31. Mai 1994 noch aus sonstigen Übernahmevereinbarungen eine Pflicht des Beigeladenen zur Übernahme der Kläranlage KBA 600/Casseegraben ergibt. Aber selbst wenn es eine Übernahmeverpflichtung gäbe, der der Beigeladene nicht nachgekommen wäre, läge darin auch keine Erfüllung der gemeindlichen Aufgabe zur Abwasserbeseitigung durch den Zweckverband sondern lediglich die Verpflichtung hierzu. Ein Verstoß gegen satzungs- oder vereinbarungsgemäße Übernahmepflichten vermag demgemäß - wie in dem vom 2. Senat entschiedenen Fall - Erstattungsansprüche der "geschäftsführenden" Gemeinde gegenüber dem entsorgungspflichtigen Zweckverband zu begründen, ein Wechsel der Abgabepflicht von der Gemeinde auf den Zweckverband setzt aber voraus, daß dieser die übernommene Beseitigungspflicht durch die abgabebelastete Anlage tatsächliche erfüllt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluß des 1. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. Juli 2000 (- 1 M 10/00 -). Soweit darin die Abwasserabgabepflicht eines Abwasserzweckverbandes bejaht und ausgeführt wird,

"liegen das Recht und Pflicht zur Abwasserbeseitigung ab diesem Zeitpunkt (der wirksamen Gründung des Zweckbandes, Anm. d. Senats) nicht mehr bei den Mitgliedsgemeinden, sondern beim Zweckverband, so ist dieser ungeachtet der Wirksamkeit der Auflösung des Verbandes im Jahre 1996 jedenfalls für die hier in Rede stehenden Veranlagungsjahre 1994 und 1995 gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 GKG LSA anstelle der Migliedsgemeinden als Schuldner der Abwasserabgabe i. S. der §§ 9 Abs. 2 AbwAG, 6 Abs. 1 AG AbwAG LSA heranzuziehen",

geht die Entscheidung ersichtlich von dem Regelfall aus, wonach ein Verband die Verpflichtung zur Abwasserentsorgung nicht nur eingeht, sondern auch tatsächlich übernimmt. Denn die entscheidungserhebliche Problematik des vom 1. Senat entschiedenen Falles lag in der Frage, ob ein bereits in Auflösung befindlicher Verband noch zur Zahlung einer Abwasserabgabe für einen Veranlagungszeitraum heranzuziehen ist, der zwar vor dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Auflösung des Verbandes liegt, die Bekanntgabe des Festsetzungsbescheides aber erst nach der Verbandsauflösung erfolgt. Anhaltspunkte dafür, daß dem vom 1. Senat entschiedenen Fall eine vergleichbare Konstellation zugrunde lag - wie vorliegend -, nämlich eine Verpflichtung des Zweckverbandes zur Abwasserentsorgung ohne satzungs- oder vereinbarungsgemäße Pflicht zur Übernahme der abgabebelasteten Kläranlage und ein Weiterbetrieb der Kläranlage durch die Mitgliedsgemeinde, sind nicht ersichtlich.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses vermag die Antragstellerin auch nicht mit dem Einwand zu begründen, sie sei nicht in der Lage, die ihr auferlegte Abwasserabgabe auf die Indirekteinleiter abzuwälzen, weil durch Gründung des Zweckverbandes ihr Satzungsrecht auf den Zweckverband übergegangen sei. Die Frage der Abwälzbarkeit der Abgabe ist für die Frage nach der Person des Abgabepflichtigen nicht von Belang.

Der Landesgesetzgeber hat die Abwälzbarkeit der Abwasserabgabe grundsätzlich in § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AG AbwAG geregelt. Sollte keine der Abwälzungsmöglichkeiten für die Antragstellerin mehr einschlägig sein - was zu klären nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist - ist dies allein in ihrem Einflußbereich liegenden Umständen geschuldet. Falls dem beigeladenen Zweckverband anstelle der Antragstellerin im Veranlagungszeitraum für die Kläranlage KBA 600/Casseegraben die Befugnis zur Erhebung von Benutzungsgebühren i. S. des § 5 KAG LSA zugestanden haben sollte, hat es die Antragstellerin versäumt, sich entweder durch Einstellung des Betriebes der Kläranlage ihrer Abgabepflicht zu entledigen (vgl. Köhler, a. a. O., § 1 Rdnr. 65 f.) und es damit dem Beigeladenen zu überlassen, wie er seiner Entsorgungspflicht nachkommen will oder mit dem Beigeladenen eine Vereinbarung über die Weiterführung des Betriebes der Kläranlage in dessen Interesse als Entsorgungspflichtigen zu treffen, die die Erstattung der Abwasserabgabe regelt. Der Antragstellerin verbleibt danach ggfs. die Möglichkeit, Aufwendungsersatzansprüche als Geschäftsführerin gegen den Beigeladenen als Geschäftsherrn nach den Grundsätzen einer Geschäftführung ohne Auftrag - GoA - (vgl. §§ 683, 687 Abs. 2 Satz 2, 684 Satz 1 BGB) geltend zu machen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 29.10.1993 - 2 M 25/93 -).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlußergebnisses begründet schließlich auch nicht der Einwand der Antragstellerin, ihr könnten die Mittel der Abwasserabgabe nicht zugute kommen, weil ihr keine Zuständigkeit verblieben sei; insbesondere scheide eine Verrechnung der Abwasserabgabe mit Investitionen aus.

Das Aufkommen aus der Abwasserabgabe steht dem Lande zu (§ 1 Satz 2 AbwAG, § 12 AG AbwAG) und ist zweckgebunden für Maßnahmen, die der Erhaltung oder Verbesserung der Gewässergüte dienen i. S. von § 13 AbwAG, §§ 12, 13 AG AbwAG zu verwenden. Die Mittel stehen jedermann zur Verfügung, der die landesrechtlichen Vergabekriterien erfüllt. Auf die Mittelvergabe besteht jedoch, selbst soweit Mittel bestehen, kein Rechtsanspruch. Im Rahmen ihrer gesetzlichen Vorschriften entscheiden die Länder über die Vergabe nach pflichtgemäßem Ermessen. Für das Bestehen einer Abgabepflicht ist es danach nicht von Belang, ob der Antragstellerin Zuwendungen aus dem Abgabeaufkommen zur Verfügung gestellt werden können; ebensowenig hängt die Mittelvergabe von der Zuständigkeit für die Abwasserentsorgung ab.

Soweit die Antragstellerin eine mangelnde Verrechnungsmöglichkeit mit Investitionen rügt, ist von der Antragstellerin weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, daß ihr überhaupt verrechnungsfähige Aufwendungen i. S. des § 10 Abs. 3 bis 5 AbwAG, § 8 AG AbwAG entstanden sind. Im übrigen knüpft die Verrechnungsmöglichkeit an die Person des Abgabepflichtigen und eine konkrete Abwasserbehandlungsanlage, nicht an die Abwasserentsorgungspflicht an. Daß sich verrechnungsfähige Investitionen aus Sicht der Antragstellerin nicht rechnen mögen, berührt ihre Abgabepflicht nicht; die Antragstellerin erspart sich damit lediglich Aufwendungen, die den möglichen Verrechnungsbetrag übersteigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil er weder Anträge gestellt noch das Verfahren in sonstiger Weise gefördert hat. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 14 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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