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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: 3 O 12/06
Rechtsgebiete: ZPO, VwGO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
VwGO § 166
BGB § 1360a Abs. 4 S. 1
BGB § 1610 Abs. 2
BGB § 1615a
1. Bei einem Prozess um staatliche Ausbildungsförderung handelt es sich um einen für den Auszubildenden persönlich wichtigen Prozess; dessen (Vor-)Finanzierung von der Unterhaltspflicht der Eltern regelmäßig mit umfasst wird.

2. Besteht ein derartiger Anspruch auf Prozesskostenvorschuss, ist er vorrangig vor der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe einzusetzen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 3 O 12/06

Datum: 30.11.2006

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO voraus, dass die streitgegenständliche Rechtsverfolgung noch beabsichtigt ist. Ist das Rechtsschutzverfahren hingegen bereits beendet, bleibt für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Wegfall der Rechtshängigkeit grundsätzlich kein Raum mehr (OVG Schleswig, Beschl. v. 28.10.2003 - 3 O 27/03 -, NVwZ-RR 2004, 460 m. w. N.; OVG NW, Beschl. v. 30.6.1993 - 25 E 426/93 -, DVBl. 1994, 214; OVG Rheinl.-Pfalz, Beschl. v. 25.8.1988 - 13 E 23/88 -, DÖV 1989, 36 f.; Thüring.OVG, Beschl. v. 3.12.1997 - 3 ZO 619/95 -, NVwZ-RR 1998, 866; OVG Berlin, Beschl. v. 5.3.1998 - 8 M 9.98 -, NVwZ 1998, 650 f.; std. Rspr. d. Senats vgl. Beschlüsse v. 13.07.2004 - 3 O 159/02 - und - 3 O 303/02 -; Beschl. v. 4.5.2004 - 3 L 56/03 -). Dies folgt schon aus der Überlegung, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe allein dem Zweck dient, die für die Führung eines erfolgversprechenden Rechtsstreits erforderlichen Kosten aufzubringen. Hat der Rechtsstreit indessen bereits seinen Abschluss gefunden, kann der genannte Zweck der Bewilligung von Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht mehr erreicht werden.

So verhält es sich hier. Das Klageverfahren, für dessen Durchführung der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist bereits durch Beschuss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 28. November 2005 eingestellt und damit abgeschlossen worden. Zwar kann eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss des Verfahrens ausnahmsweise aus Gründen der Billigkeit in Fällen geboten sein, in denen die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung zu einem früheren Zeitpunkt, als die Rechtsverfolgung noch beabsichtigt war, vorgelegen haben und es lediglich infolge eines Versäumnisses des Gerichts nicht zu einer rechtzeitigen Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gekommen ist (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 5.3.1998 - 8 M 9.98 -, NVwZ 1998, 650 f.; OVG Schleswig, Beschl. v. 28.10.2003 - 3 O 27/03 -, NVwZ-RR 2004, 460 unter Hinweis auf seinen Beschl. v. 19.4.1991 - 3 O 23/91 -; std. Rspr. d. Senats, vgl. Beschlüsse v. 13.7.2004 a. a. O.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Der Prozesskostenhilfeantrag war bereits mangels ausreichender Angaben zur Bedürftigkeit des Klägers bislang nicht bewilligungsreif. Dem zeitgleich mit der Klageerhebung am 10. Februar 2005 gestellten Prozesskostenhilfeantrag war zunächst keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers beigefügt. Diese Erklärung dürfte dem Verwaltungsgericht - soweit sich dies nach Aktenlage nachvollziehen lässt - frühestens mit Eingang der Originalschrift der Klage oder des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz (- 6 B 93/05 MD -) am 14. Februar 2005 vorgelegen haben. In der Erklärung gibt der Kläger an, Unterhaltsleistungen seiner Eltern zu beziehen, ohne diese jedoch zu spezifizieren und die unter Punkt C des Formularvordrucks auf einem Zweitstück dieses Vordrucks geforderten Angaben über die Verhältnisse der Eltern zu machen. Am 23. Februar 2005 ging beim Verwaltungsgericht - allerdings zum Aktenzeichen des Eilverfahrens 6 B 93/05 MD - eine (vom 17.2.2005 datierende) Erklärung der Eltern des Klägers ein, worin diese an Eides statt versichern, dass der Kläger von ihnen eine monatliche finanzielle Unterstützung von insgesamt 350,00 € (inklusive 155,00 € Kindergeld) erhalte. Diese Angaben ergänzte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 21. Februar 2005 dahingehend, dass die Eltern auch regelmäßig Lebensmittel im Wert von ca. 20,00 € pro Woche mitgeben würden. Die erforderliche ergänzende Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern des Klägers stand danach weiterhin aus. Sie war auch nicht entbehrlich, weil der Kläger gegen seine unterhaltsverpflichteten Eltern einen familienrechtlichen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss haben könnte, der aus einer Analogie zu den Vorschriften der §§ 1360 a Abs. 4 Satz 1, 1610 Abs. 2, 1615 a BGB hergeleitet wird (Sodan/Neumann, VwGO, Stand 1999, § 166 Rdnr. 145). Denn zum angemessenen Unterhalt, der einem Verwandten nach § 1610 Abs. 1 BGB zusteht, gehört auch die vorschussweise Zahlung der Kosten für einen Rechtsstreit über persönliche Angelegenheiten, sofern dies der Billigkeit entspricht (BVerwG, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 8; BGH NJW 1964, 2151; BAG FamRZ 1967, 149). Besteht ein derartiger Anspruch auf Prozesskostenhilfevorschuss, ist er vorrangig vor der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe einzusetzen. Im Umfang dieses Anspruches ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen (Sodan/Neumann, a. a. O.).

Ein Unterhaltsanspruch gem. § 1610 Abs. 2 BGB scheidet hier auch nicht deshalb aus, weil der Kläger in der Vergangenheit Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten hat und deren Weiterbewilligung Gegenstand des Rechtsstreits ist, für den Prozesskostenhilfe begehrt wird. Nach § 1610 Abs. 2 BGB gehören zu dem vom Unterhaltsanspruch umfassten Lebensbedarf auch die Kosten zur Vorbildung zu einem Beruf (BGHZ 69, 190 [192] = FamRZ 1977, 629). D. h., die Eltern haben die Verpflichtung, eine angemessene Berufsausbildung zu ermöglichen; hierzu gehört billigerweise auch die Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten, die der Durchführung und Finanzierung der vom Kind erstrebten Berufsausbildung - hier des Studiums - dienen. Bei einem Prozess um staatliche Ausbildungsförderung handelt es sich nämlich um einen für den Auszubildenden persönlich wichtigen Prozess, dessen (Vor-)Finanzierung von der Unterhaltspflicht der Eltern regelmäßig mit umfasst wird (so OVG Bremen, Beschl. v. 30.10.1991 - 2 B 143/91 - juris; Hess. VGH, Beschl. v. 30.5.1988 - 9 TP 952/88 - juris).

Eltern schulden ihren unterhaltsberechtigten Kindern einen Prozesskostenvorschuss im Übrigen auch dann, wenn sie ihn zwar nicht in einer Summe zahlen können, aber nach § 115 Abs. 1 und 2 ZPO, der regelmäßig auch ihren notwendigen Selbstbehalt wahrt, für eine eigene Prozessführung zu Ratenzahlungen in der Lage wären. Dann kann dem vorschussberechtigten Kind Prozesskostenhilfe auch nur gegen entsprechende Ratenzahlung bewilligt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 4.8.2004 - XII ZA 6/04 -).

Nach alldem kann dahinstehen, ob dem Antrag in der Beschwerdeschrift entsprechend ("Dem Kläger für die erste Instanz rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung Prozesskostenhilfe zu gewähren") und dem rechtlichen Ansatz im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zufolge, der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers "im Zeitpunkt der Erhebung der Klage" hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat sowie ob die spätere, zur Erledigung des Rechtsstreits führende Entwicklung in die prozesskostenhilferechtliche Erfolgsprognose mit einzubeziehen gewesen wäre (ggf. unter zeitlich späterer Inkraftsetzung eines Bewilligungsbeschlusses).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da Gerichtkosten gem. § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben und außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens gem. § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

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