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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: 4 K 15/05
Rechtsgebiete: GG, LSA-Verf, LSA-GO


Vorschriften:

GG Art. 80 I 3
LSA-Verf § 79 I 3
LSA-GO § 75 I
LSA-GO § 76 I
LSA-GO § 76 Ia
1. Enthält eine Verordnung eine Summe von Zusammenschlüssen von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften, so kann die einzelne Gemeinde jeweils nur den sie betreffenden Verordnungsteil im Weg der Normenkontrolle angreifen (Reichweite der Antragsbefugnis).

2. Dem "Zitiergebot" des Art. 79 Abs. 1 Satz 3 der Landesverfassung (vgl. auch Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG) ist nur genügt, wenn in der Verordnung alle Ermächtigungsgrundlagen angegeben worden sind, auf welchen die Verordnungsregelung beruht (im Anschluss an BVerfGE 101, 1).

3. Ist die Verordnung "teilbar", indem sie sich faktisch als Summe einzelner Verordnungsregelungen darstellt, die untereinander keinen systematischen Zusammenhang haben, so muss dem "Zitiergebot" nur für die jeweilige Verordnungsregelung genügt werden.

4. Müssen Verwaltungsgemeinschaften durch Verordnung gebildet werden, so steht dem Verord-nungsgeber ein "Planungsermessen" zu. Ihm ist allerdings verwehrt, "ohne Not" gegen die Interessen der beteiligten Gemeinden zu handeln, wenn wunschgerechte Einheiten in Abwägung mit den Interessen benachbarter Gemeinden auch möglich sind.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 4 K 15/05

Datum: 14.04.2005

Tatbestand:

Die Antragstellerin war Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft "Einetal-Vorharz" mit Sitz des gemeinsamen Verwaltungsamts in Quenstedt.

Die Verwaltungsgemeinschaft "Einetal-Vorharz" sprach sich im Rahmen der Anhörungen für eine Fusion mit der Verwaltungsgemeinschaft "Wippra" sowie für eine Angliederung der Gemeinde Wiederstedt aus der früheren Verwaltungsgemeinschaft "Sandersleben" aus. Dies fand auch die Billigung des Landkreises Sangerhausen, obgleich die neue Einheit weniger als 10.000 Einwohner gehabt hätte.

Zum Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung über diese beabsichtigte Verwaltungsgemeinschaft kam es nicht, weil sich die Antragstellerin der Verwaltungsgemeinschaft "Hettstedt" anschließen wollte.

Den deshalb gestellten Antrag der Antragstellerin vom 16.12.2003, aus der Verwaltungsgemeinschaft "Einetal-Vorharz" ausscheiden zu dürfen (Bescheid vom 18.12. 2003) sowie das Ausscheiden durch Kündigung aus wichtigem Grund vom 28.01.2004 (Bescheid vom 19.02.2004) genehmigte das Landesverwaltungsamt jeweils nicht.

Mit Anschreiben vom 30.01.2004 hörte der Antragsgegner u. a. die Antragstellerin zu der Absicht an, die Verwaltungsgemeinschaften "Wippra", "Einetal-Vorharz" und "Sandersleben" zu fusionieren. Parallel dazu forderte er alle Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften auf, bis zum 31.03.2004 freiwillig leistungsfähige Verwaltungsgemeinschaften zu bilden.

Mit Erlass vom 04.06.2004 forderte der Antragsgegner die Gemeinden der drei beteiligten Verwaltungsgemeinschaften, darunter die Antragstellerin, auf, bis zum 02.08. 2004 eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung vorzulegen, welche faktisch die drei bisherigen Verwaltungsgemeinschaften fusionieren sollte.

In seiner Abwägung vom August 2004 ("Prüfraster"), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ging der Antragsgegner von folgenden Erwägungen aus:

Die bisherige Verwaltungsgemeinschaft "Einetal-Vorharz" könne mit nur 5.107 Einwohnern keinen Bestand haben. Zwar weise sie eine im Landesvergleich unterdurchschnittliche Bevölkerungsdichte auf; jedoch könne durch Fusion mit 12.013 Einwohnern dauerhaft eine leistungsfähige Verwaltungsgemeinschaft gebildet werden. Ein solcher Zusammenschluss beeinträchtige die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie weniger als eine Zuordnung einzelner Gemeinden zu bestehenden Einheiten. Die Fusion entspreche zudem dem Willen der meisten beteiligten Gemeinden.

Durch Verordnung vom 08.09.2004 (LSA-GVBl., S. 550) schloss der Antragsgegner die beteiligten Gemeinden der früheren drei Verwaltungsgemeinschaften zu einer neuen Verwaltungsgemeinschaft zusammen (§ 2 Nr. 6 dieser Verordnung). Diese Zuordnung wurde in der die frühere Verordnung aufhebenden neuen Verordnung vom 01.11.2004 (LSA-GVBl., S. 763) beibehalten (dort § 2 Nr. 10) und schließlich in die gegenwärtige Verordnung vom 10.12.2004 (LSA-GVBl., S. 822) übernommen (hier § 2 Nr. 9).

Die Antragstellerin hat am 17.01.2005 im Wege der Normenkontrolle begehrt, die Verordnung für unwirksam zu erklären, soweit sie in den Zusammenschluss einbezogen worden ist. Dazu führt sie aus: Auch andere Gemeinden seien mit der verordneten Struktur nicht einverstanden gewesen. Die neue Verwaltungsgemeinschaft habe eine zu große Ausdehnung. Es sei möglich gewesen, die Stadt Sandersleben der Verwaltungsgemeinschaft "Gerbstedt" zuzuordnen sowie Wiederstedt und die Antragstellerin der Verwaltungsgemeinschaft "Hettstedt". Die freiwilligen Planungen hätten Vorrang. Der in der freiwilligen Phase geäußerte Wille dürfe nicht missachtet werden.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 2 Nr. 9 der Zweiten Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 10. Dezember 2004 (LSA-GVBl., S. 822) für unwirksam zu erklären, soweit sie in die Bildung dieser Verwaltungsgemeinschaft einbezogen worden ist.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen,

und entgegnet: Im Landkreis Mansfelder Land hätten bis auf die Mitgliedsgemeinden der drei zusammengeschlossenen Verwaltungsgemeinschaften alle Gemeinden neue leistungsfähige Einheiten gebildet: "Hettstedt" habe 18.123 Einwohner, "Eisleben" 28.617, "Mansfelder Grund / Helbra" 13.730, "Seegebiet Mansfelder Land" 10.823 und "Gerbstedt" 12.379; außerdem sei eine Einheitsgemeinde Mansfeld mit 9.285 Einwohnern entstanden. Ohne die Antragstellerin könne die verordnete Verwaltungsgemeinschaft nicht bestehen; außerdem bestände ohne die Antragstellerin keine Gebietseinheit innerhalb der neuen Verwaltungsgemeinschaft mehr.

Die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners haben vorgelegen und sind in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.04.2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

1.1. Die angegriffene Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 10.12.2004 (LSA-GVBl., S. 822) - 2. VwGemVO - ist eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, die zum Gegenstand einer Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht gemacht werden kann (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 [BGBl I 686] - VwGO -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.08.2004 [BGBl I 2198 <2204>]), i. V. m. § 10 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 28.01.1992 [LSA-GVBl., S. 36], zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 [LSA-GVBl., S. 158]).

Art. 75 Nr. 7 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LVerf-LSA - vom 16.07.1992 (LSA-GVBl., S. 600), geändert durch Gesetz vom 27.01.2005 (LSA-GVBl., S. 44), steht dem nicht entgegen, weil Gegenstand einer kommunalen Verfassungsbeschwerde nur förmliche Gesetze sein können (LVfG LSA, Urt. v. 22.02.1996 - LVG 2/95 -, LVerfGE 4, 401 [406 f]).

1.2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Einen Normenkontrollantrag kann nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO reicht es aus, dass die Antragstellerin hinreichend substanziiert Tatsachen vorgetragen hat, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird (BVerwG, Urt. v. 10.03.1998 - BVerwG 4 CN 6.97 -, NVwZ 1998, 732). Dabei ist eine Rechtsverletzung nicht nur dann möglich, wenn die Norm oder ihre Anwendung unmittelbar in eine Rechtsstellung eingreift. Maßgeblich ist, ob sich die mögliche Verletzung subjektiver Rechte der angegriffenen Norm tatsächlich und rechtlich zuordnen lässt (OVG LSA, Urt. v. 17.04.2003 - 2 K 258/01 -).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt, soweit die Antragstellerin durch § 2 Nr. 9 der 2. VwGemVO zusammengeschlossen worden ist; denn sie wird durch diese Maßnahme des Antragsgegners unmittelbar in ihren durch Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LVerf-LSA rechtlich geschützten Interessen berührt.

Die Antragstellerin hat ihren Antrag auch zu Recht auf den sie betreffenden Teil der Verordnungsregelung beschränkt; denn diese Verordnung ist teilbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.01.1978 - BVerwG 7 C 44.76 -, DVBl. 1978, 536 [537]) führt die Ungültigkeit eines Teils einer Verordnung dann nicht zu ihrer Gesamt-Nichtigkeit, wenn die Restbestimmung auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Die zweite Frage nach dem hypothetischen Willen des Normgebers ist zwar wichtig; sie setzt jedoch voraus, dass die Verordnungsregelung überhaupt teilbar ist, ohne ihren Sinn zu verlieren. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Gedanken im Hinblick auf einen Bebauungsplan dahingehend zusammengefasst, dass eine teilweise Nichtigkeit zur umfassenden Nichtigkeit führe, wenn die Regelung ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll bestehen könne (BVerwG, Urt. v. 14.07.1972 - BVerwG IV C 69.70 -, BVerwGE 40, 268 [274]). Dies ist hier indes nicht der Fall; denn die Unwirksamkeit des Teils der Regelung, von welcher die Antragstellerin betroffen ist, führt nicht dazu, dass die übrigen, auf andere Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften bezogenen Festlegungen und damit die gesamte Verordnung Sinn und Rechtfertigung verliert; vielmehr betrifft jede Zuordnungs- oder Zusammenschluss-Regelung einen Einzelfall, der die besonderen Verhältnisse der zugeordneten oder zusammengeschlossenen Gemeinden in den jeweiligen Landkreisen berücksichtigt, so dass eine - möglicherweise festzustellende - (Teil-)Unwirksamkeit einer einzelnen Regelung auf die übrigen Regelungen der Verordnung keinen Einfluss hat.

Die Verordnungsregelung hat keinen systematischen Zusammenhang, sondern die einzelnen Bestimmungen lassen sich so behandeln, als seien sie jeweils Gegenstand einer isolierten einzelnen Verordnung, so dass sich die angegriffene Verordnung faktisch als Summe einer Vielzahl einzelner Verordnungen darstellt.

Das wird besonders deutlich im Vergleich der verschiedenen Fassungen der "Zweiten Verordnung" untereinander sowie mit den jüngsten Regelungen der "Dritten Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften" vom 11.03.2005 (LSA-GVBl., S. 140). Hier zeigt sich, dass die einzelnen Regelungen innerhalb der Zuordnungs- und Zusammenschluss-Paragraphen jeweils der aktuellen Lage angepasst worden sind, ohne dass die nur in der Nummer veränderten Gegenstände ihren materiellen Gehalt geändert hätten.

2. Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.

Die von der Antragstellerin angegriffene, sie betreffende Verordnungsregelung ist formell gültig (2.1.) und auch in der Sache nicht zu beanstanden (2.2.).

2.1. Das sog. "Zitiergebot" ist nicht verletzt (2.1.1.); das gesetzlich geforderte Verfahren ist eingehalten (2.1.2.).

2.1.1. Eine (unterstellte) Verletzung des Zitiergebots bei der "Zweiten Verordnung" ist nicht dadurch "geheilt" worden, dass die "Dritte Verordnung" den verfassungsrechtlichen Anforderungen insoweit genügt; denn die neue Verordnung lässt die frühere Regelung (bis auf die Aufhebung einzelner Regelungen) unangetastet.

Die hier einschlägige konkrete Regelung für die Antragstellerin in der "Zweiten Verordnung" verletzt aber das Zitiergebot des Art. 79 Abs. 1 Satz 3 LVerf-LSA nicht; denn die Bezugnahme auf § 76 Abs. 1a Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt - GO LSA - vom 05.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.04.2004 (LSA-GVBl., S. 246), betrifft Veränderungen in der bisherigen Verwaltungsgemeinschaftsstruktur für Gemeinden - wie hier die Antragstellerin -, die bereits Mitglieder von Verwaltungsgemeinschaften waren.

Dass die Verordnung auch andere Fälle regelt bzw. geregelt hat (vgl. inzwischen die Dritte Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften" vom 11.03.2005 [LSA-GVBl., S. 140]), in welchen bislang "verwaltungsgemeinschaftsfreie" Gemeinden zugeordnet werden, wirkt sich nicht aus, weil die Verordnung "teilbar" ist (OVG LSA, Beschl. v. 28.12.2004 - 2 R 730/04 -; vgl. auch bereits oben die Ausführungen bei Abschn. 1.2. dieser Entscheidungsgründe) und deshalb Bestand hat, soweit der einschlägige Teil den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

Der entgegengesetzten Ansicht des Verwaltungsgerichts Halle (vgl. etwa: VG Halle, Beschl. v. 02.02.2005 - 1 B 15/05 HAL -) folgt der Senat nicht; denn die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 06.07. 1999 - 1 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 ff) betrifft eine andere Fallkonstellation:

Die dort geprüfte Verfassungsmäßigkeit der "Hennenhaltungs-Verordnung" ist zwar an Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG gescheitert (BVerfGE 101, 1 [1, 41 ff]), weil sie nicht alle in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen aufgeführt hatte; sie wurde aber in dem Urteil nicht als vom Gegenstand her teilbar, sondern als Ganzes, nämlich als "Ausführungsverordnung" angesehen, die nähere Bestimmungen über die Anforderung der Tierhaltung für den Bereich der Legehennen in Käfigen treffen sollte (BVerfGE 101, 1 [31]). Sie enthielt damit - im Gegensatz zu der hier streitigen Verordnungsregelung, die als unverbunden nebeneinander stehende Summe von Teil-Regelungen zu verstehen ist - ein zusammenhängendes Regelungswerk. Die für eine solche Regelung gezogene Konsequenz, die Verordnung müsse alle Ermächtigungsnormen zitieren, auf welche sie sich inhaltlich stütze und welche Motiv für ihren Erlass seien (BVerfGE 101, 1 [41, 43]), ist gerade nicht auf den Fall einer teilbaren Regelung übertragbar, bei dem dann konsequenterweise nur zur Prüfung stehen kann, ob gerade für den jeweiligen Regelungsteil den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Zitiergebots genügt worden ist.

Das wird auch den vom Bundesverfassungsgericht erkannten Anforderungen an den Zweck des Zitiergebots (BVerfGE 101, 1 [41/42]) gerecht. Gemeinden, welche schon bislang Verwaltungsgemeinschaften angehörten, haben keinerlei rechtliches Interesse daran, zu erfahren, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Verordnungsteile für bislang "verwaltungsgemeinschaftsfreie" Gemeinden beruhen, ob der Verordnungsgeber für diese von gesetzlichen Ermächtigungen Gebrauch machen wollte oder welcher Ermächtigungsrahmen sich insoweit für den Verordnungsgeber bietet.

2.1.2. Das von § 76 Abs. 1a GO LSA verlangte Verfahren ist eingehalten.

Die hier streitige Regelung für die Antragstellerin ist, selbst wenn man auf die erste Fassung der "Zweiten Verordnung" abstellt, erst nach dem 01.04.2004 getroffen worden (§ 76 Abs. 1a Satz 1 GO LSA).

Die betroffenen Gemeinden, (bisherigen) Verwaltungsgemeinschaften und der Landkreis sind auch vor Erlass der Verordnung ausreichend angehört worden (§ 76 Abs. 1a Satz 4 GO LSA).

Ob und zu welchem Zeitpunkt eine Verwaltungsgemeinschaft (freiwillig) vereinbart worden war (§ 76 Abs. 1 S. 1, 3 GO LSA), wertet der Senat nicht als Frage formellen, sondern materiellen Rechts, weil - wie bereits aus dem Wortlaut des § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA ("Vereinbarungen" [Plural]) folgt - hierzu nicht nur auf eine konkrete Vereinbarung, welche auch die Zustimmung der Antragstellerin gefunden hat, abzustellen ist, sondern auch darauf, dass im Land Sachsen-Anhalt insgesamt Verwaltungsgemeinschaften be- oder entstehen, welche den Anforderungen des § 76 Abs. 1 Satz 2 GO LSA entsprechen oder ausnahmsweise unter den Bedingungen des § 76 Abs. 1 Satz 3 GO LSA genehmigt werden können. Dies verlangt eine (materielle) Bewertung im Einzelfall.

2.2. Die Verordnungsregelung für die Antragstellerin verletzt aber auch materielles Recht nicht.

Die Maßnahme verstößt nicht gegen den Grundsatz der "Freiwilligkeit" (2.2.1.) Den Abwägungs- und Gestaltungsspielraum hat der Antragsgegner gewahrt (2.2.2.).

2.2.1. § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA stellt zwar nur auf das Zustandekommen, nicht auch auf die Wirksamkeit der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung(en) ab (2.2.1.1.), hindert den Verordnungsgeber aber nicht, von der Ermächtigung nach § 76 Abs. 1a Satz 1 GO LSA dann Gebrauch zu machen, wenn wegen des "freiwilligen" Zusammenschlusses zu einer Verwaltungsgemeinschaft bei dieser oder "im Umfeld" dem Leitbild des § 76 Abs. 1 GO LSA nicht (mehr) genügt wird (2.2.1.2.). Ist eine Verordnung möglich, geht das "Planungsermessen" auf den Verordnungsgeber über (2.2.1.3.).

2.2.1.1. Eine Verordnungsregelung scheidet wegen § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA nicht erst dann aus, wenn die öffentlich-rechtliche Vereinbarung über die Gründung oder Änderung der Verwaltungsgemeinschaft durch die zuständige Aufsichtsbehörde (§ 76 Abs. 4 Satz 1 GO LSA) genehmigt worden ist, sondern im Grundsatz schon dann, wenn die Vereinbarung getroffen worden ist. Für diese Auslegung spricht der Wortlaut der Bestimmung (so zutreffend: VG Magdeburg, Beschl. v. 28.01.2005 - 9 B 48/05 MD -), der nicht auf die Wirksamkeit der Vereinbarung, sondern auf deren Zustandekommen abstellt. Mit dieser Wortwahl lehnt sich der Gesetzgeber an die Begrifflichkeit des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 145 ff BGB) an, die über das Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge (§§ 54 ff des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt i. d. F. d. Bek. v. 07.01.1999 [LSA-GVBl., S. 3] - VwVfG LSA -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 [LSA-GVBl., S. 130, 135 <Nr. 34>]), auch für die Vereinbarungen über Verwaltungsgemeinschaften gilt (ebenso bereits: VG Magdeburg, a. a. O.). Das Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet deutlich zwischen den Regeln für den Vertragsabschluss einerseits und der Wirksamkeit der Verträge andererseits (vgl. nur §§ 182 ff BGB zur notwendigen Beteiligung Dritter, insbesondere durch eine Genehmigung [§ 184 Abs. 1 BGB]).

Dass auch gerade der Gemeindeordnung diese Unterscheidung zwischen Wirksamkeit und Zustandekommen zu Grunde liegt, zeigt der Wortlautvergleich zwischen einerseits §§ 75 Abs. 1; 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA ("durch Vereinbarung bilden" bzw. "zustande gekommen") und andererseits § 140 Abs. 1 GO LSA ("Wirksamkeit").

Dieser demnach bereits im Wortlaut des § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA deutlich zum Ausdruck kommende "Vorrang der »Freiwilligkeit«" entsprach auch dem Ziel des Gesetzgebers (Mehrheitsansicht insbesondere zu der Frage "Einheitsgemeinde" oder "Selbständigkeit", aber auch speziell zur Bildung neuer Verwaltungsgemeinschaften: vgl. etwa: Regierungsentwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit, LdTg-Drs. 4/858 v. 26.06.2003, Allgemeine Begründung, A. [S. 11 unten], B. [S. 12] sowie Einzelbegründung zu Art. 1 Nr. 4 [S. 17]; Erste Beratung vom 04.07.2003 [StenBer 4/24]: Minister des Innern [S. 1719, 1720], Wolpert, FDP [S. 1724], Kolze, CDU [S. 1726]; Zweite Beratung vom 23.10.2003 [StenBer 4/27]: Minister des Innern [S. 1980, 1981], Wolpert, FDP [S. 1982, 1983], Kolze, CDU [S. 1985, 1986]). § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA blieb während seiner Behandlung im Landtag und in den Ausschüssen unverändert (vgl. insoweit auch Beschlussvorlage, LdTg-Drs. 4/1064 vom 06.10.2003, zu Art. 1 Nr. 4 [S. 6 ff]).

Für die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung "freiwillig" getroffen worden ist, kommt es nicht auf einen festen Zeitpunkt an, insbesondere muss die Vereinbarung nicht bereits am 31.03.2004 vorgelegen haben (so bereits: Wolpert [FDP], in: Zweite Beratung des Gesetzentwurfs [StenBer 4/27 vom 23.10.2003, S. 1983, l. Sp., unten]).

Der Wortlaut des § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA steht einer solchen Auslegung ebenso wenig entgegen wie das System des Absatzes 1a dieser Bestimmung insgesamt oder speziell Satz 1 dieses Absatzes. Durch § 76 Abs. 1a Satz 1 GO LSA wird lediglich festgelegt, dass Verordnungsentscheidungen vor dem 01.04.2004 überhaupt nicht stattfinden dürfen; § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA hingegen hat innerhalb des Systems den Inhalt, dass nach diesem Zeitpunkt zwar Verordnungen statthaft sind, sie aber immer noch unter der Prämisse stehen, dass sie auch "erforderlich" sind, um das gesetzgeberische Ziel zu erreichen, leistungsfähige kommunale Einheiten zu schaffen. Von einer solchen Notwendigkeit kann ersichtlich nicht gesprochen werden, wenn (nach dem 01.04.2004) noch ein freiwilliger Zusammenschluss stattfindet. Auch dies entspricht dem Willen der Mehrheitsmeinung im Landtag, wonach die Verordnungsmaßnahme nur als "ultima ratio" in Betracht kommt (Kolze [CDU], in: Zweite Beratung des Gesetzentwurfs [StenBer 4/27 vom 23.10.2003, S. 1985, l. Sp.]).

2.2.1.2. Der "Grundsatz der »Freiwilligkeit«" ist aber andererseits auch mit Blick auf den reinen Wortlaut des § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA keine absolute Sperre für eine Verordnung, weil die Bestimmung im größeren Zusammenhang gesehen werden muss.

Ebenso wenig wie eine Verordnung ausgeschlossen ist, wenn der konkrete freiwillige Zusammenschluss die Zielzahl des § 76 Abs. 1 Satz 2 GO LSA nicht erreicht, ohne eine Ausnahme nach § 76 Abs. 1 Satz 3 GO LSA für sich in Anspruch nehmen zu können, darf sich ein für sich genommen i. S. des § 76 Abs. 1 GO LSA "leistungsfähiger" Zusammenschluss gegen den Eingriff durch eine Verordnung wehren, wenn dadurch "in der Nachbarschaft" keine leistungsfähigen Verwaltungsgemeinschaften (oder Einheitsgemeinden) mehr gebildet werden können. Schon durch den Gesetzesbefehl des § 76 Abs. 1 GO LSA soll erreicht werden, dass - soweit keine Einheitsgemeinden gebildet werden - insgesamt im Land, also "flächendeckend", leistungsfähige Verwaltungsgemeinschaften entstehen. Die eingefügten Absätze 1a bis 1c innerhalb des § 76 GO LSA sind diesem Ziel untergeordnet und dienen allein dem Zweck, den Befehl des Absatzes 1 auch dort durchzusetzen, wo das Ziel nicht freiwillig erreicht worden ist. Diesem Zusammenhang müsste eine Auslegung des § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA widersprechen, die sich nur auf die konkrete Verwaltungsgemeinschaft konzentriert und den Blick auf § 76 Abs. 1 GO LSA vernachlässigt. Trotz "zustande gekommener" (§ 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA) Vereinbarung über eine "leistungsfähige" Verwaltungsgemeinschaft wird sich wegen § 76 Abs. 1 GO LSA nicht vermeiden lassen, durch Verordnung so einzugreifen, dass auch "in der Nachbarschaft" noch leistungsfähige Einheiten entstehen können.

Für eine solche Auslegung spricht nicht nur der Wortlaut des § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA selbst, der (im Plural) auf das Vorhanden-Sein von Vereinbarungen abstellt, sondern auch die Genehmigungsbedürftigkeit jeder einzelnen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nach § 76 Abs. 4 Satz 1 GO LSA. Die Genehmigung als Maßnahme der Rechtsaufsicht (§§ 133 Abs. 2; 140 Abs. 1 Satz 1 GO LSA) ist nicht schon zu erteilen, wenn mit Blick nur auf die konkrete Verwaltungsgemeinschaft § 76 Abs. 1 GO LSA genügt ist, sondern erst dann, wenn die konkrete Vereinbarung auch mit Blick auf die "Nachbarschaft" i. S. des § 76 Abs. 1 GO LSA "unbedenklich" ist.

2.2.1.3. Diese Bedeutung des "Grundsatzes der »Freiwilligkeit«" hat zur Folge, dass das Ermessen, aus welchen Gemeinden eine Verwaltungsgemeinschaft gebildet werden soll, von der reinen "Vereinbarungshoheit" der beteiligten Gemeinden auf den Verordnungsgeber als nunmehr "planende", das Ziel des § 76 Abs. 1 GO LSA gleichsam vollziehende Stelle übergeht.

Gleichwohl strahlt der "Vorrang der »Freiwilligkeit«" noch aus, weil die Verordnung nur eingreifen darf, soweit ihre Regelung zur Durchführung des § 76 Abs. 1 GO LSA auch erforderlich ist. Dies hindert den Verordnungsgeber, "ohne Not" gegen berechtigte Interessen der beteiligten Gemeinden abstrakte Gebilde zu schaffen, ohne darauf Bedacht zu nehmen, ob mit Blick auf die Wünsche der Beteiligten Einheiten in Frage kommen, die auch normgerecht (§ 76 Abs. 1 GO LSA) und in Abwägung mit den Interessen benachbarter Gemeinden verträglich sind.

Eine die Verordnungsentscheidung ausschließende Verwaltungsgemeinschaftsvereinbarung (§ 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA) lag nicht vor.

2.2.2. Die Abwägungsentscheidung des Antragsgegners für den Zusammenschluss ist nicht zu beanstanden.

Der Antragsgegner ist nicht verpflichtet, auf Wünsche der beteiligten Gemeinden auch dann einzugehen, wenn der Grundsatz des § 76 Abs. 1 GO LSA nicht verwirklicht werden kann.

Die Antragstellerin kann deshalb nicht verlangen, dass die "Rest-Verwaltungsgemeinschaft" aus "Wippra" und "Einetal-Vorharz" auf deutlich unter 10.000 Einwohner reduziert wird, weil sie - mit Blick allein auf ihre Interessenlage - einer anderen Verwaltungsgemeinschaft angehören möchte, die ihrerseits auf die Antragstellerin nicht angewiesen ist, um leitbildgerecht zu sein.

Gerade angesichts des Umstands, dass die "Freiwilligkeit" Vorrang haben sollte, durfte der Antragsgegner wesentlich in seine Entscheidung einstellen, dass sich im Umfeld der Antragstellerin ohne Zwang leistungsfähige Einheiten gebildet hatten. Die Ausnahmegründe des § 76 Abs. 1 Satz 3 GO LSA für eine neue Einheit lediglich aus den Gemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft "Wippra" und "Einetal-Vorharz" ohne die Antragstellerin und ohne die Gemeinde Wiederstedt sowie die Stadt Sandersleben lagen ersichtlich nicht vor, weil eine neue leistungsfähige Verwaltungsgemeinschaft durch Fusion aller drei verbliebenen ehemaligen Verwaltungsgemeinschaften gebildet werden konnte.

Schließlich kann die Antragstellerin nicht allein in die Verwaltungsgemeinschaft "Hettstedt" entlassen werden, weil dann kein Gebietszusammenhang mehr innerhalb der verordneten Verwaltungsgemeinschaft "Wipper-Eine" bestände (vgl. § 76 Abs. 1a Satz 2 GO LSA).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidungen über die Vollstreckbarkeit und über die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil aus Anlass dieses Verfahrens keine Fragen des Bundesrechts oder des Verwaltungsverfahrensrechts von grundsätzlicher Bedeutung zu klären sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Senat nicht von Entscheidungen im Instanzenzug abweicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und Verfahrensfehler nicht ersichtlich sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

BESCHLUSS

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat - hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2005 durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Köhler, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blaurock, die ehrenamtliche Richterin Maier und die ehrenamtliche Richterin Scherer beschlossen:

Der Streitwert wird auf 15.000,00 € (fünfzehntausend EURO) festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.12.2004 (BGBl I 3392 [3394]), sowie in Anlehnung an II. Nr. 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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