Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 30.09.2008
Aktenzeichen: 4 K 62/06
Rechtsgebiete: LSA-GKG, LSA-WG


Vorschriften:

LSA-GKG § 11 Abs. 3 Satz 1
LSA-GKG § 11 Abs. 4 Satz 1
LSA-GKG § 11 Abs. 4 Satz 2
LSA-GKG § 11 Abs. 4 Satz 3
LSA-WG § 157 Abs. 1 Satz 5
1. § 11 Abs. 4 Satz 1 GKG LSA lässt ausdrücklich zu, dass die Verbandssatzung abweichend von Abs. 1 vorsehen kann, dass Verbandsmitglieder mehrere Stimmen haben und dass das Stimmrecht eines Verbandsmitgliedes durch eine entsprechende Zahl von Vertretern ausgeübt wird. Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG und Art. 2 Abs. 1 Verf LSA werden hierdurch nicht verletzt.

2. Nach § 11 Abs. 4 Satz 3 GKG LSA können die Stimmen eines Verbandsmitgliedes nur einheitlich abgegeben werden. Die Regelung der einheitlichen Stimmabgabe ist nicht zwingend an das in § 11 Abs. 3 Satz 1 GKG LSA vorgesehene imperative Mandat gebunden, das im Übrigen nach der Sonderregelung in § 157 Abs. 1 Satz 5 WG LSA keine Anwendung findet, wenn der Vertreter in Angelegenheiten der Abwasserbeseitigung abstimmt.


Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verbandssatzung des Antragsgegners, dessen Mitglied sie ist.

Am 26.05.2005 beschloss der Antragsgegner eine neue Verbandssatzung (VS 05). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 VS 05 richtet sich die Zahl der in der Verbandsversammlung entsandten Vertreter nach der Einwohnerzahl der Verbandsmitglieder: Von jedem Verbandsmitglied ist je angefangene 2.000 Einwohner ein Vertreter zu entsenden. Maßgeblich ist die Einwohnerzahl, die das Landesamt für Statistik am 31.12. des dem Beginn der jeweiligen Legislaturperiode vorausgegangenen Jahres ermittelt hat (Satz 6). Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 VS 05 können die Stimmen eines Verbandsmitgliedes nur einheitlich abgegeben werden. Die VS 05 wurde am 29.07.2005 im Amtsblatt des Landkreises W. und am 30.07.2005 im Amtsblatt des Landkreises Q. veröffentlicht.

Am 24.01.2006 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Die Bestimmung, wonach jedes Mitglied je angefangene 2.000 Einwohner je einen Vertreter entsende, verletze das Demokratieprinzip und sei verfassungswidrig. Die Vorschrift widerspreche auch dem Landesgesetz mit der Folge, dass die Satzung insgesamt nichtig sei. Auch die Regelung, dass die Stimmen eines Verbandsmitgliedes nur einheitlich abgegeben werden könnten, führe zur Nichtigkeit der Satzung. Die einheitliche Stimmabgabe sei verknüpft mit § 11 Abs. 3 GKG LSA, wonach Vertreter an die Beschlüsse des ihn entsendenden Verbandsmitglieds gebunden seien. Dies entspreche nicht dem Demokratieprinzip.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass die Verbandssatzung des "Trink- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt und Umgebung" vom 26.05.2005 nichtig ist.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor: Der Antrag sei bereits unzulässig, weil die Antragstellerin nicht dargelegt habe, inwiefern sie durch die angegriffene Rechtsvorschrift und deren Anwendung in ihren Rechten verletzt sei. Das Gesetz lasse im Übrigen eine Regelung in der Verbandssatzung zu, wonach Verbandsmitglieder mehrere Stimmen haben. Die Verbandssatzung könne die Anzahl der Vertreter auch von der Einwohnerzahl (vorliegend je angefangene 2.000 Einwohner) abhängig machen. Das Demokratieprinzip fordere nicht, dass jedes Mitglied nur mit einer Stimme in der Verbandsversammlung vertreten sein dürfe. In der Verbandssatzung werde das imperative Mandat nicht geregelt. Das Erfordernis der einheitlichen Stimmabgabe ergebe sich aus dem Gesetz und verstoße auch nicht gegen das Demokratieprinzip.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

1. Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt i. S. von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, weil sie Mitglied des Antragsgegners ist und schon deshalb geltend machen kann, durch die von ihr angegriffenen Regelungen der Verbandssatzung in ihren Rechten verletzt zu werden. Die Antragstellerin hat den Antrag auch innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt.

2. Der Antrag ist aber unbegründet.

2.1. Die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 5 VS 05, wonach die Mitglieder je angefangene 2.000 Einwohner einen Vertreter in die Verbandsversammlung entsenden, ist mit höherrangigem Recht vereinbar. § 11 Abs. 4 Satz 1 GKG LSA lässt ausdrücklich zu, dass die Verbandssatzung abweichend von Abs. 1 dieser Regelung vorsehen kann, dass Verbandsmitglieder mehrere Stimmen haben und dass das Stimmrecht eines Verbandsmitgliedes durch eine entsprechende Zahl von Vertretern ausgeübt wird. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass Zweckverbände z. B. in Bezug auf Mitgliederzahl, Einwohnerzahl der einzelnen Mitgliedsgemeinden, Umfang und Gewicht der übertragenen Aufgaben oder im Hinblick auf die Beteiligungsverhältnisse erhebliche Unterschiede aufweisen können (vgl. LT-Drucksache 1/1107, S. 11). Vor dem Hintergrund des dem Antragsgegner eröffneten Gestaltungsermessens ist es nicht zu beanstanden, dass sich die Anzahl der Vertreter, die ein Verbandsmitglied in die Verbandsversammlung entsendet, an der Einwohnerzahl (je 2.000 Einwohner ein Vertreter) orientiert.

Sowohl die angegriffene Satzungsregelung als auch die Vorschrift des § 11 Abs. 4 Satz 1 GKG LSA verletzen nicht das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG und Art. 2 Abs. 1 Verf LSA. Das demokratische Prinzip fordert, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und von diesem in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird; diese bedürfen hierfür einer Legitimation, die sich auf die Gesamtheit der Bürger als Staatsvolk zurückführen lässt (vgl. hierzu mit weitergehender Begründung: BVerfG, Beschl. v. 05.12.2002 - 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 - zitiert nach juris, Rdnr. 131 - 134 m.w.N.). Das von Verfassungs wegen erforderliche Legitimationsniveau ist bei der Besetzung der Verbandsversammlung im Wege des delegierten Systems gewährleistet. Denn die Vertreter der Mitgliedsgemeinde sind entsprechend § 11 Abs. 4 Satz 2 GKG LSA über den Gemeinderat der jeweiligen Mitgliedsgemeinde legitimiert. Dem Demokratieprinzip liegt im Übrigen zwar das Prinzip der Gleichheit der Rechtspersonen zu Grunde. Es verlangt jedoch nicht, dass jede Mitgliedsgemeinde jeweils nur durch einen Vertreter in der Verbandsversammlung repräsentiert wird. Das Demokratieprinzip lässt dem Satzungsgeber insofern einen - vorliegend gewahrten - Handlungsspielraum. Er darf in der Verbandssatzung dem unterschiedlichen Gewicht der Mitglieder im Zweckverband Rechnung tragen und sich bei der Anzahl der Vertreter der Mitgliedsgemeinden in der Versammlung an der jeweiligen Einwohnerzahl orientieren (Fenzel, Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit in Sachsen-Anhalt, Kommentar, § 11 Anm. 4.1).

2.2. Ebenso wenig verletzt die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 4 VS 08 höherrangiges Recht. Die Vorschrift entspricht der Regelung des § 11 Abs. 4 Satz 3 GKG LSA. Nach dieser Vorschrift können die Stimmen eines Verbandsmitgliedes nur einheitlich abgegeben werden. Die Regelung der einheitlichen Stimmabgabe ist dabei nicht zwingend an das in § 11 Abs. 3 Satz 1 GKG LSA vorgesehene imperative Mandat (vgl. Fenzel, a. a. O., § 11 Anm. 4.4) gebunden, das im Übrigen nach der Sonderregelung in § 157 Abs. 1 Satz 5 WG LSA keine Anwendung findet, wenn der Vertreter in Angelegenheiten der Abwasserbeseitigung abstimmt. Die einheitliche Stimmabgabe entspricht dem Verbandscharakter und der Tatsache, dass die einzelnen kommunalen Körperschaften und nicht ihre Vertreter Mitglied des Zweckverbandes sind (vgl. LT-Drucksache 1/1107, S. 11 ff.). Insofern ist die Stellung des Vertreters der Mitgliedsgemeinde nicht mit derjenigen des Mitgliedes des Bundesrates vergleichbar, bei dem das Erfordernis der Einheitlichkeit der Stimmabgabe nach Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG an das imperative Mandat gekoppelt ist. Für das Prinzip der einheitlichen Stimmabgabe spricht auch die Regelung des § 14 Abs. 1 GKG LSA, wonach bei bestimmten wesentlichen Änderungen des Verbandes (Mitgliederbestand, Auflösung) neben der 2/3 Mehrheit der Stimmen der Verbandsversammlung auch die Mehrheit der Mitglieder des Verbandes erforderlich ist. Die Mehrheit der Verbandsmitglieder wäre ohne eine einheitliche Stimmabgabe nicht feststellbar. Dem Prinzip der einheitlichen Stimmabgabe steht auch nicht die vorgenannte Sonderregelung des § 157 Abs. 1 Satz 5 WG LSA entgegen. Denn diese Regelung schränkt nur das imperative Mandat des § 11 Abs. 3 Satz 1 GKG LSA für eine bestimmte Aufgabe ein. Zur Einheitlichkeit der Stimmabgabe trifft die Vorschrift hingegen keine Aussage. Demzufolge bleibt es bei der allgemeinen Regelung des § 11 Abs. 4 Satz 3 GKG LSA, wonach die Mitglieder eines Zweckverbandes ihre Stimmen nur einheitlich abgeben können. Eine Verletzung des Demokratieprinzips ist durch das Gebot der einheitlichen Stimmabgabe nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in entsprechender Anwendung der §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

Zurück