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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 17.03.2008
Aktenzeichen: 4 L 263/06
Rechtsgebiete: BauGB, KAG LSA, StrG LSA


Vorschriften:

BauGB § 127 Abs. 2 Nr. 4
KAG LSA § 6 Abs. 1
StrG LSA § 2 Abs. 2 Nr. 1
StrG LSA § 6
1. Der Annahme einer Baulandqualität steht nicht entgegen, dass sich auf dem Grundstück ein Containerstellplatz zum Einwurf von recyclebaren Abfällen befindet, das Grundstück also öffentlichen Zwecken zu dienen bestimmt ist. Denn für die Beurteilung der Baulandqualität kommt es nicht darauf an, ob die Nutzung eines Grundstücks privaten oder öffentlichen Zwecken dient.

2. Aus der Anschlussmöglichkeit an eine öffentliche Einrichtung wird Grundstücken oder Teilen davon nur dann kein Vorteil vermittelt, wenn ihnen durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan jede abwasserrechtlich relevante Nutzbarkeit entzogen ist oder sie kraft förmlicher Widmung gemäß § 6 StrG LSA selbst der Erschließung im Sinne von §§ 30 ff. BauGB dienen, sie also Grundflächen von Erschließungsanlagen im Sinne von §§ 123 Abs. 2, 127 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 BauGB sind.

3. Ein als Parkplatz genutztes Grundstück bleibt nur dann bei der Aufwandsverteilung unberücksichtigt, wenn die Fläche gemäß §§ 6, 2 Abs. 2 Nr. 1 StrG LSA als öffentlicher Parkplatz gewidmet und dadurch dem allgemeinen Gebrauch zur Verfügung gestellt worden ist. Eine faktische Indienststellung zu öffentlichen Zwecken genügt nicht.


Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

1.1. Ohne Erfolg bleibt von vornherein der Einwand der Klägerin, das zu einem Abwasserbeitrag herangezogene Flurstück 28/3 sei schon deswegen nicht beitragspflichtig, weil sich auf diesem Flurstück u. a. ein öffentlicher Containerstellplatz zum Einwurf von recyclebaren Abfällen befinde, es also kraft faktischer Indienststellung zu öffentlichen Zwecken genutzt werde und damit seine Baulandeigenschaft verliere.

Im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ist allein zu prüfen, ob dem Beitragspflichtigen mit der Inanspruchnahme oder der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung ein (wirtschaftlicher) Vorteil für sein Grundstück entsteht. Einen solchen Vorteil können aber auch Grundstücke haben, die zu öffentlichen Zwecken genutzt werden (vgl. schon OVG LSA, Urt. v. 23.08.2001 - 1 L 134/01 -). Da unter einer öffentlichen Einrichtung ganz allgemein jede (organisatorische) Zusammenfassung von Personen und Sachen zu verstehen ist, die von der Gemeinde geschaffen wird (so z. B. auch Ämter, Büchereien, Schulen etc.) und den von dem Widmungszweck erfassten Personenkreis nach allgemeiner und gleicher Regelung zur Benutzung offen steht (Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Aufl., 1977, Rn. 528), geht entgegen der Auffassung der Klägerin mit der Schaffung einer öffentlichen Einrichtung insbesondere nicht zwingend der Verlust der Baulandqualität einher. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu in seinem Urteil vom 23. Oktober 1996 - BVerwG 8 C 40.95 - (DVBl. 1997, 496) ausdrücklich festgestellt, dass der Annahme einer Baulandqualität nicht entgegenstehe, dass sich ggf. die einzig zulässige bauliche Nutzung im Rahmen der öffentlichen Energieversorgung bewege (hier Transformatorenstation), das Grundstück also lediglich öffentlichen Zwecken zu dienen bestimmt sei. Denn für die Beurteilung der Baulandqualität im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB komme es nicht darauf an, ob die Nutzung eines Grundstücks privaten oder öffentlichen Zwecken diene (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 11.12.1987 - BVerwG 8 C 85.86 -, BVerwGE 78, 321).

Aus der Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung wird Grundstücken oder Teilen davon folglich nur dann kein Vorteil vermittelt, wenn ihnen durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan jede abwasserrechtlich relevante Nutzbarkeit entzogen ist oder sie kraft förmlicher Widmung gemäß § 6 StrG LSA selbst der Erschließung im Sinne von §§ 30 ff. BauGB dienen, sie also Grundflächen von Erschließungsanlagen im Sinne von §§ 123 Abs. 2, 127 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 BauGB sind (BVerwG, Urt. v. 23.10.1996, a. a. O.; Klausing in: Driehaus, Kommentar zum Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 1029a). Dies trifft für die als Containerstellplatz genutzte Grundstücksfläche unzweifelhaft nicht zu.

1.2. Einer Einbeziehung der Flurstücke 28/3 und 28/5 in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke steht auch nicht entgegen, dass die Flächen teilweise als öffentlicher Parkplatz genutzt werden; denn ein als Parkplatz genutztes Grundstück bleibt nur dann bei der Aufwandsverteilung unberücksichtigt, wenn die Fläche gemäß §§ 6, 2 Abs. 2 Nr. 1 StrG LSA als öffentlicher Parkplatz gewidmet und dadurch dem allgemeinen Gebrauch zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2008, § 35 RdNr. 32 m.w.N.). Eine förmliche Widmung der Flurstücke 28/3 und 28/5 zu Parkplatzflächen ist hier indes nicht ersichtlich; insbesondere sind die Parkflächen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als unselbständige Bestandteile der "Gartenstraße" bereits von der förmlichen Widmungsverfügung der Klägerin (Beschluss-Nr. I/061/1996) erfasst.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist für die Beurteilung der Ausdehnung, Größe und Länge einer einzelnen Erschließungsanlage grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise vermitteln (BVerwG, Urt. v. 07.06.1996 - BVerwG 8 C 30.94 -, DVBl. 1996, 1325; OVG LSA, Urt. v. 11.12.2007 - 4 L 154/05 -). Insoweit kann zwar auch eine besondere bauliche Gestaltung den Schluss rechtfertigen, ein öffentlicher Parkplatz sei unselbständiger Bestandteil einer öffentlichen Straße. Unter Zugrundelegung der im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Unterlagen (Lageplan und Lichtbilder) lassen sich die hier in Rede stehenden Parkflächen indes schon aufgrund ihrer Lage im Kreuzungsbereich der Gartenstraße und Bahnhofstraße und ihrer Größe (616 m²) nicht zweifelsfrei als Teileinrichtung der Gartenstraße einordnen, sondern bilden eine selbstständige Anlage nach § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB.

1.3. Selbständige Parkflächen in diesem Sinne bedürfen aber einer eigenen Widmung im Sinne der §§ 6, 2 Abs. 2 Nr. 1 StrG LSA, durch die sie dem allgemeinen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden (Driehaus, a. a. O., § 12 Rdnr. 83). Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt insoweit - anders als bei der Gebrauchsübergabe von selbständigen Grünflächen - das Vorhandensein einer tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche durch faktische Indienststellung nicht.

2. Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam erachtete Fragestellung, "ob für einen im Eigentum der Gemeinde stehenden straßenrechtlich nicht öffentlichen Parkplatz als (nur) tatsächlich öffentliche Verkehrsfläche eine Abwasserbeitragspflicht nach § 6 KAG LSA entsteht", rechtfertigt die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) schon deswegen nicht, weil sich diese Frage - wie oben bereits ausgeführt - anhand der einschlägigen Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA dahingehend beantworten lässt, dass Grundstücke, denen eine Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung vermittelt wird, nur dann nicht abwasserbeitragspflichtig sind, wenn sie kraft förmlicher Widmung gemäß § 6 StrG LSA Grundflächen von Erschließungsanlagen im Sinne von §§ 123 Abs. 2, 127 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 BauGB sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.1996, a. a. O.).

3. Schließlich liegt die behauptete Abweichung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) des angefochtenen Urteils von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Mai 1985 (BVerwG 8 C 17 - 20.84) nicht vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht schon keinen Rechtssatz in dem Sinne aufgestellt, dass mit der formlos möglichen Indienststellung einer nicht straßengebundenen Einrichtung (hier der Containerstellplatz) die Baulandeigenschaft des Grundstücks verloren geht. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in der Entscheidung vielmehr nur die Frage zu klären, ob eine selbständige Grünanlage als Teileinrichtung einer Erschließungsanlage beitragsfähig im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 3 BauGB ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz diese Frage in einem anderen Sinne beantwortet hat oder beantworten wollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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