Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: 4 L 279/08
Rechtsgebiete: AVBWasserV, KAG LSA


Vorschriften:

AVBWasserV § 10 Abs. 4
AVBWasserV § 35
KAG LSA § 8
1. Die bundesrechtlichen Vorschriften der AVBWasserV stehen einer auf § 8 KAG LSA beruhenden Satzungsbestimmung über den Kostenersatz bei der Erneuerung und Veränderung einer Wasseranschlussleitung nicht entgegen weil entsprechende Satzungsbestimmungen "gemeinderechtliche Vorschriften zur Regelung des Abgabenrechts" sind, die gemäß § 35 Abs. 1 2. Halbsatz AVBWasserV nicht der Pflicht zur Anpassung an die Bestimmungen der Verordnung unterliegen.

2. Unter eine Veränderung im Sinne des § 8 KAG LSA fallen alle Maßnahmen, die die technische Umgestaltung eines bestehenden Anschlusses zum Gegenstand haben, d. h. wenn Lage, Art und Dimensionierung des Anschlusses oder der Werkstoff geändert oder die Rohre an andere technische Gegebenheiten angepasst werden.


Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

1. Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, es bestehe keine Anpassungspflicht der getroffenen Satzungsregelung des Beklagten an die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser - AVBWasserV -, stehe im Widerspruch zu der in § 35 AVBWasserV zum Ausdruck kommenden Auffassung des Gesetzgebers; insbesondere seien die Satzungsbestimmungen gemäß § 35 Abs. 1 1. Halbsatz AVBWasserV entsprechend der abschließenden Regelung in § 10 Abs. 4 AVBWasserV zu regeln.

Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht erkannt, dass die bundesrechtlichen Vorschriften der AVBWasserV einer auf § 8 KAG LSA beruhenden Satzungsbestimmung über den Kostenersatz bei der Erneuerung und Veränderung einer Wasseranschlussleitung, wie dem hier einschlägigen § 3 Abs. 1 der Kostenerstattungssatzung des Beklagten - KES -, nicht entgegenstehen. Abweichend von § 10 Abs. 4 AVBWasserV können derartige Satzungsbestimmungen Erneuerungs- und Unterhaltungsarbeiten in die Kostenerstattungspflicht der Grundstückseigentümer einbeziehen und zwar entgegen der Auffassung des Klägers unabhängig davon, ob der Grundstücksanschluss durch Satzung zum Bestandteil der der öffentlichen Wasserversorgungsanlage bestimmt wurde (§ 8 Satz 2 KAG LSA), weil entsprechende Satzungsbestimmungen "gemeinderechtliche Vorschriften zur Regelung des Abgabenrechts" sind, die gemäß § 35 Abs. 1 2. Halbsatz AVBWasserV nicht der Pflicht zur Anpassung an die Bestimmungen der Verordnung unterliegen.

Nach § 10 Abs. 4 AVBWasserV ist das Wasserversorgungsunternehmen (nur) berechtigt, vom Anschlussnehmer die Erstattung der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Erstellung und - bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen - für Veränderungen des Hausanschlusses zu verlangen. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 KES widerspricht zwar § 10 Abs. 4 AVBWasserV, da die in ihr geregelten Unterhaltungs- und Erneuerungskosten der Anschlussleitung von den in § 10 Abs. 4 AVBWasserV geregelten Kosten nicht erfasst werden (BVerwG, Urt. v. 06.10.1989 - BVerwG 8 C 52.87 -, DVBl. 1990, 435 und Urt. v. 06.10.1989 - BVerwG 8 C 2.88 -, KStZ 1990, 131, beide zit. nach juris).

Der Widerspruch zieht jedoch nicht die Unwirksamkeit dieser Satzungsvorschrift nach sich; denn § 35 AVBWasserV nimmt - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - Satzungsvorschriften des hier in Rede stehenden Inhalts von der in ihm geregelten Anpassungspflicht, deren Verletzung die Unwirksamkeit einer entgegenstehenden Satzungsvorschrift zur Folge hätte (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 - BVerwG 7 C 50.83 -, zit. nach juris, sowie Urteile vom 06.10.1989, a. a. O.), aus.

Nach § 35 Abs. 1 2. Halbsatz AVBWasserV bleiben von der im ersten Halbsatz geregelten Anpassungspflicht unberührt u. a. "gemeinderechtliche Vorschriften zur Regelung des Abgabenrechts". Der den Kostenersatz für die Unterhaltung und Erneuerung von Grundstücksanschlussleitungen regelnde § 3 Abs. 1 KES ist in diesem Sinne eine gemeinderechtliche Vorschrift zur Regelung des Abgabenrechts (vgl. zu vergleichbaren satzungsrechtlichen Vorschriften: BVerwG, Urteile vom 06.10.1989, a. a. O.; VGH Hessen, Urt. v. 16.09.1987 - 5 UE 1176/87 -, zit. nach juris).

Gemeinderechtliche Vorschriften zur Regelung des Abgabenrechts im Sinne des § 35 Abs. 1 2. Halbsatz AVBWasserV sind nicht nur solche, die die Erhebung von Abgaben im materiellen Sinne, nämlich von Steuern, Gebühren und Beiträgen (§ 1 Abs. 1 KAG LSA) erfassen. Die Vorschrift ist vielmehr nach ihrem Zweck und im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes verfassungskonform dahin auszulegen, ohne Rücksicht auf die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlichen Inhalte des landesrechtlichen Abgabenbegriffs in den von ihr verwendeten Begriff des "Abgabenrechts" auch die Kostenerstattungsansprüche des kommunalen Wasserversorgungsrechts einzubeziehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 6. Oktober 1989 (a. a. O.) hierzu ausgeführt:

"§ 35 Abs. 1 Halbsatz 2 AVBWasserV zielt - wie die Verordnung insgesamt - auf eine ausgewogene Ausgestaltung der Versorgungsverhältnisse zwischen Wasserversorgungsunternehmen und Anschlussnehmern (...). Im Hinblick auf diese Zielrichtung ergäbe es keinen Sinn, Kostenerstattungen anders zu behandeln als Gebühren und Beiträge. Die Begründung von Kostenerstattungspflichten stimmt mit der Heranziehung zu Gebühren und Beiträgen darin überein, dass es sich um Instrumente des wirtschaftlichen Ausgleichs, d. h. in diesem Sinne um die "Gegenleistung" handelt. Dennoch zwischen ihnen zu differenzieren, liefe - unter dem Blickwinkel der Ausgewogenheit - darauf hinaus, so etwas wie eine nur halbe Ausgewogenheit zu verlangen und käme damit zumindest in die Nähe eines Widerspruchs in sich. Die durch diese Vorschrift vorgenommene Durchbrechung der Anpassungspflicht erklärt sich ersichtlich - auch in ihrer Reichweite - aus einer Rücksichtnahme des Verordnungsgebers auf die gemeindliche Abgabenhoheit als Ausfluß des den Gemeinden verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 GG)."

Diesen Ausführungen zur Auslegung des § 35 Abs. 1 2. Halbsatz AVBWasserV schließt sich der Senat vollumfänglich an (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.09.1991 - 22 A 1240/90 -, zit. nach juris).

2. Die von dem Kläger gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei den von dem Beklagten durchgeführten Maßnahmen zur Wiedereinbindung des vorhandenen Hausanschlusses handele es sich um eine kostenerstattungspflichtige "Teilerneuerung", erhobenen Einwände führen im Ergebnis ebenfalls nicht zu einer Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Zwar dürfte von einer Erneuerung i. S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 KES in Übereinstimmung mit § 8 Satz 1 KAG LSA nur dann auszugehen sein, wenn ein nach bestimmungsgemäßem Gebrauch abgenutzter Anschluss durch einen neuen Anschluss gleicher Ausdehnung und gleicher Ausbauqualität unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts ersetzt wird (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24.06.2003 - 1 L 523/02 -, zit. nach juris). Ausgehend von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, dass die Baumaßnahmen an dem Hausanschluss des Klägers wegen der Erneuerung des vor seinem Grundstück verlaufenden Trinkwasseranschlusses notwendig geworden sind, ist allerdings schon nicht erkennbar, dass der bisherige Hausanschluss des Klägers bereits abgenutzt war. Indes besteht eine Kostenerstattungspflicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KES nicht nur im Falle einer Erneuerung des Hausanschlusses, sondern auch - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - für die Veränderung eines Hausanschlusses. Hierunter fallen alle Maßnahmen, die die technische Umgestaltung eines bestehenden Anschlusses zum Gegenstand haben, d. h. wenn Lage, Art und Dimensionierung des Anschlusses oder der Werkstoff geändert oder die Rohre an andere technische Gegebenheiten angepasst werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 07.08.1986 - 12 A 11/86 -; VGH Hessen, Beschl. v. 24.10.1996 - 5 UZ 3507/96 -, beide zit. nach juris; Dietzel, in : Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 10 Rdnr. 20). Mit der Wiederanbindung des klägerischen Hausanschlusses an die vor dem streitbefangenen Grundstück verlaufende technisch erneuerte Hauptversorgungsleitung hat der Beklagte den bestehenden Anschluss im Sinne des § 8 Satz 1 KAG LSA i. V. m. § 3 Abs. 1 KES "verändert", da der Hausanschluss den neuen technischen Gegebenheiten entsprechend angepasst worden ist. Dass die Erneuerung der Hauptversorgungsleitung ihrerseits keine notwendige, mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Entwässerungssystems in Zusammenhang stehende Maßnahme darstellt, trägt der Kläger selbst nicht vor. Im Gegensatz dazu hat zwar das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil eine "Teilerneuerung" angenommen; dies wirkt sich aber auf die zu treffende Entscheidung nicht aus, denn nach dem Satzungsrecht der Beklagten lösen "Veränderung" und "Erneuerung" gleichermaßen die Kostenerstattungspflicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück