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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 19.06.2006
Aktenzeichen: 4 L 347/05
Rechtsgebiete: GO LSA, BGB


Vorschriften:

GO LSA § 8 1 Nr. 2
BGB § 744
Miteigentümer eines Grundstücks können zur Erfüllung der ihnen nach der gemeindlichen Satzung obliegenden Verpflichtung zum Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage grundsätzlich nur gemeinschaftlich herangezogen werden, da die Vornahme des Anschlusses eine Maßnahme der Verwaltung ist, zu der die Miteigentümer nicht einzeln, sondern nur gemeinschaftlich befugt sind (vgl. § 744 Abs. 1 BGB).

Dies setzt den Erlass eines einheitlichen Verwaltungsakts voraus, der inhaltlich zum Ausdruck bringen muss, dass die Miteigentümer nicht einzeln, sondern aufgrund ihrer gemeinschaftlichen Verbundenheit verpflichtet werden. Eine Inanspruchnahme der Miteigentümer jeweils mit gesonderten Bescheiden, die die gemeinschaftliche Verpflichtung in keiner Weise zum Ausdruck bringen, genügt diesen Anforderungen nicht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 L 347/05

Datum: 19.06.2006

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen den vom Beklagten mit Bescheid vom 16. Juni 2004 nur ihm gegenüber ausgeübten Anschluss- und Benutzungszwang für sein im Miteigentum stehendes Grundstück W. 7, Flur A, Flurstücke 1, 2, 3, 4, 5, der Gemarkung K..

Nachdem der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 6. Juli 2004 zurückgewiesen worden war, hat der Kläger am 4. August 2004 bei dem Verwaltungsgericht Dessau Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Ausübung des Anschluss- und Benutzungszwangs sei unzulässig. Die 870 m lange Druckleitung sei für die Ableitung des auf dem Grundstück anfallenden Abwassers ungeeignet, weil der Beklagte keine Pumpstation errichtete habe. Auch habe er einen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang.

Er hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2004 und seinen Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien,

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die Kläger vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien und den Bescheid vom 6. Juli 2004 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Dessau hat die Klage des Klägers mit Urteil vom 7. September 2005 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, es sei weder geltend gemacht noch ersichtlich, dass eine von dem Kläger und seinem Miteigentümer auf ihre Kosten einzubauende Abwasserhebeanlage nicht in der Lage sei, den notwendigen Druck aufzubauen. Auch sei eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht deswegen gerechtfertigt, weil der Anschluss- und Benutzungszwang nur gegenüber dem Kläger angeordnet worden sei, denn jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung habe der Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2005 auch den Miteigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks zum Anschluss an die zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage aufgefordert. Eine Aufhebung des Bescheides durch das Gericht käme einer unnützen Förmelei gleich, weil der Beklagte aufgrund der Regelung in seiner Satzung gehalten wäre, umgehend erneut den Anschlusszwang anzuordnen. Schließlich sei auch die auf die Erteilung einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gerichtete Verpflichtungsklage unbegründet.

Auf den Antrag des Klägers, der gemäß Schriftsatz vom 6. März 2006 lediglich die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 16. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2004 zum Gegenstand hat, hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt die Berufung wegen ernstlicher Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen.

Der Kläger macht zur Begründung der Berufung geltend, er und der Miteigentümer des Grundstücks könnten zur Erfüllung der ihnen nach der Satzung des Beklagten obliegenden Verpflichtung zum Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen grundsätzlich nur gemeinschaftlich in einem einheitlichen Verwaltungsakt herangezogen werden. Dies habe der Beklagte durch den Erlass des streitgegenständlichen Bescheides versäumt, so dass dieser Bescheid rechtswidrig und aufzuheben sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau, Az. 1 A 308/05 DE, dahingehend zu ändern, dass der Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2004 und der gegen den eingelegten Widerspruch ergangene Bescheid vom 6. Juli 2004 aufgehoben wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, die Berufung sei jedenfalls insoweit unbegründet, als der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt habe, ihn vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien, denn hierzu verhalte sich der Zulassungsbeschluss vom 24. Januar 2006 nicht. Auch sei ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Beseitigung der vorherigen Bescheide nicht mehr gegeben, weil der Beklagte mit gleichlautenden Bescheiden vom 22. März 2006 die Miteigentümer des betreffenden Grundstücks zur Erfüllung der ihnen obliegenden Verpflichtung zum Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage gemeinschaftlich herangezogen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i. V. m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die von dem Kläger erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zu Unrecht abgewiesen; denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs ist § 8 Satz 1 Nr. 2 GO LSA i. V. m. § 3 Abs. 1 der Abwasserbeseitigungssatzung - ABS - des Beklagten vom 17. Juni 1998, geändert durch Satzung vom selben Tag. Danach ist jeder Grundstückseigentümer verpflichtet, sein Grundstück an eine öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, sobald auf seinem Grundstück Schmutzwasser auf Dauer anfällt.

Miteigentümer eines Grundstücks können zur Erfüllung der ihnen nach der gemeindlichen Satzung obliegenden Verpflichtung zum Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage allerdings grundsätzlich nur gemeinschaftlich herangezogen werden, da die Vornahme des Anschlusses eine Maßnahme der Verwaltung ist, zu der die Miteigentümer nicht einzeln, sondern nur gemeinschaftlich befugt sind (vgl. § 744 Abs. 1 BGB). Diese gemeinschaftliche Verwaltungsbefugnis der Miteigentümer hat zur Folge, dass die Anschlussverpflichtung nicht als Gesamtschuld im Sinne des § 421 BGB, sondern vielmehr als gemeinschaftliche Schuld zu qualifizieren ist, deren Erfüllung von den Miteigentümern auch nur gemeinschaftlich verlangt werden kann. Dies wiederum setzt den Erlass eines einheitlichen Verwaltungsakts voraus, der inhaltlich zum Ausdruck bringen muss, dass die Miteigentümer nicht einzeln, sondern aufgrund ihrer gemeinschaftlichen Verbundenheit verpflichtet werden. Eine Inanspruchnahme der Miteigentümer jeweils mit gesonderten Bescheiden, die - wie hier - die gemeinschaftliche Verpflichtung in keiner Weise zum Ausdruck bringen, genügt diesen Anforderungen jedenfalls nicht (so auch OVG NW, Beschl. v. 12. April 1996 - 22 B 12/96 -, NVwZ-RR 1997, 8). Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Beklagte sei aufgrund der Regelung in seiner Satzung gehalten gewesen, umgehend erneut den Anschlusszwang anzuordnen, so dass sich die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides als Förmelei darstelle, ist nicht zu folgen; denn der Beklagte kann vorliegend - ausgehend von den rechtlichen Erwägungen des Senats - gerade keinen Verwaltungsakt mit gleichem Inhalt erneut erlassen.

Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, durch den Erlass der Bescheide vom 22. März 2006 sei ein Beseitigungsanspruch des Klägers nicht mehr gegeben. Weder diesen (neuen) Bescheiden noch dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 9. Juni 2006 lässt sich nämlich entnehmen, dass der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 16. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2004 ausdrücklich oder konkludent aufgehoben hat. Er entfaltet damit zumindest immer noch den Rechtsschein einer rechtmäßigen Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs, so dass der Kläger auch weiterhin ein Interesse an seiner Aufhebung geltend machen kann.

Der Einwand des Beklagten, die Berufung des Klägers sei jedenfalls insoweit zurückzuweisen, als der Kläger vor dem Verwaltungsgericht eine Verpflichtung des Beklagten begehrt habe, ihn vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien, geht fehl; denn der Kläger hat mit seinem Schriftsatz vom 22. November 2005 das erstinstanzliche Urteil nicht in vollem Umfang angefochten, sondern nur, soweit das Verwaltungsgericht die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 16. Juni 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2004 abgelehnt hat. Die Verpflichtungsklage war also nicht Gegenstand des Zulassungsverfahrens mit der Folge, dass der Senat auch insoweit nicht die Berufung zugelassen hat. Dies kommt zum einen bereits im Tenor des Zulassungsbeschlusses vom 24. Januar 2006 durch die Formulierung "Auf den Antrag des Klägers ... wird die Berufung zugelassen" zum Ausdruck; zum anderen befassen sich auch die Gründe des Beschlusses ausdrücklich nur mit dem Anfechtungsbegehren des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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