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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: 4 L 401/04
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 105 Abs. 2a
Der für eine Aufwandsteuer wie die Spielautomatensteuer geforderte lockere Bezug des verwendeten Steuermaßstabs zu dem letztlich zu besteuernden Vergnügungsaufwand der Spieler ist nur gewahrt, wenn die Einspielergebnisse von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nicht mehr als 50% von dem Durchschnitt der Einspielergebnisse dieser Automaten im Satzungsgebiet abweichen (wie BVerwG, Urt. v. 14.12.2005 - 10 CN 1/05 -).

Die Besteuerung von Spielapparaten ohne Gewinnmöglichkeit nach dem Stückzahlmaßstab ist weiterhin grundsätzlich zulässig, sofern für diese Gerätegruppe nicht feststeht, dass in dem betreffenden Gemeindegebiet nur Apparate mit "manipulationssicherem" Zählwerk aufgestellt sind und aller Voraussicht nach nur solche Apparate künftig aufgestellt werden (wie BVerwG, Urt. v. 14.12.2005 - 10 CN 1/05 -).


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 4 L 401/04

Datum: 05.09.2006

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Vergnügungssteuern.

Mit Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2003 wurde die Klägerin zu Vergnügungssteuern für den Betrieb von 9 Geräten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen (9 x 102,00 € im Monat) und 13 Geräten ohne Gewinnmöglichkeit in Spielhallen (13 x 77 € im Monat) für das Jahr 2003 in Höhe von insgesamt 23.028 € herangezogen.

Auf den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin setzte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2003 eine Vergnügungssteuer von (nunmehr) 22.872 € fest (13 x 76 € statt wie im Ausgangsbescheid 13 x 77 €).

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage machte die Klägerin Einwände gegen den ihrer Veranlagung zugrunde gelegten Stückzahlmaßstab geltend: Alle Gewinnspielgeräte seien seit dem Jahre 1997 mit einem manipulationssicheren Zählwerk versehen. Die sog. elektronische Kasse stelle den für die Bemessung der Vergnügungssteuer maßgeblichen Wert dar. Demgegenüber erweise sich der Stückzahlmaßstab wegen hoher Differenzen bei den Einspielergebnissen als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Die nachweisbaren Schwankungsbreiten der Einspielergebnisse im Satzungsgebiet verstießen gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Die von der Beklagten erhobene Spielautomatensteuer überschreite weiterhin die nach Art. 12 Abs. 1 GG zulässige Grenze eines Eingriffs in die Berufsfreiheit. Der Steuererhebung komme eine erdrosselnde Wirkung zu. Eine kalkulatorische Abwälzbarkeit der Steuer sei nicht möglich. Dass die Vergnügungssteuersatzung rückwirkend zum 1. März 1997 in Kraft gesetzt worden sei, beinhalte zudem einen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Vorgaben.

Die Klägerin hat beantragt,

den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 27. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2003 aufzuheben.

Die Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 21. April 2004 hat das Verwaltungsgericht Halle - 5. Kammer - den angefochtenen Bescheid aufgehoben: Der in § 9 der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 15. Juli 2003 festgelegte pauschalierte Steuermaßstab nach der Anzahl der aufgestellten Spielgeräte sei unwirksam. Er verstoße unter Berücksichtigung der den Gemeinden mittlerweile zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bei der Ermittlung der konkreten Einspielergebnisse gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Mit ihrer von der Vorinstanz zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, dass der Aufwand bei der Festsetzung der Steuer anhand des konkreten Einspielergebnisses im Vergleich zur Anwendung des Stückzahlmaßstabes mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht über ihr vorinstanzliches Vorbringen hinaus im Wesentlichen geltend, dass es der Regelung in § 3 Satz 2 der Vergnügungssteuersatzung in der zum 1. März 1997 in Kraft getretenen Fassung bzw. § 4 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Sätze 1, 3 der Satzung vom 15. Juli 2003 an einer gesetzlichen Ermächtigung sowie an einer hinreichenden Bestimmtheit mangele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg, soweit die Klägerin zu Vergnügungssteuern für Spielautomaten ohne Gewinnmöglichkeit in Spielhallen herangezogen worden ist. Hinsichtlich der für Apparate mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen erhobenen Vergnügungssteuer ist die Berufung dagegen unbegründet.

1. Der in der Vergnügungssteuersatzung - VS - der Beklagten vom 15. Juli 2003 (§ 9 Nr. 2 b) ebenso wie in der vorhergehenden Satzungsregelung vom 23. Oktober 1996 (§ 9 Nr. 2) normierte Stückzahlmaßstab für Geräte mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen ist mit höherrangigem Recht unvereinbar und damit für die in Höhe von 11.016,00 € ausgesprochene Veranlagung der Klägerin nicht heranzuziehen.

Auf der Grundlage der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt U. v. 14.12.2005 - 10 CN 1/05 -, NVwZ 2006, 461) ist der für eine Aufwandsteuer wie die Spielautomatensteuer geforderte lockere Bezug des verwendeten Steuermaßstabs zu dem letztlich zu besteuernden Vergnügungsaufwand der Spieler nur gewahrt, wenn die Einspielergebnisse von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nicht mehr als 50% von dem Durchschnitt der Einspielergebnisse dieser Automaten im Satzungsgebiet abweichen. Welchen Mindestanforderungen die Erhebung entsprechender Daten der jeweiligen Gerätegruppe genügen muss, um eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung des maßgeblichen Durchschnitts zu gewährleisten, hängt von den konkreten Umständen ab und entzieht sich einer allgemeinen Festlegung. Ob die erhobenen Daten einen tragfähigen Schluss auf das durchschnittliche Einspielergebnis der Automaten mit Gewinnmöglichkeit im Gemeindegebiet zulassen, hängt etwa von der Zahl und Größe der Automatenaufsteller und der Zahl der Gewinnspielautomaten und ihrer Verteilung im Gemeindegebiet ab. Auch eine nicht statistisch abgesicherte Erhebung kann eine aussagekräftige Grundlage für die Durchschnittsbildung liefern. Auf der anderen Seite wird sich ein belastbarer Durchschnitt der Einspielergebnisse für das Satzungsgebiet in aller Regel nicht bilden lassen, wenn nur Einspielergebnisse der Geräte eines von mehreren Aufstellern oder von insgesamt einem nur sehr geringen Prozentsatz aller Automaten derselben Gerätegruppe im Satzungsgebiet vorliegen. Um Verzerrungen durch jahreszeitliche Schwankungen in der Automatennutzung und sporadische Gewinnausschüttungen zu vermeiden, sollten die Angaben über die einzelnen Spielautomaten zudem einen jeweils längeren Zeitraum von in der Regel 8 bis 12 Monaten umfassen (BVerwG, a. a. O.).

In Anwendung dieser Grundsätze weicht eine Anzahl der durchschnittlichen Einspielergebnisse einzelner Gewinnspielautomaten in Spielhallen in beachtlichem Umfang von dem Durchschnitt der Einspielergebnisse aller ermittelten Geräte dieser Apparategruppe ab.

Von den beiden Automatenaufstellern im Gebiet der Beklagten waren in dem hier in Rede stehenden Veranlagungsjahr 2003 insgesamt 42 Gewinnspielgeräte in Spielhallen aufgestellt. Dem Erfassungsansatz des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere einer in der Regel durchgängigen (ununterbrochenen) Aufstelldauer von mindestens 8 Monaten, entsprechen hiervon allein 9 Geräte des neben der Klägerin einzigen Automatenaufstellers im Gebiet der Beklagten. Angesichts der konkreten Gegebenheiten, die maßgeblich durch lediglich zwei Aufsteller im Gemeindegebiet gekennzeichnet sind, stellen die Einspielergebnisse dieser Geräte eine hinreichend aussagekräftige Grundlage für die Ermittlung des monatlichen Gesamtdurchschnitts dar, der sich nach den Berechnungen des Senats auf 791 € beläuft. Aus einem Vergleich der durchschnittlichen monatlichen Einspielergebnisse der einzelnen Automaten mit diesem Gesamtdurchschnitt folgt, dass die zulässige Schwankungsbreite von 50% - je 25% beiderseits des Gesamtdurchschnitts (791 €) - in insgesamt vier Fällen in beachtlichem Umfang unter- bzw. überschritten wird. In diesem Zusammenhang geben die von der Klägerin u. a. vorgelegten Unterlagen Anlass zu dem ergänzenden Hinweis, dass eine sog. stellplatzbezogenen Betrachtungsweise, wobei dem Durchschnitt der Einspielergebnisse aller Geräte der monatliche Durchschnittswert des jeweiligen Stellplatzes und nicht der Durchschnittswert des Einzelgerätes gegenübergestellt wird, den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen nicht entsprechen dürfte. Die ordnungsgemäße Prüfung der Schwankungsbreite beruht danach auf einem Vergleich der durchschnittlichen Einspielergebnisse der Geräte insgesamt mit dem monatlichen Durchschnitt des einzelnen Automaten und nicht eines (platzbezogenen) "Einspielmixes".

Angesichts der Überschreitung der zulässigen Schwankungsbreite ist nach alledem der Stückzahlmaßstab vorliegend nicht geeignet, den Vergnügungsaufwand der steuerpflichtigen Spieler hinreichend zu erfassen. Der von der Beklagten für Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit verwendete pauschalierte Maßstab ist damit mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, so dass die hierauf bezogene Veranlagung der Klägerin keinen Bestand haben kann.

2. Der in den vorgenannten Vergnügungssteuersatzungen für die Besteuerung von Spielapparaten ohne Gewinnmöglichkeit in Spielhallen vorgesehene Stückzahlmaßstab (§ 9 Nr. 5 VS a. F. bzw. § 9 Nr. 2 e) VS n. F. ) ist dagegen nicht zu beanstanden. Die hierauf bezogene Veranlagung der Klägerin in Höhe von 11.856 € begegnet keinen Bedenken.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O.), der sich der Senat auch im Hinblick auf die Besteuerung von Spielapparaten ohne Gewinnmöglichkeit anschließt, ist die Erhebung der Vergnügungssteuer nach dem Stückzahlmaßstab weiterhin grundsätzlich zulässig, sofern für diese Gerätegruppe nicht feststeht, dass in dem betreffenden Gemeindegebiet nur Apparate mit "manipulationssicherem" Zählwerk aufgestellt sind und aller Voraussicht nach nur solche Apparate künftig aufgestellt werden.

Zwischen den Herstellern von Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit und den Verbänden der Unterhaltungsautomatenwirtschaft einerseits sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und dem Bundesministerium für Jugend, Familien, Frauen und Gesundheit andererseits kam es in den Jahren 1989 und 1990 zu einer selbstverpflichtenden Vereinbarung über den Einbau von "manipulationssicheren" Zählwerken. Danach wurden Zulassungen für Gewinnspielautomaten ohne "manipulationssicheres" Zählwerk bis einschließlich 1. Januar 1993 erteilt. Angesichts der beschränkten Geltungsdauer der Zulassungen dürfen demzufolge ab dem 1. Januar 1997 keine Spielgeräte ohne "manipulationssicheres" Zählwerk mehr aufgestellt sein (BVerwG, a. a. O.).

Dass auch für Spielapparate ohne Gewinnmöglichkeit eine entsprechende selbstverpflichtende Vereinbarung der Automatenaufsteller abgegeben worden wäre und damit nur Geräte aufgestellt werden dürfen, die das von den Spielern aufgewendete Entgelt elektronisch exakt und damit zuverlässig erfassen können, wird auch von den Beteiligten nicht behauptet. Nach den Erklärungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ermöglichen die von ihr im Veranlagungszeitraum aufgestellten Geräte jedenfalls nicht sämtlichst eine im vorgenannten Sinne elektronische Erfassung der Einspielergebnisse. Die für ihre Geräte demgegenüber aufgezeigte Möglichkeit, den Kassenbestand zu erfassen, genügt den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts an eine verlässliche (manipulationssichere) Ermittlung des Einspielergebnisses in elektronischer Form nicht. Hinzu kommt, dass nach fernmündlicher Befragung eines Monteurs, der Auskunft über die Verhältnisse in der weiteren Spielhalle im Gebiet der Beklagten geben konnte, auch dort nicht alle Geräte dem bei Gewinnspielautomaten geforderten Standard entsprochen haben.

Sind nach alledem im Gemeindegebiet der Beklagten jedenfalls nicht alle Spielautomaten ohne Gewinnmöglichkeit im Jahre 2003 mit "manipulationssicherem" Zählwerk versehen gewesen, erweist sich der Stückzahlmaßstab der Beklagten als unbedenklich.

Die gegen die Wirksamkeit der auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA erlassenen Vergnügungssteuersatzungen weiterhin erhobenen Einwände der Klägerin erweisen sich ebenfalls als unbegründet. Insbesondere begegnet die zum 1. März 1997 ausgesprochene Rückwirkung der Satzung vom 15. Juli 2003 angesichts der mit Blick auf § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG LSA "aufkommensneutral" ausgestalteten Steuersätze ebenso wenig rechtlichen Bedenken wie die Regelungen, dass der Veranstalter und damit vorliegend die Klägerin steuerpflichtig (§ 3 VS a. F. bzw. § 4 VS n. F.) ist.

Es ist auch nicht erkennbar, dass der hier in Rede stehenden Veranlagung erdrosselnde Wirkung zukommt und damit ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl vorliegt (vgl. BVerwG, a. a. O.). Insbesondere hat die Klägerin hierzu substanziierte Ausführungen nicht gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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