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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 04.06.2007
Aktenzeichen: 4 L 41/07
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 88
AO § 90 Abs. 1
AO § 93
AO § 162
AO § 162 Abs. 1 S. 1
AO § 162 Abs. 2 S. 1
1. Der Erlass eines Abwassergebührenbescheides vor dem Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld führt nicht zur Aufhebung dieses Bescheides, wenn jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Gebührenschuld entstanden ist und der Bescheid bei seiner Aufhebung sofort inhaltsgleich erneut festgesetzt werden müsste.

2. Es ist der gebührenerhebenden Körperschaft aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich durchaus erlaubt, gegenüber einem der Miteigentümer des streitbefangenen Grundstücks im Rahmen der Festsetzung der Gebühr von der Schätzungsbefugnis dann Gebrauch zu machen, wenn (nur) dieser seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen ist.


Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen nicht.

1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Erlass eines Abwassergebührenbescheides vor dem Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld nicht zur Aufhebung dieses Bescheides führt, wenn jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Gebührenschuld entstanden ist und der Bescheid bei seiner Aufhebung sofort inhaltsgleich erneut festgesetzt werden müsste. Der jeweilige Abgabenschuldner ist dadurch hinreichend geschützt, dass er die durch Zeitablauf eingetretene Heilung des Fehlers des Bescheides dazu nutzen kann, das (gerichtliche) Verfahren für erledigt zu erklären. Soweit der Kläger geltend macht, es sei dem Abgabenschuldner nur dann möglich, eine Überprüfung des jeweiligen Abgabenbescheides vorzunehmen, "wenn der Erhebungszeitpunkt und der Erhebungszeitraum den Vorgaben der in Bezug genommenen Satzung entsprechen" würden, ist nicht erkennbar, warum ihm eine solche Überprüfung vorliegend nicht nach dem Entstehen der Gebührenschuld während des Klageverfahrens möglich gewesen sein soll.

Auch der Verweis auf den Gebührenbescheid, der für den nachfolgenden Erhebungszeitraum ergangen ist, sowie auf das Fehlen von Ausführungen zur Gebührenberechnung und auf die zwingende Notwendigkeit einer Abrechnung "nach den Vorgaben der Satzung" führt nicht dazu, dass ernstliche Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen. Der nachfolgende Bescheid ist schon nicht streitgegenständlich. Offen bleibt, welche "weiteren Ausführungen" zur Gebührenberechnung der Beklagte hätte machen sollen und welche "gebührenrechtlichen Sachverhalte" der Kläger meint. Der Beklagte hat als Gebäudefläche für den Veranlagungszeitraum 1. Dezember 2004 bis 30. November 2005 eine Fläche von 500 m2 mit einem Abflussbeiwert von 100 % angenommen und nach § 8 Abs. 2 seiner Abwasserbeseitigungsabgabensatzung vom 16. September 2004 - ABAS - einen Gebührensatz von 0,48 €/m2 angesetzt. Es ist nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen ist, diese Festlegung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht anzugreifen.

2. Der Einwand des Klägers, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts weise die Abwasserbeseitigungsabgabensatzung mit ihrem § 12 II. Abs. 3 durchaus eine Regelung zur Fälligkeit der hier streitigen Niederschlagswasserbeseitigungsgebühr aus, ist zwar zutreffend. Er legt aber nicht dar, warum die Entscheidung des Verwaltungsgerichts deshalb im Ergebnis fehlerhaft sein soll.

3. Dass § 12 II. Abs. 1 ABAS sowie § 7 II. Abs. 2 Satz 2 ABAS jeweils nichtig sind, hat das Verwaltungsgericht festgestellt. Das Gericht hat aber dann weiter im Einzelnen dargelegt, warum die Nichtigkeit keinen Einfluss auf die Gültigkeit der ABAS im Übrigen hat. Denn dadurch sei der Beklagte nur verpflichtet gewesen, die Entwicklung der Grundstücksverhältnisse während des Veranlagungszeitraumes kontinuierlich im Blick zu haben. Dieser Schlussfolgerung ist der Kläger nicht hinreichend entgegen getreten. Der pauschale Hinweis auf "eine Verletzung des Grundsatzes der Gebührenwahrheit und -klarheit" ist nicht ausreichend. Dass es dem Gebührenschuldner nicht möglich sei, die korrekte Erhebung der Gebühr nachzuvollziehen, wird ebenfalls nicht weiter ausgeführt.

4. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Erwägung des Verwaltungsgerichts, der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass der Beklagte dem Miteigentümer des streitbefangenen Grundstücks keinen Erfassungsbogen übermittelt habe.

Gemäß § 7 II. ABAS hat der Gebührenpflichtige dem Verband auf dessen Aufforderung binnen eines Monats die Berechnungsgrundlagen mitzuteilen (Abs. 2 Satz 1). Kommt der Gebührenpflichtige seiner Mitteilungspflicht nicht fristgemäß nach, so kann der Verband die Berechnungsdaten schätzen (Abs. 3). Diese Regelungen zur Mitteilungspflicht und Schätzungsbefugnis sind im Gegensatz zur Auffassung des Klägers nach ihrem Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass sie sich jeweils auf den gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 und 4 ABAS als Gesamtschuldner heranzuziehenden Miteigentümer beziehen. Es ist der gebührenerhebenden Körperschaft aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich durchaus erlaubt, gegenüber einem der Miteigentümer im Rahmen der Festsetzung der Gebühr von der Schätzungsbefugnis dann Gebrauch zu machen, wenn (nur) dieser seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen ist. Denn es gilt zwar gem. § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG LSA i.V.m. § 88 AO der Untersuchungsgrundsatz, so dass die Körperschaft eigentlich sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Sachaufklärungsmöglichkeiten ausschöpfen muss. Der Untersuchungsgrundsatz wird jedoch durch die Mitwirkungspflichten des jeweiligen Miteigentümers gem. § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG LSA i.V.m. §§ 90 Abs. 1, 93 AO ergänzt und überlagert. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die abgabenerhebende Körperschaft die Grundlagen zur Heranziehung zu Abgaben zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabenpflichtige u.a. weitere Auskunft verweigert (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Beklagte hat den Kläger insgesamt dreimal einen Flächenerfassungsbogen übersandt bzw. an die Eintragung seiner Flächen in den Bogen erinnert, ohne dass der Kläger der Aufforderung nachgekommen ist oder zumindest auf seinen Miteigentümer verwiesen hat oder auch nur eine Erklärung für seine Untätigkeit abgegeben hat. Jedenfalls in einer solchen Konstellation durfte der Beklagte im Rahmen seiner Ermessensausübung nach § 7 II. Abs. 3 ABAS von einer Aufforderung an den Miteigentümer absehen und die Berechnungsgrundlagen für eine Gebührenerhebung gegenüber dem Kläger schätzen.

5. Soweit der Kläger rügt, dass der Beklagte die Grundlagen seiner Schätzung hinsichtlich der Bemessungsfläche nicht dargelegt habe, hat er ebenfalls keinen Erfolg. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, der Beklagte habe eine Schätzung anhand von Durchschnittswerten im Verbandsgebiet zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vorgenommen, und dass das Gericht die Methode gebilligt hat. Der Kläger hätte deshalb diese rechtliche Erwägung angreifen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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