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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 4 L 411/04
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 127 II
BauGB § 242 IX
Die Frage, ob eine Erschließungsanlage bereits endgültig hergestellt ist (§ 242 Abs. 9 BauGB), beurteilt sich nach den Verhältnissen im Ort. Eine Differenzierung zwischen Anlieger- und Hauptverkehrsstraßen oder Besonderheiten für historische (vor 1949 hergestellte) Straßen ist dem Erschließungsbeitragsrecht fremd.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 L 411/04

Datum: 12.01.2005

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen; denn diese sind nicht hinreichend dargelegt worden (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Der Darlegungslast genügt nur, wer den "Grund" benennt, der ausnahmsweise die Zulassung rechtfertigt, und dessen Voraussetzungen "schlüssig" beschreibt. Dazu gehört bei § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass belegt wird, es beständen gerade "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" der angefochtenen Entscheidung. Dies verlangt zunächst, dass der Antrag einzelne tatsächliche Feststellungen des Gerichts oder Elemente der rechtlichen Ableitung konkret bezeichnet, die beanstandet werden sollen, sowie zusätzlich, dass aufgezeigt wird, aus welchem Grund die konkrete Passage ernstlichen Zweifeln begegnet. Da § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO außerdem verlangt, dass ernstliche Zweifel an der "Richtigkeit" des Ergebnisses bestehen, muss der Zulassungsantragsteller ferner darlegen, dass das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einer anderen, für den Rechtsmittelführer positiven Entscheidung gelangt wäre. Daran fehlt es hier.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Beitragserhebung vorliegend auf der Grundlage der §§ 127 ff. des Baugesetzbuchs - BauGB - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1997 (BGBl I 2141, ber.: BGBl. 1998 I 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.06.2004 (BGBl I 1359), i. V. m. einer wirksamen Erschließungsbeitragssatzung hätte erfolgen müssen, weil die ausgebaute Straße "M." am 03.10.1990 nicht insgesamt im Sinne des § 242 Abs. 9 BauGB den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend bereits hergestellt war.

Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft auf einen pauschalen örtlichen Ausbauzustand abgestellt und entgegen dem Wortlaut des § 242 Abs. 9 BauGB die tatsächlichen Ausbaugepflogenheiten unberücksichtigt gelassen. Vielmehr sei das Kriterium der örtlichen Ausbaugepflogenheiten an vergleichbaren Straßenarten zu werten nach einer Unterscheidung in Anliegerstraßen bzw. Erschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen; dies gelte in besonderem Maße für historische Straßen, die vor 1949 hergestellt worden seien.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 16.12.2000 - 2 L 104/00 -) knüpft das Merkmal "örtliche Ausbaugepflogenheiten", wie die Wortwahl bereits nahe legt, an die Ausbaugepflogenheiten in einem ganzen Ort, also einer Gemeinde oder einer Stadt an, nicht jedoch an die Ausbaugepflogenheiten eines "eine optische Einheit bildenden Gebiets" (so OVG MV, Beschl. v. 03.06.1996 - 6 M 20/95 -, DVBl. 97, 501 [503]) oder die einer anderen Teileinheit auf dem Gemeindegebiet wie z. B. eines Ortsteils (Stadtteils) oder einer Siedlung. Für eine weitergehende Unterscheidung der Erschließungsanlagen nach ihrer Verkehrsbedeutung am 03.10.1990 oder ihrer geschichtliche Entwicklung, insbesondere ihres Alters, bietet der Wortlaut des § 242 Abs. 9 BauGB keinen Ansatzpunkt; denn diese Vorschrift stellt ausschließlich ab auf "Erschließungsanlagen" oder "Teile von Erschließungsanlagen" im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB, ohne zwischen den einzelnen Straßentypen zu unterscheiden oder sog. "historische Anlagen", welche bereits vor 1949 hergestellt wurden, einer eigenständigen rechtlichen Betrachtung zu unterwerfen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 242 Abs. 9 BauGB eine weitergehende Differenzierung gewollt hat; denn zum einen ist dem Erschließungsbeitragsrecht - wie sich insbesondere aus § 127 Abs. 2 BauGB ergibt - die im Straßenausbaubeitragsrecht aufgrund der Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.12.2003 (LSA-GVBl., S. 370), notwendige Differenzierung zwischen Anlieger-, Haupterschließungs- oder Hauptverkehrsstraßen fremd und zum anderen sollte mit der Überleitungsvorschrift des § 242 Abs. 9 BauGB lediglich eine generalisierende Regelung für eine Übergangszeit geschaffen werden, die schon ihrem Wesen nach einer weitergehenden Differenzierung nicht zugänglich ist (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 2 RdNr. 42). Im Übrigen würde ein Abstellen auf die Verkehrsbedeutung der jeweiligen Erschließungsanlage zu kaum überwindbaren Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Frage führen, welche Straße am 03.10.1990 diesem oder jenem Straßentyp zuzuordnen ist.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen; denn für eine "grundsätzliche Bedeutung" ist keine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, aber in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage aufgeworfen, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Frage muss so eindeutig bezeichnet sein, dass bereits im Zulassungsverfahren beurteilt werden kann, ob sie in dem anhängigen Rechtsmittelverfahren klärungsbedürftig und -fähig ist (BVerwG, Beschl. v. 14.02.1984 - BVerwG 1 B 10.84 -, Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 102 [S. 75]). Insbesondere muss dargelegt werden, dass die Frage, so, wie sie formuliert worden ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits entscheidungserheblich (gewesen) ist (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 18.02.1998 - A 1 S 134/97 -; OVG NW, Beschl. v. 31.05.1995 - 1 A 2214/99.A -; VGH BW, Beschl. v. 10.05.1999 - A 6 S 1784/98 -).

Daran fehlt es; denn die von der Beklagten aufgeworfene Frage, "ob bei der Wertung der örtlichen Ausbaugepflogenheiten eine Differenzierung der Straße nach der Verkehrsbedeutung erfolgen muss", ist nach den Feststellungen des Senats unter Nr. 1 nicht klärungsbedürftig, weil sich die Frage ohne Weiteres durch Auslegung der §§ 242 Abs. 9; 127 ff. BauGB und der insoweit zu dem Merkmal der örtlichen Ausbaugepflogenheiten vorliegenden Senatsrechtsprechung beantworten lässt.

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